Zwanzig

131 Stunden, 3 Minuten

»Es ist einfach passiert«, erzählte Drake.

Caine saß in dem riesigen Lederstuhl des früheren Bürgermeisters von Perdido Beach, in dem er irgendwie verloren wirkte. Er sah klein darin aus. Und sehr jung. Als wollte er diesen Eindruck noch verstärken, kaute er an seinem Daumennagel. Wer nicht genau hinschaute, hätte meinen können, dass er an seinem Daumen lutschte.

Diana lag ausgestreckt auf der Couch. Sie war in eine Zeitschrift vertieft und nicht bei der Sache. »Was ist passiert?«

»Die beiden Mädchen, die ich beschatten sollte, haben sich gerade in Luft aufgelöst.«

Caine sprang auf. »Wie ich es vorhergesagt habe. Ich hab’s gewusst.« Caine schien aber nicht besonders glücklich darüber, Recht behalten zu haben. Er kam hinter dem Tisch hervor, riss Diana zu Drakes großem Vergnügen die Zeitschrift aus der Hand und warf sie quer durch den Raum. »Kannst du vielleicht mal zuhören?«

Diana seufzte. Sie setzte sich langsam auf und schnippte einen Fussel von ihrer Bluse. »Lass deine Laune nicht an mir aus, Caine!«, warnte sie ihn. »Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir uns die Geburtsurkunden beschaffen sollten.«

Drake hatte sich gleich am zweiten Tag der FAYZ Dianas Psychoakte genauer ansehen wollen. Doch ihre Akte war nicht mehr da gewesen. Stattdessen hatte sie Drakes Akte offen auf dem Tisch des Arztes liegen lassen und neben das Wort Sadist ein Smiley gemalt.

Drake hatte sie schon vorher gehasst, aber durch diese Aktion war sein Hass auf Diana zu einer Vollzeitbeschäftigung geworden.

Drake wurde von Abscheu erfüllt, als Caine Dianas pampige Antwort auch noch gelten ließ. »Ja, das war eine gute Idee.«

»Dianas Lover Sam war da«, erzählte Drake.

Diana ging auf die Provokation gar nicht erst ein.

»Als eine der Zwillingsschwestern verschwand, hielt er ihre Hand«, fuhr Drake fort. »Er hat ihr dabei in die Augen gesehen. Nachdem das erste Mädchen weg war, wussten natürlich alle, was kommen würde. Das zweite Mädchen war nur noch am Heulen. Ich konnte leider nicht hören, was es gesagt hat. Es war jedoch nicht zu übersehen, wie es vor Angst geschlottert hat.«

»Sadismus«, bemerkte Diana trocken. »Die Lust am Leid anderer.«

»Worte machen mir keine Angst«, erwiderte Drake mit einem Haifischgrinsen.

»Schon klar, sonst wärst du auch kein Psychopath.«

»Hört auf damit!« Caine ließ sich in den Lederstuhl zurücksinken und fing wieder an, an seinem Nagel zu kauen. »Heute ist der siebzehnte November. Mir bleiben fünf Tage, um herauszufinden, wie ich meinen Abgang verhindern kann.«

»Fünf Tage«, wiederholte Drake. »Was tun wir bloß, wenn du abdampfst? Dann sind wir echt aufgeschmissen.« Drake warf Diana einen Blick zu, der das genaue Gegenteil besagte.

In diesem Moment eilte Computer-Jack mit einem aufgeklappten Laptop herein.

»Was ist?«, fragte Caine.

»Ich bin drin«, antwortete Jack stolz. Als die anderen ihn bloß verständnislos ansahen, fügte er hinzu: »Im Laptop von Schwester Temple.«

Caine winkte zerstreut ab. »Ach so. Toll. Ich hab jetzt andere Probleme. Gib ihn Diana. Und dann raus!«

Jack reichte Diana den Rechner und trippelte aus dem Zimmer.

»Ängstlicher kleiner Wurm, was?«, meinte Drake.

»Tu ihm ja nichts! Er ist nützlich«, sagte Caine. »Drake, was genau hast du gesehen, als das Mädchen … als es das Feld räumte?«

»Bei der ersten hab ich grad nicht hingeschaut. Die zweite behielt ich im Auge. In der einen Sekunde war sie noch da, in der nächsten nicht mehr.«

»Um ein Uhr siebzehn?«

Drake zuckte die Achseln. »Ja, ungefähr.«

Caine schlug mit der Hand auf den Tisch. »Ungefähr hilft mir nicht weiter, Idiot!«, schrie er. »Ich brauche eine Erklärung. Es geht nicht nur um mich. Wir werden alle älter. Irgendwann bist du an der Reihe und wartest darauf zu verschwinden.«

»Am zwölften April, eine Minute nach Mitternacht, um genau zu sein«, warf Diana ein. »Nicht, dass ich mir die Mühe mache, mir alle Tage, Stunden und Minuten zu merken…« Sie verstummte und vertiefte sich in den Text auf dem Bildschirm.

