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Skal­lons Fü­ße brann­ten, als er die ver­schlun­ge­nen Au­ßen­be­zir­ke von Ka­lic er­reich­te. Über die Feld­we­ge zu mar­schie­ren war et­was völ­lig an­de­res als in ei­nem Ei­sen­bahn­wag­gon über sie hin­weg­zuglei­ten. Der Ur­wald lich­te­te sich, und an sei­ne Stel­le tra­ten Grä­ser und Bäu­me, die die Men­schen auf Al­vea hei­misch ge­macht hat­ten. Wei­te Fel­der, für die Aus­saat ge­pflügt, er­streck­ten sich bis zum Ho­ri­zont. Er er­kann­te die ho­hen, pilz­för­mi­gen Pflan­zen mit den flam­mend ro­ten Kro­nen: Quan­ti­ma­kas, das al­vea­ni­sche Haupter­zeug­nis. Von den kup­pel­ar­ti­gen Kro­nen wur­den täg­lich große Stücke der aus­ge­reif­ten Rän­der ab­ge­bro­chen. Wenn man sie koch­te, rö­te­ten sie sich noch mehr, und sie schmeck­ten wie Kar­tof­feln, wa­ren al­ler­dings von zä­he­rer Kon­sis­tenz. Nach der Blü­te brach­ten sie herz­haf­te, meh­li­ge Früch­te her­vor. Die ge­sam­te Pflan­ze wur­de ver­wer­tet: Die Stäm­me wur­den ge­trock­net und ge­klopft und dann zu je­nem rau­hen, ro­ten Stoff ge­wo­ben, den die Ar­bei­ter wäh­rend des Win­ters tru­gen. Ne­ben Skal­lon zo­gen auch an­de­re ein Wä­gel­chen hin­ter sich her, be­la­den mit ge­trock­ne­ten Blät­tern, die als Pack­ma­te­ri­al ver­wen­det wur­den. Als er Ka­lic er­reicht hat­te, kann­te er den ste­chen­den Ge­ruch der glän­zen­den Blät­ter bes­ser als ihm lieb war. Ei­ne Be­geg­nung mit dem Än­de­rung, so fand er, konn­te kaum un­an­ge­neh­mer wer­den als das Quan­ti­ma­kas.

Ma­ra­ban La­ne war ei­ne Schlucht von ho­hen, wack­li­gen Häu­sern, die sich ein­an­der über den von Schlaglö­chern über­sä­ten Or­ga­ni­form­be­lag der Stra­ße hin­weg in schie­fen Win­keln zu­neig­ten. Der Ein­gang zum Bat­tachran-Ho­tel öff­ne­te sich wie ein schwar­zer Schlund zur Ma­ra­ban La­ne. Ein sau­rer Ge­ruch weh­te aus die­sem ge­pflas­ter­ten Ra­chen in Skal­lons Ge­sicht, als die­ser die Deich­sel der Kar­re klap­pernd auf den Or­ga­ni­form­bo­den fal­len ließ. Die Lich­ter von in­nen leuch­te­ten wie durch Scha­len vol­ler Blut. Als der Abend her­ab­sank, schie­nen die Far­ben von Al­vea kräf­ti­ger zu wer­den, an­statt zu ver­blas­sen, wie sie es auf der Er­de ta­ten.

Skal­lon läu­te­te. Au­gen­blick­lich er­schi­en ein fet­ter Mann, der lang­sam zum Ein­gang her­un­ter­kam. Sei­ne Schu­he klap­per­ten auf dem Stein­bo­den. Mit wach­sa­men Au­gen be­trach­te­te er den Hand­wa­gen. „Ihr seid wie vie­le?“ frag­te er mit ei­ner über­ra­schend leich­ten Te­nor­stim­me.

„Zwei. Und das hier.“ Er hielt ei­ne Kenn­mar­ke hoch.

„Von wo?“ De­mons­tra­ti­ves Des­in­ter­es­se.

