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The Devil in the Dark

Als der Aufzug im dritten Stock ankam, hatte Jim das Gefühl, es wäre besser, den Taser vom Gürtel zu lösen. Wer wusste denn schon … Er schaltete die Sicherung aus und überprüfte die Waffe, um sicherzugehen, dass sie geladen war. Es ergab sich, dass sie es nicht war. Er hatte vergessen, eine Pfeilkassette einzulegen.

Gleich darauf ging die Tür auf. Der Aufzug machte laut Ping, damit ihn jeder hörte, der gerade in der Nähe war.

Jim hob die Waffe trotzdem instinktiv hoch. Nicht, dass er viel sah: Jemand oder etwas hatte die Flurbeleuchtung kaputt gemacht. Eine Mauer aus Finsternis begrüßte ihn. Jim schaltete das LED-Lämpchen des Tasers ein und ließ den Strahl über den Boden wandern. Er fiel auf einen gewaltigen Blutfleck, der von blutigen Fußabdrücken umgeben war. Jemand, wahrscheinlich sogar mehrere Jemande, waren hier gestorben. Aber wo waren die Leichen?

Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht, dachte Jim. Es ist schlimmer.

Er hielt die Aufzugtür mit einem Bein offen und leuchtete weiter umher. Der Lichtstrahl landete auf Dexters Glock 17. Die Handfeuerwaffe des Hotelsicherheitschefs lag ein Stück neben der Tür von Zimmer 301.

Jim schob den Kopf aus der Liftkabine und fragte sich, ob er sein Glück versuchen sollte, sich die Pistole unter den Nagel zu reißen. Sämtliche Wandlampen auf dem Gang waren zwar erloschen, doch die roten Notleuchten, die den Weg zum Ausgang wiesen, reichten aus, ihm zu zeigen, dass er hier momentan allein war.

Die Knarre war gerade mal fünf Meter weit weg. Im Moment wollte er nichts anderes als sie.

Jim sortierte seine Kartenschlüssel, bis er den fand, mit dem man den Aufzugcomputer außer Kraft setzen konnte. Er schob die Karte ins Bedienfeld und hielt den Lift mit offener Tür an Ort und Stelle fest.

Dann ging er zur Glock hinüber und hob sie auf. Es war eindeutig Dexters Waffe. Und sie war abgefeuert worden. Jim zog das Magazin heraus und stellte fest, dass nur noch sieben von siebzehn Kugeln vorhanden waren. Der Sicherheitschef war also nicht kampflos untergegangen.

Obwohl sein Widerstand ihm nichts genützt hatte.

Jim stand im Dunkeln und spürte, dass seine Hoden versuchten, sich in seinen Unterleib zurückzuziehen. Seit dem letzten Kampfeinsatz hatte er sich nicht mehr so entmutigt gefühlt. Damals war dies hauptsächlich auf der Patrouille passiert. Beim Herumstochern in unheimlichen Häusern und klaustrophobisch engen Vierteln hatte er sich ständig gefragt, ob er die nächste Ecke lebend sah.

Dies hier war ganz ähnlich. Nur schlimmer. In Afghanistan war er wenigstens nicht allein gewesen. Jetzt stand er der Gefahr mutterseelenallein gegenüber.

Was angesichts meiner Erfolgsbilanz möglicherweise umso besser ist, dachte er ergrimmt. Wenn ich hier oben draufgehe, stirbt außer mir niemand.

»Wird Zeit, mutig woanders hinzugehen«, murmelte er.

Er zog gerade die Schlüsselkarte aus dem Bedienfeld des Aufzugs, als er eine Stimme rufen hörte.

»Hallo? Ist da jemand?«

Jim erschreckte sich so, dass die Schlüsselkarten zu Boden fielen. Er sammelte sie flink ein, dann trat er wieder in den Gang hinaus.

»Wo sind Sie?«, rief er.

»Zimmer 308.«

Jim schluckte. Dieser Raum befand sich im letzten Drittel des Ganges zu seiner Rechten.

