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„Aber es ist die bes­te Stre­cke. Nur so kommt man schnell zur Großen Hal­le“, be­teu­er­te Da­non; er wand sich un­ter Fains har­tem Griff. „Je­der an­de­re Weg er­for­dert, daß man die Stra­ßen be­tritt, die auch das Vieh be­nutzt.“

Fain ver­stand, was das hieß – er war ein­mal zu­fäl­lig auf ei­ne sol­che Stra­ße mit ih­rem schwe­ren Mist­ge­ruch ge­sto­ßen –, aber trotz­dem schüt­tel­te er den Kopf. Er hielt den Arm des Jun­gen um­klam­mert und wand­te sich an Skal­lon. „Ich glau­be, das wä­re nicht klug. Es sind heu­te zu vie­le Leu­te auf der Stra­ße. Je­der von ih­nen könn­te der Än­de­rung sein; wir wür­den ihn nicht be­mer­ken.“

„Na und?“ sag­te Skal­lon ge­las­sen. „Wir sind ver­klei­det – er wird uns nicht er­ken­nen.“

Fain wuß­te, daß das nicht stimm­te – nach den Er­eig­nis­sen auf dem Flug­ha­fen wür­de der Än­de­rung ihn ge­wiß wie­der­er­ken­nen –, aber das war nicht der Grund, wes­halb er die­se Stra­ßen mei­den woll­te. Nein, der Än­de­rung hat­te da­mit nichts zu tun. Der Grund lag ein­fach in den Men­schen­mas­sen, die er hier vor­fand, Hun­der­te von Men­schen, die lie­fen, spa­zie­ren­gin­gen, her­um­stan­den und re­de­ten. In sei­nem gan­zen Le­ben hat­te Fain ei­ne so große Men­schen­an­samm­lung noch nie er­tra­gen kön­nen – we­der Pseu­do­men­schen noch an­de­re – und schon gar nicht auf so en­gem Raum. Es ver­schaff­te ihm Un­be­ha­gen, es mach­te ihn ner­vös und all­zu schreck­haft. Er hat­te es nie ge­mocht, wenn Men­schen dicht an ihn her­an­ka­men, und vor al­lem moch­te er nicht, wenn Al­vea­ner ihn be­rühr­ten. „Es muß noch einen an­de­ren Weg ge­ben.“

Skal­lon zuck­te die Ach­seln. „Da­non soll­te die Stadt ei­gent­lich bes­ser ken­nen als wir und …“ – er warf einen Blick auf die gel­be Son­ne, die in stau­bi­gem Dunst den Ho­ri­zont er­faß­te – „… wir sind schon spät dran.“

„Al­so gut.“ Da er kei­ne an­de­re Mög­lich­keit sah, ließ Fain den Jun­gen los, und die­ser hüpf­te so­gleich da­von und schlüpf­te zwi­schen den brei­ten, schwabb­li­gen Bäu­chen zwei­er ent­ge­gen­kom­men­der Al­vea­ner hin­durch. Fain und Skal­lon folg­ten ihm ein we­nig lang­sa­mer. Die bei­den Al­vea­ner nick­ten knapp und mach­ten ih­nen Platz, aber Fain sah, daß hin­ter ih­nen an­de­re ka­men – vie­le, vie­le an­de­re.

„Der Jun­ge ist cle­ver“, sag­te Skal­lon. „Du kannst dir nicht vor­stel­len, wie sehr er mir bei mei­nen Streif­zü­gen durch die Stadt ge­hol­fen hat. Er ist tat­säch­lich eben­so ge­scheit wie die meis­ten Er­wach­se­nen auf der Er­de.“

„Das will nicht viel hei­ßen“, er­wi­der­te Fain. Er wuß­te ge­nau­so gut wie Skal­lon, daß die Er­klä­rung da­für in ein­fa­cher Ge­ne­tik lag: Die Welt­raum­ko­lo­ni­sa­ti­on hal­te nur die In­tel­li­gen­tes­ten an­ge­zo­gen.

„Na­tür­lich ist Kish nicht sein wirk­li­cher Va­ter.“

„Tat­säch­lich nicht?“ Fain be­müh­te sich, in­ter­es­siert zu er­schei­nen, wäh­rend er die be­droh­li­chen Men­schen­men­gen, die sie um­ga­ben, nicht aus den Au­gen ließ. Sie pas­sier­ten ei­ne Rei­he von Stän­den, an de­nen Le­bens­mit­tel, Klei­der und Ge­gen­stän­de, die aus den Häu­ten to­ter Tie­re ge­fer­tigt wa­ren, un­ter großem Ge­brüll, Ge­schrei und Ge­heul ver­kauft wur­den. Hier war der Mob noch dich­ter. Ein fet­ter Schen­kel streif­te sein Bein. Fain sog die Luft durch die Zäh­ne und biß sich auf die Lip­pe.