„Ihr wer­det es er­fah­ren.“

Der Mann strich über die di­cken Fett­wüls­te, die sich un­ter sei­nen Ge­wän­dern wölb­ten. Seuf­zend und mit be­ton­ter Bei­läu­fig­keit schob er die Kenn­mar­ke in einen Ring an sei­ner rech­ten Hand. Der Ring leuch­te­te auf, erst grün und dann perl­weiß.

„Ver­dammt und …“ Der Mann brach ab. „Ich hät­te nie ge­dacht …“

„Daß ein­mal je­mand kommt? Da­für wer­det Ihr be­zahlt.“

„Na ja, nein, das ge­ra­de nicht, ich mei­ne – das woll­te ich da­mit nicht sa­gen. Ihr müßt ver­ste­hen, daß ich so et­was nicht ge­wohnt bin … sol­che, hm …“

„Pro­ze­du­ren.“

„Ah. Ja.“ Mit plötz­li­cher Ener­gie trat der Mann vor, als ha­be er einen Ent­schluß ge­faßt, und schüt­tel­te Skal­lon die Hand. „Ich hei­ße Kish.“ Er leg­te einen mas­si­gen Arm auf die Kar­re. „Ich wer­de Euch hel­fen.“

Ge­mein­sam zo­gen sie den Wa­gen in den Hof des Ho­tels. Skal­lon ließ sich von Kish ei­ne De­cke ge­ben, lang­te tief in den Wa­gen hin­ein und brach­te Scor­pio, in die De­cke gehüllt, zum Vor­schein. Kish be­trach­te­te den ver­hüll­ten Klum­pen und run­zel­te die Stirn. Skal­lon wink­te ihm, und Kish ging vor­aus in einen dunklen Kor­ri­dor. Skal­lon konn­te sonst nie­man­den se­hen. „Wie ge­hen die Ge­schäf­te?“ frag­te er, nach ei­ner un­ver­bind­li­chen Er­öff­nung su­chend.

„Oh, schreck­lich. Ganz schreck­lich. Die­se neu­en Epi­de­mi­en …“

Er stieß ei­ne di­cke Holz­tür mit dem Fuß auf. „So­gar wäh­rend der Fest­ta­ge schlägt die Krank­heit zu. Das treibt die Leu­te aufs Land hin­aus.“

Skal­lon schob sich ins Zim­mer und ließ Scor­pio auf den Stein­bo­den fal­len. Der Hund wälz­te sich aus der De­cke und win­sel­te. Kish trat einen Schritt zu­rück; er be­weg­te sich über­ra­schend schnell für einen der­ar­tig schwe­ren Mann. „Was, was …?“

„Ein Hund. Ei­ne nie­de­re Form. Ei­ne Nutz­tier­züch­tung“, sag­te Skal­lon sanft. „Ei­ne sehr al­te Tier­art.“ Er strei­chel­te das glat­te Fell des Blut­hun­des. Un­ter dem wei­chen Glanz spür­te er schlan­ke, straf­fe Mus­keln.

„Von der Er­de?“

„Na­tür­lich. Ihr müßt doch schon Ho­los da­von ge­se­hen ha­ben.“

„Aber ich wuß­te nicht, daß sie so groß sind.“

„Wo. Wir.“

Kish wich noch ein­mal zwei Schrit­te zu­rück und stieß ge­gen ei­ne stei­ner­ne Mau­er. Bei­na­he hät­te er ei­ne fla­ckern­de Öl­lam­pe um­ge­sto­ßen. „Ihr sag­tet, es sei ei­ne nie­de­re Form.“

„Re­la­tiv, ja. Die­ser hier ist ei­ne Er­wei­te­rungs­züch­tung.“

„Er spricht.“ Kish hat­te einen klei­nen Mund, und jetzt zog er be­trof­fen die Mund­win­kel nach oben, und es er­schi­en ei­ne Rei­he von eben­mä­ßi­gen wei­ßen Zäh­nen, die an der dunklen Ober­lip­pe nag­ten. Sei­ne Au­gen husch­ten zwi­schen Skal­lon und dem Hund hin und her. „Ver­steht er uns?“

