Kapitel 26
Eigon hatte so sehr von ihrer Kraft gezehrt, dass Jess völlig erschöpft war. Der Kopf tat ihr weh, ihr ganzer Körper verlangte nach Ruhe und Erholung. Als also das Zimmermädchen zum Saubermachen kam, nutzte Jess die Gelegenheit und verließ das Haus. Schließlich gab es immer noch mehrere Orte, die sie gern sehen wollte, oder vielmehr: die sie unbedingt sehen musste. Orte von großer historischer Bedeutung, an denen auch Eigon gewesen war. Daniel musste längst über alle Berge sein, folgte Rhodri quer durch Europa, und sie hatte Titus’ Versuche, Zugang zu ihren Gedanken zu bekommen, erfolgreich abgewehrt. Also konnte ihr nichts passieren. Niemand würde sie finden, und da sie auch nur zwei Stunden ausbleiben wollte, würde niemand von ihrem kleinen Ausflug erfahren. Als sie das Haus verließ, versteckt unter einem Sonnenhut und mit einer dunklen Sonnenbrille auf der Nase, suchte sie die Straße in beiden Richtungen ab. Niemand achtete auf sie, davon war sie überzeugt, und bevor sie das Haus verlassen hatte, hatte sie alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die ihr einfielen, um Titus aus ihrem Kopf fernzuhalten. Dieses Mal rezitierte sie T.S. Eliot.
Langsam ging sie auf den Fluss zu, immer Richtung Vatikan, wobei sie sich oft mühsam einen Weg durch die Menschenmassen bahnen musste. Irgendwo dort, am Fuß des Mons Vaticanus, war Neros Zirkus gewesen, der Ort, an dem Melinus gestorben war. »Links gegenüber der Kirche«, wie ihr Reiseführer in aller Kürze mitteilte. Lächelnd betrachtete sie die große Basilika St. Peter. Seit alters galt der Petersdom als der Ort, an dem sich das Grab des heiligen Petrus befand. Und der Obelisk, der jetzt vor ihr in der Mitte der Piazza San Pietro stand und den Kaiser Caligula 36 n. Chr. nach Rom gebracht hatte, hatte jahrelang in der Mitte des Zirkus gestanden zum Gedenken an Petrus’ Tod. Jess war längst entfallen, dass sie eigentlich Gedichte rezitieren sollte, suchend blätterte sie im Stadtführer und schaute zwischendurch immer wieder zum Obelisken. Seit zweitausend Jahren stand er hier oder hier in der Nähe. Er hatte miterlebt, wie Löwen die sogenannten Staatsfeinde zerfleischten, hatte deren Schreie gehört, hatte gesehen, wie die Sägespäne zusammengekehrt und alle Spuren des Todes beseitigt wurden. Er hatte mit angesehen, wie ein alter Mann gekreuzigt wurde, hatte das Wachsen des Glaubens miterlebt, dem dieser Mann gefolgt war und zu dessen Ruhm Michelangelos großartige Kuppel, die alles Umstehende überragte, entstanden war. Langsam drehte Jess sich einmal um die eigene Achse. Sie wollte den Petersdom nicht betreten. Jetzt war nicht der richtige Moment, um Architektur und Kunst zu bewundern, und auch nicht, um daran erinnert zu werden, wie militant sich die Kirche entwickelt hatte. Das waren die Dinge, die Jess am Christentum nicht begreifen konnte: die Inquisition, der Fundamentalismus, die politischen Einlassungen, der unermessliche Reichtum. Die Kirche Petrus’ glaubte sie zu kennen, des Petrus’, der mit Jesus umhergewandert und ihm ein Fels gewesen war, die Kirche Eigons und Marcellus’. Es war eine Kirche der kleinen häuslichen Zusammenkünfte, der inständigen Gebete und der feierlichen Mahlzeiten mit Brot und Wein. Damals waren dafür noch keine besonderen Gebäude nötig gewesen. Es war eine Kirche der Liebe gewesen, eine Kirche der Menschen und des Glaubens.
Allmählich wurde Jess bewusst, welch unglaubliche Erfahrung ihr gerade ermöglicht wurde. Voller Erstaunen lächelte sie. Wie viele der Leute, die hier wie sie mit ihren Stadtführern herumgingen, ihren Kameras, ihrer Liebe zu Rom, würden glauben, dass sie, Jess, den heiligen Petrus gesehen hatte? Ihn hatte reden hören? Mit gerunzelter Stirn ging sie weiter Richtung Fluss. Sie hatte in ihren Träumen erstaunliche Ereignisse miterlebt, das war ein ungemeines Privileg. Und jetzt hatte sie dieselbe Luft geatmet wie die Gestalten aus ihren Träumen, war dieselben Straßen entlanggegangen, hatte den Fluss gesehen, den auch sie gesehen hatten. Daniel war vergessen. Jess ging wieder ganz in ihrer Geschichte auf.
Einen Ort wollte sie noch sehen: den Mamertinischen Kerker, in dem Julius und sein Großvater eingesperrt gewesen waren und in dem später auch Petrus gefangen gehalten worden war, wie sie aus ihrem Führer wusste. Dort stand auch, dass man den Kerker noch besichtigen könne. Er lag unter einer alten Kirche am Fuß des Kapitolinischen Hügels. Den wollte, den musste sie sehen. Der Weg dorthin, Richtung Forum, führte nahe an ihrer Pension vorbei. Am Ende der Gasse blieb sie zögernd stehen. Eigentlich war sie müde und wünschte sich nichts sehnlicher, als in die Stille, die Sicherheit und die Kühle ihres Zimmers zurückzukehren. Andererseits wollte sie unbedingt den Kerker aufsuchen, und sie wusste, wenn sie erst einmal wieder in der Pension war, würde sie sich nicht mehr aufraffen, noch einmal nach draußen zu gehen. Kurz entschlossen überquerte sie die Straße und ging zur Campidoglio hinauf.