»Sind Sie verletzt?«, fragte er.

»Nein, aber ich kann mich nicht bewegen. Es ist kompliziert.«

Jim richtete den grellen Strahl des Tasers in den Gang hinein. Er war so intensiv, dass er befürchtete, er könnte seine Position verraten. Außerdem machte er sich Sorgen um den Zustand der Batterie. Dann fiel ihm der Plastikphaser ein. Er holte ihn aus dem Rucksack und betätigte den Abzug. Das Spielzeug erzeugte einen weniger durchdringenden, aber noch immer hilfreichen Strahl bernsteinfarbenen Lichts.

Jim schob den Taser in das Holster zurück und machte sich, die Pistole in der rechten, den Phaser in der linken Hand, auf den Weg. Als er an den Zimmern vorbeiging, konnte er die Bewohner der dahinter liegenden Räume ächzen, röcheln und an der Tür scharren hören. In ihrem gegenwärtigen Zustand mangelte es ihnen wohl am nötigen Grips, um einen Türknauf zu drehen und hinauszugehen.

Jemand hatte einen Servierwagen dazu verwendet, die Tür zum Zimmer 306 offen zu halten. Jim blieb an der Schwelle stehen und lugte um die Ecke. Er sah einen Mann in den mittleren Jahren, der, in einen Bademantel gekleidet, apathisch zwischen den Betten des Zimmers hin und her ging. Dort, wo seine Hände gewesen waren, waren zwei blutige Stümpfe. Ein grotesk aussehender Augapfel hockte irgendwie unpraktisch auf seinem kahlen Schädel.

Die Kreatur schien Jim wahrzunehmen, denn sie wandte sich um und verbeugte sich – allem Anschein nach, damit das Auge auf dem Schädel bessere Aussicht hatte. Jim wartete nicht darauf, dass das Gestöhn anfing. Er schob den Servierwagen ganz hinein und zog die Tür ins Schloss.

Dann eilte er zum Zimmer 308, dessen Tür, wie er feststellte, ebenfalls ein wenig offen stand. Jim fragte sich kurz, ob es eine Falle war. Vielleicht hatten einige Zombies mehr auf dem Kasten als andere.

Aber er wusste: Er hatte die Stimme eines Menschen gehört. Verzweiflung dieser Art konnte man nicht nachahmen.

Bevor Jim eintrat, richtete er den Phaser nach rechts und links, in beide Korridorrichtungen. Hier war niemand.

Dann schob er die Tür mit der Schulter ein paar Zentimeter weit auf. Sie quietschte so laut, dass er glaubte, man könne es bis nach Dallas hören. Er schob sie ein Stück weiter auf. Und noch weiter. Dann huschte er mit gezückter Glock hinein.

Das Zimmer war, abgesehen vom Licht des Phasers, völlig dunkel. Von der Tür aus konnte er das Fußende des ersten Bettes sehen.

Er sah die nackten Beine einer Frau.

Mit der Pistole in der Hand durchquerte Jim den kurzen Eingangskorridor und ließ sein Licht über die Matratze wandern. Er fand die Besitzerin der Beine – eine wunderschöne Frau in einem goldenen Metallbikini und einem Lendenschurz aus roter Seide.

»Was’n hier los?«, fragte er.

»Tür zu«, zischte die Frau.

Jim wandte sich um, um die Tür zu schließen und stolperte über ein Stativ, das er umwarf, so dass auch die dazugehörige Kamera auf dem Boden landete. Er schob die Tür zu, schloss sie ab und schaltete das Licht an.

»Haben Sie einen Schlüssel?«, fragte er.

»Da drüben«, sagte die Frau. »Auf der Konsole.«

Jim packte ihn, kletterte aufs Bett und schob ihn in eine Handschelle.

Sobald er die erste geöffnet hatte, zog die Frau die Hand heraus, nahm den Schlüssel an sich und befreite die andere Hand selbst. Dann verließ sie mit einem athletischen Sprung das Bett.

