17

New Orleans, auf dem Fest von Tante Marguerite

»Oh!« Josie fasste sich unwillkürlich an den Hals, als sie den Mann in dem rot gefütterten Umhang erkannte.

»Kennen Sie den Mann?«, fragte Alphonse.

»Mein Cousin.«

Alphonse machte eine Kopfbewegung in Richtung Salon. »Wollen Sie hineingehen, um ihn zu begrüßen?«

Josie öffnete ihren Fächer. »Es ist ziemlich stickig da drin, meinen Sie nicht?«

In den nächsten Minuten lachte sie immer noch an den richtigen Stellen, während Alphonse erzählte, wie er sich als Junge einmal auf einem Zuckerrohrfeld verlaufen hatte, aber mit ihren Gedanken war sie bei Bertrand.

So oft hatte sie die Zeit bei den Johnstons in Gedanken noch einmal durchlebt, wo Bertrand sie über sein Portweinglas hinweg angelächelt hatte, wo er allein für sie, für ihr Herz gesungen hatte. Niemand sonst hatte sie je geküsst, und sie füllte ihre einsamen Stunden damit aus, von seinen Lippen zu träumen, die auf den ihren lagen.

Aber mittlerweile hatte Bertrand sie sicher vergessen. Der Kuss auf den Verandastufen – wahrscheinlich hatte ihm das alles gar nichts bedeutet.

Tante Marguerite trat zu ihnen auf die Veranda. Sie sprach ein paar Worte mit den Gästen, die ebenfalls hier standen, um die kühle Luft zu genießen, und setzte sich dann zu ihrer Nichte. »Bertrand ist gerade gekommen. Verspätet wie immer, aber so sind sie, diese faszinierenden Männer. Alphonse, du musst mir versprechen, dass du pünktlicher bist, wenn du dereinst als unabhängiger Junggeselle die Stadt unsicher machst.«

»Wer könnte denn angesichts so zauberhafter Gesellschaft unpünktlich sein, liebe Tante?«

»Na, Josephine, pass nur auf, dass Monsieur Alphonse dich nicht ganz und gar in seinen Bann schlägt. Er hat den ganzen Charme der kreolischen Männerwelt, ohne ihre Laster zu besitzen.«

»Oh«, lächelte Josie, »dann ist er der Traummann, nach dem wir alle suchen.«

»So ist es. Aber du, mein Neffe, Traummann, der du nun einmal bist, dein Vater klagt wieder über seinen Rheumatismus. Ich fürchte, er muss ins Bett.«

Alphonse erhob sich und machte eine Verbeugung vor den Damen. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Mademoiselle Josephine. Mein Vater war in letzter Zeit nicht ganz auf der Höhe. Ich hoffe, Sie bald wiederzusehen.« Für einen Augenblick verharrte er über Josies Hand, dann verließ er sie.

Tante Marguerite zog ihren Stuhl ein wenig näher zu Josie heran. »Dein Cousin hat nach dir gefragt, Liebes.«

Josie fühlte, wie sie rot wurde. »Bertrand?«

»Ja, genau dieser Cousin«, antwortete Marguerite mit einem trockenen Lächeln. »Willst du nicht hereinkommen und ihn begrüßen?«

Josie folgte Marguerite in den Salon, wo man immer noch die Kapelle spielen hörte. Bertrand stand mit dem Rücken zu ihnen und unterhielt sich mit einem älteren Herrn mit Backenbart. Josie spürte, wie sie feuchte Hände bekam. Endlich war der Augenblick gekommen!

»Da ist sie, Bertrand, ich habe sie dabei ertappt, wie sie auf der Veranda dem armen Alphonse den Kopf verdrehte.«

Bertrand unterbrach sein Gespräch mit dem älteren Mann. Als er sich Josie zuwandte, vergaß sie alle anderen Menschen um sie herum.

»Gabriel, vielleicht würden Sie gern ein wenig mit mir auf die Veranda kommen?«, fragte Marguerite ihren älteren Gast. »Es ist ja wirklich schrecklich heiß hier drinnen.« Sie hakte den Mann unter und ließ Josie allein, damit sie sich in Ruhe in Bertrands branntweinfarbenen Augen verlieren konnte.