„Ja. Ich. Ha­be. Vo­kab.“

Kish sah Skal­lon fra­gend an. „Vo­ka­bu­lar“, er­läu­ter­te Skal­lon. „All­zu lan­ge Wör­ter kön­nen sie nicht sa­gen.“ Er knie­te nie­der. „Scor­pio, wir sind in Ka­lic. In ei­nem Ho­tel. Fain wird bald auch hier sein. Ich wer­de dir ein Plätz­chen su­chen, wo du dich aus­ru­hen kannst.“

„Es­sen. Und. Muß. Ler­nen. … Ge­rü­che.“

„Selbst­ver­ständ­lich.“ Er strei­chel­te den Hund noch ein­mal und rich­te­te sich auf. Er schäm­te sich ein we­nig, weil er sei­nen Är­ger über Fain an Scor­pio aus­ge­las­sen hal­le. Wahr­schein­lich spür­te der Hund sei­ne Feind­se­lig­keil.

Kish wink­te ih­nen, und Skal­lon führ­te den Hund durch ei­ne klei­ne Holz­tür in einen neu­en, düs­te­ren Gang. Kish zog an ei­nem Griff, und ein gel­bes Recht­eck tat sich auf, ei­ne klei­ne Kam­mer, ge­ra­de groß ge­nug für ein Bett. Galt so et­was als Ho­tel­zim­mer? Für Bau­ern viel­leicht – aber es gab kei­ne wirk­lich un­ter­pri­vi­le­gier­ten Klas­sen in der al­vea­ni­schen Ge­sell­schaft, er­in­ner­te er sich. In ri­tua­li­sier­ter Form, ja, und durch Kon­ven­tio­nen ein­ge­schränkt – aber nicht är­mer als der brei­te Durch­schnitt. Zu­min­dest hat­te es so in sei­nem Lehr­ma­te­ri­al ge­stan­den.

„Du mußt dich hier ei­ne Wei­le ver­ste­cken“, sag­te er lei­se zu dem Hund. Scor­pio jaul­te kurz, wahr­schein­lich vor Er­schöp­fung, und roll­te sich dann auf dem Bett zu­sam­men. Kish trat bei­sei­te, und ei­ne Frau be­trat das en­ge Zim­mer. Sie trug ei­ne Scha­le mit ge­hack­tem Fleisch, das nach Ver­we­sung stank.

„Ist das zum Es­sen?“ frag­te Skal­lon scharf.

„Ja. Gu­tes Fleisch. Er soll es ver­su­chen.“ Kish bohr­te der Frau sei­nen Fin­ger in den Rücken. Beim An­blick von Scor­pio war sie in der Tür ste­hen­ge­blie­ben.

„Es ist al­les in Ord­nung“, sag­te er lei­se zu ihr. Sie run­zel­te die Stirn und stell­te die Scha­le ne­ben Scor­pio auf das Bett.

„Das stinkt“, mein­te Skal­lon. Wenn der Hund sich ver­gif­ten ließ, weil er nicht auf ihn auf­paß­te … und oh­ne Fain …

„Es ist frisch“, sag­te die Frau lei­se.

„Das Tier ist erst heu­te mor­gen ge­schlach­tet wor­den“, be­ru­hig­te Kish ihn.

„Ge­schlach­tet?“ Skal­lon be­griff, daß die­ses Fleisch von ei­nem le­ben­den We­sen stamm­te, das her­um­ge­lau­fen war und sich selbst sei­ne Nah­rung ge­sucht hat­te. Die röt­li­che Mas­se war nicht von ei­nem Pro­te­in­klum­pen ab­ge­schnit­ten wor­den. Un­glaub­lich. Ob Scor­pio das ver­tra­gen wür­de?

Der Hund schnüf­fel­te, leck­te, kos­te­te. „Riecht.“ Er fraß ein Stück. „Aber. Gut.“ Zu­frie­den ver­zehr­te er sei­ne Por­ti­on.