„Oh nein“, sag­te Skal­lon. „Es ist kom­pli­ziert, aber wenn man die un­ter­schied­li­chen lo­ka­len Kul­tur­mus­ter ver­steht, dann wird es schon kla­rer. Als Kish noch zur Händ­ler­kas­te ge­hör­te, war er mit ei­ner an­de­ren Frau ver­hei­ra­tet, die et­wa in sei­nem ei­ge­nen Al­ter war, aber sie starb in ei­ner der Seu­chen, oh­ne ihm einen Sohn ge­bo­ren zu ha­ben. Nun ist aber in der Händ­ler­kas­te ein männ­li­cher Er­be fast ei­ne Not­wen­dig­keit, denn die Han­dels­rech­te und Ver­tre­tun­gen wer­den im­mer von Ge­ne­ra­ti­on zu Ge­ne­ra­ti­on wei­ter­ge­ge­ben. Oh­ne einen Sohn und da­mit oh­ne die Ga­ran­tie, daß sein Ge­schäft nach sei­nem To­de wei­ter­be­ste­hen wür­de, wur­de es für Kish sehr schwie­rig, neue Ver­trä­ge zu er­gat­tern. Al­so muß­te er noch ein­mal hei­ra­ten, aber auch da gab es ein Pro­blem, denn nach dem, was ich hö­re, lag die Haupt­schuld da­für, daß kein Sohn ge­bo­ren wur­de, bei Kish.“

„Das hat er dir er­zählt?“ sag­te Fain flüs­ternd; an ei­ne Welt, in der elek­tro­ni­sche Ab­hör­ge­rä­te un­be­kannt wa­ren, konn­te er sich im­mer noch nicht ge­wöh­nen. Skal­lon be­stand dar­auf, daß Lau­schen nach al­vea­ni­scher Auf­fas­sung ein schlim­me­res Ver­ge­hen sei als Mord.

„Nein, nicht er. Jo­a­ne. Sie hat mir ei­ne Men­ge über die hei­mi­schen Sit­ten und an­de­res er­zählt.“

„Ich ver­ste­he.“

„Ja, und das Er­geb­nis war, daß Kish ei­ne Braut fand, die schon von ei­nem an­de­ren Mann schwan­ger war, und das war Jo­a­ne. Ihr Va­ter war ein sehr un­be­deu­ten­der Händ­ler, und er war so­fort be­reit, mit Kish einen Ehe­ver­trag zu schlie­ßen, trotz des großen Al­ters­un­ter­schie­des, der nor­ma­ler­wei­se ein schwer­wie­gen­des Hin­der­nis dar­ge­stellt hät­te. Es gab nur ei­ne Klau­sel, die auf Jo­a­nes Be­stre­ben hin in den Ver­trag auf­ge­nom­men wur­de. An­schei­nend miß­fiel Kish ihr von An­fang an, und sie woll­te nicht zu se­xu­el­lem Ver­kehr mit ihm ge­zwun­gen wer­den.“

„Und er war ein­ver­stan­den?“

„Ja, na­tür­lich. Er brauch­te den Sohn.“

„Aber er ist kein Händ­ler mehr. Er ist Gast­wirt.“

„Ja, es ge­sch­ah näm­lich fol­gen­des: Jo­a­nes Va­ter war an­schei­nend so stolz auf sei­nen Ver­trag mit Kish, daß er sei­nen Mund nicht hal­ten konn­te. Als Kis­hs Ge­schäfts­part­ner die Ge­schich­te er­fuh­ren, lach­ten sie ihn aus. Kish fühl­te sich in den Au­gen sei­ner Stan­des­ge­nos­sen ge­de­mü­tigt. Er hat­te Glück, das Bat­tachran-Ho­tel noch kau­fen zu kön­nen.“

„Er war ein Idi­ot. So schwer sind Frau­en nicht zu fin­den.“

„Aber jetzt haßt er Jo­a­ne. Er gibt ihr und Da­non die Schuld für al­le sei­ne Pro­ble­me.“

„Mit Recht.“

„Nicht daß ich es ihm ver­den­ken könn­te“, sag­te Skal­lon mit ei­nem merk­wür­di­gen Be­ben in der Stim­me. „Aber war es ih­re Schuld, daß sie ihn nicht aus­ste­hen kann?“

„Sie könn­te so tun.“

„Wie könn­te sie tun?“

„Sie könn­te so tun, als hiel­te sie ihn für den hei­ßes­ten Ty­pen auf dem gan­zen Pla­ne­ten.“

„Aber er ver­ab­scheut sie.“

„Na und?“

„Al­so wä­re es un­mög­lich, in die­ser Hin­sicht ir­gend et­was zu heu­cheln.“

Fain hät­te la­chen kön­nen, aber er ließ das The­ma fal­len. Ei­nes Ta­ges wür­de er Skal­lon über die Ge­schich­te der Kunst der weib­li­chen Pro­sti­tu­ti­on auf­klä­ren, aber nicht jetzt. Es war of­fen­sicht­lich, daß Skal­lon mit der Frau schlief. Das war ris­kant ge­nug. Fain wür­de das Pro­blem nicht noch ver­schlim­mern, in­dem er ihn in die De­fen­si­ve zwang.

„Ist es dort drü­ben?“ frag­te Fain und wies auf das za­cken­ge­krön­te Dach ei­nes Holz­ge­bäu­des, das sich vor ih­nen zwi­schen den wack­li­gen Ver­kaufs­bu­den er­hob. Da­non war mit­ten in ei­ner Men­schen­an­samm­lung ste­hen­ge­blie­ben und wink­te ih­nen, sich zu be­ei­len.