Bertrand lächelte ihr zu. »Josephine«, sagte er, indem er ihre Hand küsste, »du siehst bezaubernd aus.« Für einen Moment ruhte sein Blick auf der sahneweißen Haut ihres Ausschnitts, und Josie spürte, wie ihre Brust sich hob und ihr Blut sich erhitzte.

Ein Paar stand auf, um im Nebenzimmer zu tanzen, und Bertrand nickte zu den Stühlen hinüber. »Sollen wir uns ein wenig setzen?« Aus seiner Brusttasche zog er einen Brief und reichte ihn ihr. »Von deiner Großmutter. Mach ihn doch bitte auf, ich besorge uns etwas zu trinken.«

Grand-mère schrieb, dass die Erbsen und der Grünkohl prächtig gediehen, während die Kartoffeln durch die Überschwemmung alle verfault waren. In den Sklavenunterkünften war ein Kind an einer Krankheit gestorben, die kleine Angelite, Louellas Enkelin. Grand-mère hatte daraufhin alle anderen Kinder mit Knoblauch und Raute versorgt, um die Krankheit einzudämmen. Der neue Aufseher hatte ihr vorgeschlagen, einen Fischteich anzulegen, aber sie konnte nicht recht einsehen, was das bringen sollte, hatten sie doch den Fluss gleich vor der Tür. Er hatte auch alle Messer konfisziert, die die Sklaven besaßen. Womit sie jetzt bei Tisch ihr Fleisch schneiden sollten, wusste Grand-mère auch nicht, aber sie würden schon zurechtkommen.

O ja, und ein Sklave war wegglaufen, der Junge, den sie Remy nannten. Er war mindestens achthundert Dollar wert, aber LeBrec, der neue Aufseher, hatte ein ordentliches Kopfgeld auf ihn ausgesetzt, sodass ihn die Patrouillen sicher bald kriegen würden.

Josie dachte an Remy, wie er im Feuerschein gesessen hatte, als sie den Abend gemeinsam auf dem Deich verbracht hatten. In ihrer Erinnerung konnte sie immer noch seine Stimme hören. Warum hatte er Cleo verlassen? Sie musste sich doch furchtbare Sorgen um ihn machen.

Bertrand trat mit zwei Gläsern Bowle zu ihr und studierte ihr Gesicht. »Ich hoffe doch, es gibt keine schlechten Nachrichten?«

»Auf Toulouse ist ein Sklave weggelaufen. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann das zum letzten Mal passiert ist.«

»Sie werden ihn schon kriegen, und wenn nicht, dann wird er irgendwann die Wälder leid sein und zurückkommen, hungrig und krank wahrscheinlich.«

»Die Sache ist nur … er ist der Liebste meiner Zofe.«

Bertrand hob eine Augenbraue. »Du stehst ihr sehr nahe, nicht wahr?«

»Mein Vater hat sie mir geschenkt, wir sind zusammen aufgewachsen, Cleo und ich, fast wie Schwestern.«

Bertrand betrachtete die Tänzer im Nebenzimmer. »Ja, ich verstehe. Ich habe auch so einen, wir sind schon zusammen in den Windeln gelegen. Aber ich habe dir gar nicht erzählt, wie ich an diesen Brief gekommen bin.«

»Warst du auf Toulouse?« Sie bewunderte, wie weiß sein Hemd war, wie sorgfältig er sich die Fingernägel poliert hatte. Dieser Duft … sie konnte ihn nicht beschreiben, aber am liebsten hätte sie ihr Gesicht an sein Ohr gehalten und tief eingeatmet.

Er nickte. »Ich habe Cherleu gekauft, gleich in der Nähe. Wir werden Nachbarn.«

»Dann können wir uns jeden Tag treffen«, sagte sie.

Bertrands Blicke schweiften weiter über die Gesellschaft, und sie hätte viel dafür gegeben, wenn sie ihre unbedachten Worte hätte zurücknehmen können. In dieser Gesellschaft gab es so viele elegante Frauen, und zwei von ihnen hatten Bertrand quer durch das ganze Zimmer zugelächelt. Sie war doch nur eine unbedeutende Cousine für ihn, und sie fühlte sich klein und dumm.