»Was ist?«, fragte Caine.

Diana ignorierte ihn, es war aber offensichtlich, dass Connie Temples Laptop eine äußerst spannende Neuigkeit enthielt. Diana erhob sich mit der Anmut einer Katze und öffnete den Aktenschrank. Sie zog das graue Metallkästchen hervor und stellte es beinahe ehrfürchtig vor Caine auf den Tisch.

»Das hat noch niemand aufgemacht, richtig?«, fragte sie ihn.

»Ich hab mich eigentlich mehr für den Laptop interessiert. Warum?«

»Mach dich nützlich, Drake!«, befahl Diana. »Brich das Schloss auf!«

Drake schnappte sich einen Brieföffner, schob die Klinge in das billige Schloss und drehte sie. Es machte Klick.

Diana öffnete das Kästchen. »Das sieht aus wie ein Testament. Und, ah, das ist ja interessant, ein Zeitungsartikel über die Schulbusgeschichte, von der wir so viel gehört haben. Und da ist sie ja…«

Sie hielt eine Plastikhülle hoch, in der sich eine mit Zierlettern bedruckte Geburtsurkunde befand. Sie überflog sie rasch und brach in Gelächter aus.

»Das reicht jetzt, Diana!« Caine stand auf und nahm Diana die Geburtsurkunde aus der Hand. Er warf einen Blick auf die Daten, dann runzelte er die Stirn und sank in den Stuhl zurück wie eine Marionette, der man die Schnüre durchgeschnitten hatte.

»Zweiundzwanzigster November«, sagte Diana mit einem boshaften Grinsen.

»Reiner Zufall«, erwiderte Caine.

»Er ist drei Minuten älter als du.«

»Ein Zufall. Wir sehen uns nicht einmal ähnlich.«

»Wie nennt man Zwillinge, die anders aussehen?« Diana legte einen Finger auf die Lippen, als dächte sie angestrengt nach. »Ach ja, zweieiige Zwillinge. Dieselben Eltern, eine Gebärmutter, zwei verschiedene Eizellen.«

Caine war kreidebleich. So hatte Drake ihn noch nie erlebt. »Das ist unmöglich.«

»Ihr kennt beide euren richtigen Vater nicht.« Dianas Ton war freundlich, fast schon mitfühlend, falls sie solche Gefühle überhaupt empfinden konnte. »Caine, wie oft hast du mir erzählt, dass du deinen Eltern kein bisschen ähnlich bist?«

»Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn«, hauchte Caine. Er wollte nach Dianas Hand greifen. Nach kurzem Zögern ließ sie es zu.

»Es steht aber auch in ihrem Tagebuch. Schwester Temple hat gewusst, dass du eine gefährliche Kraft hast, und sie war auch ein paar anderen auf der Spur. Sie hatte den Verdacht, dass du an etlichen Verletzungen schuld warst, für die es keine Erklärung gab.«

Drake, dem allmählich ein Licht aufging, stieß ein gehässiges Lachen aus. »Soll das etwa heißen, Schwester Temple ist Caines Mutter?«

Caines Miene verzerrte sich vor Wut. »Halt endlich das Maul, Drake!«

»Zwei kleine Jungs, die am zweiundzwanzigsten November geboren werden«, fuhr Diana ungerührt fort. »Einer bleibt bei seiner Mutter. Einer wird zur Adoption freigegeben.«

»Sie war deine Mutter? Und sie hat dich weggegeben und Sam behalten?« Drakes Schadenfreude über Caines Erniedrigung war nicht zu überhören.

Caine wandte sich von Diana ab, streckte die Arme aus und richtete seine Handflächen auf Drake.

»Schwerer Fehler«, murmelte Diana, wobei nicht klar war, ob sie Drake oder Caine meinte.

Etwas schlug mit enormer Wucht in Drakes Brustkorb ein, hob ihn in die Luft und schleuderte ihn gegen die Wand. Er knallte in mehrere gerahmte Bilder und fiel wie ein Sack zu Boden.