„Ja“, mein­te Skal­lon, „das muß die Große Hal­le sein.“ Un­ver­mit­telt be­schleu­nig­te er sei­nen Schritt, er rann­te fast, dräng­te sich an Da­non vor­bei und stürm­te wei­ter. Fain hat­te al­le Mü­he, wat­schelnd mit ihm Schritt zu hal­ten. „Aus sol­cher Nä­he ha­be ich sie noch nie ge­se­hen. Es ist wun­der­voll – dies ist der größ­te Tag mei­nes Le­bens.“

„Schrei doch nicht so, ver­dammt!“

„Du kannst das nicht ver­ste­hen“, sag­te Skal­lon; es ver­letz­te ihn of­fen­sicht­lich, daß Fain sei­ne Be­geis­te­rung nicht teil­te.

Aber Fain be­eil­te sich jetzt eben­falls. Ei­nes zu­min­dest wür­de die ge­prie­se­ne Zen­tral­ver­samm­lung in der Großen Hal­le ihm ver­schaf­fen: Er­ho­lung von die­sen über­füll­ten, stin­ken­den Stra­ßen.

 

Ein­mal in je­dem al­vea­ni­schen Jahr, so wuß­te Fain, ver­sam­mel­ten sich die Füh­rer der ver­schie­de­nen Kas­ten in al­len grö­ße­ren Städ­ten des Pla­ne­ten, um in ei­ner Rei­he von öf­fent­li­chen Zu­sam­men­künf­ten die all­ge­mei­nen Leit­li­ni­en zu be­schlie­ßen, de­nen der ge­sam­te Pla­net im kom­men­den Jah­re fol­gen wür­de. In Fains Au­gen war dies ei­ne völ­lig ver­rück­te Idee: Ent­schei­dun­gen muß­ten vom Fleck weg ge­trof­fen wer­den – nie­mals konn­te man so weit im vor­aus pla­nen. Aber Skal­lon hat­te be­haup­tet, daß die­se Ver­samm­lun­gen an­ge­sichts der schwa­chen Re­gie­rungs­struk­tur der Al­vea­ner ei­ne not­wen­di­ge und sehr ver­nünf­ti­ge de­mo­kra­ti­sche In­sti­tu­ti­on sei­en. Fain zuck­te die Ach­seln. Er wuß­te auch, was für wun­der­ba­re Mög­lich­kei­ten ein sol­ches Sys­tem ei­nem Än­de­rung bot.

Da­non hat­te sie am Ein­gang ver­las­sen. Auf sich selbst ge­stellt, ge­lang es Fain und Skal­lon, sich ins In­ne­re der Großen Hal­le zu drän­gen. Ob­gleich sie so groß war, platz­te die Hal­le doch schon jetzt aus al­len Näh­ten. Fain fand je­de nur vor­stell­ba­re Nu­an­ce des Re­gen­bo­gens in den auf­ge­bläh­ten Ge­wän­dern der Leu­te. Wie an je­dem öf­fent­li­chen Ort auf die­sem Pla­ne­ten herrsch­te auch in der Hal­le ein scha­ler, sie­chen­der Ge­ruch. Ein Durch­ein­an­der von schril­len, schrei­en­den Stim­men bohr­te sich in sei­ne Oh­ren.

Fain ent­deck­te zu sei­ner Lin­ken einen frei­en Stuhl und woll­te dar­auf zu­ge­hen, aber Skal­lon er­griff sei­nen Arm.

„Nein, nicht da.“

„Wie­so nicht?“ Fain muß­te brül­len, um sich ver­ständ­lich zu ma­chen. „Mei­ne Fü­ße brin­gen mich um.“ Die zu­sätz­li­che Wat­tie­rung, die er am Lei­be trug, war mehr als ein Aus­gleich für die ge­rin­ge­re al­vea­ni­sche Gra­vi­ta­ti­on. Sei­ne Bei­ne schmerz­ten ihn.

„Weil wir bei un­se­rer ei­ge­nen Kas­te sit­zen müs­sen. Bei den Dou­bluths.“ Skal­lon zeig­te auf einen ent­fern­ten, dun­kel­ro­ten Farb­klecks. „Da sind sie – dort drü­ben.“

Fain un­ter­drück­te ein Stöh­nen. Skal­lon, eif­rig wie stets, be­gann sich einen Weg durch die Men­ge zu bah­nen. Fain hal­te nichts ge­sagt, aber er frag­te sich ernst­haft, ob ih­re An­we­sen­heil hier be­son­ders nütz­lich sein wür­de. Konn­te man er­war­ten, daß der Än­de­rung, der ja sehr ge­nau wuß­te, daß er ver­folgt wur­de, an ei­nem sol­chen un­ge­schütz­ten und über­sicht­li­chen Ort ir­gend et­was un­ter­neh­men wür­de? Die Lo­gik sag­te ihm, daß man da­mit nicht rech­nen konn­te. Än­der­lin­ge ver­stan­den ih­re Ar­beit, und es gab hun­dert sub­ti­le­re Ar­ten, einen Pla­ne­ten zu rui­nie­ren, oh­ne an ei­ner Ver­samm­lung wie die­ser teil­zu­neh­men. An­de­rer­seits lieb­ten Än­der­lin­ge dreis­te Ak­tio­nen. Es mach­te ih­nen Spaß, zu fop­pen und zu höh­nen und ver­rück­te Ri­si­ken ein­zu­ge­hen. Än­der­lin­ge dach­ten nie­mals nach. Sie plan­ten nicht, und das war es, was sie so ge­fähr­lich mach­te.