Als sie in Kis­hs en­ges „Bü­ro“ zu­rück­ge­kehrt wa­ren, in dem kein Schreib­tisch und kei­ne Schreib­ta­fel zu se­hen war, wies der di­cke Mann mit dem Kopf auf die schlan­ke Frau. „Ich bin un­höf­lich. Mei­ne Frau. Sie weiß von Eu­rer … Ar­beit. Wir wer­den uns be­mü­hen, es Euch be­hag­lich zu ma­chen, so­lan­ge Ihr hier auf Eu­rer wich­ti­gen Missi­on seid. Seid zu­ver­sicht­lich, daß wir Euch nach Kräf­ten hel­fen, In­for­ma­tio­nen zu fin­den …“

„Ja, ja, tau­send Dank.“ Skal­lon wand­te sich an die Frau. „Ihr seid?“

„Jo­a­ne.“ Ih­re Stim­me kam tief un­ten aus der Keh­le, hei­ser und doch weich. Sie war nicht hübsch. Ih­re Na­sen­spit­ze war nach un­ten ge­bo­gen, und der Schat­ten von der De­cken­lam­pe ließ sie noch län­ger er­schei­nen. Ihr Mund war nicht breit, aber die Lip­pen wa­ren in der Mit­te auf­ge­wor­fen und ver­mit­tel­ten einen Ein­druck von Sinn­lich­keit. Rot und üp­pig, ver­jüng­ten sie sich zu leicht auf­wärts ge­kräu­sel­ten Mund­win­keln, ei­nem be­stän­di­gen Hal­b­lä­cheln, um­ge­ben von zar­ten Fält­chen. Et­was an die­ser Frau fes­sel­te Skal­lons Auf­merk­sam­keit, ob­gleich Kish ihn mit ei­ner Ge­bär­de ein­lud, Platz zu neh­men, und um sein Zö­gern zu über­spie­len, sag­te er: „Ihr … Ihr wißt, ich kom­me …“

„Von der Er­de“, mur­mel­te sie. „Na­tür­lich. Mein Gat­te er­war­te­te je­man­den. Man sag­te uns, wir soll­ten uns be­reit­hal­ten. Der Erd­kon­sul sand­te uns ei­ne Nach­richt, am Tag sei­ner Ab­rei­se.“

„Ihr wer­det se­hen, daß wir zu­ver­läs­sig sind“, sag­te Kish ernst­haft. Er schnipp­te ein klei­nes In­sekt von ei­nem Stuhl und wink­te Skal­lon, sich zu set­zen.

„In Eu­rer Ak­te heißt es, Ihr wä­ret ein Händ­ler“, sag­te Skal­lon und ließ sich in den brei­ten al­vea­ni­schen Stuhl sin­ken.

„Ich fand, daß es mei­nem Ge­schmack nicht ent­sprach.“ Kish lä­chel­te. „Jo­a­ne, bring uns Bier vom Faß. Un­ser Freund sieht blaß aus.“

„Mein Ma­ke-up ist wahr­schein­lich nicht ganz in Ord­nung“, sag­te Skal­lon. Er sah der Frau nach. „Eu­rem ‚Ge­schmack’, wie? Heißt das, daß Ihr es nicht ge­schafft habt?“

„So könn­te man es aus­drücken. Ich bin si­cher, Ihr ver­steht. Was soll­te ich tun?“ Er brei­te­te die Ar­me aus. „Eu­er Kon­sul ver­lang­te in den letz­ten Ta­gen In­for­ma­tio­nen, aber er konn­te mir kein Geld über­mit­teln, oh­ne daß ein Ver­dacht auf uns ge­fal­len wä­re. Kein Erd­ler konn­te sich in je­nen fins­te­ren Ta­gen auf die Stra­ße wa­gen.“ Er warf Skal­lon einen Blick zu. „Und auch jetzt noch nicht.“

„So schlimm steht es al­so.“

„Ja. Aber der Kon­sul muß sei­nen Vor­ge­setz­ten doch Be­richt er­stat­tet ha­ben.“

„Das hat er. Aber sei­ne Be­rich­te wur­den nicht all­zu ernst ge­nom­men.“

„Warum nicht?“

„Al­lein ar­bei­ten­de Be­am­te spie­len ih­re Schwie­rig­kei­ten gern hoch. Das sieht bes­ser aus.“

„Ein selt­sa­mes Ver­fah­ren. Ihr setzt Män­ner als Be­ob­ach­ter ein, und dann glaubt Ihr nicht, was sie Euch be­rich­ten.“