»Wo wollen Sie hin?«, fragte Jim.

»Was glauben Sie wohl?«

Sie verschwand im Bad und machte die Tür zu.

Jim schob den Phaser in seinen Gürtel, legte die Pistole ans Fußende des Bettes und schaute sich im Zimmer um. Abgesehen von der Videokamera und dem Stativ sah er keinen persönlichen Besitz – wenn man mal von einer zwei Meter langen Kette auf der Frisierkommode absah. Er hob sie an einem Ende hoch. Er rechnete mit einer Requisite aus Kunststoff, doch die Glieder bestanden aus echtem Stahl und waren sehr schwer. Martock hätte dem Hersteller wahrscheinlich ein Lob gezollt.

Jim schaltete den Fernseher ein, aber es kam kein Bild. Er sah nur Schnee. Er schaltete das Gerät aus und versuchte es mit dem Telefon. Er drückte noch auf die Knöpfe, als die Frau aus dem Bad zurückkehrte.

»Klappt’s?«, fragte sie.

»Nein.« Jim legte auf. »Ich hör nicht mal ’n Freizeichen.«

»Wir müssen jemanden finden, der zum Hotel gehört«, sagte die Frau. »Hier geht irgendwas Bizarres vor. Sie würden mir nicht glauben, was ich in den letzten drei Stunden alles gehört habe.« Sie trat ans Fenster und zog die Vorhänge beiseite. Man sah jedoch nur einen Teil des Parkhauses auf der anderen Seite der Gasse.

»Ich gehöre zum Hotel«, sagte Jim. »Ich heiße Jim Pike, und ich …«

»Sagen Sie mir, was hier los ist.«

»Ich könnte es erzählen, aber Sie würden es mir nicht glauben. Sie müssen es sich selbst ansehen, Miss …«

Die Frau stand vor dem Spiegel der Frisierkommode und band ihr langes pechschwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen.

»Nennen Sie mich Leia«, sagte sie.

Jim begriff schlagartig: die Kette, der Metallbikini, der rote Lendenschurz. Sie stellte Leia Organa so dar, wie sie in der ersten Szene von Die Rückkehr des Jedi-Ritters zu sehen war: die Prinzessin als Sklavin des schurkischen Hutten Jabba in seinem fliegenden Hausboot.

»Potz«, sagte Jim. »Na, Sie haben sich ja wohl im Hotel geirrt.«

Die Frau lachte unglücklich.

»Finden Sie?«, lautete ihre Antwort.

»Es kommt alles wieder in Ordnung«, versicherte Jim ihr. »Meine Schwester ist irgendwo im siebenten Stock. Wenn wir sie gefunden haben, können wir …«

»Sie können tun, was Sie wollen.« Leia begab sich zur Tür. »Ich gehe jetzt auf dem schnellsten Weg in die Empfangshalle und verschwinde, und zwar plötzlich.«

Bevor Jim sie aufhalten konnte, hatte sie den Riegel umgelegt. Die Tür flog auf und nagelte Leia an die Wand. Dexter wankte herein – beziehungsweise das, was noch von ihm übrig war. Irgendetwas hatte große Fleischportionen von seinem Gesicht, seinen Armen und Beinen gerissen. Er stürzte an Leia vorbei geradewegs auf Jim zu, packte sein rotes Jackett an den Aufschlägen und warf ihn rücklings zu Boden.

Das Gewicht presste sämtliche Luft aus Jims Lunge. Er packte den Hals des Angreifers mit beiden Händen und gab sich alle Mühe, Dexters rasend nach ihm schnappende Zähne von sich fernzuhalten. Die Schwerkraft war jedoch gegen ihn. Dann passierte etwas anderes: Etwas Schleimiges am Hals des Sicherheitschefs hinderte Jim daran, festen Halt an ihm zu finden. Überall, wo seine Finger zugriffen, glitschte und zuckte es.

Jim wurde bewusst, dass es ein Auge war. Ein Auge, das sich genau dort befand, wo normalerweise der Adamsapfel war.

