ACHTUNDZWANZIG

Ich öffne die Gartentür und gehe hinaus. Die Nacht ist herrlich still. Es sollte immer so bleiben. Zurück im Zimmer mache ich den Fernseher an, ziehe, wie Madame Eugénie es mir beigebracht hat, die Klappe und zünde den Kamin. Im Karton liegen immer noch lose Blätter, aber es sind deutlich weniger geworden. Eine Weile beobachte ich die noch dünnen, roten, von gelben Rändern gezeichneten Flammen. Sie schießen nach oben, ducken sich, zischen und schießen erneut in die Höhe. Schließlich breitet sich ihre Wurzel tiefer in die Scheite aus. Ihre Bewegung bekommt einen gleichmäßigen Rhythmus. Als ich ein Papier nach dem anderen in die Hitze werfe, beginnt der majestätische Körper wieder zu flackern. Es sieht aus, als sprängen die gefräßigen Zungen ihrem Futter entgegen. Ich gehe hinauf ins Schlafzimmer und hole die Unterlagen aus Perlensamts Mappe. Wenn sie endlich verbrannt sind, wird niemand außer mir je wissen, wie alles zusammenhängt. Noch auf der Treppe höre ich die Stimme einer Moderatorin.

»Ich begrüße hier im Studio jetzt David Perlensamt, den ich den meisten unserer Zuschauer nicht mehr vorstellen muß. Er ist gerade rechtzeitig zur Sendung wieder von einer Reise in eigener Sache zurück, dieses Mal aus Brüssel. Herr Perlensamt, Sie sind als Enkel einer hohen NS-Charge, wenn ich das einmal so ausdrücken darf, von der Situation, die der Film eben schilderte, selbst betroffen. Durch den Tod Ihres Vaters verwalten Sie ein, wie Sie selbst es nennen, zweifelhaftes Erbe: eine Sammlung wertvoller Raubkunst. Sie fühlen sich verpflichtet, die einzelnen Objekte, die Ihr Großvater, der als Hitlers Botschafter in Paris tätig war, plündern ließ, an die ehemaligen Besitzer zurückzugeben. Eine uneigennützige Haltung, Herr Perlensamt, die nicht viele Erben mit Ihnen teilen.«

David sitzt lässig mit übereinandergeschlagenen Beinen, ihm gegenüber die Redakteurin im pinkfarbenen Kostüm. Sie ist sichtlich zufrieden, einen tollen Fisch an der Angel zu haben.

David nickt. »Ganz recht, die meisten Täterenkel teilen meine Haltung nicht.«

»Täterenkel«, wiederhole ich laut, »du hast doch nicht alle Tassen im Schrank. Du Schauspieler. Dein Großvater war ein Niemand.«

»Schauen wir uns nun einige Stücke aus Ihrer Sammlung an.«

Eingeblendet werden die Bilder, die ich kenne. Es folgt ein Umschnitt zurück ins Studio. Während Perlensamt erklärt, daß es seine Pflicht sei, sich der Familienschuld zu stellen, wähle ich die Nummer von Edwige. Die Haushälterin nimmt ab. Edwige sei auf einer Soirée. Bei Mona in Berlin läuft nur der Anrufbeantworter.

»Schalte den Fernseher ein, Kulturkanal, eine Sendung aus aktuellem Anlaß. David im Interview.«