Drake wollte hochschnellen und Caine erledigen, bevor der Freak Zeit hatte, ihn noch einmal zu treffen. Doch Caine stand mit vor Zorn rotem Gesicht über ihm und hatte die Zähne gefletscht wie ein tollwütiger Hund.

»Vergiss niemals, wer der Boss ist, Drake!« Caines Stimme war tief, ein kehliges Knurren wie von einem Tier.

Drake nickte. Er gab sich geschlagen. Vorläufig.

»Steh auf!«, befahl Caine in einem ruhigen Ton, der keinen Widerstand duldete. »Wir haben zu tun.«

Astrid und Pete saßen auf der vorderen Veranda. Ihre Beine lagen auf dem Geländer und glänzten schneeweiß in der Sonne. Sie hatte von Natur aus einen blassen Teint und nie zu den Leuten gehört, die unbedingt braun werden wollten. An diesem Tag verspürte sie aber ein dringendes Bedürfnis nach Sonnenlicht. Die Betreuung ihres kleinen Bruders spielte sich fast ausschließlich im Haus ab, und nachdem sie die letzten paar Tage nicht vor die Tür gekommen war, kam es ihr allmählich wie ein Gefängnis vor.

Sie fragte sich, ob es ihrer Mutter auch so gegangen war. War das der Grund, warum sie nach jahrelanger Aufopferung für den kleinen Pete an dem Punkt angelangt war, an dem ihr jede noch so beliebige Ausrede recht war, um ihn nicht selbst beaufsichtigen zu müssen?

Sie erblickte Sam, der wild in die Pedale tretend in ihre Richtung kam. Er hatte ihr versprochen, sie in den Laden zu begleiten, und sie hatte schon auf ihn gewartet, wenn auch mit gemischten Gefühlen. Sie freute sich auf ihn, zugleich machte sie die Vorstellung nervös.

Der Kuss war ein Fehler gewesen. Es sei denn

Sam warf sein Rad auf den Rasen und hastete die Stufen zur Veranda herauf.

»Hallo, Sam.« Er schien völlig außer sich. Sie nahm die Beine vom Geländer.

»Anna und Emma sind gerade verschwunden.«

»Was?«

»Ich war dabei. Ich hab alles gesehen. Ich hab sogar Annas Hand gehalten, als sie…«

Astrid stand auf. Ohne nachzudenken, schloss sie Sam fest in die Arme, wie sie es bei Pete tat, wenn sie ihn beruhigen wollte.

Doch im Gegensatz zu Pete reagierte Sam auf ihre Berührung. Er erwiderte ihre Umarmung, wenn auch etwas unbeholfen, und verbarg sein Gesicht in ihren Haaren. Sie spürte seinen stockenden Atem in ihrem Nacken, und es schien, als würden sie sich gleich wieder küssen, doch dann ließen sie beide gleichzeitig los und traten einen Schritt zurück.

»Sie hatte solche Angst. Ich meine Anna. Sie sah Emma verschwinden. Emma kam sechs Minuten vor ihr zur Welt, sie war also als Erste weg. Danach wusste Anna, was ihr bevorstand.«

Astrid ging mit Sam in die Küche und schenkte ihm ein Glas Wasser ein.

»Ich habe noch fünf Tage«, sagte Sam. »Fünf Tage. Nicht mal eine Woche.«

»Das kannst du nicht wissen.«

»Lass das, okay? Erzähl mir nicht, dass alles gut wird. Nichts wird gut.«

»In Ordnung. Du hast Recht. Die Grenze ist also das fünfzehnte Lebensjahr, wer es erreicht, verschwindet.«

Das schien ihn zu beruhigen. In diesem Augenblick wollte er die Wahrheit hören, ungeschminkt und ohne Ausflüchte. Es kam ihr in den Sinn, dass sie ihm mit ihrer Ehrlichkeit helfen konnte, nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft. Falls sie überhaupt eine Zukunft hatten.

»Ich hab es verdrängt. Nicht darüber nachgedacht. Mir eingeredet, es wird schon nicht passieren.« Er sah seine eigene Angst in ihrem Gesicht gespiegelt und wollte sie herunterspielen. »Hat ja auch was Gutes: Ich muss mir keine Gedanken mehr machen, wie deprimierend Thanksgiving in der FAYZ sein wird.«

»Vielleicht lässt es sich ja verhindern«, wandte Astrid vorsichtig ein.