Neben dem Eingang zur Kirche, unter der sich das Gefängnis befand, führte eine lange Treppe nach unten. Nach kurzem Zögern stellte Jess sich ans Ende der kurzen Schlange von Wartenden. Offenbar wurden die Besucher nur in kleinen Gruppen eingelassen, und als Jess schließlich über die steilen Stufen in den Kerker hinunterstieg, wurde ihr auch der Grund klar. Hier unten war es beengt und dunkel, die Gewölbe waren sehr niedrig. Im ersten Moment hätte sie am liebsten kehrtgemacht und wäre nach oben geflohen, Gänsehaut lief ihr über die Arme, ein Anflug von Panik stieg in ihr auf. Sie zwang sich, ruhig durchzuatmen und weiterzugehen, hielt sich dicht an die Mauern, während die anderen Mitglieder der Gruppe den Führer umringten. Er sprach so schnell auf Italienisch, dass Jess sich gar nicht die Mühe machte, ihn zu verstehen; sie beschränkte sich darauf, sich umzusehen. Durch ein Loch im Gewölbe drang ein schwacher Lichtstrahl. Durch ebendieses Loch, so wusste sie aus ihrem Führer, waren die Gefangenen in den Kerker gestoßen worden; die Treppe hatte es damals noch nicht gegeben. Vor der hinteren Wand stand ein kleiner Steinaltar, im Boden davor war eine Vertiefung, die mit etwas Wasser gefüllt war. Dies war die Quelle, die laut ihrem Stadtführer am Abend vor dem Tod des heiligen Petrus entsprungen war, damit er seine Bewacher taufen konnte. Unversehens gaben sich die Besucher als Pilgerschar zu erkennen und sprachen gemeinsam ein Gebet. Einen Moment rissen sie Jess mit ihrer Andacht mit, und sie spürte die Heiligkeit dieses Ortes. Doch das dauerte nur wenige Sekunden, dann strömte die Gruppe wieder der Treppe und der frischen Luft entgegen. Einen Moment blieb Jess allein im Kerker zurück, spürte die Atmosphäre mit ihren vielen Erinnerungen, doch als die nächste Besuchergruppe auf der Treppe zu hören war, zwängte sie sich an ihr vorbei nach oben, begierig darauf, nach draußen zu gelangen. Die Traurigkeit des Ortes berührte sie zutiefst, ebenso wie das Wissen, das Eigon und Julius nicht gehabt hatten - dass die Ereignisse, die sie durchlebt hatten, historisch außerordentlich bedeutsam gewesen waren.
 
Die Pension wirkte verwaist, als Jess zurückkam. Sie hatte sich etwas Gebäck gekauft, eine Tüte mit Feigen und ein paar Flaschen Wasser. Müde stieg sie zu ihrem Zimmer hinauf, stieß die Tür auf und trat ein. Sie stellte die Einkaufstüten auf dem Tisch ab, warf ihre Tasche aufs Bett und ging direkt ins Bad, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen.
Als sie wieder herauskam, lehnte Daniel an der Tür zum Flur. In der Hand hatte er den Schlüssel zu ihrem Zimmer. »Buongiorno, Jess. Hast du einen schönen Tag gehabt?«
Kurz schloss sie die Augen, zu entsetzt, um auch nur ein Wort herauszubringen.
Er lächelte. »Ein hübsches Zimmer hast du da, sehr ruhig. Als ich deine Schritte auf der Treppe gehört habe, bin ich kurzerhand im Schrank verschwunden, um dir Zeit zu lassen, wieder anzukommen.«
»Wie hast du mich hier gefunden?« Endlich hatte sie ihre Sprache wiedergefunden. Sie setzte sich auf den Rand des Stuhls, der am Schreibtisch stand. Ihre Beine zitterten. »Titus?«
»Nicht Titus. Nicht dieses Mal. Viel banaler und einfacher! Ich habe Carmellas Handy geklaut. Ich habe jeden angerufen, mit dem sie in der letzten Zeit gesprochen hat, und das Mädchen, das hier ans Telefon ging, bestätigte bereitwillig, dass du dich hier einquartiert hast.«
»Und was willst du machen, nachdem du jetzt hier bist?«
Er stand immer noch lässig an die Tür gelehnt. »Tja, das ist die Frage. Ich bin mir nicht ganz sicher. Überhaupt nicht sicher. Ich warte auf Anweisungen.«
»Anweisungen?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Plötzlich war sie sich sehr bewusst, dass sie im Bad ihre Leinenbluse ausgezogen hatte und jetzt zu ihrer Hose nur ein dünnes Hemdchen trug.
Er nickte. »Das ist das Problem. Titus will ständig mehr.«
»Daniel, du bist nicht Titus!«, sagte sie scharf. »Du bist ein guter Mensch, ein Lehrer, dem eine große Zukunft bevorsteht. Wenn diese Zukunft sich zerschlägt, ist das deine Schuld, nicht meine. Momentan weiß noch niemand irgendetwas. Warum lässt du es nicht dabei bewenden? Vergiss mich. Geh zurück zu Nat.«
Er schüttelte den Kopf. »Tja, das ist genau das Problem. Ich habe mit Nat gesprochen. Offenbar will die Polizei mit mir reden. Und was denkst du, aus welchem Grund?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ganz sicher nicht meinetwegen. Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich nicht angezeigt habe. Wenn irgendjemand bei der Polizei war, dann William, und weshalb, das weißt du so gut wie ich.«
»Ah ja, William. Aber dann gibt es noch Steph. Und Kim. Und Carmella.« Er zählte die Personen an den Fingern ab. »Und den ungemein liebenswerten Waliser nicht zu vergessen. Du hast sehr viele Freunde.«
Jess biss sich auf die Unterlippe. Als er das bemerkte, lächelte er vor Vergnügen. »Und keiner von ihnen ist jetzt hier, stimmt’s?« Er schüttelte den Kopf. »Carmella vertreibt sich den Nachmittag mit Henrico. Rhodri und Steph müssen mittlerweile den Ärmelkanal erreicht haben. Kim hat ihren Palast zugesperrt und treibt sich bei irgendwelchen Freunden an irgendwelchen Seen herum. Der einzige Unsicherheitsfaktor ist William, aber der ist eindeutig auch nicht hier.«
»Aber er ist auf dem Weg hierher.« Das sagte sie, ohne nachzudenken.
