14

The Forgotten

Die Türhälften glitten auseinander und enthüllten einen Gang voller Leitern, Gerüste, Farbdosen und Abdeckplanen. Die Lampen waren nicht beschädigt und funktionierten. Auf dem Fußboden waren keine verdächtigen Flecke zu sehen. Hier roch es nur nach frischer Farbe.

Normal, dachte Jim. Völlig normal.

Trotz alledem hielt er den Taser fest in der Hand. Und Leia ebenso.

»Genau wie Sie gesagt haben«, sagte sie. »Leer.«

»Ich wette, die Maler waren noch vor ein paar Stunden hier oben«, sagte Jim. »Wahrscheinlich sind sie nach Feierabend ganz normal zu ihren Autos gegangen, wie an jedem anderen Tag …«

»Denken Sie bloß nicht länger darüber nach«, sagte Leia.

Jim schob den Taser in das Holster und kramte zwischen den Farbdosen herum.

»Was suchen Sie?«, fragte Leia.

»Normalerweise tragen diese Typen Arbeitsschuhe. Manchmal nehmen sie sie mit nach Hause, aber wenn sie wissen, dass sie nochmal herkommen müssen, lassen sie sie auch mal hier stehen. Vielleicht finde ich welche für Sie, die nicht allzu abgefahren aussehen.«

»Und wenn sie noch so irre aussehen«, sagte Leia. »Ich ziehe alles an, was meinen Füßen passt.«

Jim erspähte etwas. Er trat hinter ein Baugerüst und kehrte mit zwei verlotterten halbhohen Schuhen voller Farbspritzer zurück.

»Na bitte«, sagte er. »Hoffentlich sind sie bequem.«

»Ich bin eine Frau«, sagte Leia. Sie setzte sich auf den Boden und schob die Zehen hinein. »Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie Schuhe besessen, die bequem waren.«

Jim schaute ihr zu, als sie sich hineinquetschte. Nach seiner Schätzung waren sie vielleicht zweieinhalb Zentimeter zu klein.

Aber er sagte nichts. Es war besser, und vermutlich auch sicherer, Leia die Reise von der Ablehnung zur Akzeptanz ganz allein machen zu lassen.

Sie brauchte etwa eineinhalb Minuten.

»Verflucht!«, schrie sie schließlich und warf die Schuhe quer durch den Raum.

»Vielleicht finde ich noch andere«, sagte Jim.

Er durchwühlte erneut die am Boden liegende Arbeitskleidung und arbeitete sich von einem Bereich zum nächsten vor.

»He«, rief er schließlich durch den Raum. »Ich glaube, hier sind noch welche.«

»Sehen sie größer aus?«, fragte Leia.

»Scheiße«, sagte Jim. »Eigentlich sehen sie so aus, als hingen sie noch an jemandem dran.«

Leia sprang auf und lief mit dem Taser in der Hand zu ihm hinüber.

»Was ist das?«, fragte sie.

Jim stand vor einem zusammengerollten Kleiderhaufen. Aus ihm ragten zwei schwarze, unterschenkellange Stiefel hervor.

»Könnte sein, dass wir ein Problem haben«, sagte er.

»Ein Zombie?«

»Glaube ich nicht. Zombiewunden hören nicht auf zu bluten. Aber dieser Klamottenhaufen sieht sauber aus. Ich sehe keinen Blutfleck.«

»Aber jemand hat ihn eingepackt«, sagte Leia. »Warum?«

Jim wollte gerade eine Vermutung äußern, als es in seinem Nacken zu kitzeln anfing. Jemand oder etwas befand sich hinter ihm.

»Vorsicht!«, schrie er und wirbelte mit gezücktem Taser herum. Leia ging in die Hocke und tat es ihm gleich.

Sie hatten ihre Waffen auf einen hageren Mann mit sandfarbenem Haar gerichtet. Er war vielleicht Mitte zwanzig und hatte die Augen überrascht aufgerissen. Die rechte Hand hatte er ausgestreckt, als hätte er Jim gerade auf die Schulter klopfen wollen. Er trug eine Star Trek-Uniform der Classic-Serie – schwarze Hosen, rotes Hemd.