Er sah sie hoffnungsvoll an, als würde sie ihm gleich verraten, wie. Als sie den Kopf schüttelte, sagte er: »Bis jetzt hat noch niemand von uns nach einem Weg aus der FAYZ gesucht. Vielleicht gibt es eine Fluchtmöglichkeit, eine Pforte, einen Durchgang oder so was. Draußen auf dem Meer. Oder in der Wüste. Im Nationalpark. Bis jetzt hat keiner von uns auch nur nachgesehen.«

Astrid wollte schon erwidern, dass er sich nicht an einen Strohhalm klammern sollte, unterließ es aber.

»Wenn es einen Weg nach draußen gibt«, sagte sie stattdessen, »muss es auch einen Weg herein geben. Und dann weiß inzwischen die ganze Welt Bescheid. Perdido Beach, das Kraftwerk, die Autobahn – das alles ist plötzlich von der Außenwelt abgeschnitten. Das müsste doch längst bemerkt worden sein. Außerdem haben sie mehr Leute und ganz andere Möglichkeiten als wir. Wenn es einen Weg gibt, müsste die halbe Wissenschaftswelt inzwischen daran arbeiten. Wir sind aber immer noch hier.«

»Das weiß ich alles, Astrid. Aber wie wär’s mit einem Ei?«

»Äh. Die sind mir ausgegangen.«

»Nein, ich meine, denk an ein Ei. Wenn ein Küken schlüpft, stößt es durch die Schale ins Freie, richtig? Versuchst du aber, ein Ei von außen aufzubrechen, geht es zu Bruch.« Er rieb seine Fingerspitzen aneinander, als würde er etwas zerbröseln. Da sie nicht reagierte, ließ er die Schultern hängen. »Als ich darüber nachdachte, schien es absolut einleuchtend.«

»In gewisser Weise leuchtet es tatsächlich ein.«

Er schaute sie verblüfft an. Dabei tauchte in seinen Augen dieses Funkeln auf, das sie so mochte, und über sein Gesicht huschte ein sanftes Lächeln. »Du klingst überrascht.«

»Stimmt. Es könnte sich als zutreffende Analogie erweisen.«

»›Zutreffende Analogie‹ sagst du nur, damit ich nicht vergesse, dass du gescheiter bist als ich«, neckte er sie.

Sie sahen einander tief in die Augen, bis der Moment kam, an dem sie beide verlegen den Blick abwandten.

»Weißt du«, sagte Sam, »ich bereue nichts. Okay, falscher Zeitpunkt, falscher Ort, aber ich bereue es trotzdem nicht.«

»Ich auch nicht.«

Das nun folgende Schweigen war alles andere als unangenehm.

Schließlich nahm Astrid den Faden wieder auf. »Zu deinem Vergleich mit der Eierschale: Nach deiner Theorie könnte ein Versuch, die Wand von außen aufzubrechen, für uns gefährlich werden. Vielleicht haben die Leute draußen das erkannt. Es wäre also möglich, dass nur wir die Barriere sicher durchbrechen können und die Außenwelt vorläufig abwartet, uns beobachtet und hofft, dass wir selbst dahinterkommen, wie wir am besten schlüpfen könnten.« Sie öffnete den Küchenschrank und holte eine angebrochene Keksschachtel heraus. Sie legte sie auf die Ablage und nahm sich einen Keks. »Das ist eine gute Theorie. Dir ist aber hoffentlich bewusst, wie unwahrscheinlich das ist.«

»Ja. Aber wenn es einen Weg aus der FAYZ gibt, will ich nicht bloß rumsitzen und zusehen, wie meine Zeit abläuft.«

»Was hast du vor?«

Er zuckte mit den Schultern, tat das aber auf eine Weise, die keine Zweifel oder Ungewissheit ausdrückte, sondern eher so, als würde er eine schwere Last abwerfen, sich von ihr befreien, um handeln zu können.

»Zuerst möchte ich der Barriere folgen und herausfinden, ob es nicht doch zufällig eine große Pforte gibt. Vielleicht sind die anderen alle drüben – meine Mom, deine Eltern, Anna und Emma.«

»Die Lehrer«, fügte Astrid hinzu.

»Zerstör mir nicht meine Vorstellung vom Glück.«

»Was, wenn du tatsächlich einen Ausgang findest? Gehst du dann hindurch? Was passiert mit den Kindern, die noch in der FAYZ sind?«

»Sie kommen auch raus.«

»Du wirst erst wissen, dass es eine Pforte ist, wenn du hindurchgegangen bist. Und dann gibt es womöglich keinen Weg zurück.«

»Astrid, in fünf Tagen verpuffe ich.«

»Stimmt, du musst erst mal an dich denken«, erwiderte Astrid tonlos.