Am Ran­de der pur­pur­nen Sitz­rei­hen – Fain nahm be­trübt zur Kennt­nis, daß sämt­li­che Stüh­le be­setzt wa­ren – kam Skal­lon glei­tend zum Ste­hen, fal­te­te die Hän­de zier­lich un­ter dem Kinn und mur­mel­te: „Wir sind hier, um un­se­rem Wunsch Aus­druck zu ver­lei­hen, an der Be­ra­tung un­se­rer Brü­der teil­zu­ha­ben.“

Fain, der auf die Er­for­der­lich­keit sol­cher Ri­tua­le aus­gie­big vor­be­rei­tet wor­den war, tat des­glei­chen. Ei­ne gan­ze Wei­le je­doch ließ kei­ner der Dou­bluths, die in der Nä­he sa­ßen, auch nur im ge­rings­ten er­ken­nen, daß er sie wahr­ge­nom­men hät­te. Die meis­ten schie­nen eif­rig da­mit be­schäf­tigt zu sein, mit ih­rem Nach­barn zu schwat­zen. Sie re­de­ten zu schnell, als daß Fain ih­nen hät­te fol­gen kön­nen.

Dann er­hob sich mit­ten in der Grup­pe ein Mann. Er lä­chel­te, wink­te und kam auf sie zu. Fain, die Hän­de im­mer noch fest ge­fal­tet, sah mit ei­ni­gem In­ter­es­se zu, wie der Mann nä­her kam. So­weit er sich er­in­nern konn­te, war dies der ers­te wirk­lich al­te Mann, den er auf die­sem Pla­ne­ten zu Ge­sicht be­kam. Er sah eben­so fett und gro­tesk aus wie die an­de­ren, aber selbst die wei­chen Fleischwüls­te auf sei­nen Wan­gen und an sei­nem Kinn konn­ten die tie­fen Li­ni­en und Fal­ten, die sein Ge­sicht durch­zo­gen, nicht mehr ver­ber­gen. „Der Se­ni­or“, wis­per­te Skal­lon. „Du weißt, was du zu tun hast.“

Fain brauch­te nicht zu ni­cken. Mit so et­was hat­te er nicht ge­rech­net. So­weit es ihn an­ging, war dies nur ein wei­te­rer Grund da­für, daß er heu­te bes­ser nicht hier­her­ge­kom­men wä­re. Le­dig­lich Skal­lons Igno­ranz in prak­ti­scher Hin­sicht und die Mög­lich­keit, daß er einen ernst­haf­ten Fehl­tritt be­gin­ge, hat­ten ihn schließ­lich da­von über­zeugt, daß es not­wen­dig sei da­bei­zu­sein.

Der al­te Al­vea­ner, der Se­ni­or, ver­neig­te sich tief vor Skal­lon. „Ich hei­ße mei­ne jün­ge­ren Brü­der mit großer Freu­de zu un­se­rem Kon­greß will­kom­men.“

„Die Freu­de ist auf un­se­rer Sei­te“, er­wi­der­te Skal­lon. Er ver­beug­te sich leicht und küß­te den al­ten Al­vea­ner auf die Stirn.

Fain nahm sich be­hut­sam zu­sam­men und schob sich auf den al­ten Mann zu. Oh­ne ein Wort senk­te er den Kopf und voll­zog den not­wen­di­gen Kuß. We­gen sei­ner im­mer noch un­zu­rei­chen­den Aus­spra­che hal­te Skal­lon ihn da­vor ge­warnt, mehr zu re­den als nö­tig war.

Er spür­te einen Ge­schmack auf den Lip­pen, der ihn son­der­ba­rer­wei­se an al­ten Tee er­in­ner­te.

Skal­lon sag­te: „Ich bin Tho­mas, und mein Be­glei­ter heißt Jo­seph. Wir sind Män­ner aus dem Sü­den, die hier­her ge­reist sind, um die größ­ten Meis­ter un­se­rer Kunst zu be­grü­ßen.“ Skal­lon hat­te er­klärt, daß ei­ne sol­che Wall­fahrt, so un­üb­lich sie auch sein moch­te, kaum Über­ra­schung her­vor­ru­fen wür­de. Die Um­ge­bung von Ka­lic wur­de von den Fi­nanz- und Han­dels­kas­ten be­herrscht. Dou­bluths aus den eher land­wirt­schaft­lich ge­präg­ten Kon­ti­nen­ten des Sü­dens wür­den sich für die hier ab­ge­hal­te­nen Ver­samm­lun­gen weit mehr in­ter­es­sie­ren. Skal­lon hat­te ihn ge­warnt, daß der Se­ni­or sie wo­mög­lich ein­ge­hend nach ge­mein­sa­men Freun­den und Be­kann­ten aus­fra­gen könn­te. Auf die­se Wei­se wür­de er am schnells­ten ih­re ei­ge­nen Auf­fas­sun­gen und An­lie­gen in Er­fah­rung brin­gen kön­nen. Des­halb hal­te Fain ein paar Phra­sen über die al­vea­ni­sche Öko­no­mie aus­wen­dig ge­lernt. Dar­über hin­aus wür­de Skal­lon bei die­sem Täu­schungs­ma­nö­ver die Füh­rung über­neh­men müs­sen.