»Was habt ihr mit Olson vor?«, fragte er.

Jim und Leia behielten ihre Stellung bei. Dann wurde ihnen klar, dass das Bürschlein sprechen und mithin kaum ein Zombie sein konnte. Und da es kein Zombie war, gab es auch keinen Grund, auf es zu schießen.

Verlegen steckten sie ihre Waffen weg.

»Wer ist Olson?«, fragte Jim.

Der Junge deutete auf den Körper am Boden.

»Wir wollten auf die Convention«, erklärte er. »Ich bin Fähnrich Willy Schafftes.«

»Willy … Schafftes?«, wiederholte Jim. »Ich nehme an, das ist nicht dein richtiger Name.«

»Natürlich nicht«, sagte Willy. »Es ist der Name der Figur, die ich verkörpere.«

»Was machst du überhaupt hier oben? Ich dachte, wir hätten die meisten Conventionbesucher in den unteren Stockwerken untergebracht.«

Willys Schultern rundeten sich, und er ließ den Kopf hängen.

»Das Hotel sagt, es wäre ein simpler Irrtum, aber ich glaube, man hat uns absichtlich von den anderen getrennt«, sagte er. »Wir wollten mit allen anderen zusammen sein, aber ich glaube, man hat von unserer Gruppe erfahren, und da wollte keiner in unserer Nähe sein. Deswegen hat das Hotel uns hier einquartiert. Wir haben es erst erfahren, als wir angekommen sind.«

»Ich verstehe nicht«, sagte Jim.

»Ich schon«, sagte Leia. »Gehört ihr zu ’ner Rothemden-Gruppe?«

»Ich bin das letzte überlebende Mitglied der Rothemden-Clubs von West-Texas«, sagte Willy. »Einer einst stolzen Organisation, die sich rühmen konnte, aus acht Mann zu bestehen.«

»Wo sind die anderen sieben?«, fragte Leia.

»Tot«, erwiderte Willy mit brechender Stimme. »Sie sind alle tot. Ein irrsinniger dummer Zufall nach dem anderen.«

»An diesen Zombies ist nichts zufällig«, erwiderte Jim. »Wenn man ihr Verhalten erstmal verstanden hat, kann man ziemlich leicht vorhersagen, was sie vorhaben.«

Willy stierte ihn überrascht an. »Was für Zombies?«

Die Frage hing einen Augenblick in der Luft. Willy schien sie ernst zu meinen.

»O Mann«, sagte Leia leise zu Jim. »Das ist schlecht.«

»Warst du den ganzen Abend hier oben?«, fragte Jim.

»Ja.«

»Hast du irgendwann einen Blick aus dem Fenster geworfen und zur Empfangshalle runtergeschaut?«

»Ja.«

»Und als du gesehen hast, dass das Hotel von blutigen, verstümmelten, reanimierten Leichen wimmelt, ist dir nicht die Idee gekommen, hier könnte so eine Art Notstand herrschen?«

»Ich dachte, es ist eine Kostümparty.« Willy zuckte die Achseln. »Oder ein Flashmob. Die Wahrheit ist, ich musste mich um wichtigere Dinge kümmern. Zum Beispiel darum, dass meine sieben Freunde am gleichen Tag gestorben sind.«

Jim schaute sich verblüfft auf dem Gang um. »Soll das heißen, dass es dir gelungen ist, im einzigen sicheren Raum des ganzen Gebäudes sieben Mann zu verlieren?«

Zu Leias und Jims äußerstem Unbehagen bedeckte Willy sein Gesicht mit den Händen und fing an zu weinen. Für eine ziemlich lange Weile war sein Gegreine das einzige Geräusch in der elften Etage.

»Es liegt an unseren Uniformen«, schniefte Willy schließlich, von Schluchzern geschüttelt. »Sie bringen uns um. Sie sind verflucht. Ich werde das nächste Opfer sein.«

»Reiß dich mal kurz am Riemen«, sagte Jim. »Glaubst du wirklich, dass dein rotes Uniformhemd irgendeine Star Trek-Gottheit beleidigt?«

Willy brauchte einen Moment, um sich zusammenzureißen.

