25

»Das ist typisch für Menschen von hoher Intelligenz, Majestät«, erklärte Zalasta, an Ehlana gewandt. »Sie reden sehr schnell, um mit ihrem Ideenfluß Schritt halten zu können. Kaiser Sarabian ist vielleicht nicht ganz so genial, wie er meint, aber er hat einen beachtlichen Verstand. Es ist erstaunlich, daß es ihm gelang, seine Klugheit vor allen Regierungsbeamten zu verbergen. Menschen wie er sind für gewöhnlich dermaßen wankelmütig und reizbar, daß sie sich selbst ein Bein stellen.«

Sie hatten sich in den königlichen Gemächern versammelt, um über die erstaunliche Offenbarung des vergangenen Abends zu sprechen.

Botschafter Oscagne war schon vor den anderen gekommen und hatte einen Plan der Geheimgänge und verborgenen Lauschposten innerhalb der elenischen Burg mitgebracht, die ihr derzeitiges Zuhause war. Sechs Spitzel waren aufgespürt und höflich, aber mit Nachdruck ersucht worden, sich sofort zurückzuziehen. »Es ist wirklich nichts Persönliches, Majestät«, entschuldigte Oscagne sich bei Ehlana. »Alles rein politisch.«

»Ich verstehe vollkommen, Exzellenz«, versicherte sie huldvoll. Ehlana trug an diesem Morgen ein smaragdgrünes Gewand und sah besonders reizend aus.

»Habt ihr ein gut organisiertes Spitzelsystem, Exzellenz?« fragte Stragen.

»Nein, ich glaube nicht, Durchlaucht. Jedes Ministerium hat seine eigenen Spione; aber sie verbringen die meiste Zeit damit, sich gegenseitig zu bespitzeln. Wir sind viel neugieriger, was unsere Kollegen im Schilde führen, als die Absichten ausländischer Besucher zu erfahren.«

»Dann gibt es also keine spezielle Spitzelorganisation?«

»Nein, Durchlaucht.«

»Haben wir auch wirklich alle Spione aufgestöbert?« Emban blickte nervös auf die opaleszierenden Wände.

Sephrenia lächelte. »Dafür habe ich gesorgt, Eminenz.«

»Wie denn?«

»Sie hat mit den Fingern gewackelt, Patriarch Emban«, warf Talen trocken ein, »und sämtliche Spione, die wir nicht entdeckt haben, in Kröten verwandelt.«

»Na ja, ich bin nicht ganz so kraß mit ihnen verfahren«, wehrte Sephrenia ab, »aber falls sich noch Spitzel hinter den Wänden versteckt halten, können sie nichts mehr hören.«

»Eure Gaben sind unbezahlbar, Sephrenia«, sagte der dicke Kirchenmann.

»Das ist auch mir nicht entgangen«, bestätigte Vanion schmunzelnd.

»Kommen wir zur Sache«, mahnte Ehlana. »Wir sollten von unserem Täuschungsmanöver nicht öfter als unbedingt nötig Gebrauch machen, aber sofort beginnen, Geschenke mit Sarabian auszutauschen. Zum einen, um festzustellen, ob irgend jemand sich erdreistet, unsere Botschaften abzufangen, und zum anderen, um die Höflinge daran zu gewöhnen, Melidere mit kleinen Geschenken hin und her trotten zu sehen.«

»Ich werde nicht trotten, Majestät«, protestierte die Baroneß. »Ich werde trippeln – und mit den Hüften wackeln. Ich habe festgestellt, daß ein Mann, der ein Auge auf die Hüften einer Frau geworfen hat, kaum noch darauf achtet, was sie sonst tut.«

»Wirklich?« staunte Prinzessin Danae. »Das muß ich mir merken. Könnt Ihr mir zeigen, wie man mit den Hüften wackelt, Baroneß?«

»Dazu mußt du erst einmal Hüften haben, Prinzessin«, sagte Talen.

Danaes Augen nahmen plötzlich einen drohenden Ausdruck an.

»Nimm's nicht so ernst«, mahnte Sperber seine Tochter.

Sie beachtete ihn gar nicht. »Das werde ich dir heimzahlen, Talen!«

»Da mußt du mich aber erst einmal erwischen, Hoheit.« Er lachte. »Ich kann immer noch schneller laufen als du.«

»Wir haben noch ein anderes Problem«, meldete Stragen sich zu Wort. »Der geniale Plan, den ich vor Monaten ausgearbeitet habe, hat sich vergangene Nacht als undurchführbar erwiesen. Die hiesigen Diebe sind keine große Hilfe, fürchte ich. Sie sind sogar noch unbrauchbarer, als Caalador uns in Lebas gewarnt hatte. Hier in Tamul ist alles so starr und geregelt, daß meinen Kollegen auf den Straßen völlig der Verstand eingerostet ist. Hier brauchen Diebe keine Phantasie. Die paar, mit denen wir uns vergangene Nacht getroffen haben, stecken so tief in eingefahrenen Bahnen, daß sie nicht mehr herauskommen. Die Elenier in der hiesigen Diebesgemeinde sind einfallsreich genug, die Tamuler aber sind hoffnungslos unfähig.«