Seine Miene verhärtete sich. »Das macht alles natürlich ein bisschen dringlicher.«
»Nein, Daniel, das stimmt nicht. Das bedeutet nur, dass du jetzt gehen solltest. Bevor er kommt. Geh einfach. Wir vergessen, dass du hier warst.« Sie warf ihm ein flehentliches Lächeln zu. »Bitte, du willst mir nicht noch mehr wehtun. Du bist nicht Titus. Titus war ein absolut widerliches Ekel!«
»Das stimmt, das war er.« Daniel lächelte ironisch. »Man kann sich von ihm echt eine Scheibe abschneiden. Aber das Problem ist, er ist in meinem Kopf. Ich weiß, ich habe dir vorgeworfen, du seiest verrückt, und was die anderen Leute betrifft, stimmt das ja auch, für die bist du total durch den Wind. Aber ich fürchte, ich könnte auch verrückt sein.« Er seufzte nachdenklich. »Du wirst bloß von einem Gespenst heimgesucht, Jess. Bei mir ist es etwas viel Einschneidenderes. Es ist wirklich sehr seltsam, jemand anderen im Kopf zu spüren. Eine sehr merkwürdige Empfindung. Irgendwie spricht sie einen frei von dem, was man tut. Man tritt einfach in den Hintergrund und schaut zu. Gleichzeitig nimmt man aber trotzdem daran teil.« Er machte eine kurze Pause. »Der zweifache Spaß, sozusagen.« Er legte den Kopf schief. »Als ich dich nach der Schülerdisco gevögelt habe, war das nur zum Spaß. Ich habe dir was gegeben, damit du müde wirst. Die arrogante, hochnäsige Miss Kendal, die mich keines Blickes würdigte und sich im Bett dann wie eine Hure aufführte und alles tat, was ich ihr befahl. Es war großartig. Aber nichts, wofür es sich lohnen würde, meinen Job zu verlieren. Als du sagtest, du wüsstest, dass ich es gewesen bin, als du alles gefährdet hast, was für mich im Leben wichtig ist, wusste ich, dass ich etwas unternehmen musste. Meine Wut hat mich selbst erstaunt. Und genau die war es, die Titus angezogen hat. Ihm war sofort klar, dass wir Seelenverwandte sind.«
Jess merkte, dass sie am ganzen Leib zitterte. »Daniel, bitte. Wehr dich gegen ihn.«
Daniel lächelte. »Warum denn? Es ist ein fantastisches Gefühl. Unglaublich beflügelnd!«
»Kannst du ihn sehen?« Irgendwie musste sie dafür sorgen, dass er ständig weiterredete - nicht auf seinen Hohn eingehen, ihn beruhigen. Ganz ruhig das Gespräch in vernünftigere Bahnen lenken. »Beschreib ihn doch mal. Ich würde gern wissen, ob es derselbe Titus ist, den ich sehe.«
Er schwieg eine Weile. Sie glaubte, tatsächlich sehen zu können, wie er eine Leinwand vor sich betrachtete. »Er ist groß. Dunkler Typ. Römische Nase. Sieht gut aus. Eine Tätowierung auf dem Arm. Ein verschlagener Blick und merkwürdig goldfarbene Augen.« Er dachte kurz nach. »Ehrlich gesagt, als befehlshabenden Offizier würde ich ihn mir nicht wünschen.« Er lachte auf und richtete seine Aufmerksamkeit unvermittelt wieder auf sie. »Tja, also, sieht er aus wie deiner?«
Jess nickte. »Und Eigon?«
»Dunkle Haare, blasses Gesicht. Neigt zu Sommersprossen. Wunderschöne klare graue Augen. Wunderschön. Völlig anders als du!«
»Danke!«
»Ich meinte damit, dass sie ganz anders aussieht als du.« Er lehnte sich wieder gegen die Tür. Jess überlegte sich, dass er doch langsam müde werden musste. Das war gut, oder nicht?
»Jetzt wird sie mir allerdings ein bisschen zu fromm«, fuhr er nachdenklich fort. »Ab und zu ein bisschen Widerstandsgeist, aber sonst ständig dieses christliche Zeug, das geht mir allmählich auf die Nerven. Was sie braucht, ist mal ein bisschen männliche Aufmerksamkeit!« Er grinste.
»Weißt du, was am Ende passiert?«, fragte Jess, ohne auf seine letzte Bemerkung einzugehen.
»Nein. Du?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß, wo sie zurzeit ist. Da, wo Titus sie nicht finden kann.«
»Wo?«
»Irgendwo in den Bergen in einem halb verfallenen Dorf, ein ganzes Stück von Rom entfernt.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Und es haben ja ziemlich viele Christen überlebt und von den Gräueltaten berichtet. Das weißt du ja.«
»Ich könnte ihm sagen, wo sie war. Ist.« Er kniff die Augen zusammen. »Er hört auf mich.«
»Ach ja? Wirklich?« Wenn es ihr nur gelingen würde, ihn aus dem Zimmer zu locken, nach draußen auf die Straße, dann hätte sie eine Chance zu entkommen. Hier, in diesem Zimmer, war sie ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. »Ich könnte dich ja hinbringen«, sagte sie beiläufig, fast widerwillig. »Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, wo es ist, aber ich weiß, welchen Weg sie genommen haben. Ob das Dorf wohl noch steht?«
»Was haben sie denn vor?« Jetzt richtete Daniel sich auf. »Erzähl mir doch.«
»Sie besprechen, was sie tun sollen.«
»Wenn sie die Gefangenen herausholen wollen, das ist aussichtslos«, sagte er höhnisch. »Das ist unmöglich. Hast du die Gewölbe gesehen?«
Jess schauderte. Er wusste, was in ihrer Geschichte passierte. Er war ein Teil davon. Er konnte das sehen, was sie auch sah, aber durch die Augen einer anderen Person. »Ich bin heute im Mamertinischen Kerker gewesen«, sagte sie so ruhig wie möglich. »Da hat auch der heilige Petrus seine letzten Tage verbracht. Über dem Gefängnis haben sie eine Kirche errichtet. Draußen steht eine Tafel mit einer Inschrift. Ich habe sie nicht ganz verstanden, aber sie besagt so etwas in der Art, dass man sich die Aufenthaltsdauer im Fegefeuer verkürzt, indem man eine Wallfahrt dorthin unternimmt.« Das war völlig absurd. Jetzt klangen sie wie zwei Historiker, die sich über die Wechselfälle der Geschichte austauschten. »Es gibt noch andere Gefängnisse, und zwar auf dem Esquilin, hast du das gewusst? Im Mamertinischen Kerker war nicht genug Platz für alle Gefangenen. Die Häuser von Leuten wie Felicius Marinus und Julius, die im großen Feuer abgebrannt waren oder die abgerissen worden waren, um eine Brandschneise zu schlagen, wurden dem Erdboden gleichgemacht. Nachdem die einmal weg waren, stand Nero nichts mehr im Weg, seinen unglaublichen Vergnügungspalast zu bauen. Aber bevor es dazu kam, wurden die Keller der ganzen Häuser in Kerker verwandelt, in denen sie die Gefangenen unterbrachten, die er den Löwen vorwerfen wollte.« Sie verschränkte die Hände, um das Zittern zu unterdrücken. »Titus ist ein schlauer Mann. Wenn er dich hören kann, wenn er dich sehen kann, fragt er sich doch bestimmt, wie das funktioniert, genauso wie du und ich uns das fragen. Wenn er weiß, dass du weißt, wo sie sind, und dass du ihm diese Information vorenthältst, wird er dann nicht wütend?« Die Unlogik ihrer Worte entging ihnen beiden.