»In der klassischen Star Trek-Serie« erläuterte er, »waren die Darsteller mit dem roten Hemd immer zum Tode verurteilt. Wenn einer von denen mit Kirk und Spock auf einen Planeten gebeamt wurde, musste der Typ in Rot immer sterben. Also haben meine Freunde und ich beschlossen, diese Männer zu rühmen, indem wir einen Club gründeten. Damals hat uns die Idee gefallen. Wir alle wollten in roten Hemden auf dieser Convention erscheinen. Wir hätten uns als Mannschaft der USS Überflüssig vorgestellt. Das hätte einen Lacher gegeben, weil ja in der wirklichen Welt niemand nur deswegen sterben muss, weil er auf einer SF-Convention das falsche Kostüm trägt, nicht wahr?«

»Stimmt«, sagte Jim ungeduldig. »In der wirklichen Welt stirbt niemand, weil er ein rotes Hemd anzieht. Das wäre ja verrückt.«

»Das Gleiche habe ich heute Morgen nach dem Aufwachen auch gedacht«, sagte Willy. »Ich bin mit Olson, Carlisle und Henderoff hierhergefahren. Die restlichen Mitglieder unseres Clubs sind erst ein paar Stunden später aufgebrochen, weil sie warten mussten, bis Leslies Schicht bei Woolworth endet. Wir wollten uns alle beim Klingonenfest treffen. Doch nach der Ankunft kriegte ich die Nachricht, dass unsere zweite Mannschaft bei einem Unfall auf dem Highway ums Leben gekommen ist. Sie sind mit einem riesigen Truck zusammengestoßen. Sie waren erst eine Viertelstunde unterwegs gewesen.«

»Gütiger Himmel«, sagte Leia. »Das tut mir aber leid.«

»Es hat uns alle umgehauen. Und dass wir keine anständige Telefonverbindung mit unseren Leuten zu Hause kriegten, machte die Sache noch schlimmer. Wir überlegten, ob wir wieder abhauen sollten, aber es wurde schon dunkel, und das Risiko, im Dunkeln heimzufahren, wollten wir nicht eingehen.«

»Weil ihr Angst hattet, euch könnte ebenfalls was passieren?«, fragte Leia.

»Richtig. Die Vorstellung, dass die Rothemden verflucht sind, war ja vorher nur komisch gewesen, aber jetzt sahen wir alles ganz anders. Besonders Carlisle. Er zog das Pech nur so an. Er ist ständig über die eigenen Beine gestolpert. Also nahmen wir uns vor, dass wir zusammenbleiben wollten. Ich habe ihn nur einmal aus den Augen gelassen – als er ging, um sich einen dämlichen Fruchtsaft zu holen.«

Willy fing plötzlich wieder an zu schluchzen. Diesmal war es noch schlimmer als vorher.

»Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Jim.

Leia brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. »Erzähl uns, was dann passiert ist«, sagte sie. »Dein Freund ging also, um sich einen Fruchtsaft zu holen. Und was dann?«

Willy zog ein Taschentuch hervor, putzte sich die Nase und schob es wieder in die Tasche.

»Er ist nicht zurückgekommen«, sagte er.

»Von wo ist er nicht zurückgekommen?«, fragte Leia.

»Von den Automaten. Olson ist mit ihm gegangen, um sich ein paar Brezeln und so was zu ziehen. Er hat die ganze Sache gesehen. Irgendwie hat sich die Flasche im Automaten verklemmt. Olson hat die Kiste hin und her geschüttelt. Und irgendwie ist sie dann umgekippt und hat seinen Schädel zerschmettert.«

»Du willst uns verarschen«, sagte Jim. »Das ist doch unmöglich.«

»Es ist der Fluch«, sagte Willy stur. »Wir wollten die Rezeption anrufen. Wir haben auch den Notruf versucht. Wir kriegten aber nur Bandansagen und Rauschen in die Leitung. Schließlich ist Henderoff runter in die Empfangshalle, um Hilfe zu holen. Olson und ich blieben oben.«

»Und ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass auch Henderoff nicht wieder zurückkam, was?«, sagte Leia.