Bertrand schien sich auf seine gute Erziehung zu besinnen. »Aber sicher, meine Liebe, soweit es die Geschäfte zulassen. Allerdings hat Monsieur Cherleu seinen Besitz in den letzten Jahren arg herunterkommen lassen, und dann hatten wir ja das Hochwasser … es wird viel Arbeit nötig sein, die Plantage wieder in Schwung zu bringen.«

»Natürlich«, murmelte sie.

Bertrand erhob sich. »Josephine, ich muss dich jetzt zu deiner Tante zurückbringen. Ich habe heute Abend noch eine andere Verpflichtung, aber ich bin doch sehr froh, dass ich dich getroffen habe.«

Josie fühlte sich verlassen. Das war nicht das romantische Treffen, von dem sie die ganze Zeit geträumt hatte. Enttäuscht nahm sie seinen Arm, und Bertrand, dessen Blick noch einmal über ihre nackten Schultern und ihren Hals streifte, führte sie durch das Zimmer zurück zu Marguerite, die dort mit einigen Freunden plauderte.

Josies Tante bot ihr den Platz neben sich auf dem Sofa an. »Wollen Sie uns so bald schon wieder verlassen?«, fragte sie Bertrand.

»Ja, zu meinem großen Bedauern. Aber vielleicht laden Sie mich ja wieder einmal ein, wenn Ihre bezaubernde Nichte bei Ihnen ist?«

»Abgemacht«, sagte sie und ließ sich auf die Wange küssen. »Gute Nacht, Bertrand.«

»Josephine«, sagte er, und noch einmal, wenn auch nur kurz, spürte sie die ganze Wucht seiner Aufmerksamkeit. Sie war vollkommen verwirrt. Einen Augenblick zuvor hatte sie noch das Gefühl gehabt, er interessiere sich überhaupt nicht für sie, aber als er ihr jetzt in die Augen blickte, war sie sich der heimlichen Verbindung zwischen ihnen wieder ganz sicher.

Nachdem Bertrand gegangen war, verloren die Musik und das Licht ihren Zauber für sie. Sie fragte sich, ob sie sich unauffällig entschuldigen könnte. Gern hätte sie sich in ihr Zimmer zurückgezogen, um in ihr Tagebuch zu schreiben, das sie bei ihrer Abreise von zu Hause begonnen hatte. Sie musste versuchen, Klarheit in dieses frustrierende Treffen mit Bertrand zu bringen, und ihr Tagebuch war ihr einziger Vertrauter.

Wenn sie in den nächsten Tagen nicht an Bertrand dachte, machte sie sich Sorgen um Cleo. Hoffentlich war sie nicht so dumm gewesen, Remy bei seiner Flucht zu helfen. Damit konnte sie sich nur in Gefahr bringen, vor allem mit diesem neuen Aufseher, den man noch nicht einschätzen konnte, und mit Grand-mère als einzigem Schutz. Josie wünschte sich, sie könnte sicher sein, dass ihre Großmutter einschreiten würde, wenn man Cleo Vorwürfe machte, aber andererseits hatte Grand-mère nie besondere Zuneigung gegenüber Cleo gezeigt.

Josie kannte eigentlich kein Heimweh, aber der Gedanke an Cleos Schwierigkeiten machte ihr Sorgen, und sie sehnte sich zurück nach Toulouse. Cleo gehörte ihr, und niemand konnte ihr etwas tun, wenn Josie sich dagegen wehrte. Aber sie war eine Tagesreise von zu Hause entfernt.

Die Gedanken an Toulouse erinnerten sie an die Musik auf dem Deich, an Phanors langsames, entspanntes Lächeln. Grand-mère hatte ihn in ihrem Brief nicht erwähnt, also war er wohl immer noch in New Orleans.

Und wie es so häufig im Leben geht, schienen ihre Gedanken Phanor herbeizurufen. Abigail und Albany besuchten sie am Sonntagnachmittag, und sie spazierten zu dritt durch das Vieux Carré und genossen den Sonnenschein, als ein gut gekleideter junger Mann vor ihnen auftauchte.

Im ersten Augenblick erkannte Josie ihn gar nicht, aber nicht einmal ein gut geschnittenes Jackett und neue Lederschuhe konnten Phanors lässige Anmut verbergen.