Daniel zuckte mit den Schultern. »Mit ein bisschen Gewalt kriegen wir das locker aus dir heraus.«
Sie schauderte. »Da ist nichts aus mir rauszukriegen. Ich kann dir nicht beschreiben, wo sie sind. Ich müsste einfach dem Weg folgen, den sie genommen haben.«
»Und dafür müsste ich dir erlauben, das Zimmer zu verlassen.« Daniel grinste freundlich. »So dumm bin ich auch wieder nicht, Schätzchen. Ich sehe doch, worauf du abzielst.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich sehr schlau. Also gut. Und was machen wir jetzt?« Bevor er etwas sagen konnte, griff sie nach ihren Einkaufstüten. »Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe wahnsinnigen Hunger. Ich habe ein bisschen Gebäck und Obst gekauft. Möchtest du auch etwas?«
Er machte eine abwehrende Geste. »Aber iss nur. Ich schau dir zu.«
Es war ihr unmöglich, etwas zu essen. Beim Kauen wurde das Gebäckstück zu Beton. Nachdem sie sich gezwungen hatte, zwei Bissen hinunterzuschlucken, legte sie es beiseite. Sie spürte, wie er sie beobachtete, und konnte sich seine belustigte Miene vorstellen, aber sie weigerte sich aufzuschauen. Mit dem Daumennagel öffnete sie eine Feige und saugte das süße, saftige Fruchtfleisch heraus.
»Gut?« Sein spöttischer Ton brachte sie dazu, aufzuschauen. Sie wusste, dass ihr Saft von der Feige übers Kinn lief. Neben ihm stand eine Gestalt. Schattenhaft, groß. Die beobachtete sie ebenso amüsiert wie Daniel. Vor Schreck schrie Jess auf und ließ die Feige auf den Tisch fallen.
»Was? Was ist denn?« Angespannt sah Daniel sich mit aufgerissenen Augen um.
»Kannst du ihn nicht sehen?«, stammelte sie und zeigte dorthin, wo sie die Gestalt sah.
»Wen?«
»Titus!« Es war ein tonloses Flüstern.
»Wo?« Daniel war kreidebleich geworden. »Wo? Ich kann ihn nicht sehen. Du lügst.«
»Ich lüge nicht!« Sie stand auf und trat ein paar Schritte zurück, damit der Tisch zwischen ihr und Daniel stand. Die Erscheinung stand direkt neben ihm, berührte ihn beinahe. Und dann berührte sie ihn tatsächlich.
»Aber, Daniel, kannst du ihn nicht spüren? Er ist direkt auf dir drauf. Er ist um dich herum.« Dann fiel es ihr wieder ein. »Hugo! O mein Gott, Hugo, mein Braver, komm, hilf mir. Bitte!«
»Wovon redest du denn?« Daniel war starr vor Angst. »Ich kann ihn nicht sehen.«
»Kannst du ihn nicht spüren? Daniel, er ist um dich. Hugo!« Dieses Mal schrie sie den Namen, und plötzlich war der Hund da, stand in der Mitte des Raums Daniel gegenüber. Riesig, schwarz, kräftig - und sprungbereit.
»Großer Gott, was ist das?« Daniel war aschfahl, entsetzt streckte er die Arme aus. »Halt ihn mir bloß vom Leib!«
Jess lächelte. »Geh. Jetzt. Ganz ruhig. Geh einfach. Ich kann ihn nicht lang zurückhalten.«
Daniel tastete panisch nach dem Türknauf, drehte hektisch daran, aber die Tür ging nicht auf. Wütend zerrte er daran.
»Du hast sie zugesperrt, Daniel«, sagte Jess ruhig. Sie sah, dass der Hund zu beben begann. »Hol den Schlüssel und steck ihn schnell ins Schloss. Viel Zeit bleibt dir nicht. Ich kann den Hund nicht mehr kontrollieren.«
»Ich kann ihn nicht finden!«
»Du hast ihn in der Hand gehabt. Du hast mich damit verspottet!«
»Was zum Teufel ist das, Jess?« Fahrig durchsuchte er seine Taschen. Endlich hatte er den Schlüssel gefunden, rammte ihn ins Schloss, drehte ihn um, und die Tür ging auf. Sekunden später rannte Daniel die Treppe hinunter.
Hugo drehte sich um und schaute zu Jess. Sie hätte geschworen, dass er lächelte. »Danke«, flüsterte sie. »Du hast mir das Leben gerettet.« Sie streckte die Arme nach ihm aus, doch er verblasste schon. Sie war überzeugt, dass er mit dem Schwanz wedelte, ehe er verschwand.
Mit zwei Schritten hatte sie die Tür erreicht. Sie warf sie ins Schloss, bückte sich nach ihrer Tasche und kramte ihr Handy hervor. Mit zitternden Händen schaltete sie es an und betete, dass der Akku nicht völlig leer war, während sie Williams Nummer eintippte. »William, er war hier. Daniel. Er hat mich bedroht. Bitte komm.«
»Jess, ich habe die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen. Rhodri hat mich gewarnt.« Williams Stimme drohte überzuschnappen. »Bleib, wo du bist. Schließ dich ins Zimmer ein. Ich komm so bald wie möglich.« Damit war die Verbindung unterbrochen. Entsetzt schaute sie auf das Telefon. Hatte ihr Akku den Geist aufgegeben, oder war es seiner? Sie wählte noch einmal, bekam aber keine Antwort. Wo immer William war, sie konnte ihn nicht erreichen.
 
»Zeig dich kurz, dann versteck dich wieder hinter der Mauer.« Marcellus stand direkt neben ihr. »Das genügt, um sie wissen zu lassen, dass du hier bist.« Sie sahen die Gruppe Männer in der Ferne, doch sie waren zu weit weg, als dass sie jemanden erkennen konnten.
Ihr Bote hatte eine eindeutige Nachricht überbracht. Eigon würde sich ihnen freiwillig ausliefern, wenn Felicius und Julius unverletzt freigelassen würden. Neutrale Unterhändler müssten sicherstellen, dass der Austausch korrekt ablief. Nur waren die Unterhändler nicht neutral. Sie würden im letzten Moment vortreten und sich zwischen Eigon und ihre Häscher werfen, gerade lange genug, dass die drei im Schutz der Dunkelheit in Sicherheit gebracht werden konnten. Marcellus hatte das alles organisiert, wenn auch mit Bauchgrimmen. Es war die einzige Möglichkeit, um Julius und seinen Großvater aus dem Verlies frei zu bekommen. Die Spiele konnten jeden Tag beginnen. Die Vorbereitungen in der Arena waren im vollen Gang, die Tiere hatten wieder Hunger.
Eigon war entschlossen. Sie war zu allem bereit, um Julius zu retten, und jetzt würde sie endlich auch Titus wieder begegnen. Es war, als hätte sie sich ihr Leben lang auf diese Begegnung vorbereitet. Dieses Mal würden sie sich als Ebenbürtige gegenüberstehen. Sie würde nicht im Nachteil sein. Sie wusste, wann und wo die Begegnung stattfinden würde, und sie hatte sich dafür gewappnet. Jetzt hatte sie keine Angst mehr, vielmehr bebte sie vor Wut. Er bedrohte die Menschen, die sie liebte. Seit sie zurückdenken konnte, hatte er sie terrorisiert. Er hatte ihre Freundin getötet, fast hätte er auch sie umgebracht. Er hatte den Tod ihres Vaters verschuldet. Diese Begegnung würde zu ihren Bedingungen ablaufen.
