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Er zieht seinen Sauerstoff aus der alveanischen Luft. Exhalierend, Gase verströmend, atmet er noch etwas anderes aus: Macht. Die Droge Vertil, gestohlen aus den streng bewachten, furchtbaren Laboratorien der Erde.
Er stellte sich Fains Gesichtsausdruck vor, in dem Augenblick, da er dies entdeckt. Er lacht, eine seltene Geste, und klimpernde Laute perlen aus den Windungen seiner Kehle. In seinem Innern, vermengt mit den roten und weißen Flocken seines Blutes, ist die Macht. Wie einfältig die Erdenleute doch sind – zu glauben, Herrschaft und Macht seien gleichbedeutend mit Ordnung. Falsch, falsch. Macht ist selten, und Macht ist knapp. Macht ist Leben, ist Tod, ist der Augenblick. Herrschaft, das weiß er schon lange, existiert nur in abgeschiedenen, weitverstreuten Winkeln des Universums; überall sonst im Kosmos tanzt das Chaos, und es singt neben den Feuern der rubinroten Sterne. Und die größte Sünde der Norms liegt in ihrer absurden Konzentration auf diese Winkel, in ihrer Ignoranz bezüglich der größeren Wirklichkeit.
Der fette, ungeschlachte, schweinsmäulige Alveaner steht vor ihm. Er läßt seinen Geist prüfend über die Augenblicke streichen, während sie tickend vorbeiziehen; er betrachtet ihn und schätzt ihn ab. Er atmet aus: Herrschaft. Der Alveaner wird tun, was er sagt. Hier draußen vor Kalic muß er von diesem dumpfen, vergänglichen Wesen seine Verkleidung nehmen. Und er muß nachdenken.
Vor ihm kräuselt sich das Bild Fains; es schimmert in der Luft. Der Alveaner kann Fain nicht sehen, denn der Alveaner ist auch ein Norm, dumm und verwirrt, und seine Wahrnehmungsfähigkeit für das Ganze ist stumpf. Aber Fain ist da, und er schwebt vor ihm und winkt.
Der Augenblick vergeht, und der nächste steigt empor. Das Neue: Sie alle drei sind Fremde, und sorglos gleiten sie auf der gläsern glatten Oberfläche des einfaltigen Alvea. Alle werden sie irren, blind sich umhertasten. Wie kann das der Schlüssel sein?
Ein Augenblick vergeht, Sekunden sterben.
Es muß Fain sein. Er ist der Stärkste, der Änderling-Killer. Also muß Fain am Ende schwach sein, er muß zerbrechen, und das Eine muß seinen weichen Kern finden und durchbohren. Er ist ernst und würdevoll. Sein Bild flackert in der warmen Luft zwischen dem Änderung und dem benommenen Alveaner, und es ist hart und unerschrocken.
Gelächter also wird Fain töten. Mit tausend nadelfeinen Stichen werden Hohn und Spott ihn peinigen und quälen, und seine gewölbte Ruhe wird dünn werden und seine scharfe Urteilskraft stumpf.
Der Änderung sieht dies, er weiß es von und in dem Moment, da die Sekunden vor seinen Augen sterben und geboren werden, und in fieberhaftem Verlangen scharrt er mit den Füßen. Ja, hier ist er. Der Ewige Weg.
Fain und Skallon stolpern voran. Schon sind sie in Kalic. Sie ahnen nicht, daß sie die Verbündeten des Einen sind, daß sie, wenn der Tanz zu Ende geht, dem Änderung helfen werden, Alvea aus dem Gehege der Erde herauszutrennen. Er wird die Erdenmänner benutzen, um gegen sie zu kämpfen. Und das nur mit Hilfe von singendem, tanzendem Hohn, der durch Fains verklebten Geist hallen wird. Der Änderung kann Alvea nicht allein befreien; und das ist ein Geheimnis, welches die Erdenmänner nicht kennen. Er braucht sie, um die Arbeit des Einen abzuschließen, und ihr Ende wird Freude und Glückseligkeit sein.
Der Änderung schnauft und murmelt, und Fröhlichkeit wallt in ihm auf. Fain und Skallon werden das Gewicht nicht sehen, wenn es auf sie herabfällt, denn sie sind blind. Sie können nicht tanzen. Für sie besteht alles aus Ordnung und Plan. Sie haben kein Gespür für das Eine, das unter dem simplen Spielzeug der Vernunft verborgen liegt, und das wiegende Lied der Intuition ist ihnen fremd. Vor langer Zeit haben die Erdenmenschen die linke Hälfte ihres Hirns von der rechten getrennt, und sie haben eine zerbrechliche Herrschaft über die Welt erlangt, indem sie sie in Worte und Formen kleideten. Eine Illusion. Eine furiose Fiktion. Vernunft ist der Traum, ein träger Traum des Einen. Ordnung ist falsch. Im Änderung sind linke und rechte Hälfte wieder vereinigt, wie sie das einst auch bei den Menschen waren. Es gibt keine analytische Dominanz, keine Tyrannei des Wortes über das All. Ihre Vernunft liegt in der Teilung des Geistes durch sich selbst, gefesselt von den einstmals dienlichen Ketten der alten Erde, den falschen Träumen von Subjekt/Objekt, sie/es, wir/sie, Person/Welt, richtig/falsch: Sie schneiden die Welt in Stücke, und sie sehnt sich doch danach, geheilt zu werden, das Eine zu sein. Wahrnehmen heißt trennen, und trennen heißt sterben. Das Gesetz des Lebens heißt verschmelzen, wissen, umschließen, zusammenfügen.
Der Änderung fühlt, wie diese neue Summe ihn machtvoll durchströmt. Ein Schauder überläuft den schweinsmäuligen Alveaner, als die Droge mit seinem Geist ringt und obsiegt, und für eine Weile herrscht Frieden in seinem Haus der falschen Ordnung.
Der Änderung grinst und atmet nochmals aus. „Ausziehen“, befiehlt er. Er fühlt ein Verlangen nach den dunklen, purpurnen Gewändern dieser Kaste. Ein Doubluth. Er kennt diese Welt und den absurden Glauben ihrer Menschen. Schlummernd hat er sich der Schnellbehandlung unterzogen und dabei die Illusionen studiert, mit denen die Alveaner verseucht sind. Daß die fliehende Seele des Sterbenden in die wartende Hölle des Ungeborenen schlüpfe. Natürlich gibt es keine Seelen. Es gibt keine Geburt, keinen Tod. Alles ist das Eine, und das Eine selbst ist bloße Illusion, die feinen Sprenkel der Illusion, aus denen die Welt sich im Triumph erhebt. Diese Norms, die Alveaner, werden das erfahren. Wenn die Erdenleute für immer fort sind – und der Änderung spürt, wie es kommt, es kommt, wie eine Erfüllung –, dann wird es Raum und Zeit geben, den wahren Untergrund aus Nichts zu enthüllen, der die Welt ist. Die Zeit – falsch in sich selbst – wird ihnen das Eine bringen. Jetzt tötet die Illusion der Seuchen die Alveaner jeden Tag. Der Tod ist ein Gleichmacher. Er bringt die Wahrheit näher. Wie Sex ist auch er eine Lüge, die wirbelnd die wahre Illusion enthüllt.
Die Luft umsummt den Änderung. Singend, singend, tanzend. Ja.
Er tötet den nackten Alveaner.