»Richtig. Olson und ich wussten nicht, was wir machen sollten. Wir haben uns also hier hingesetzt und ein paar Brezeln gemampft. Olson hatte gerade die zweite Brezel im Mund, als er würgte und ganz blau wurde. Ich wollte ihn retten. Ich hab’s wirklich versucht, aber …«

»Er ist an einer Brezel erstickt?«, fragte Jim.

Willy schüttelte den Kopf. »An einem anaphylaktischen Schock«, erläuterte er. »Olson war hochgradig allergisch gegen Erdnüsse.«

»Aber du hast doch gesagt, er hätte Brezeln gegessen«, sagte Leia.

»Er aß Brezeln, die in einer Fabrik hergestellt wurden, die auch Erdnüsse verarbeitet. Ich hab mir hinterher die Verpackung angeschaut. Bei den Zutaten stand eine Warnung, aber ich glaube, Olson hat sie nicht bemerkt.«

»Da haben wir’s«, sagte Jim, als wäre die ganze Geschichte völlig klar. Auch wenn es nicht so war: Er wollte nicht noch mehr Zeit damit vergeuden, über Star Trek-Flüche zu schwadronieren. Angesichts der Ereignisse des heutigen Tages hatte er gar keine andere Wahl, als Willys Version der Ereignisse als Tatsache anzuerkennen. »Gehen wir doch zusammen runter und …«

»Sekunde mal eben«, unterbrach Leia ihn energisch. »Ich muss mal eben mit meinem Freund unter vier Augen reden.«

Sie nahm Jims Arm und führte ihn neben dem Aufzug auf die andere Gangseite.

»Warum hörst du dem Typen zu?«, fragte sie. »Der hat doch ’ne Zielscheibe auf der Stirn. Wenn der um uns rum ist, beißen wir vielleicht auch noch ins Gras.«

»Das meinst du doch wohl nicht ernst? Wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, er hätte Läuse.«

»Tödliche Läuse«, sagte Leia. »Außerdem hat er eindeutig einen Schock. Wenn es Ärger gibt, wirft er sich auf den Boden und rollt sich wie ein Fötus zusammen. Ich meine, wir sollten ihn hierlassen.«

Sie schaute nach hinten und winkte Willy fröhlich zu.

»Außerdem lassen wir ihn ja nicht im Stich«, fuhr sie fort. »Er hat möglicherweise das beste Zubehör in der ganzen verwanzten Rattenfalle. Hier gibt’s genug Zuckerstangen, Diät-Cola und Schokoriegel, um ihn für Monate am Leben zu halten. Er könnte eine eigene Zivilisation begründen – vorausgesetzt, er überlebt diese Nacht.«

Jim dachte darüber nach.

»Deine Argumente sind nicht übel«, sagte er. »Aber wenn wir mehr sind, erhöht sich auch unsere Sicherheit. Vielleicht kann ich ihn motivieren, mit uns zu kommen.«

»Viel Glück«, sagte Leia. »Ich habe meinen Motivationswortschatz im Aufzug verschossen, um dich daran zu hindern, dir die Birne wegzupusten.«

Sie gingen dorthin zurück, wo Willy wartete.

»Die Lage ist wie folgt«, erläuterte Jim. »Kannibalische Zombies haben Houston eingenommen; vielleicht sogar den ganzen Planeten. Dieses Hotel ist durch und durch infiziert. Wir wollen versuchen, in den siebenten Stock zu gelangen, wo meine Schwester mit einigen Freunden festsitzt. Wenn die Zombies dich beißen, wirst du einer von ihnen. Irgendwelche Fragen?«

»Nein«, sagte Willy mit großen Augen. »Mehr brauche ich wirklich nicht zu wissen.«

»Es gibt aber auch gute Nachrichten«, flötete Leia. »Im Gegensatz zu allen anderen Etagen ist diese hier zombiefrei. Außerdem sind Zombies zu dumm, um Türen zu öffnen oder mit dem Aufzug zu fahren. Solange du dich also nicht hier wegrührst, bist du sicher. Zumindest vor ihnen.«

»Gut, weil ich nämlich nirgendwo hingehen werde«, sagte Willy. »Ich werde in Zimmer 1120 abwarten, was passiert. Bei meinem Glück fällt mir wahrscheinlich die Decke auf den Kopf.«

Jim verdrehte die Augen.