Aber der Se­ni­or mur­mel­te nur: „Ich bin Jal“, wand­te sich ab und eil­te zu sei­nem Platz zu­rück.

Jetzt sah Fain, daß dort Un­ru­he aus­ge­bro­chen war. Ein Al­vea­ner, um­ringt von ei­ner Schar pur­purn ge­wan­de­ter Zu­hö­rer, schüt­tel­te sei­ne Fäus­te und schrie et­was. Ge­wis­se, stän­dig wie­der­hol­te Wör­ter konn­te so­gar Fain ver­ste­hen. Das ei­ne war Er­de und das an­de­re Seu­che.

Als der Se­ni­or dort an­ge­langt war, er­griff er den wild Ges­ti­ku­lie­ren­den am Arm und ver­such­te, ihn von der Zu­hö­rer­men­ge weg zu ei­nem lee­ren Stuhl zu füh­ren. Zu­erst wehr­te sich der Mann, aber dann schi­en der Se­ni­or et­was zu flüs­tern und mit ei­nem är­ger­li­chen Ach­sel­zu­cken ließ der Mann sich ge­hor­sam weg­brin­gen.

„Was war da los?“ frag­te Fain.

In of­fen­sicht­li­cher Be­trof­fen­heit schüt­tel­te Skal­lon den Kopf. „Es hat kei­nen Zweck. Der Mann hat sich dar­über be­klagt, daß das Dou­bluth-Pro­gramm ein Fehl­schlag sei, weil es nicht die For­de­rung nach Be­en­di­gung des ge­sam­ten in­ter­stel­la­ren Han­dels ent­hält.“

„Na und?“

„Nun, es ist ab­so­lut un­er­hört, daß je­mand das Pro­gramm sei­ner ei­ge­nen Kas­te kri­ti­siert. Man kommt zu die­sen Ver­samm­lun­gen, um den ei­ge­nen Plan ge­gen die an­de­ren Kas­ten durch­zu­kämp­fen. Oh­ne ein­mü­ti­ge Front wä­re je­de Kas­te gleich schwach.“

„Und was hat der Se­ni­or ge­sagt, um ihn zum Schwei­gen zu brin­gen?“

„Ich neh­me an, es hat­te et­was mit dem Ri­tu­al zu tun. Er hat ihn wohl nicht da­von über­zeugt, daß er im Un­recht war.“

Aber in die­sem Au­gen­blick hat­te Fain et­was er­blickt, was sei­ne Auf­merk­sam­keit von Skal­lons Er­läu­te­run­gen ab­lenk­te: einen lee­ren Stuhl – so­gar zwei – im hin­te­ren Teil des Dou­bluth-Be­reichs.

„Be­eil dich“, sag­te Fain und zerr­te an Skal­lons Ge­wän­dern.

Sie er­reich­ten die frei­en Stüh­le, kurz be­vor die bei­den Män­ner, die dort auf­ge­stan­den wa­ren, um dem An­ti-Er­den-Agi­ta­tor zu­zu­hö­ren, zu­rück­ka­men.

Fain ließ sich rasch auf einen der bei­den Stüh­le sin­ken und zog Skal­lon auf den an­de­ren.

Die bei­den Al­vea­ner starr­ten ihn wü­tend an, aber Fain tat, als sä­he er sie nicht.

Nach ein paar Au­gen­bli­cken gin­gen die Al­vea­ner da­von.

„Das hät­test du nicht tun dür­fen“, mein­te Skal­lon. „Als Pil­ger soll­ten wir uns un­se­ren Gast­ge­bern nicht auf­drän­gen.“

„Dann steh auf und geh spa­zie­ren“, er­wi­der­te Fain. „Ich hal­te dich nicht fest.“

Skal­lon grins­te. „Du nicht, aber mei­ne Fü­ße. Fain, lang­sam be­grei­fe ich, daß du doch zu et­was zu ge­brau­chen bist.“

„Wür­dest du das bit­te dem Än­de­rung sa­gen?“

„Mach ich. Wenn du mir zeigst, wo er steckt.“

„Noch nicht“, brumm­te Fain. „Aber bald – ver­dammt bald.“

 

