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The Menagerie [2]

Als Jim und Leia aus Martocks Gemächern zurückkehrten, war es fast 5:00 Uhr. Sie durften keine Zeit mehr verschwenden.

Die neue Uniform hatte die erwünschte Wirkung.

»Heiliges Kanonenrohr«, sagte Willy. »Der Captain ist auf der Brücke.«

»Hört zu«, sagte Jim. »In einer halben Stunde müssen wir hier weg sein, deswegen mache ich es schnell. Normalerweise würde ich ein solches Unternehmen nach militärischen Gesichtspunkten planen, aber da ihr alle Zivilisten seid, wende ich ein System an, mit dem ihr vertrauter seid: das der Flotte.«

»Momentchen«, unterbrach Gary seinen Redefluss. »Wieso bist du der Captain? Du hast doch gesagt, dass dir Star Trek nicht mal gefällt.«

»Dass Star Trek mir nicht gefällt, habe ich nie gesagt«, sagte Jim. »Ich habe gesagt, ich bin der Sache entwachsen. Aber wenn du meine Referenzen infrage stellen willst, machen wir es sofort. Stell mir irgendeine Frage.«

»Irgendeine?«, fragte Gary. »Ist dir klar, dass ich jedes Star Trek-Quiz gewonnen habe, bei dem ich je dabei war?«

»Irgendeine«, wiederholte Jim.

Gary dachte kurz nach. »Ich stelle dir drei Fragen«, verkündete er. »Eine einfache, eine mittelschwere und eine ganz schwierige. Bist du bereit?«

»Wir haben es eilig«, erinnerte Jim ihn.

»Welches Musikinstrument spielt Riker?«

»Die Posaune.«

»Wie lautet der Name des Schiffes, das Picard kommandiert hat, bevor er die Enterprise übernahm?«

»Das war die Stargazer.«

»Letzte Frage: In welcher Folge hat Captain James T. Kirk den Satz ›Beam mich rauf, Scotty‹ gesagt?«

Jim hätte am liebsten gelacht. Er hatte viele Quizteilnehmer bei dieser Frage mit Mann und Maus untergehen sehen. »Das ist ’ne Fangfrage«, sagte er. »Kirk hat es nie gesagt. Es glauben zwar alle, aber es stimmt nicht.«

Gary wirkte zwar überrascht, hob aber flink die Hand und salutierte. »Stimmt genau, Captain.«

Jim schaute sich im Raum um. »Möchte noch jemand mein Wissen über dieses Universum infrage stellen?«

Seine Mannschaft schaute ihn nur an und erwartete seine Befehle.

»Na schön«, sagte Jim. »Dann weise ich euch in unsere Mission ein. Von jetzt an möchte ich, dass ihr euch als Teil eines Außenteams auf einem feindlichen Planeten seht. Was angesichts der Umstände keine große Fantasie erfordert. Unsere Aufgabe – unsere Mission – besteht darin, zum Schiff und dann in den Machtbereich der Föderation zurückzukehren. Okay?«

Alle nickten.

»Ich will euch nichts vormachen. Wenn die Lage so übel ist, wie sie aussieht, ist es wichtig, dass wir von hier verschwinden und melden, was passiert ist. Es wäre schon eine tolle Sache, wenn wir Dr. Sandovals Überleben organisieren könnten. Wir sind nämlich die Einzigen, die es schaffen können.«

»Weil außer uns niemand in diesem Quadranten ist«, sagte Willy.

»Genau«, sagte Jim. »Ich übernehme das Kommando für die gesamte Dauer unserer Mission. Leia ist meine Nummer eins. Wenn mir irgendwas zustößt, übernimmt sie das Kommando. Rayna ist unser Counselor.«

»Und Steuermann«, fügte seine Schwester hinzu.

»Counselor-Bindestrich-Steuerfrau«, sagte Jim. »Martock ist Sicherheitschef. Dr. Sandoval ist unser Wissenschaftsoffizier und Chefmediziner.«

»Verdammt, Jim, er ist Exobiologe, kein Arzt«, sagte Gary.