Skal­lon lä­chel­te. „So sind eben die Spiel­re­geln. Fragt mich nicht, ob sie be­grün­det sind.“

„Aber dies ist kein Spiel.“

„Auf ei­ne Ent­fer­nung von zehn Par­secs? Da ist es doch schwer, es als et­was an­de­res zu se­hen.“

„Aber die Über­licht-Kreu­zer kön­nen uns in we­ni­gen Wo­chen er­rei­chen. So müßt doch auch Ihr her­ge­kom­men sein.“

„Ja. Sie kön­nen ein paar Män­ner schi­cken, so wie uns, klar. Aber all das wich­ti­ge Zeug: mi­li­tä­ri­sche Hard­wa­re, Roh­ma­te­ria­li­en, Ex­port­wa­ren – selbst die Er­de kann sich nicht leis­ten, so et­was mit Über­licht­ge­schwin­dig­keit zu trans­por­tie­ren.“

„Ich ver­ste­he. Ich hat­te ge­hofft …“

Skal­lon beug­te sich vor. Er stütz­te die Ell­bo­gen auf die Knie und be­trach­te­te den fet­ten Mann auf­merk­sam. Es war schwie­rig, aus ei­nem Ge­sicht, das in Rol­len von Fett ge­klei­det war, einen Aus­druck her­aus­zu­le­sen. Die bes­te Idee war viel­leicht, die Au­gen zu be­ob­ach­ten, die sich glit­zernd und be­hen­de in der brau­nen Flä­che be­weg­ten. „Ihr dach­tet, wir kom­men im Sturm her­auf und re­pa­rie­ren den La­den?“

„Nun, es wa­ren mü­ßi­ge Ge­dan­ken …“ Kish mach­te ei­ne klei­ne Ge­bär­de mit den Fin­gern; er spreiz­te sie, um an­zu­deu­ten, daß das, was er sag­te, oh­ne Be­deu­tung sei.

„Ihr dach­tet, wir schi­cken ein um­fang­rei­ches Team von Bio-Ad­ap­tern? Stop­pen die Epi­de­mi­en? Ent­wi­ckeln ein paar Heil­ver­fah­ren? Ich würd’s gern tun.“ Skal­lon sprach mit plötz­li­cher Ein­dring­lich­keit. „Glaubt mir, das wür­de ich. Aber da­zu be­steht kein An­laß, nicht nach Auf­fas­sung der Er­de.“

„Und bis die Ra­ke­ten­schif­fe uns er­rei­chen könn­ten …“

„Rich­tig. Das dau­er­te Jahr­zehn­te. Und kei­ne Be­sat­zung wür­de sich zu ei­ner der­art lan­gen Rei­se be­reit­fin­den – die Leu­te wür­den ver­rückt wer­den.“

„Wes­halb seid Ihr dann hier?“

„Um die Ord­nung auf­recht­zu­er­hal­ten.“

„Aber die Ord­nung ist nicht ge­stört.“

„Das wird sich bald än­dern.“

Und Skal­lon be­rich­te­te Kish über den Än­de­rung. Über die in­ter­stel­la­ren Ra­dio­ver­bin­dun­gen hat­te sich zwar schon ei­ni­ges her­um­ge­spro­chen, aber Kish hat­te kei­ne Vor­stel­lung da­von, wie ge­schickt ein Än­der­ling je­des be­lie­bi­ge mensch­li­che We­sen, gleich wel­chen Ge­schlechts, nach­ah­men konn­te. Kish konn­te un­mög­lich wis­sen – weil die Er­de die­se Tat­sa­che ge­heim­hielt – daß der Än­der­ling­pla­net lang­sam zum An­griff über­ging. Sie schleus­ten sich in aus­ge­wähl­te Ko­lo­nie­wel­ten ein, führ­ten an­schei­nend will­kür­li­che Sa­bo­ta­ge­ak­te aus und ver­ur­sach­ten das Cha­os um sei­ner selbst wil­len. Vor fünf Jah­ren hat­te man auf Re­vo­li­um, ei­ner Was­ser­welt, Än­der­lin­ge ge­fan­gen und mit dem Über­licht-Kreu­zer di­rekt zur Er­de trans­por­tiert. Ei­nes zer­split­ter­te man schließ­lich in Per­sön­lich­keits­frag­men­te. Im Kern fand sich ein psy­cho­ti­sches Ver­lan­gen nach Zer­stö­rung, ei­ne Art von Re­li­gi­on, die es nach den feu­ri­gen Früch­ten des Cha­os ge­lüs­te­te. Die Än­der­ling­kul­tur pro­pa­gier­te, daß die mensch­li­che Ras­se nur da­durch, daß die ge­sam­te mensch­li­che Ord­nung zum Ein­sturz ge­bracht wür­de, be­gin­nen könn­te, das Uni­ver­sum so zu se­hen, wie es wirk­lich war.