Wie Fain es ei­gent­lich er­war­tet hat­te, er­wies sich die Ver­samm­lung als hoff­nungs­los lang­wei­lig. Er muß­te sich zwin­gen, wach­sam zu blei­ben, wäh­rend Kas­te um Kas­te nach­ein­an­der die höl­zer­ne Platt­form in der Mit­te der Hal­le be­trat. Nach al­lem, was er be­griff, er­hob sich je­der der Red­ner, um einen de­tail­lier­ten – und, was Fain be­traf, völ­lig un­ver­ständ­li­chen – Plan für die Re­gie­rung des Pla­ne­ten wäh­rend des kom­men­den Jah­res dar­zu­le­gen. Falls der Än­de­rung zu­ge­gen war, gab er dies durch kei­ner­lei Zei­chen zu er­ken­nen. Skal­lon zu­fol­ge brach­ten die Red­ner ih­re Aus­füh­run­gen durch­weg in sehr mil­den Wor­ten dar. An­grif­fe auf die Er­de be­schränk­ten sich auf über­aus sanf­te und all­ge­mein ge­hal­te­ne For­mu­lie­run­gen. Die Seu­chen – wenn sie über­haupt Er­wäh­nung fan­den – wur­den als me­di­zi­ni­sches Pro­blem mit mög­li­chen Lö­sun­gen ge­schil­dert. Die Hit­ze in der Hal­le und das be­stän­di­ge Sum­men von Ge­sprä­chen rings­um­her ta­ten das ih­re, um Fains Schläf­rig­keit zu ver­grö­ßern. Un­merk­lich wur­de der Nach­mit­tag zum Abend. Die Nacht sank her­ab. Skal­lon saß auf­recht auf der Stuhl­kan­te und ver­schlang je­des ein­zel­ne Wort. Skal­lon ließ sei­ne Au­gen zu­fal­len. Es war warm. Es war be­hag­lich.

Der Än­de­rung war weit weg.

Er wuß­te nicht, wie lan­ge er ge­schla­fen hat­te, als Skal­lon sei­nen Arm be­rühr­te. Au­gen­blick­lich war Fain hell­wach.

„Sieh mal“, flüs­ter­te Skal­lon, „ich glau­be, mit dem Mann dort stimmt et­was nicht.“

Fains Blick folg­te Skal­lons aus­ge­streck­tem Zei­ge­fin­ger. Ein pur­purn ge­wan­de­ter Dou­bluth hat­te end­lich das Po­di­um er­klom­men. Fain glaub­te, den Mann als Jal wie­der­zu­er­ken­nen, den Se­ni­or, der sie be­grüßt hat­te. Aber Jal sprach nicht. Statt des­sen hielt er die Hän­de hoch über den Kopf, und sei­ne Ge­wän­der wall­ten mit den Be­we­gun­gen sei­nes Kör­pers. Er schi­en zu tan­zen.

„Es ist die Seu­che“, flüs­ter­te Skal­lon.

Fain brauch­te kei­ne Be­stä­ti­gung für die­se Dia­gno­se. Er spür­te, daß je­des Au­ge in der Hal­le jetzt den zu­cken­den, sich win­den­den Tän­zer be­ob­ach­te­te. Noch hat­te nie­mand et­was ge­sagt, ge­ru­fen oder ge­schri­en, aber ei­ne At­mo­sphä­re von un­ter­drück­tem Grau­en, von kurz vor dem Aus­bruch ste­hen­der Pa­nik; er­füll­te den Raum.

Dann schrie je­mand. Fain wand­te sich nach rechts und sah den jun­gen Dou­bluth, der vor­hin den Auf­ruhr ver­ur­sacht hat­te. Er stand auf ei­nem Stuhl. „Seht nur“, rief der Mann. „Seht, was sie uns jetzt an­ge­tan ha­ben.“

Nie­mand muß­te fra­gen, wen er mit sie mein­te.

„Es ist un­ser Se­ni­or“, fuhr der Mann fort. In der Stil­le der Hal­le, durch­bro­chen nur von den stamp­fen­den Fü­ßen des tan­zen­den Se­niors, dröhn­te sei­ne Stim­me wie Ka­no­nen­don­ner. „Es ist mein Se­ni­or und Meis­ter. Sie ha­ben ihn er­mor­det. Wart ihr nicht ge­warnt? Wir hal­ten un­se­re Ver­samm­lung ab und spre­chen von wun­der­ba­ren Plä­nen, land­wirt­schaft­li­chen Quo­ten und Han­dels­recht. Wir re­den, wäh­rend rings um uns her Men­schen ster­ben, er­mor­det durch die selbst­süch­ti­ge Gier des Er­den­kon­sor­ti­ums und sei­nes so­ge­nann­ten Ko­ope­ra­ti­ven Im­pe­ri­ums. Es ist ei­ne Ob­szö­ni­tät in den Au­gen des Got­tes mit den Mil­lio­nen Na­men.“

Skal­lon er­griff sei­nen Arm. „Fain, tu et­was!“

Wie al­le an­de­ren be­ob­ach­te­te Fain den Tan­zen­den. Die Be­we­gun­gen des Se­niors wa­ren jetzt lang­sa­mer ge­wor­den. Sei­ne Ar­me hin­gen nutz­los her­un­ter. Sein Kopf zuck­te krampf­haft hin und her. „Was schlägst du denn vor?“

„Bring ihn zum Schwei­gen. Sorg da­für, daß er still ist. Siehst du nicht, daß er ver­sucht, die Er­de ver­ant­wort­lich zu ma­chen für … für das, was hier ge­schieht?“ Er wies mit dem Kopf auf das Po­di­um.