»Für uns wird es reichen«, sagte Jim. »Gary, du musst der sein, der alles im Auge behält; was bedeutet, dass du mein Yeoman bist.«

»Yo, Mann!«, rief Gary. Schon kam seine verlegene Entschuldigung. »Der alte Scherz gefällt mir noch immer.«

»Was ist mit mir?«, fragte Willy.

»Du bist unser Maskottchen«, sagte Jim. »Oder unser Glücksbringer.«

»Kann unser Maskottchen unter seinem echten Namen auftreten?«, fragte Leia. »Willy Schafftes ist nämlich ein böses Omen.«

»Das möchte ich nicht«, sagte Willy.

»Nein, sie hat Recht«, sagte Jim. »Wir brauchen uns nicht selbst ins Bein zu schießen. Dein Alias musst du ablegen.«

Willys Gesicht wurde so rot wie sein Hemd.

»Ihr versteht nicht«, sagte er. »In Wirklichkeit heiße ich Kenny.«

Leia beäugte ihn unsicher.

»Was hast du gegen Kenny?«, fragte sie. »Und wie heißt du weiter?«

»Schafftsnich, Ma’am. Kenny Schafftsnich.«

Der junge Mann zückte seine Brieftasche und entnahm ihr mit bebenden Fingern einen Führerschein. Leia beugte sich vor und begutachtete ihn. »Mich trifft der Schlag«, sagte sie. »Kenny Schafftsnich.«

»Am besten werfen wir ihn in den Gang hinaus«, sagte Gary. »Mit einem wandelnden und sprechenden Phaserziel gehe ich keinen Meter weit.«

»Hör mit dem Scheiß auf«, sagte Jim. »Wir gehen nur zusammen. Niemand wird zurückgelassen. Willy wird es schaffen. Doch nun, bevor wir abmarschieren, muss jemand die Minibars leeren. Schnappt euch alle Süßigkeiten und Nüsse. Alles, was viel Kalorien hat und wenig wiegt. Wir dürfen uns nicht zu sehr belasten.« Er schaute zu Martock hinüber. Er war verstummt, seit sie Sandovals Suite betreten hatten. »Kannst du das übernehmen?«

»Tut mir leid«, erwiderte Martock kopfschüttelnd. »Aber ich gehe nicht mit.«

Er stand auf, trat ans Fenster und schaute auf die Stadt hinab.

»Wie schade«, sagte Gary. »Den Typen hätten wir gut brauchen können.«

»Nein, den nicht«, sagte Jim. »Was wir brauchen ist der Klingone, der in ihm steckt.«

Jim trat neben Martock, der apathisch die Stadt in Augenschein nahm.

»Was hast du denn vor?«, fragte er. »Willst du auf die Bombe warten?«

»Klingt doch gar nicht übel«, sagte Martock. Er machte sich nicht die Mühe, Jim anzusehen.

»Das kann ich nicht zulassen.«

»Wirklich nicht? Dann hindere mich daran.«

Jim ging einen Schritt zurück und trat fest mit dem Fuß auf.

»Deine Ehrlosigkeit schwächt dich«, sagte er.

In den Augen des Klingonen blitzte nun echte Wut auf.

»Hör zu, Jim, ich weiß nicht, warum es noch nicht bei dir angekommen ist, aber wir sind erledigt. Wenn du aus dem Haus gehen möchtest, um zu sterben: bitte! Ich bleibe hier und gehe hier drauf.«

Jim hob die rechte Hand und gab Martock eine Ohrfeige.

»Halt die Klappe«, sagte er. »Ich will dein Geplapper nicht hören. Ich weiß, dass es dem Burschen, der in Atlanta eine Schlosserei betreibt, nicht leichtfällt, das hier durchzustehen. Ich weiß, dass er seine Freundin verloren hat. Aber ich glaube auch, dass Martock irgendwo noch tief in seinem Inneren steckt. Und der will sich rächen.«

Der Klingone rieb mit einer lederverkleideten Hand über seine Wange. Er musterte Jim wie ein besonders ärgerliches Insekt.

»Mit diesem Scheiß bin ich fertig«, sagte er.