»Das stimmt leider«, bestätigte Talen. »Sie laufen nicht einmal davon, wenn man sie beim Stehlen ertappt. Sie bleiben stehen und warten darauf, daß man sie festnimmt. So etwas Idiotisches ist mir noch nie begegnet!«

»Mag sein, daß noch nicht das letzte Wort gesprochen ist«, fuhr Stragen fort. »Ich habe nach Caalador gesandt. Vielleicht kann er die Diebe zur Vernunft bringen. Am meisten macht mir Sorgen, daß sie überhaupt nicht organisiert sind. Diebe reden hier nicht mit Meuchlern, Huren nicht mit Bettlern – und niemand redet mit Betrügern. Es ist mir ein Rätsel, wie die Unterwelt hier überleben kann!«

»Das ist keine gute Neuigkeit«, murmelte Ulath. »Wir haben drauf gesetzt, die Diebe als unsere allgegenwärtigen Augen und Ohren zu benutzen.«

»Hoffen wir, daß Caalador Erfolg hat«, sagte Stragen. »Da es keine Spionageorganisation der Regierung gibt, sind die Diebe für unsere Pläne unverzichtbar.«

»Caalador wird sie schon zur Vernunft bringen«, meinte Ehlana. »Ich habe vollstes Vertrauen zu ihm.«

»Wahrscheinlich, weil du ihn gern reden hörst.« Sperber grinste.

»Wo wir gerade vom Reden sprechen«, warf Sephrenia ein, »daß die meisten von euch kein Tamulisch beherrschen, wird vieles erschweren, fürchte ich. Wir müssen etwas dagegen unternehmen.«

Kalten stöhnte.

Sephrenia lächelte ihm beruhigend zu. »So schlimm wird es diesmal nicht für Euch werden, Lieber. Die Zeit reicht nicht, daß ihr die Sprache wirklich erlernen könntet; daher werden Zalasta und ich ein wenig schwindeln müssen.«

Emban blickte sie verwirrt an. »Könntet Ihr mir das bitte erklären, Sephrenia?«

»Nur ein kleiner Zauber.« Sie zuckte die Schultern.

»Wollt Ihr damit sagen, Ihr könnt jemandem durch Magie eine Fremdsprache beibringen?«

»O ja«, versicherte Sperber. »Sephrenia hat mich in Ghwerigs Höhle in etwa fünf Sekunden die Trollsprache gelehrt, und Troll dürfte viel schwerer zu erlernen sein als Tamulisch. Tamuler sind immerhin Menschen.«

»Wir müssen allerdings vorsichtig sein«, mahnte die zierliche Styrikerin. »Ihr würdet als plötzliche Sprachgenies natürlich Verdacht erregen. Also werden wir schrittweise vorgehen – zunächst mit den wichtigsten Grundbegriffen und einer primitiven Grammatik. Dann erweitern wir das Ganze.«

»Ich könnte Euch Sprachlehrer schicken, erhabene Sephrenia«, erbot sich Oscagne.

»Lieber nicht – aber trotzdem danke, Exzellenz. Eure Lehrer würden staunen – und argwöhnisch werden –, wenn sie plötzlich eine ganze Klasse von Wunderschülern vor sich hätten. Wir kümmern uns besser selbst darum, zumal dies für die notwendige Geheimhaltung sorgt. Ich werde unseren Schülern zunächst einen grauenhaften Akzent verleihen. Aber im Lauf der Zeit verbessern wir das.«

»Sephrenia?« sagte Kalten mit vorwurfsvoller Stimme.

»Ja, Lieber?«

»Ihr könnt jemandem eine Sprache mittels Magie beibringen?«

»Ja.«

»Warum habt Ihr Euch dann so viele Jahre damit abgeplagt, mich Styrisch zu lehren, und bei einem so hoffnungslosen Fall nicht längst eine Eurer Fingerübungen angewandt?«

»Kalten«, sagte sie geduldig, »weshalb habe ich versucht, Euch Styrisch zu lehren?«

»Damit ich im Notfall Magie anwenden könnte, nehme ich an.«

Er zuckte die Schultern. »Es sei denn, es macht Euch Spaß, andere leiden zu sehen.«

»Nein, Lieber. Ich habe ebenso gelitten wie Ihr.« Sie schauderte. »Mehr, wahrscheinlich. Ihr solltet in der Tat Styrisch lernen, um Euch mit Zaubersprüchen helfen zu können – aber dazu müßtet Ihr auch imstande sein, styrisch zu denken. Es genügt nicht, die Worte zu sprechen und zu erwarten, daß sie den gewünschten Zauber wirken.«

»Einen Moment!« protestierte Kalten. »Soll das heißen, daß Menschen, die andere Sprachen sprechen, auf andere Weise denken als wir?«

»Sie denken vielleicht auf dieselbe Weise, aber nicht in denselben Worten.«

»Wollt Ihr damit sagen, wir denken tatsächlich in Worten?«

»Natürlich. Jeder Gedanke besteht aus Worten.«

»Aber wir alle sind Menschen. Müßten wir da nicht auf die gleiche Weise und in derselben Sprache denken?«

Sephrenia blinzelte. »Und welche Sprache sollte das sein, Lieber?«

»Elenisch natürlich! Das ist der Grund dafür, daß Ausländer nicht so klug sind wie wir. Sie müssen ihre Gedanken erst aus dem Elenischen in das Gebrabbel übersetzen, das sie als Sprache bezeichnen. Das tun die Leute natürlich nur, weil sie stur sind.«

Sie starrte ihn mißtrauisch an. »Ihr meint das tatsächlich ernst, nicht wahr?«

»Selbstverständlich. Jeder weiß, daß Elenier ihrer Sprache wegen die klügsten Menschen auf der Welt sind.« Sein Gesicht wirkte vollkommen offen und ehrlich.