„Viel­leicht hat er nicht ganz un­recht.“

„Fain, es kann sein, daß er der Än­de­rung ist!“

„Und es kann sein, daß er es nicht ist. Halt den Mund und über­laß das mir.“ Aber Fain mach­te kei­ne An­stal­ten, et­was zu un­ter­neh­men. Im Au­gen­blick be­gnüg­te er sich da­mit, zu be­ob­ach­ten und zu­zu­hö­ren. Al­ler­dings ließ er sei­ne Hand sin­ken und leg­te sie auf die be­ru­hi­gen­de Wöl­bung sei­nes Hit­ze­strah­lers.

Der Red­ner sag­te so­eben: „Schaut euch die­sen Mann an. Schaut nur, wie er tanzt. Seht, wie sein Kopf zuckt und wie er sei­ne Hän­de gen Him­mel streckt. Er ist ei­ne Ma­rio­net­te. Er ist ein Ge­schöpf in den Hän­den an­de­rer. Er ist ei­ne Ma­rio­net­te der Er­de. Sie las­sen ihn tan­zen, und so wahr ich hier ste­he – sie wer­den ihn ster­ben las­sen.“

Kaum hat­te der Mann das ge­sagt, wie auf ein Stich­wort hin, warf der Tan­zen­de auf der Platt­form sei­nen Kopf in den Nacken, stieß einen furcht­ba­ren Schrei vol­ler Schmerz und Ver­zweif­lung aus und sank zu ei­nem reg­lo­sen Bün­del zu­sam­men.

„Tot“, sag­te Fain, oh­ne et­was zu emp­fin­den.

Die Pa­nik, die Red­ner und Tän­zer bis­her in Schach ge­hal­ten hat­te, brach jetzt aus. Män­ner schri­en, an­de­re brüll­ten, Stüh­le wur­den um­ge­sto­ßen. Al­les schi­en gleich­zei­tig auf die Aus­gän­ge zu­zu­stür­men.

Fain hielt Skal­lon dicht bei sich. Er muß­te schrei­en, um in dem Höl­len­lärm ver­stan­den zu wer­den. „Rühr dich nicht. Bleib wo du bist.“ Selbst Fain fühl­te, wie es ihn un­wi­der­steh­lich nach drau­ßen an die fri­sche Luft zog. Aber er hat­te nicht die Ab­sicht, sich zu To­de tram­peln zu las­sen. Nicht hier auf Al­vea.

Er führ­te Skal­lon in die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung, weg von der Meu­te. Er stieß einen Stuhl bei­sei­te.

„Wo willst du hin?“ frag­te Skal­lon.

Fain wies auf das Po­di­um vor ih­nen. „Ich will mir die­sen Mann ge­nau an­se­hen.“

„Aber der ist tot, Fain.“

„Das weiß ich.“

„Aber … aber … wir …“ Skal­lon dreh­te den Kopf hin und her. Den an­stür­men­den Men­schen­mas­sen war es ge­lun­gen, ein Loch in die Wand zu bre­chen. In­zwi­schen wa­ren fast al­le ins Freie ge­langt. Al­le bis auf die zer­quetsch­ten Lei­ber, die ver­streut um­her­la­gen, zu Bo­den ge­wor­fen von der al­les zer­mal­men­den Men­ge.

„Skal­lon, wir sind vor je­der denk­ba­ren Seu­chen­form si­cher. Es gibt kei­nen Grund zur Be­sorg­nis. Du soll­test das bes­ser wis­sen als je­der an­de­re.“

„Ja, ja, na­tür­lich. Du hast recht. Aber …“

Fain brach­te sich da­zu, be­sänf­ti­gend den Arm des an­de­ren zu tät­scheln. „Du brauchst mir nichts zu er­klä­ren. Pa­nik ist ei­ne an­ste­cken­de Krank­heit. Ich ha­be es vor­hin selbst ge­spürt.“

„Es ist nur schwie­rig, einen kla­ren Kopf zu be­hal­ten. Bei die­sem … die­sem Cha­os.“

„Ja“, sag­te Fain tro­cken. „Ge­nau.“

Er be­stieg die Platt­form. Sie war leer; es war der letz­te Ort der Welt, an dem sich ir­gend je­mand frei­wil­lig auf­hal­ten woll­te. Das plötz­li­che Über­maß an frei­em Raum war für Fain ei­ne will­kom­me­ne Er­leich­te­rung. Er spür­te, daß er jetzt kla­rer den­ken konn­te.

Er pack­te den Leich­nam des Se­niors und wälz­te den Mann auf sei­nen mas­si­gen Bauch. Er faß­te in das di­cke Fleisch an der Rück­sei­te des einen Ar­mes und drück­te es kräf­tig zu­sam­men. „Da“, sag­te er und wink­te Skal­lon, sich die Stel­le an­zu­se­hen. „Ich dach­te mir schon, daß es zu schön war, um wahr zu sein.“

Skal­lon sah hin, aber er schüt­tel­te den Kopf. „Ich se­he nichts.“

„Das Fleisch. Es hat sich ver­färbt. Dort, wo ich ihn ge­knif­fen ha­be.“ Er ließ den To­ten los und er­hob sich. „Die­ser Mann ist mit ei­nem In­jekt­or er­wi­scht wor­den – und zwar vor kur­z­em erst.“