Marcellus warf einen Blick zu ihr. Er spürte ihre Wut und ihre kalte Entschlossenheit. »Bereit?«, flüsterte er. Er hielt das ganze Unterfangen immer noch für Wahnsinn, aber welche andere Wahl hatten sie denn?
Sie nickte. »Ich kann nichts sehen. Sind sie es?« »Wir bewegen uns erst, wenn wir uns absolut sicher sind.« Er lächelte aufmunternd. »Stephanus geht voran. Er hat Julius und seinen Großvater ein paarmal gesehen und kennt sie gut genug, um zu wissen, ob sie es wirklich sind.« Über die Schulter warf er einen Blick zu Stephanus, der grinsend den Daumen hob. »Soll ich jetzt losgehen?«
»Lass sie noch ein paar Schritte näher kommen. Sie haben bei weitem nicht die Hälfte des Wegs zurückgelegt.« Marcellus spürte, wie sich sein Körper anspannte. Er sah sich in der Dunkelheit um. Der Plan war ihm so simpel erschienen, so absolut sicher, aber jetzt, in der Dunkelheit, beschlichen ihn wieder Zweifel. Er und Eigon wollten die anderen überlisten, aber das konnte Titus Marcus Olivinus ebenfalls im Sinn haben.
»Worauf warten wir noch?« Eigon war zu ihm getreten, er spürte, dass ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren.
»Wir wissen noch nicht hundertprozentig, ob sie es sind. Es ist zu dunkel«, flüsterte Marcellus.
»Ruf ihnen zu.«
Marcellus warf einen Blick zu Stephanus. »Soll ich?«
Stephanus nickte. »Wir wollen uns ihnen ja nicht heimlich nähern. Sie wissen doch, dass wir kommen.«
Marcellus trat ein paar Schritte vor. »Titus Marcus Olivinus? Seid Ihr da? Zeigt uns unsere beiden Männer.«
Sie bekamen keine Antwort, aber die Gruppe schritt unentwegt auf sie zu.
»Julius?«, rief Stephanus. »Bist du da?«
Wieder bekamen sie keine Antwort, wieder näherte sich die Gruppe lautlos.
Eigon biss sich auf die Unterlippe, ihre Hände waren schweißnass. Und plötzlich wusste sie es. »Sie sind nicht da. Sie haben uns getäuscht!«
Fluchend packte Marcellus sie am Arm, machte kehrt und lief los. Plötzlich waren überall Männer. Fackeln loderten auf und erhellten die Nacht. Sie waren umzingelt. Geblendet von den tanzenden Flammen, blieb Eigon stehen. Sie konnte nichts sehen. Ihr Arm wurde aus Marcellus’ Griff gerissen, sie spürte, wie sie von ihm fortgeschleppt wurde. Mit einem Schrei der Wut bohrte sie ihre Finger in die Augen dessen, der sie gepackt hatte. Sie hörte lautes Fluchen. Der Griff um ihren Arm löste sich ein wenig, sie konnte sich losreißen, drehte sich um und lief blindlings durch das Gewühl, wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte. Irgendwo wieherte ein Pferd. Sie hörte das Donnern und Scharren von Hufen auf der gepflasterten Straße. Dann hatte jemand anderes sie gepackt. »Hier entlang! Schnell!« Sie erkannte Stephanus’ Stimme. »Hierher!«
»Julius?«, rief sie. »Wo ist Julius?«
»Er ist nicht hier. Er ist nie hier gewesen.« Einer Gruppe von Männern ausweichend, zog Stephanus sie durch ein Tor und in die Dunkelheit eines Weinbergs. »Hier weiter. Die anderen kommen allein klar. Die haben nicht damit gerechnet, dass wir genauso zusätzliche Leute mitgebracht haben.« Stephanus und Eigon liefen durch die Weinstöcke, vage konnten sie den Mond ausmachen. Dann bogen sie scharf nach rechts in ein Gebüsch. In der Ferne zog sich die Silhouette eines Aquädukts durch die Landschaft, die Mondschatten seiner Bögen fielen auf die Ebene. Auf diese Schatten steuerte Stephanus zu. Sie fanden eine Lücke in der Mauer des Weinbergs und liefen hindurch. Jetzt waren sie in einer Gegend mit vielen Gärten, hier und dort standen Obstgärten und kleine Bauernhäuser. Stephanus blieb stehen und sah sich um. »Ich kann niemanden hören. Du?« Sein Atem ging keuchend.
Eigon war zu erschöpft, um zu sprechen. Sie schüttelte den Kopf, schluckte heftig und presste die Hand in die Leiste, vom schnellen Laufen hatte sie Seitenstechen bekommen. »Und was ist mit Marcellus?«
»Er kann sich um sich selbst kümmern, aber wir müssen uns in Sicherheit bringen. Du bist es, hinter der sie her sind, vergiss das nicht.« Er sagte ihr nicht, dass Marcellus einen der jungen Männer aus ihrer Gruppe dazu überredet hatte, einen Rock und einen Umhang zu tragen für den Fall, dass ihr Plan fehlschlug. Mittlerweile würde er seine Verkleidung abgestreift haben, aber einige lebensrettende Momente sollte er die Häscher getäuscht haben, die mit etwas Glück ihm gefolgt waren. Lauschend hielt Stephanus die Luft an. Nichts. Eine leichte Brise wisperte in den Blättern der Ölbäume, die in der Nähe in einem Hain standen.
»Und was machen wir jetzt?« Eigons früherer Mut hatte sie völlig verlassen, sie merkte, wie zittrig sie klang. »Wo ist Julius?«
»Ich bezweifle, dass sie ihn überhaupt mitgebracht haben«, flüsterte Stephanus. »Das Risiko hat immer bestanden.«
Er sah, wie einen Moment Kummer über ihr Gesicht huschte, denn straffte sie die Schultern und atmete tief durch. »Wir müssen nach ihm suchen. Wir können ihn nicht dortlassen.«
Stephanus schüttelte den Kopf. »Eigon, überlass das den anderen. Es ist zu gefährlich für dich. Das weißt du auch. Du bist unser einziges Unterpfand.«
Sie wusste, dass er Recht hatte.