»Entschuldigen Sie, Monsieur«, sagte er an Albany gewandt, als ob er die Anwesenheit der beiden Damen überhaupt nicht bemerkt hätte. »Wenn ich mich kurz vorstellen dürfte, ich bin Phanor DeBlieux, Geschäftspartner von Monsieur Cherleu, vielleicht kennen Sie ihn?«

»Monsieur Cherleu, ja, sicher«, entgegnete Albany.

»Ich bin ein Bekannter von Mademoiselle Josephine, würden Sie mir erlauben, meine Bekanntschaft mit ihr aufzufrischen?«

Albany hielt Josie am Ellbogen, als müsste er sie vor den Gefahren einer Begegnung mit einem Fremden an einem öffentlichen Ort beschützen. »Nun gut«, sagte er zu Phanor.

Josie hätte Phanor am liebsten stürmisch umarmt, aber was den Umgang mit den gesellschaftlichen Spielregeln anging, war sie inzwischen ebenso schlau wie er. So streckte sie ihm lediglich die Hand hin, und er absolvierte das notwendige Ritual aus Verbeugung und Handkuss mit Bravour. »Wie schön, Sie wiederzusehen, Monsieur«, sagte sie.

»Ich bin entzückt, Sie gesund und munter vorzufinden, Mademoiselle. Monsieur Cherleu hat mich für den Winter in New Orleans engagiert, wie Sie sehen.«

»Sie verkaufen also immer noch Wein?«, fragte Josie.

»Ach, Sie sind der Weinhändler«, mischte sich Albany ein. »Cherleu sprach im Club von Ihnen. Sie scheinen ein gutes Händchen fürs Geschäft zu haben, Monsieur DeBlieux.«

Phanor neigte ein wenig den Kopf, um das Kompliment entgegenzunehmen. »Nun, wir waren recht erfolgreich, Monsieur und ich.« Er wandte sich wieder Josephine zu. »Ich freue mich wirklich, Sie hier zu sehen. An Sonntagnachmittagen bin ich sehr oft auf dem Platz vor der Kathedrale, was für ein Glück, dass ich mich gerade heute für einen Spaziergang über die Rue Royale entschieden habe.«

Für einen Augenblick herrschte verlegenes Schweigen. Da Albany keine Anstalten machte, Phanor einzuladen, den Weg mit ihnen fortzusetzen, lüftete Phanor kurz seinen Hut. »Mademoiselle Josephine«, sagte er, dann nickte er Albany und Abigail zu. »Monsieur, Mademoiselle.« Und so spazierte er weiter, wobei sein Spazierstock aus Ebenholz hin und her schwang.

Abigail sah Josie hinter dem Rücken ihres Bruders eindringlich an, hob die Augenbrauen und spitzte die Lippen, als wollte sie pfeifen. Josie antwortete mit einem schnellen Lächeln, nahm dann aber sofort wieder den nüchternen Gesichtsausdruck an, der in Gesellschaft des gestrengen Albany Johnston angemessen schien.

Sonntagnachmittag auf dem Platz vor der Kathedrale, dachte sie. Es würde sich schon ein Weg finden, wie sie ihn dort treffen könnte. Ob er wohl immer noch Geige spielte?

Nach einer grauen, langweiligen Woche dämmerte der Sonntag klar und sonnig herauf. Es war kalt, aber trocken und strahlend. Onkel Sandrine schlug vor, bei diesem schönen Wetter zu Fuß zur Messe zu gehen, und Josie betrachtete auf dem Weg die letzten verbliebenen Blätter an den Bäumen und ihr leuchtendes Gelb vor dem Blau des Himmels.

In der Kathedrale war es trotz all der brennenden Kerzen empfindlich kalt. Josie betete zur Jungfrau Maria für die Seelen ihrer Eltern, und sie betete um Schutz für alle, die sie auf Toulouse zurückgelassen hatte. Als die Messe zu Ende war, spürte sie nichts mehr in ihren Füßen, so kalt waren sie geworden.