»Du musst mit uns kommen«, sagte er. »Du hast keine Waffen und bist nicht ausgebildet. Bei mir wärst du viel sicherer.«

»Das weiß ich zu schätzen«, sagte Willy. »Aber wenn mir die Decke auf den Kopf fällt, würde ich mich besser fühlen, wenn ich der Einzige bin, den sie trifft. Hat keinen Zweck, auch noch euch mit meinen Verliererläusen anzustecken.«

Leia errötete. »Hab ich so laut gesprochen?«, fragte sie.

»Mach dir deswegen keine Sorgen.« Willy zuckte die Achseln. »Sicherheit geht vor und so weiter. Ich bringe euch noch zur Tür, aber dann seid ihr mich los.«

Sie umrundeten die Gerüste und bahnten sich einen Weg zum Treppenhaus am Ende des Ganges. Unterwegs artikulierte Leia eine Idee. »Als wir uns begegnet sind, haben wir Schuhe gesucht«, sagte sie. »Vielleicht haben deine Freunde welche, die ich mir ausleihen kann?«

Willy begutachtete ihre Füße. »Was hast du für ’ne Größe?«

»Mit Männergrößen kenn ich mich nicht aus. Irgendeine mittlere Größe?«

»Meinst du wie sieben oder acht?«

Leia errötete erneut. »Eher wie zehn«, sagte sie.

»Im Ernst?«, stieß Jim hervor.

Leia erschoss ihn mit einem Blick.

Willy runzelte die Stirn. »Das kriegst du nur in einem Spezialladen, ich weiß das von meiner Mama«, sagte er. »Sie hat ein chronisches Ödem.«

»Ja, genau«, sagte Leia eisig. »Sobald wir hier raus sind, gehe ich in einen Spezialladen, der Riesenschuhe für meine abscheulich deformierten Füße verkauft. Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen?«

Sie marschierte durch den Gang.

Jim winkte Willy zum Abschied zu. »Rühr dich nicht hier weg.«

»Ich würde euch ja gern Glück wünschen«, sagte Willy. »Aber ich glaube, ich habe keins zu vergeben.«

Als Jim Leia einholte, war sie schon an der Treppenhaustür. Er öffnete sie einen Spalt und schaute sich um. Zufrieden darüber, dass das Treppenhaus leer war, machte er die Tür wieder zu. Alles, ohne ein Wort zu sagen.

»Was soll das stumme Getue?«, fragte Leia. »Du kannst doch unmöglich wütend sein. Ich bin doch diejenige, über deren Clownsfüße man sich hier amüsiert.«

»Ich bin nicht wütend«, sagte Jim. »Ich denke nur nach. Es stimmt, was du über Willy und sein Hierbleiben gesagt hast. Diese Gegend ist zombiefrei. Es gibt Nahrung. Wir könnten uns ein paar Stunden bei ihm verbergen, bis uns ein besserer Plan eingefallen ist.«

»Brillant«, sagte Leia. »Um runterzugehen und deine Freunde einzusammeln?«

»Wie wär’s, wenn ich runtergehe, um meine Freunde einzusammeln, während du hierbleibst?«

»Beschissen«, sagte Leia.

»Ich bin noch nicht fertig«, sagte Jim. »Bis zum siebenten Stock ist alles sauber und zombiefrei. Sobald ich auf ihrer Etage bin, schalte ich mein Walkie-Talkie ein, um mich mit den Leuten in Matts Suite abzustimmen. Wenn sie sagen, dass die Luft rein ist, laufe ich zu ihnen rüber. Dann machen wir das umgekehrte Verfahren und nehmen alle mit hier rauf. Das ist doch idiotensicher.«

Leia wollte ihm antworten, doch dann sah sie davon ab. Stattdessen tastete sie ihren Gürtel ab, bis sie Dexters Walkie-Talkie fand. Sie schaltete es ein.