»Aber sie haben uns hereingelegt. Ein zweites Mal werden sie nicht in einen Tausch einwilligen.«
»Marcellus wird etwas einfallen. Er ist ein guter Stratege. Überlass es nur ihm. Bis es hell wird, brauchen wir ein sicheres Versteck. Dann müssen wir uns wieder mit den anderen zusammentun. Jetzt müssen wir uns erst zu einem Haus durchschlagen, das einigen Christen gehört. Dort werden sich auch die anderen von uns wieder einfinden.«
»Ist es weit?«
»Ja, aber wir gehen langsam, und nach einer Weile können wir eine kleine Rast einlegen. Hier ist das Gelände einfach zu offen, hier sind wir nicht sicher.«
»Und was ist mit Julius und seinem Großvater?«
Stephanus schwieg einen Moment, bevor er antwortete. »Wir beten für sie. Du musst fest daran glauben, Eigon. Gott ist auf unserer Seite. Er wird uns beschützen.«
»Gott will Märtyrer«, sagte sie bitter. »Ich habe doch gehört, wie Marcellus das sagte. Er will, dass Leute ihren Glauben unter Beweis stellen, indem sie qualvoll für ihn sterben. Ich dachte, er sollte ein Gott der Liebe sein.« Fröstelnd zog sie ihren Umhang enger um sich.
Stephanus erwiderte nichts darauf und setzte sich seufzend wieder in Bewegung. Er ging so schnell, dass Eigon laufen musste, um Schritt zu halten. Sein Schweigen hatte sie daran erinnert, dass seine Frau bereits für ihren Glauben gestorben war. Peinlich berührt wegen ihrer Gedankenlosigkeit fasste sie ihn am Arm. »Und wo sind deine Kinder, Stephanus?«
»Jemand kümmert sich um sie.«
»Du hast sie allein gelassen, um mir zu helfen?« Sie zwang ihn stehen zu bleiben und sah ihm in die Augen.
»Das war meine Pflicht.«
»Nein, das war nicht deine Pflicht. Das war eine Tat der Liebe.« Sie machte eine hilflose Geste. »Es tut mir leid. Ich bin noch keine besonders gute Christin.«
Er lächelte verständnisvoll. »Ist das irgendeiner von uns? Wir bemühen uns alle darum, das zu tun, was Jesus sich von uns gewünscht hätte, aber er hat Verständnis für uns. Er wusste, dass wir nicht so stark sind wie er. Schau dir Petrus an. Sogar er leugnete Christus, als er Angst hatte.«
Eigon ließ seinen Arm los und schritt entschlossen wieder aus. »Du hast Recht.« Schweigend gingen sie ein Stück weiter. »Melinus war tapfer«, sagte sie schließlich. »Er war ein Druide. Sie wurden in Rom auch verfolgt. Ich glaube nicht, dass ich so stark sein könnte.«
»O doch. Du bist einer der tapfersten Menschen, den ich kenne.« Stephanus grinste zu ihr hinüber. »Julius hat Glück.«
Eigon errötete. »Ich habe nie zu hoffen gewagt, wir könnten ein Paar werden. Das hätten meine Eltern nie erlaubt.«
»Und du hättest nicht gegen ihren Willen gehandelt?« Fragend hob er die Augenbrauen.
Sie lächelte. »Nicht gegen den meines Vaters, nein.«
»Aber jetzt ist er tot.«
Sie nickte traurig. »Jetzt ist er tot.«
»Also, was hindert dich jetzt?«
Sie lachte auf. »Abgesehen von einem Kerker, überhaupt nichts.« Beim Gedanken an ihre Mutter, die jetzt mit ihren Erinnerungen allein in der Villa war, wurde sie traurig. Hatte sie auch nur einmal an die Tochter gedacht, die sie verstoßen hatte? Das würde sie vermutlich nie erfahren.
Als der Tag dämmerte, hatten sie ihr Ziel endlich erreicht. Erschöpft und mit staubigen Kleidern betraten sie den Garten der Villa, wo Stephanus an eine Seitentür klopfte. Sie wurde sofort geöffnet, die beiden traten ein und wurden von einer großen, weißhaarigen Frau empfangen, die selbst zu dieser frühen Stunde elegant gekleidet war. Ihr Gesicht war blass, ihre Haut sehr glatt, sie war durch und durch eine Patrizierin, obwohl das leuchtende Kornblumenblau ihrer Augen zusammen mit ihrer hellen Haut verrieten, dass ihre Herkunft weit im Nordwesten des römischen Reiches lag. Gleich darauf wurde Eigon von einer hübschen, gut gekleideten Sklavin fortgeführt, die ihr bereitwillig half, zu baden und den Staub aus ihren Haaren zu bürsten, ihr neue Kleider gab und sie innerhalb kürzester Zeit zu Stephanus und ihrer Gastgeberin zurückbrachte, wo ihr zu essen vorgesetzt wurde.
»Ich bin Junilla Gallica, meine Liebe. Willkommen. Hier bist du in Sicherheit.« Lächelnd reichte die Frau Eigon ihre Hände und zog sie an sich, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. »Setz dich. Hier sind Brot und Käse und Honig und calda zu trinken.« Sie schob eine Karaffe des warmen, schwach gewürzten Weins zu ihren Gästen hinüber. »Bitte, Stephanus, segnest du für uns das Mahl?«
Als warmes Sonnenlicht den Raum füllte, merkte Eigon, dass ihr die Augen zufielen. Verlegen zwang sie sich, sie wieder zu öffnen, doch wieder schlossen sie sich wie von selbst. Ihre Gastgeberin lächelte. »Wehr dich nicht dagegen, meine Liebe. Geh ins Gästezimmer und schlaf. Wir holen dich, wenn die anderen kommen.«
Es dauerte mehrere Stunden, ehe die ersten Nachrichten eintrafen. Marcellus und sechs andere staubige, erschöpfte Männer, unter ihnen auch Silas, kamen schließlich, als Eigon und Junilla in einem schattigen Hof beisammensaßen und sich unterhielten.
»Wir sind ihnen entkommen, bald nachdem du und Stephanus fort wart«, sagte Marcellus und ließ sich auf einen Schemel neben den beiden Frauen fallen. »Niemand wurde ernstlich verletzt, wir haben niemanden verloren. Und wir haben Neuigkeiten.«
Erwartungsvoll schauten die beiden Frauen zu ihm.
»Felicius ist freigelassen worden.«
»Was?« Eigon sprang auf. »Und was ist mit Julius?«
»Soweit ich es verstanden habe, stehen sie auf Befehl des Kaisers beide unter Hausarrest. Wir wissen nicht, warum. Ihr kennt ja Neros Launenhaftigkeit. Aber ich vermute, es hat etwas damit zu tun, dass Felicius als Senator einflussreiche Freunde hat. Mein Informant hat gesagt, dass Marcus Olivinus schäumt vor Wut, aber in der Sache machtlos ist. Trotzdem müssen wir uns vor ihm in Acht nehmen. Alle seine Pläne sind durchkreuzt worden, und er kann Julius immer noch als Köder einsetzen, also« - abwehrend hob er die Hand, weil Eigon ihn unterbrechen wollte -, »werden wir nichts überstürzen und uns zuvor genau den nächsten Schritt überlegen.«
Am nächsten Morgen hatten sie sich auf einen Plan geeinigt, den sie so lange besprochen hatten, bis er ihnen absolut sicher erschien. Alles hing von Junilla Gallica ab.