»Nein, bist du nicht!«, schrie Jim ihn an. »Du bist ein Waffenschmied erster Klasse und Zweiter Offizier des Bird of Preys Plank’Nar! Weil wir den nämlich gerade dringend brauchen! Verstehst du? Ich brauche einen Klingonen, dem es scheißegal ist, ob er lebt oder stirbt, solange er nur genug Zombies töten kann, um bei Karen im Sto’Vo’Kor damit zu prahlen! Das würde ihr doch gefallen, oder nicht? Dass du kämpfst, statt den Schwanz einzuziehen!«

Jim starrte Martock an.

Los, mach schon, du verdammter Hundesohn, dachte er. Spiel mit! Ich brauche dich, damit die Sache ins Rollen kommt!

Martock erwiderte Jims Blick. Dann – Jim empfand große Erleichterung – öffnete er den Mund zu einem spitzzahnigen Grinsen.

»Aus dir spricht Klugheit, Mensch«, sagte er. »Ist besser, wenn man als Klingone stirbt statt als Feigling.«

»Genau«, sagte Jim. »Bewaffne nun diese jämmerlichen Zivilisten und mach sie kampfbereit.«

»Mit Freuden«, sagte Martock. »Wir werden Ruhm ernten.«

Er klopfte Jim auf die Schulter.

»Und wenn du mich nochmal haust, erschlage ich dich auf der Stelle.«

Jim grinste. »Das ist das mindeste, was ich erwarte.«

Um 5:05 Uhr war das Team bewaffnet und bestens vorbereitet. Jim trug sein Kar’takin und die Glock. Seinen Tasergurt hatte er Leia überlassen, die über zwei Ersatzpfeilsätze und ihre Lirpa verfügte. Rayna hatte die chemische Keule und einen Taser am Gürtel. Gary und Willy waren mit Yans bewaffnet. Martock schwang sein privates Bat’leth. Sandoval hatte einen Taser.

Wird Zeit, Alarmstufe Rot auszulösen, dachte Jim.

Er blickte durch den Türspion in den Gang hinaus. Von dort aus hatte er den Eingang zum westlichen Feuertreppenhaus im Blickfeld. Er war nur wenige Meter entfernt. Nirgendwo waren Zombies, die ihr Vorwärtskommen behindern konnten. In dreißig Sekunden konnten sie da drüben sein.

»Hört zu«, sagte Jim. »In drei Minuten gehen wir raus. Sobald ich die Tür aufmache, ist jedes Gerede verboten. Wenn jemand was sagen muss, wird geflüstert. Ich weiß zwar, dass wir bewaffnet sind, aber die Zombies sind uns zahlenmäßig überlegen. Wir legen es nicht auf einen Kampf an. Verstanden?«

Die Mannschaft nickte. Jim schaute in die Gesichter seiner Leute. Es gab noch viele andere Dinge, die er ihnen sagen musste. Aber dazu war jetzt keine Zeit.

»Wir gehen in dieser Reihenfolge: Ich und Leia, dann Rayna und Gary. Dann Martock, Sandoval und Willy. Lasst euch nicht trennen. Bleibt um jeden Preis bei euren Apokalypse-Kumpanen. Alles klar?«

Wieder nickten alle. Jim spürte, dass die Spannung stieg.

»Bleibt in Bewegung. Gebt ihnen keine Chance, euch einzuholen. Noch irgendwelche Fragen?«

»Was ist mit Matt?«, fragte Gary. »Angenommen, er läuft uns über den Weg?«

Jim klopfte auf seine Glock.

»Ich hoffe sogar, dass wir ihn treffen«, sagte er. »Aber ich bezweifle, dass wir das Glück haben.«

Sandoval schaute auf seine Armbanduhr.

»Wir sollten jetzt wirklich gehen«, sagte er. »Wenn wir beim Fahrzeug sind, müssen wir noch eine weite Strecke fahren, um den Wirkungsbereich der Bombe zu verlassen.«

»Ihr habt’s gehört«, sagte Jim. »Auf Transport vorbereiten.«