Zwischen Bett und Wand gefangen, von der gewaltigen Masse des Angreifers zu Boden gedrückt, wusste Jim, dass er nur noch Sekunden zu leben hatte. Dexters gefräßige Kiefer waren nur noch drei Zentimeter von seiner Wange entfernt.

Und dann plötzlich nicht mehr.

Von Panik benebelt nahm er Leia über sich wahr. Sie schlang eine Kette um den Hals des Untoten. Sie ragte breitbeinig über ihnen auf und zog mit aller Kraft.

Ihre Kraft riss Dexters Kopf nach hinten, befreite Jims Hände und erlaubte es ihm, sich unter dem Leib des Angreifers hervorzuwinden. Er kam wankend auf die Beine, riss die Glock vom Bett und richtete sie auf das Grauen am Boden. Leia zog so fest wie sie konnte. Jeder Muskel ihres Körpers war gespannt.

Jim wollte ihr gerade zurufen, sie solle beiseite treten, als er erkannte, dass es nicht mehr nötig war, das Ding zu erschießen: Das einst als Dexter bekannte Geschöpf erschlaffte. Jim näherte sich vorsichtig seinen blutigen Überresten. Zuerst berührte er den Kopf, dann den Torso Dexters mit dem Fuß. Keine Reaktion. Erst dann machte er die Tür zu und setzte sich auf eine Ecke des Bettes. Die Waffe hing in seinen schlaffen Händen.

Leia ließ die Kette fallen und trat zurück. Sie keuchte vor Anstrengung. »Beim nächsten Mal …«, sagte sie.

»Beim nächsten Mal schauen wir vorher durch den Türspion«, sagte Jim zustimmend. »Versprochen.«

Da er viel zu fertig war, um etwas anderes zu tun, musterte er die Schweinerei auf dem Boden. Ihm fiel eine zähe grüne Flüssigkeit auf, die vorn aus Dexters Hals lief; genau dort, wo zuvor das Auge gewesen war.

»Ist das ein Zombie?«, fragte Leia.

»Ich fürchte, ja«, sagte Jim.

»Ich hätte nicht geglaubt, dass man Zombies auch erwürgen kann.«

»Ich weiß nicht, ob Sie ihn erwürgt haben. Dieser Zombie hatte über seiner Luftröhre eine Art Auge. Er hat aufgehört sich zu bewegen, als die Kette es zerquetscht hat.«

Leia nahm diese Information erstaunlich gelassen auf. Jim wusste: Die meisten Zivilisten hätten ebenso reagiert wie Janice. Mutete man einem Verstand zu viel zu, schaltete er einfach ab. Leia jedoch wirkte konzentriert, nicht erschreckt.

»Ich nehme an, unten sind noch mehr«, sagte sie. »Das würde all die Schreie erklären, die ich gehört habe.«

»Es sind schon einige«, sagte Jim.

»Und die Polizei?«

»Gibt es nicht mehr. Auch keine Handys, kein Internet, kein Fernsehen. Abgesehen von meiner Chefin sind Sie der einzige Mensch, der mir seit einer Stunde begegnet ist.«

»Dann sind wir wohl allein«, sagte Leia.

Plötzlich wurde laut an die Tür geklopft.

»Nicht unbedingt«, sagte Jim.

Er trat an den Türspion und schaute hinaus. Irgendwie hatte der Kampf mit Dexter die Aufmerksamkeit anderer Zombies erregt. Jim sichtete drei sich gegen die Tür drückende Gestalten. Er nahm an, dass sich hinter ihnen noch weitere aufhielten.

»Was jetzt?«, fragte Leia.

»Ich denke nach«, sagte Jim.

»Sie sind mir vielleicht ein Rettungskommando«, murmelte Leia. »Als Sie hier reingekommen sind, hatten Sie da keinen Plan, wie man wieder hier rauskommt?«

»Wenn Sie mir helfen möchten, hören Sie mit den Star Wars-Dialogen auf«, sagte Jim. »Ich hab genug von dieser SF-Scheiße.«

»Was für Dialoge?«, fragte Leia.