Sie und Eigon hatten beide einen schweren Schleier angelegt und waren schlicht und unauffällig gekleidet, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Unter ihren Umhängen trugen sie zwei weite Gewänder, die auch eine größere Körperfülle verborgen hätten. Zu ihrem Schutz wurden sie von zwei mit Keulen bewaffneten Sklaven begleitet, wie es üblich war für Damen aus weniger begüterten Patrizierhäusern, die sich keine kostspieligen bewaffneten Leibwächter leisten konnten. Einer der Sklaven trug zusätzlich eine Tasche über die Schulter geschlungen, in dem sich ein weiterer Schleier und ein Umhang befanden. Die Absicht war, den Eindruck zu erwecken, dass die beiden Frauen in Trauer waren, sollte jemand das Haus beobachten.
Auf dieser Mission sahen sowohl Junilla Gallica als auch Eigon Rom zum ersten Mal seit dem Brand wieder und waren entsetzt vom Ausmaß der Zerstörung. Ganze Viertel lagen in Schutt und Asche, überall ragten die Ruinen halb zerfallener, verlassener Häuser auf, in den Straßen türmten sich Berge von Steinen, Asche und verkohltem Holz. In anderen Vierteln hatte das Feuer offenbar überhaupt keinen Schaden angerichtet. Das Leben in der Stadt ging seinen gewohnten Gang, wenn auch in gedämpfterer Atmosphäre. Das Haus, in dem Felicius und Julius sich aufhielten, lag in einem ruhigen Viertel mit vornehmen Häusern auf dem Caelius, einem Viertel, das von den Flammen verschont geblieben war. Das Haus schien lediglich von zwei Sklaven bewacht, die vor der Haustür standen. Junilla ging langsam, aber selbstbewusst darauf zu. Dann wandte sie sich zu einem der Sklaven und neigte anmutig den Kopf. Der Sklave verbeugte sich, trat vor und klopfte mit seiner Keule an die Tür. Schweigend warteten sie. Unter ihrem Schleier wagte Eigon kaum zu atmen, während sie aus den Augenwinkeln die Häuser rechts und links von ihnen beobachtete. Die beiden Wachen würdigten sie keines Blickes. In der Straße war es ruhig, Sonnenlicht spielte auf den Pflastersteinen. Nichts erweckte den Eindruck, dass sie beobachtet würden. Endlich hörten sie aus dem Hausinneren Schritte, die Tür wurde geöffnet. Junilla trat vor. »Ich bin gekommen, um meinen Bruder zu besuchen.« Ihre Stimme klang überzeugend schwach und bekümmert. »Bist du das, Septimus?« Mit zusammengekniffenen Augen spähte sie durch ihren Schleier. »Bitte, sag ihm, dass ich gekommen bin.«
Sie trat ins Haus, gefolgt von Eigon und den Sklaven. Hinter ihnen wurde die Tür geschlossen. Vor Erleichterung atmete Eigon tief durch. Bis zu diesem Moment hatten sie nicht mit Sicherheit gewusst, ob ihre Nachricht, in dem sie ihren Plan grob umrissen, tatsächlich hier im Haus eingetroffen war. Sie hatten Silas zu ihrem Boten bestimmt. Wenn sich irgendjemand durchschlagen konnte, dann er, und ihm würde sie ihr Leben anvertrauen. Septimus, ein hagerer Mann mit schütterem Haar, der die tadellose, aber schlichte Tunika eines älteren Haussklaven trug, legte den Finger auf die Lippen und ging ihnen durch den Korridor rasch in eines der Zimmer voraus. »Hier herein, Herrinnen«, sagte er laut. Im Flüsterton fuhr er fort: »Bitte sagt nichts Unüberlegtes. Wir wissen nicht, wer ein Spion sein könnte.«
Junilla warf einen warnenden Blick zu Eigon, die schweigend nickte. Ihr Herz klopfte vor Angst und Aufregung wie wild.
Es dauerte eine ganze Weile, ehe jemand erschien, aber schließlich kam Tempus Decimus, der Besitzer des Hauses, begleitet von seinen zwei Gästen. Sie wirkten erschöpft und waren beide sehr mager. Decimus war ein großer Mann Anfang vierzig, Kummerfalten hatten sich tief in sein Gesicht eingegraben. Im Augenblick jedoch lächelte er. Eigon merkte, dass Julius’ Blick sie streifte. Das war die einzige Geste des Erkennens zwischen ihnen. »Erfrischungen, bitte«, ordnete ihr Gastgeber an. Die beiden Sklaven, die wartend neben der Tür standen, verneigten sich und verschwanden. Junillas Sklaven folgten ihnen. Eine kurze Zeit waren die fünf allein im Raum.
»Schnell, Eigon.« Junillas Gebaren als gebeugte alte Dame verschwand im Handumdrehen. »Zieh dein Gewand und deinen Schleier aus. Und deinen Umhang. Gib alles Julius. Und du, Felicius, streifst dir dieses Gewand über.« Junilla reichte ihm die Tasche, die sie mitgebracht hatten.
Grinsend wandte Julius Eigon den Rücken zu, als sie tat, wie ihr geheißen. Dann reichte sie ihm ihr Kleid, das er über den Kopf zog, gefolgt von Umhang und Schleier. Nur mit Mühe konnten sie ein Lachen unterdrücken, als die Säume der Ärmel unter seinen kräftigen Schultern fast platzten. »Geht das?«, fragte Eigon Junilla.
Diese lächelte. »Wenn die Wachposten blind sind! Aber du musst wie sie gehen, Julius. Und sie muss gehen wie ich, gebeugt und alt!« Sie nahm ihren Umhang und ihren Schleier ab und reichte beides Eigon.
»Sie kommen!« Decimus stand neben der Tür. »Schnell, Felicius, Junilla, hinaus in den Hof.«
Als die Sklaven zurückkehrten, waren wie zuvor zwei Frauen im Raum, jetzt saßen sie allerdings nebeneinander auf einer Liege, beide noch verschleiert. Decimus stand neben ihnen. Zwei andere Damen, halb verborgen hinter den eingetopften Pflanzen im Hof, betrachteten den Teich, den Rücken dem Raum zugewandt. Wortlos stellten die Sklaven die Erfrischungen auf den niedrigen Tisch und zogen sich zurück.
»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte Decimus, als die Tür hinter ihnen geschlossen war. Er ging zum Fenster und bedeutete Junilla und Felicius, wieder ins Zimmer zu kommen.
