Los-Padres-Nationalpark

Das Land ist dürre, unfruchtbar und kalt, ob es wohl also gelegen, daß es vielmehr heiß oder doch temperiert seyn solte. Es sind daselbst häuffig Heuschrecken.
«Kalifornien», aus: Zedlers großes vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste, 1732 1754

Am 21. August 2004 brach im kalifornischen Los-Padres-Nationalpark ein Buschbrand aus. Das ist noch nichts Besonderes und passiert dort so häufig, dass die Feuerwehr vermutlich Alarm auslöst, wenn mal nichts in Flammen steht. Als sich der Boden aber auch mehrere Tage nach Löschung des Brandes nicht abkühlen wollte, benachrichtigten die Feuerwehrleute vorsichtshalber den Geologen des Nationalparks, Allen King. Mit Hilfe eines Erkundungsfluges und wärmesensitiver Aufnahmen fand man heraus, dass das Feuer die ungewöhnliche Hitze gar nicht verursachte, sondern über einem ungefähr 12 000 Quadratmeter großen, offenbar mit Fußbodenheizung ausgestatteten Areal ausgebrochen war. In knapp vier Meter Tiefe wurden an der heißesten Stelle 307 Grad Celsius gemessen. Schon in zehn Zentimeter Tiefe war der Boden bis zu 256 Grad warm. Diese heißesten Flecken innerhalb des Gebietes sind, wie eine genauere Vermessung später ergab, lokal eng begrenzt: Sie erstrecken sich weniger als zehn Meter in die Tiefe und messen nicht einmal einen Quadratmeter.

Leider wurde die Gegend in den nächsten Monaten entweder nicht sehr häufig untersucht, oder aber die zuständigen Geologen hatten Besseres zu tun, als regelmäßig neue Ergebnisse zu veröffentlichen. Bei einer Folgeuntersuchung zehn Monate später hatte sich der Boden jedenfalls nur leicht abgekühlt: An der heißesten Stelle wurden jetzt 296 Grad gemessen. Zur Erklärung der ungewöhnlichen Bodentemperaturen gibt es nur wenige Hypothesen: Größere Öl-, Gas- und Kohlevorkommen sind in der unmittelbaren Nachbarschaft nicht bekannt, radioaktive Strahlung, Anzeichen für Explosionen oder vulkanische Aktivitäten sind ebenfalls nicht im Spiel. Heiße Quellen kommen im Los-Padres-Nationalpark zwar vor, allerdings nur anderswo.

Allen King zufolge gibt es in etwa einem Kilometer Entfernung eine größere und in der Nähe der heißen Stelle zahlreiche kleinere Verwerfungen. Von dort aus könnten sich brennbare Gase wie Methan herangeschlichen und unterirdisch entzündet haben, die sich vorher versteckt hielten. Da sich die Stelle auf dem Gelände eines etwa sechs Jahre zurückliegenden Erdrutsches befindet, wird auch eine chemische Reaktion zwischen dem Luftsauerstoff und den Mineralien im zerbröselten Gestein diskutiert. King vermutet, dass im Gestein enthaltene Sulfide, namentlich Pyrit und Markasit, beim Kontakt mit Sauerstoff Wärme abgeben und das – unter Luftabschluss abgelagerte – organische Material im Gestein dadurch oxidiert wird. Bei einer Expedition im Dezember 2005 fand man zwar keinen Pyrit, aber viele Eisen-Sauerstoff-Verbindungen, die beim Zerfall von Pyrit entstehen können. Wenn der Pyrit vor Ort so knapp ist, diente sein Zerfall ja vielleicht nur als Zünder für ausströmendes Erdgas? Das hält jedenfalls Scott Minor vom Geologischen Dienst der USA für möglich. Bei oberflächlichen Messungen konnte man zwar Kohlenmonoxid und Kohlendioxid nachweisen, was für einen Verbrennungsprozess spricht, es fehlt aber eine bestimmte Heliumvariante, die typisch für Erdgasvorkommen ist. Bei derselben Untersuchung stellte sich nebenbei heraus, dass die Temperatur zwar fast überall gesunken, an zwei Messpunkten aber wieder angestiegen war.

Es ist sehr freundlich vom kalifornischen Untergrund, den Abkühlprozess so lange hinauszuzögern, bis die Forschung alle Erklärungsmodelle durchprobiert hat. Leider ist die genaue Lage der heißen Stelle bisher nur Fachleuten bekannt. Wer Urlaub im Los-Padres-Nationalpark macht, sollte also seinen eigenen Campingkocher mitbringen und sich nicht darauf verlassen, dass die gütige Mutter Natur ihm seine Tütensuppe schon wärmen wird.

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt
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