15

What Are Little Girls Made Of?

Die Feuertreppe war aus Metall, die Treppenabsätze der einzelnen Etagen bestanden aus unebenem naturbelassenem Beton. Um von einer Ebene zur nächsten zu gelangen, musste man eine Treppe hinunter, auf dem Absatz eine Wendung vollziehen und die Prozedur erneut vornehmen. So erreichte man die nächste Tür.

»Pass an jedem Absatz auf«, sagte Jim leise. »Und achte auf Geräusche von Schritten.«

»Ich dachte, Zombies können keine Treppen steigen«, hauchte Leia zurück.

»Wir wissen es nicht. Wir vermuten es nur. Es könnte ja auch sein, dass irgendeine Tür aus irgendeinem Grund offen steht. Es könnte sein, dass uns ein Dutzend dieser Dinger an einem Treppenabsatz erwarten.«

»Und wenn?«

Jim überlegte. Er wusste es nicht.

»Hoffen wir, dass es nicht so ist«, sagte er.

Sie gingen leise weiter und arbeiteten sich langsam zum zehnten Stock hinab. Leia wollte gerade zum neunten weiter, als Jim sie mit einem Wink zum Anhalten aufforderte.

»Ich höre etwas«, sagte er und deutete nach unten.

Sie blieben stehen und rührten sich nicht mehr. Sie lauschten. Es schien eine Ewigkeit zu dauern.

»Ich höre es auch«, sagte Leia. »Gerade so eben.«

Jim schlich zum nächsten Absatz hinunter und schaute um die Ecke. Er sah den Rücken einer Gestalt, die er für eine kleine Frau hielt. Sie saß auf der unteren Treppenhälfte, die von der neunten Etage aus nach oben führte. Um ihre Schultern lag ein für sie viel zu großes Männerjackett.

Leia folgte Jim dichtauf. »Ein Zombie?«, hauchte sie.

»Nein«, sagte Jim. »Zombies weinen nicht.«

Jim steckte den Taser weg, trat neben die Frau und berührte ihre Schulter. Sie schaute mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihm auf. Jim erkannte die klotzigen rechteckigen Brillengläser und die aufgesetzten Spitzohren sofort.

»O Gott«, sagte er. »T’Poc? Du hier?«

»Jim«, erwiderte T’Poc. »Was machst du denn hier?«

»Wir wollen zu Matts Suite«, sagte Jim.

T’Poc nahm ihre Brille ab und putzte das rechte Glas mit ihrem Jackenärmel. Das linke Glas war kaputt.

»Das wollte ich auch«, sagte sie. »Hab es aber nicht geschafft.«

»Rayna sagt, du wärst tot«, sagte Jim. »Was ist passiert?«

»Du hattest Recht mit den Zombies. Du hast versucht, uns zu warnen, aber wir haben dich nur ausgelacht.«

»Macht doch nichts«, sagte Jim. »Erzähl, wie du hier raufgekommen bist.«

»Nach dem Klingonenfest wollte Matt in seine Suite zurück. Wir sind zum siebenten Stock hinaufgefahren. Als die Lifttür aufging, trauten wir unseren Augen nicht. Wir haben es für einen Ulk gehalten. Für irgendeinen Überraschungsprogrammpunkt. Überall war Blut – an den Wänden, an der Decke. Die Leute hinter uns im Aufzug haben uns rausgeschubst. Wir mussten an der Fressorgie vorbei. Wir sind geradewegs durch den Korridor zu Matts Suite gerannt. Gary war ganz vorn, dann kamen Rayna, ich und Matt. Viele Zimmertüren standen offen. Als die Dinger in diesen Räumen uns hörten, kamen sie raus und sprangen uns an. Ich konnte ihnen ausweichen, doch dann hat einer meinen Knöchel erwischt. Er hat echt Schwein gehabt. Ich bin voll aufs Gesicht gefallen. Matt ist einfach über mich weggesprungen und weitergelaufen.«

»Bist du gebissen worden?«, fragte Jim.

»Natürlich bin ich gebissen worden. Auf mir hingen drei oder vier Zombies drauf.«

»Und Matt hat dir nicht geholfen?«

»Er hat sich nicht mal umgedreht. Als ich die Typen von mir runtergetreten hatte, war die Tür seiner Suite schon zu. Also bin ich bis zum Treppenhaus weiter, wo ich dann die anderen getroffen habe. Ich würde sie ja gern Überlebende nennen, aber das ist nicht die richtige Bezeichnung für sie. Sie sind ebenfalls gebissen worden, und zwar alle. Sie haben sich versteckt gehalten und nur darauf gewartet, dass sie sich verwandeln. Einer hat mir sogar seine Jacke geschenkt. Sie sind nett … aber das werden sie nicht mehr lange sein.«

Jim hörte ihr genau zu. Er hörte keine Geräusche, die aus dem Treppenhaus kamen. »Wo sind sie?«

»Zwei Etagen tiefer«, sagte T’Poc. »Wenn du dich beeilst, kannst du ihnen vielleicht noch helfen.«

Jim zweifelte daran, aber er wollte positiv klingen. »Klar. Ich frag mal, wie’s ihnen geht. Ob sie alles haben, was sie brauchen. Ob sie vielleicht Interesse an unserem Limousinenservice haben.« Er zwinkerte Leia zu. »Bin gleich wieder da.«

Die beiden Frauen schauten hinter ihm her, als er die Treppe hinabging. Dann schauten sie einander an.