Sam sah sie gequält an. »Das ist nicht fair…«

Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment hörten sie rasch hintereinander zwei Geräusche. Einen dumpfen Aufprall, dann Petes Kreischen.

Astrid rannte aus der Küche und hinaus auf die Veranda, wo der kleine Pete zusammengekrümmt auf dem Boden lag, am ganzen Körper zitterte, laut weinte und drauf und dran war auszurasten.

Neben ihm lag ein Stein.

Auf dem Gehsteig standen Panda, ein Coates-Junge namens Chris und Quinn. Sie lachten. Panda und Chris hatten Baseballschläger dabei, Chris trug außerdem eine weiße Plastiktüte, aus der gerade noch sichtbar das Logo des neuesten Gameboy-Modells ragte.

»Habt ihr den Stein auf meinen Bruder geworfen?«, schrie Astrid, die zu empört war, um sich zu fürchten. Sie fiel neben dem kleinen Pete auf die Knie.

Sam überquerte mit raschen Schritten den Rasen.

»Panda, warst du das?«

»Er hat mich nicht beachtet«, erwiderte Panda.

Quinn trat zwischen Sam und Panda. »Das war ein Scherz, Mann.«

»Ein wehrloses Kind mit Steinen zu bewerfen, soll witzig sein? Seit wann gibst du dich eigentlich mit diesem Arschloch ab?«

»Hast du mich gerade Arschloch genannt?« Panda hob drohend den Schläger, sah aber nicht so aus, als wollte er ihn einsetzen.

»Für mich ist jeder ein Arschloch, der auf kleine Kinder losgeht.«

Quinn hob beschwichtigend die Hände. »Sam, krieg dich wieder ein! Wir waren für Mary unterwegs. Sie hat Panda abkommandiert, damit er den Teddybären von einem der Kleinen holt. Okay? Das war eine gute Tat.«

»Und bei der Gelegenheit habt ihr gleich was mitgehen lassen.« Sam deutete auf die Tüte. »Und auf dem Rückweg hattet ihr einfach mal Lust drauf, einen autistischen Jungen mit Steinen zu bewerfen.«

»Reg dich ab, Mann!«, antwortete Quinn. »Der Gameboy ist für Mary, damit die Kinder was zu tun haben.«

Weil Pete unaufhörlich schrie, verstand Astrid nur Bruchstücke des erhitzten Wortwechsels.

Schließlich wandte sich Sam von Quinn ab und stapfte zu ihr zurück. Quinn zeigte ihm hinter seinem Rücken den Mittelfinger und schlenderte dann mit den beiden Jungen davon.

Sam warf sich in den Stuhl auf der Veranda. Während der nächsten zehn Minuten, die Astrid benötigte, um ihren Bruder zu beruhigen und ihn dazu zu bringen, zu seinem Spiel zurückzukehren, kochte Sam vor Wut.

»Mann, den können wir vergessen«, sagte er schließlich. Doch dann lenkte er ein: »Egal, das wird schon wieder.«

»Du meinst, zwischen dir und Quinn?«

»Ja.«

Astrid überlegte kurz, ob sie es dabei bewenden lassen sollte. Früher oder später würde sie aber mit Sam darüber reden müssen. »Das glaube ich nicht.«

»Du kennst ihn nicht so gut wie ich.«

»Er ist eifersüchtig auf dich.«

»Na klar, ich seh ja auch toll aus.«

»Ihr zwei seid völlig verschieden. Solange alles mehr oder weniger normal abläuft, liegt ihr auf einer Wellenlänge. Doch in einer Krise und sobald Angst ins Spiel kommt, reagiert ihr ganz anders. Quinn kann nichts dafür, aber er ist nicht mutig. Er ist auch nicht stark. Du schon.«

»Du willst immer noch einen Helden aus mir machen.«

»Nein, du sollst einfach nur du selbst sein.« Sie blieb neben Pete sitzen, streckte aber ihren Arm aus, um Sams Hand zu nehmen. »Sam, es wird alles noch viel schlimmer werden. Momentan stehen die Leute unter Schock. Sie haben Angst. Irgendwann gehen uns die Lebensmittel aus. Eines Tages hört das Kraftwerk auf zu funktionieren. Wenn wir erst mal hungrig und verzweifelt im Dunkeln sitzen, wer soll dann das Kommando haben? Caine? Orc? Drake?«

»So wie du das beschreibst, klingt das nach einer Menge Spaß«, entgegnete er nüchtern.

Sie ließ seine Hand los und schnaubte. »Komm, lass uns zum Laden gehen.«

GONE Verloren
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