An das helle Licht auf dem Platz vor der Kathedrale musste sie sich erst einmal gewöhnen, und sie stand schweigend da, während sich ihre Tante und ihr Onkel mit einigen Freunden unterhielten. Der Platz wimmelte von Händlern, die geröstete Kastanien und gebrannte Mandeln verkauften. Der rothaarige Ire jonglierte wieder und hatte seinen Hut vor sich aufgestellt. Er hatte offenbar fleißig geübt, stellte Josie fest, als sie sah, wie er einen fünften Ball in die Luft warf.

Durch den Lärm der Händlerrufe »Heiße Erdnüsse! Zuckerrohr!« hörte sie eine Geige spielen. Sie versuchte, die Melodie zu erkennen; es war dieselbe, die Phanor an dem Morgen für sie gespielt hatte, als er die Plantage verlassen hatte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um die Menschenmenge zu überblicken, aber es war einfach zu voll. Er hatte vom Nachmittag gesprochen, und jetzt war es erst kurz nach elf. Trotzdem, es war möglich …

Sie musste sich entscheiden. Wenn sie jetzt mit ihrer Tante und ihrem Onkel nach Hause ging, würde es kaum eine Möglichkeit geben, am Nachmittag wieder hierherzukommen.

Endlich überwand ihre Abenteuerlust die Vernunft. Sie schlüpfte durch die Menge, die immer noch aus der Kathedrale strömte, und eilte dem Klang der Geige nach. Wenn es später Ärger mit ihrer Tante gab, konnte sie immer noch erzählen, sie sei von portugiesischen Seeleuten entführt worden. Und ihre Tante würde ihr mit einem Lächeln verzeihen.

Tatsächlich, da stand er, einen Fuß auf dem Geigenkasten. Phanors schwarzer Haarschopf leuchtete fast bläulich im Sonnenlicht, als er eine neue Melodie anspielte. Josie konnte es kaum erwarten, dass er sein Spiel beendete. Dann würde sie zu ihm laufen, ohne sich groß um all die Leute um sie herum zu kümmern, und sie würden lachen und sich freuen, dass sie zusammen waren.

Er hatte sie in der Menge noch nicht bemerkt, und so konnte sie ihn in Ruhe beobachten. Den feinen Wollrock, den er bei ihrem letzten Zusammentreffen getragen hatte, hatte er durch einen einfachen braunen Rock ersetzt, der schon ein bisschen schadhaft war und dessen Ärmel ein wenig zu kurz schienen. In seinen alten Sachen sah er immer noch ordentlich aus, aber nicht mehr so wohlhabend wie beim letzten Mal. In dem Strohhut vor seinen Füßen glitzerten ein paar Münzen im Sonnenlicht. Warum spielte er für Geld?

Die Menschen um ihn herum klatschten in die Hände und klopften mit den Füßen den Takt. Ein älterer Mann mit zerlumpten Hosen fand Platz genug, um ein bisschen mitzutanzen. Ein anderer Mann, gleich neben ihr, stank nach Whiskey und Urin.

Niemand in dieser Zuhörerschaft genügte auch nur im Mindesten den Ansprüchen, die man an eine gute Gesellschaft stellen konnte, kein Einziger. Josie stand hinter einer Frau, deren Haare struppig aus ihrer schmutzig grauen Haube hervorstanden. Sie trug ein kleines Kind auf der Hüfte. Josie musste sich die Nase zuhalten, um sich vor dem Geruch der vollen Windeln zu schützen. Sie trat einen Schritt zurück, um zu vermeiden, dass irgendjemand in dieser schmuddeligen Menge ihren feinen Samtumhang berührte.

Sie gehörte nicht hierher, nicht zu diesen Leuten. Sie gehörte auch nicht zu Phanor, das war ihr jetzt klar. Sie zog sich aus der Menge zurück und lief wieder zur Kathedrale, und es war, als folgte ihr die Musik über die Köpfe all dieser ungewaschenen Menschen hinweg. Sie drängte sich durch die Menge, an die Seite von Tante Marguerite, die sie noch gar nicht vermisst zu haben schien.

Auf dem Heimweg zum Stadthaus ließ Josie sich ein wenig zurückfallen. Phanor war dort, auf diesem Platz, in einer Welt, die nicht die ihre war. Ihr Herz war bleischwer, als sie hinter ihrer Tante und ihrem Onkel herging. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie etwas sehr Kostbares verloren.

Das Herz des Südens
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