„Ver­til?“

Fain hat­te die Platt­form schon ver­las­sen. Er ging schnell, aber er rann­te nicht. Von drau­ßen hör­te er im­mer noch das lau­te Ru­mo­ren der Men­ge, aber das In­ne­re der Hal­le lag jetzt ver­las­sen da. „Ver­til braucht man nicht zu inji­zie­ren. Nein, ich schät­ze, es war die Seu­che, die ihn ge­tö­tet hat.“

„Aber die kann doch der Än­de­rung sich nicht ver­schafft ha­ben – zu­min­dest kei­ne der lo­ka­len Seu­chen­for­men.“

„Dann hat es viel­leicht sei­ne ei­ge­ne mit­ge­bracht.“

„Aber dann … wir … wir …“

„Ge­nau“, sag­te Fain. „Dann sind wir viel­leicht nicht im­mun.“

Wie Fain be­gann jetzt auch Skal­lon schnel­ler zu lau­fen, aber dann schi­en ihm plötz­lich ein Ge­dan­ke zu kom­men, und er ver­lang­sam­te sei­nen Schritt. Er wuß­te eben­so­gut wie Fain, daß Ei­le ih­nen jetzt nichts mehr nüt­zen könn­te. „Dann muß der Än­de­rung doch die­ser Al­vea­ner ge­we­sen sein. Er­in­ne­re dich: Wir ha­ben sie dicht bei­ein­an­der ste­hen se­hen. Da­bei hät­te er den In­jekt­or be­nut­zen kön­nen.“

„Das hät­te er, aber fast je­der an­de­re eben­falls.“ Fain schüt­tel­te den Kopf. „Nein, ich bin noch nicht so­weit, daß ich ei­ne be­stimm­te Ver­mu­tung äu­ßern könn­te – noch nicht.“

Ins Freie zu ge­lan­gen war ein­fach ge­nug. Sie stie­gen durch das Loch in der Wand, und über ih­nen fun­kel­ten die Ster­ne. Die Men­ge hat­te sich zum größ­ten Teil zer­streut. Ein paar ver­streu­te Grup­pen von Leu­ten wa­ren zu­rück­ge­blie­ben. Fain at­me­te die sau­be­re Nacht­luft in tie­fen Zü­gen, und so­gleich fühl­te er sich bes­ser. Er war zu er­schöpft, um her­um­zu­ste­hen und ein paar Idio­ten da­bei zu­zu­hö­ren, wie sie Schmäh­re­den ge­gen die Er­de führ­ten.

„Was ist dort drin­nen ge­sche­hen, ho­he Her­ren?“ Es war der Jun­ge, Kis­hs Sohn – nein, ver­bes­ser­te sich Fain: Jo­a­nes Sohn. An­schei­nend hat­te er die gan­ze Zeil drau­ßen ge­war­tet. „Ei­ni­ge sa­gen, die Seu­che sei aus­ge­bro­chen.“

„So et­was Ähn­li­ches“, sag­te Fain. Er gab dem Jun­gen einen sanf­ten Stoß. „Bring uns nach Hau­se, und Skal­lon hier wird dir al­les er­zäh­len.“

Wäh­rend sie durch die ge­wun­de­nen Stra­ßen der Stadt wan­der­ten, die jetzt eben­so tot und leer dala­gen, wie sie zu­vor be­völ­kert und le­ben­dig ge­we­sen wa­ren, konn­te Fain nicht um­hin, Skal­lon dicht zu sich her­an­zu­zie­hen. „Die­ser Dou­bluth … ich mei­ne den, der ge­gen die Er­de ge­wet­tert hat … er­in­nerst du dich an ihn?“

„Ja, na­tür­lich. Und ich mei­ne im­mer noch, daß er der Än­de­rung war. Es gä­be sonst zu vie­le Zu­fäl­le in der Ge­schich­te.“

„Ist dir an ihm et­was auf­ge­fal­len, wäh­rend er re­de­te?“

„Auf­ge­fal­len? Was meinst du?“

„Sei­ne Au­gen, sei­ne Hal­tung, sei­ne Art zu re­den.“

„Ja. Nein. Ich mei­ne, so ge­nau ha­be ich ihn mir nicht an­ge­se­hen. Ich neh­me an, ich ha­be auf den Se­ni­or ge­ach­tet. Wor­auf willst du hin­aus?“

„Ver­tu“, sag­te Fain. „Wenn je­mals in mei­nem Le­ben je­mand un­ter dem Ein­fluß von Ver­til ge­han­delt hat, dann die­ser Mann.“

„Dann … dann war er nicht … dann kann er nicht der Än­de­rung ge­we­sen sein.“

„Nein“, er­wi­der­te Fain. „Aber er war dort. Er war dort, und er war sorg­fäl­tig be­müht, uns wis­sen zu las­sen, daß er dort war.“

Ei­ne Wei­le sag­te Skal­lon gar nichts. Vor ih­nen in der Dun­kel­heit hör­te Fain die Schrit­te des Jun­gen, der ih­nen vor­aus­lief. „Was be­deu­tet das, Fain?“

„Ich wünsch­te, ich wüß­te es.“ Fain schüt­tel­te den Kopf lang­sam hin und her. „Ich wünsch­te wirk­lich, ich wüß­te es.“