Die So­zio­me­tri­ker hat­ten na­tür­lich ei­ne Theo­rie über die Än­der­lin­ge. Sie hat­ten über al­les ei­ne Theo­rie. Da­nach mach­te, ein­fach aus­ge­drückt, ih­re ver­än­der­li­che Ge­stalt die Än­der­lin­ge zu Ako­ly­ten der Ver­än­de­rung. Ihr Kör­per be­herrsch­te ih­ren Geist.

Na­tür­lich über­sah die­se Ana­ly­se, daß ge­nau dies auch das Ar­gu­ment der Än­der­lin­ge ge­gen die ri­gi­de, nor­ma­le Mensch­heit war. Es mach­te auch nichts. Für die Er­de war die dro­hen­de An­ar­chie viel ge­fähr­li­cher als ei­ne ein­fa­che Er­obe­rung. Das Ko­ope­ra­ti­ve Im­pe­ri­um war ei­ne hei­kle, zer­brech­li­che Ver­bin­dung, und es ließ sich kaum bie­gen, oh­ne zu bre­chen.

„Er kommt al­so her, um uns die Ord­nung aus­zu­trei­ben?“ frag­te Kish spöt­tisch.

„Er oder sie, ja. Und Ihr braucht nicht zu la­chen. Oh­ne uns wird er es tun.“

„Wird er was tun?“ Jo­a­ne er­schi­en in der ein we­nig schie­fen Tür. Sie trug ein Ta­blett. Skal­lon gab ihr ei­ne Kurz­fas­sung sei­nes Be­rich­tes, wäh­rend sie schwe­re Krü­ge mit brau­ner Flüs­sig­keit dröh­nend ab­setz­te und tro­cken ge­rös­te­te Ge­mü­se­schnit­zel klap­pernd in Scha­len füll­te. Skal­lon ver­such­te die grün­li­chen Krin­gel, und sie schmeck­ten ihm. Er aß ei­ne Hand­voll da­von, und als er merk­te, wie das Salz sei­ne Keh­le aus­trock­ne­te, nahm er einen lan­gen Zug von dem Bier.

„Är­gh!“ Er spuck­te es im ho­hen Bo­gen an die ge­gen­über­lie­gen­de Wand. Hus­tend und prus­tend ver­such­te er, sei­nen Mund von dem ste­chen­den Zeug zu be­frei­en.

„Was … was ist denn das?“

Kish nick­te wei­se. „Auch die Mit­ar­bei­ter des Kon­suls brach­ten es nicht über die Lip­pen, das rich­ti­ge Bier. Es ist stark ge­braut, nach al­ler Über­lie­fe­rung.“

„Seid so gut und gebt mir nichts mehr da­von“, ant­wor­te­te Skal­lon steif.

„Oh, ganz wie Ihr wünscht“, sag­te Kish gleich­mü­tig.

Skal­lon hör­te auf, sei­ne bren­nen­den Lip­pen ab­zu­wi­schen und sah auf. War da ein Fun­ken von Bos­haf­tig­keit in die­sem Ge­sicht? Der Hauch ei­nes Lä­chelns über die­sen selbst­ge­fäl­li­gen Er­den­mann und sei­ne Ster­nen­schif­fe, der einen Männ­er­trank nicht schlu­cken konn­te?

Skal­lon ver­zog das Ge­sicht und setz­te sich wie­der.