»Leiche eins, hier ist Leiche zwei«, sagte sie. »Hört ihr uns?«

»Hier ist Leiche eins«, kam die Antwort. »Gütiger Gott, ist das die Prinzessin?«

»Gary?«

»Yeah. Bist du in Ordnung? Bist du gesund?«

»Mir geht’s gut.«

»Mir auch«, fügte Jim hinzu. »Danke der Nachfrage.«

»Wir sind im elften Stock«, sagte Leia, »und gehen jetzt über die Treppe in den siebenten hinab. Aber erst müssen wir eins wissen: Wie weit ist die Tür der Feuertreppe von eurer Suite entfernt?«

»Da ist ’ne Feuertreppe?«, fragte Gary.

Leia schaute Jim an.

»Wie viel vom Korridor kannst du von eurem Türspion aus sehen? Habt ihr irgendeine Ahnung, wie viele Zombies da draußen sind?«

»Massen«, sagte Gary. »Ich würde sagen: alle.«

»Tja, dann soll jemand ständig bei euch an der Tür sein, weil wir nämlich bald zuschlagen werden.«

Sie schaltete das Funkgerät aus.

»Was möchtest du sagen?«, fragte Jim.

»Ich möchte sagen, dass du keine Ahnung hast, was in diesem Treppenhaus auf uns lauert; von dem Gang da unten ganz zu schweigen. Du brauchst mich.«

»Ich brauche dich anderswo in Sicherheit«, sagte Jim.

»Ich bin nicht deine Freundin, Alter.« Leia lachte. »Die Nummer mit dem strahlenden Helden kannst du dir sparen. Wir bleiben zusammen und decken uns gegenseitig den Rücken. Außerdem gibt es keinen sicheren Ort mehr. Frag Carlisle.«

Jim fiel zum ersten Mal auf, dass er sich unmittelbar vor dem Raum befand, in dem die Verkaufsautomaten des Hotels standen. Durch die offene Tür sah er die Beine des vom Pech verfolgten Rothemds unter dem Getränkeautomaten liegen.

»Bleib hier«, sagte Jim.

Er zog den Taser, schob die Tür ins Treppenhaus auf, schaute sich erneut um und ging hinaus. Er hielt Leia die Tür auf. Er wollte sie gerade zufallen lassen, als er Willy sah, der durch den Korridor auf sie zurannte. Er hatte eine Einkaufstüte in der Hand.

»Wartet!«, schrie er.

Jim hielt ihm die Tür auf. Willy blieb keuchend bei ihnen stehen.

»Für die Prinzessin«, sagte er und hielt ihr die Tüte hin.

Leia kehrte in den Korridor zurück und musterte die Tüte argwöhnisch. Ob sie vielleicht eine Bombe enthielt?

»Für die Füße«, sagte Willy. »Tut mir leid, dass es mir nicht früher eingefallen ist.«

Er stellte die Einkaufstüte ab und öffnete sie. Sie enthielt etwas, das wie ein riesiges Plüschmodell der USS Enterprise aussah – und dann auch noch ein zweites. Es war ebenso geformt wie das erste.

»Was ist das?«, fragte Leia.

»Schuhe«, erläuterte Willy. »Irgendjemand stellt sie in Lizenz her. Ich hab sie auf einer Convention in Austin gekauft. Sie sind mir zu groß. Aber sie sind bequem und haben bodenhaftende Absätze, damit man nicht ausrutscht.«

Leia musterte Willy, dann die Schuhe. Dann war Willy wieder an der Reihe. Sie trat vor, nahm die Schuhe, warf sie auf den Boden und schlüpfte hinein.

Sie passten ausgezeichnet.

»Bequem«, sagte sie. »Sie passen.« Sie ging ein paar Schritte auf und ab. »Und man rutscht wirklich nicht aus.« Sie schaute Jim an. »Was hältst du davon?«

Der Anblick einer ein Meter achtzig großen, fast nackten Frau, die in flauschigen Schühchen auf und ab ging, die so groß waren wie Schuhkartons, ließ ihn an viele Dinge denken.

An Dinge, die er klugerweise für sich behielt.

»Toll«, sagte er. »Fantastisch.«

»Ich geb sie dir zurück«, versprach Leia und kehrte wieder ins Treppenhaus zurück.

»Lass nur«, erwiderte Willy. »Ich werde nicht lange genug leben, um sie anzuziehen.«