»Was hast du für ein Parfüm?«, fragte T’Poc.

»Wie bitte?«, fragte Leia.

»Dein Parfüm. Es ist toll.«

»Überhaupt keins«, sagte Leia. »Abgesehen von einem Metallbikini, der scheuert, wenn ich zu schnell laufe, trage ich nichts.«

»Was für ein unglaublich tolles Kostüm! Deine Schuhe finde ich nicht so toll, aber dass du so viel Haut zeigst, haut mich echt um. Du hast schöne Arme. Wohlgeformte Muskeln. Wenn man so was hat, kann man auch damit angeben, nicht wahr? Ich habe schon immer gesagt, man soll den Leuten geben, was sie haben wollen. Solange es in so einem Conventionzentrum nicht allzu sehr zieht.«

»Ich weiß genau, was du meinst«, sagte Leia.

»Ich hatte mal eine Freundin, die das gegenteilige Problem hatte. Sie hat sich immer wie eine orionische Sklavin angezogen. Wenn es nur ein bisschen warm wurde, fing sie schon an zu schwitzen. Und immer wenn sie schwitzte, ging die Farbe ab. Einmal, bei einer Show in Baton Rouge, musste sie einen Hotelsessel bezahlen, den sie ruiniert hatte.«

»Grüne Farbe kann ’ne ziemliche Sauerei machen«, sagte Leia. »Ich trage die Sachen nie länger als unbedingt nötig.«

»Dann schau dir doch mal mein Kostüm an«, sagte T’Poc.

Mit großer Mühe stand sie auf und ließ das Jackett von ihren Schultern sinken.

»O mein Gott«, sagte Leia. Sie machte einen Schritt zurück.

»Irre, was?«, sagte T’Poc. »Es ist die zweiteilige Mannschaftsuniform aus der Folge Mirror, Mirror (Ein Parallel-Universum), in der Kirk und der Rest der Brückenmannschaft in ein alternatives Universum verschlagen werden. Da herrschen Barbaren, und die weiblichen Angehörigen der Mannschaft kleiden sich wie Cheerleader. Das einzig Negative an diesem Kostüm ist, dass ich wochenlang abspecken muss, um reinzupassen.«

Leia antwortete nicht. Sie war zu sehr damit beschäftigt, sich die beiden Bisswunden anzusehen, die T’Pocs Bauch verunzierten.

»Die tun nicht weh«, sagte T’Poc, als sie sah, wohin Leia schaute. »Jetzt nicht mehr. Zuerst war es so schlimm, dass ich dachte, ich müsste sterben. Doch nach einer Weile wurde es besser.«

Leia starrte die Wunden weiterhin an. Sie sahen eindeutig nicht so aus, als wären sie besser geworden. Sie bluteten. Und die sie umgebende Haut war graugrün. So fahl wie die Haut einer Leiche.

»Deswegen bin ich vermutlich noch auf den Beinen. Ich dachte, ich könnte es schaffen, so unwahrscheinlich es auch ist. Aber ich glaube, ich schaffe es doch nicht. Ich bin so schwach wie nur was, und in mir machen sich jede Menge komische Gedanken und Triebe breit. Hunger ganz besonders. Ich habe Heißhunger. Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch beherrschen kann. Also … Jetzt, hier, in diesem Moment, führen wir zwar ein normales Gespräch, aber eigentlich möchte ich am liebsten in einen deiner lecker aussehenden Bizepse beißen. Treibst du Sport?«

»Hatha-Yoga.« Leia trat einen weiteren Schritt zurück. »Auch Gewichtheben. Ist das Beste, wenn man nicht steif werden will.«

Sie zog ihren Taser.

»Ich schau mal nach Jim«, sagte sie. »Rühr dich nicht vom Fleck.«

Sie ging die Treppe hinunter.

»Warte mal«, sagte T’Poc. »Eins muss ich dir noch erzählen. Es ist wichtig.«

Leia zögerte.

»Ich höre so seltsame Stimmen. Sie sagen mir, was ich tun soll. Aber sie sagen auch … wie all dies enden wird.«

»Wie denn?«, fragte Leia.

»Wir werden alle sterben, Prinzessin. Du, Jim, ich, und auch alle anderen. Auf der ganzen Welt.«

Ein Stöhnen wehte durchs Treppenhaus nach oben. Dann noch eins – dem das unmissverständliche Chaos eines Kampfes folgte. Leia machte sich leise fluchend auf den Weg nach unten.