»Nachdem wir die Erfrischungen zu uns genommen haben, gehen Eigon und ich wieder, wie wir gekommen sind, mit unseren Sklaven«, sagte Junilla entschlossen, streifte ihren Umhang ab und warf ihn über die Lehne der Couch. »Nur bin es natürlich nicht ich.« Sie lächelte zu Julius hinüber. »Zum Glück hat Eigon in etwa meine Größe. Ich bezweifle, dass die Wachposten den Unterschied bemerken. Als wir angekommen sind, haben sie uns kaum beachtet.«
»Und wie verlässt du dann das Haus?«, fragte Felicius.
»Mit dir, mein Lieber. Nachdem die Wachposten abgelöst worden sind.« Junilla warf Felicius ein Lächeln zu. »Wir tragen Umhänge und Schleier und gehen ganz ungestört Arm in Arm hinaus, so, wie wir gekommen sind. Selbst wenn jemand etwas sagt, dass wir bereits gegangen wären, wird niemand zwei Frauen aufhalten, die das Haus verlassen.« Sie runzelte die Stirn. »Aber was wird mit dir passieren, wenn sie herausfinden, dass deine Vögel ausgeflogen sind?« Sie wandte sich zu Decimus.
Er lächelte spöttisch. »Ich habe nicht vor, hier zu sein, wenn sie das feststellen. Ich weiß, welchen meiner Sklaven ich vertrauen kann. Bei anderen bin ich mir nicht so sicher. Aber wir haben einen Plan. Ich werde das Haus sehr bald nach euch verlassen und mich zum Bad begeben. Und dort werde ich verschwinden. Ich werde so bald wie möglich zu dir aufs Land kommen, meine Liebe.«
»Wenn sie feststellen, dass deine Gäste verschwunden sind, verlierst du unseretwegen sehr viel, Decimus.« Junilla legte ihm eine Hand auf den Arm. »Dein Haus ist in Gefahr, dein ganzer Besitz, dein Platz im Senat.«
Wieder lächelte er. »Es wird nicht das erste Mal sein, dass ich zum Wohle meiner Gesundheit freiwillig ins Exil gehe! Ich komme wieder.« Er schenkte ihr einen Becher Wein ein, dann einen zweiten, den er Eigon reichte. »Trinkt das, um euch Mut zu machen. Dann solltet ihr beide«, er deutete mit dem Kopf auf Eigon und Julius, der unbehaglich in der Frauenkleidung dastand, »gehen, bevor sie die Wachen austauschen. Soll ich eure Sklaven rufen?«
Junilla nickte. »Eigon, vergiss nicht, du bist ich. Du gehst gebeugt, meine Liebe, alle Glieder tun dir weh. Und du bist in tiefer Trauer. Aber wenn sie dich ansprechen, musst du antworten«, lachte sie. »Wenn Julius auch nur ein Wort sagt, seid ihr verloren.«
Gehüllt in Junillas Umhang und Schleier, ging Eigon langsam und gebeugt als Erste zur Tür. Ihr folgte Julius mit leichten Schritten, er versuchte, Eigons Haltung nachzuahmen, ihren unbekümmerten, aufrechten, anmutigen Gang. Die zwei Sklaven, die ihnen folgten, hielten die Keulen locker in der Hand, und als die Haustür geöffnet wurde, traten sie alle in die Sonne hinaus. Es fiel ihnen sehr schwer, langsam auszuschreiten, links abzubiegen, auf der Schattenseite zu bleiben und, ein wenig aneinander gestützt, die Straße hinaufzugehen. An der Ecke, immer noch in Sichtweite der Wachposten, blieben sie kurz stehen, ehe sie die Straße überquerten. »Geh einfach weiter«, wisperte Julius. »Sag und tu noch nichts. Sobald wir auf dem Platz sind, bitte einen der Sklaven, eine Sänfte für uns zu beschaffen. Dann sind wir allein.«
Mittlerweile gingen sie Arm in Arm, was aber nicht weiter Aufmerksamkeit erregen würde. So gingen Frauen oft miteinander.
Auf dem Platz heuerte ein Sklave eine der vielen Sänften an, die aufgereiht vor dem öffentlichen Bad standen. Eigon und Julius stiegen hinein und schlossen die Vorhänge, während die Sänfte sich schlingernd in Bewegung setzte. Die Sklaven würden ihnen im Laufschritt folgen.
Eigon lehnte sich zurück. Sie zitterte am ganzen Leib. Julius warf den Schleier zurück. Beim Anblick seines unverkennbar männlichen Gesichts mit dem Schatten eines Barts auf Wangen und Kinn, seiner kantigen, attraktiven Züge und seiner kräftigen Augenbrauen, die auf seiner blassen Haut noch dunkler wirkten, musste sie wieder laut lachen. Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange, hob aber wieder den Finger an die Lippen, um ihr zu bedeuten, leise zu sein. Selbst Sänftenträger konnten Spione sein. Einen langen Moment sahen sie sich nur an, dann beugte er sich wieder vor. Dieses Mal küsste er sie auf die Lippen. In der dämmrigen Einsamkeit der Sänfte befanden sie sich in ihrer eigenen Welt. Eigon rutschte auf dem Sitz vor, so dass sie halb kniete, als seine Arme sie umfingen und er sie immer und immer wieder küsste, bis ihr vor Verlangen und Aufregung ganz schwindlig wurde. Sie durften nicht sprechen, konnten sich in dem engen Raum kaum bewegen. Einer der Träger stolperte, und die Sänfte geriet ins Schlingern. Eigon und Julius fielen zur Seite und brachen in Lachen aus. »Psst!« Julius legte wieder seinen Finger an die Lippen.
Dann wurde die Sänfte abgesetzt, und Eigon rutschte rasch wieder auf ihren Platz zurück. Die Reise war schon zu Ende. Sie stiegen aus, wobei sie die Schleier in der Brise festhielten, während einer der Sklaven die Träger bezahlte, die sich daraufhin wieder in Bewegung setzten. Dann gingen sie zu dem mansio, wo ihr Wagen wartete. Der würde sie aufs Land hinausbringen. Erst dort würde Julius seine Verkleidung ablegen können. Noch zwei Stationen, ehe sie endlich in Junillas Villa ankommen würden.
Rasch gingen sie in den Gasthof, tauschten einen Blick und lächelten wieder. Sie waren in Sicherheit. Julius raffte seinen ungewohnt langen Rock zusammen und sprang, zwei Stufen auf einmal nehmend, ins Haus.
In der Nähe lehnte an der Mauer ein Mann. Er bemerkte die kräftigen, etwas behaarten Waden unter dem Rock, den starken Arm, der den Schleier hielt, den männlichen Schritt, und lachte in sich hinein. Im Moment dachte er sich nicht allzu viel dabei, doch wenn er gefragt würde, würde er sich daran erinnern. Und er würde sich auch sehr genau an den Wagen erinnern, in den die beiden eine Weile später im Hof des Gasthauses stiegen.
Die Tochter des Königs
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