Erneutes Klopfen verhinderte Jims Antwort. Er musterte das Schloss und die Scharniere. Sie sahen so aus, als würden sie halten – im Moment.

»Mal sehen, was Dexter so bei sich hat.« Er rollte den Leichnam auf die Seite.

Leia tastete Dexters Gürtel ab und erbeutete eine dicke Taschenlampe, eine chemische Keule und noch einen schwarzgelben X-3-Taser.

»Wissen Sie, wie man damit umgeht?«, fragte Jim.

»Ich hab selbst einen«, erwiderte sie und prüfte den Batterieinhalt. »Prinzessinnen können nie vorsichtig genug sein.«

»Haben Sie auch Schuhe? Sie können hier nicht mit nackten Füßen rumlaufen.«

»Ich habe keine andere Wahl. Es sei denn, sie laufen zu Zimmer 911 hoch und holen meine Reisetasche. In dem Fall könnten Sie auch meine Jeans, mein T-Shirt und die Ibuprofen-Packung mitbringen, die neben dem Waschbecken steht.«

Jim öffnete seinen Rucksack, schob eine Kassette in seinen Taser und verstaute ihn im Beutel. Nach kurzem Nachdenken warf er auch den Spielzeugphaser hinein. Dann hielt er Leia eine Pfeilkassette hin.

»Wollen Sie ein Ersatzmagazin?«, fragte er.

»Gleich«, sagte sie.

Mit beachtlicher Anstrengung griff sie unter Dexters gewaltigen Leib, öffnete seinen Waffengurt und riss ihn los. Sie schwang ihn sich über ihre Schulter und befestigte die Schnalle an der Hüfte. Als sie den Taser in das Holster zurückschob, befand er sich knapp unter ihrer linken Brust. Die chemische Keule kam in eine Taillentasche.

»Von mir aus können wir«, sagte sie.

»Nichts dagegen.« Jim reichte ihr das Ersatzmagazin.

»Wie kommen wir jetzt hier raus? Schießen wir uns den Weg in die Empfangshalle frei?«

»Ich hab eine andere Idee.« Jim deutete auf die Wand, die sie vom gleich nebenan liegenden Zimmer 306 trennte. »Haben Sie in dem Zimmer in den letzten Stunden irgendwelche Geräusche gehört?«

»Keinen Pieps. Es sei denn, man zählt das Gestöhn und Geschrei mit. Deswegen ist mein Freund Donnie eigentlich rübergegangen. Er wollte nachsehen, was es zu bedeuten hat. Er ist nie zurückgekommen.«

Jim deutete auf die Wand gegenüber. »Und in dem Zimmer da?«

»Stille«, sagte Leia. »Ehrlich.«

»Es steht möglicherweise leer. Trotz der Trekkie-Versammlung ist das Wochenende für uns recht flau. Und diese Etage ist nur halb belegt.«

Jim begutachtete seine Schlüsselkarten, fand die, die er brauchte, und schob sie in die nach nebenan führende Verbindungstür. Er schob die Tür ein Stück weit auf und leuchtete mit Dexters starker Taschenlampe in den Nebenraum.

»Sehen Sie was?«, fragte Leia.

»Ist leer«, sagte Jim. »Keine Reisetaschen, die Vorhänge zugezogen, alles an seinem Platz. Wir haben echt Schwein.«

Er wandte sich der Tür zu, die zum Gang hinausführte. Leia war dicht hinter ihm.

»Wollen Sie einfach so rausgehen?«, fragte sie. »Vielleicht stehen Hunderte von denen da draußen rum.«

Jim peilte durch den Türspion. Er sah zwar keine Zombie-Hundertschaft, aber mehr als genug, um innezuhalten.

»Warten Sie hier«, sagte er. »Und seien Sie darauf vorbereitet, sich zu bewegen.«

Er eilte ins Zimmer 308 zurück, wo die Kreaturen noch immer an die Tür schlugen. Diesmal schlug Jim zurück.

»He, ihr doofen Missgeburten!«, schrie er. »Wir sind hier drin! Erzählt es überall rum!«

Draußen wurde ein Chor stöhnender Stimmen laut. Das Klopfen nahm zu. Es wurde wütend und unnachgiebig. Das metallene Portal wackelte in den Scharnieren.

Jim wartete eine Weile. Dann atmete er mehrmals tief durch, löste den Riegel und drehte den Türknauf. Das massierte Gewicht der rasenden Toten drückte die Tür sofort auf. Sie knallte gegen die Wand. Jim sprang gerade noch rechtzeitig beiseite, um der ersten Angreiferwoge zu entgehen. Da sie das Gleichgewicht verloren, torkelten sie nach vorn und fielen vor seinen Füßen in einem Haufen auf die Nase. Während andere versuchten, über sie hinwegzusteigen, floh Jim durch die Verbindungstür und verschloss sie.

Er fand Leia an der Zimmertür, wo sie die Entwicklung auf dem Korridor noch immer durch den Spion verfolgte.

»Eine gute Idee«, sagte sie. »Sie quetschen sich alle ins Nebenzimmer.«

Jim reichte ihr die Taschenlampe.

»Wir hauen ab, wenn ich es sage«, sagte er. »Wenn wir draußen sind, schalten Sie das Ding ein und leuchten Sie durch den Gang. Passen Sie auf, wohin Sie treten. Es liegen eklige Sachen auf dem Boden.«

»Verstanden.«

Jim prüfte seine Armbanduhr. Es war schon weit nach 21:00 Uhr. Er konnte nur hoffen, dass Rayna in ihrem Zimmer in Sicherheit war. Und dass Matt nicht irgendetwas Blödes versuchte.

Jim entsicherte die Glock. Leia nahm ihren Posten am Türspion wieder ein.

»Ich glaube, die Luft ist rein«, sagte sie. »Jedenfalls soweit ich es sehe.«

Leia trat beiseite. Jim schloss die Tür auf und drehte den Knauf. Er öffnete die Tür um einige Zentimeter – gerade so weit, um zu sehen, dass ihnen keine Gefahr drohte. Dann ging er hinaus. Leia war so dicht hinter ihm, dass er ihren Atem in seinem Nacken spürte.

Die Zombies, offenbar damit beschäftigt, das Zimmer nebenan zu zerlegen, bekamen von ihrer Flucht nichts mit. Leia schaltete die Taschenlampe ein und leuchtete ihnen den Weg, als sie den Gang entlangliefen. Als sie am Aufzug ankamen, sahen sie, dass zwei Zombies ihnen zuvorgekommen waren. Sie standen in der Liftkabine und kratzten mit blutigen Fingern an den Glaswänden, ohne die hinter ihnen stehende potenzielle Mahlzeit wahrzunehmen.

»Mist«, flüsterte Jim.

»Dreifach verfluchte Scheiße«, erwiderte Leia und griff nach dem Liftrufknopf. »Nehmen wir einen anderen nach unten.«

Jim packte ihr Handgelenk und hielt es fest. »Darin können ebenso gut welche sitzen. Wir müssen uns die beiden hier vom Hals schaffen.«

In der Ferne wurde ein Stöhnen laut. Sie schauten rasch den Gang entlang, durch den sie geflohen waren, sahen aber nichts. Dann schauten sie in die Gegenrichtung – das Gebiet, an das Jim beim Abfassen seines Plans keinen Gedanken verschwendet hatte. Sie erspähten ein halbes Dutzend auf sie zuwankende Zombies.

»Und zwar sofort.«

»Na schön«, sagte Leia und rief: »Hergehört!«

Die beiden Zombies stellten ihr Gekratze ein und drehten sich um wie ein Mann. Schon wankten sie aus dem Lift heraus.

Jim hob die Glock. Es war lange her, seit er mit einer Handfeuerwaffe auf ein sich bewegendes Ziel geschossen hatte. Er legte sorgfältig auf den ersten Zombie an und feuerte geradewegs eine Kugel in seinen Brustkorb ab.

Nichts passierte.

»Vorbeigeschossen!«, sagte Leia.

»Ich hab nicht vorbeigeschossen«, sagte Jim. »Es schert ihn einfach nicht.«

Er feuerte drei weitere Kugeln in die zentrale Körpermasse der Kreatur ab. Blut und schwarzer Schleim spritzten aus dem Rücken der Gestalt hervor und klatschten gegen die Glaswände des Aufzugs, doch sie wankte weiter vorwärts.

»Tun Sie was!«, schrie Leia. Jim spürte, dass ihre Fingerspitzen sich in seine rechte Schulter bohrten.

Das Ding war jetzt nur noch ein paar Schritte entfernt. Mit ausgestreckten Armen kam es näher – so nahe, dass man es riechen konnte.

Als es zum Sprung ansetzte, hob Jim die Glock um etwa dreißig Zentimeter und feuerte einen Schuss in die Schläfe des Ungeheuers ab. Es ging zu Boden und blieb liegen.

»Es ist wie in den Filmen«, sagte er. »Man muss ihnen einen Kopfschuss verpassen.«

Das zweite Ding war ebenfalls schon da. Jim zielte auf den Kopf, dann überlegte er es sich anders. Leia sah, dass er ins Wanken geriet.

»Was ist?«, fragte sie.

»Nichts«, sagte Jim. »Ich versuch mal was anderes.«

Er feuerte auf den Augapfel, der auf der linken Schulter des Zombies wuchs. Er traf ihn voll. Dieser Zombie brach ebenso zusammen wie der erste.

»Ausgezeichnet«, sagte Jim.

»Was?« Leia drehte sich zu den Zombies im Korridor herum. »Was ist daran so ausgezeichnet?«

»Dass es zwei Methoden gibt, sie zu töten«, sagte Jim. »Es verbessert unsere Lage.«

Hinter ihnen ertönten schlurfende Geräusche. Leia drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um Donnie Trills Überreste näher kommen zu sehen. Der einst so wortgewandte Filmemacher war nun nicht mehr fähig, auch nur ein Ächzen auszustoßen: Man hatte ihn nämlich der Zunge und des größten Teils seiner Nase und Wangen beraubt. Leia zog instinktiv den Taser und drückte ab. Sobald die Elektroden trafen, schaltete sie den Saft ein. Die Kreatur brach zusammen, zuckte wild und blieb still liegen. Das Glotzauge auf ihrer rechten Schulter explodierte in einem Wust grünen Schleims.

Jim und Leia stierten es mit offenem Mund an.

»Drei Methoden.« Leia steckte den Taser weg.

Sie betraten den Aufzug. Über das Lautsprechersystem sang Brent Spiner, Lügen sei sündhaft. Jonathan Frakes und LeVar Burton machten im Hintergrund den Chor.

»Wir müssen in die Empfangshalle«, sagte der hektisch an der Aufzugschaltung arbeitende Jim. »Ich hab den einzigen Menschen, der da unten noch lebt, allein zurückgelassen. Es geht ihr gar nicht gut. Geistig, meine ich. Wir müssen sie mitnehmen.«

»O mein Gott«, sagte Leia, die durch die Scheiben nach unten schaute. »Ist sie das?«

Jim blickte durch die Blut- und Eiterstreifen, mit denen die Zombies die Scheiben verschmiert hatten. Janice stand an der Haustür. Die ganze monströse Untotenmeute da draußen konnte sie sehen. Die Meute hatte inzwischen schauerliche Dimensionen angenommen.

Da standen nicht mehr nur ein paar Dutzend heulende und an den Scheiben kratzende Gestalten herum und verlangten Zutritt. Es waren mehrere Hundert. Vielleicht sogar Tausende.

Und es sah so aus, als würde Janice sich mit ihnen unterhalten.