»Wofür Ihr ein leuchtendes Beispiel seid«, seufzte Sephrenia, der Verzweiflung nahe.

Melidere schlüpfte in ein lavendelfarbenes Gewand und trippelte, mit einem blauen Satinwams über einem Arm, zu den Privatgemächern des Kaisers. Mirtai folgte ihr mit stampfenden Schritten. Melidere war ein anbetungswürdiger Anblick – großäugig, ganz von ihrer Aufgabe erfüllt, die Zähne leicht in die Unterlippe gegraben, als wäre sie in ihrer scheinbaren Einfalt atemlos vor Aufregung. Kaiser Sarabians Höflinge beobachteten die wiegenden Hüften der Baroneß mit großem Interesse. Nicht einer achtete darauf, was sie mit den Händen tat.

Sie überreichte dem Kaiser das Geschenk mit gehauchter kurzer Rede, die Mirtai übersetzte. Der Kaiser bedankte sich sehr förmlich. Melidere machte einen Knicks, dann trippelte sie zur elenischen Burg zurück.

Die Höflinge waren immer noch hingerissen von ihrem Hüftwackeln – obwohl sie inzwischen bereits reichlich Gelegenheit gehabt hatten, selbiges zu bewundern.

»Es ging alles glatt«, berichtete die Baroneß zufrieden.

»Dann hatte Euer körperlicher Einsatz die erwartete Wirkung?« fragte Stragen.

»Das kann man wohl sagen«, warf die Atana ein. »Eine Menge Höflinge sind ihr hinterhergeschlichen, weil sie nicht genug kriegen konnten. Melidere ist eine begnadete Hüftwacklerin. Es sah aus, als würden sich unter ihrem Gewand zwei Katzen in einem Rupfensack raufen.«

»Auch wir sollten uns unserer gottgegebenen Fähigkeiten bedienen, meint Ihr nicht, Eminenz?« wandte das blonde Mädchen sich scheinheilig an Emban.

»Unbedingt, mein Kind«, bestätigte er, ohne mit der Wimper zu zucken.

Botschafter Oscagne erschien etwa fünfzehn Minuten später mit einem Alabasterkästchen auf einem blauen Samtkissen. Ehlana nahm die Botschaft des Kaisers aus dem Kästchen.

»Ehlana«, las sie laut. »Eure Nachricht hat mich unbehindert erreicht. Ich habe den Eindruck, daß meine Hofherren die Baroneß nicht nur nicht aufhalten werden, wenn sie durch die Korridore trippelt, sondern ihr Recht, dies zu tun, notfalls sogar leidenschaftlich verteidigen würden. Wie schafft das Mädchen es bloß, so vieles gleichzeitig zu bewegen? Unterzeichnet: Sarabian.«

»Nun?« fragte Stragen das honigblonde Mädchen. »Wie schafft Ihr es?«

»Begabung, Durchlaucht Stragen.«

Die elenischen Besucher ließen während der folgenden Wochen jedermann wissen, daß sie Tamulisch lernten, und Oscagne unterstützte ihren Schwindel, indem er mehreren Regierungsbeamten gegenüber beiläufig erwähnte, daß er den elenischen Besuchern während der langen Reise ein bißchen Tamulisch beigebracht hatte. Bei einem Bankett, das der Reichsverweser für die Gäste angeordnet hatte, hielt Ehlana eine kurze Ansprache auf tamulisch, damit auch jeder wußte, daß sie und ihr Gefolge sich bereits recht gut in dieser Sprache verständigen konnten.

Natürlich waren gelegentliche Peinlichkeiten unvermeidlich. Einmal beleidigte Kalten einen Höfling, als er ihm lächelnd ein wohlüberlegtes Kompliment zu machen glaubte. »Was hat er bloß?« fragte der blonde Pandioner verwirrt, als der Höfling mit finsterer Miene davonstürmte.

»Was wolltet Ihr ihm denn sagen?« fragte Mirtai und unterdrückte ihr Lachen.

»Daß ich mich über sein freundliches Lächeln freue«, antwortete Kalten.

»Das habt Ihr nicht gesagt.«

»Sondern?«

»Ihr habt gesagt: ›Mögen Euch alle Zähne ausfallen‹.«

»Uh! Da hab' ich wohl das falsche Wort für Lächeln benutzt, richtig?«

»Unter anderem.«

Der Vorwand, eine neue Sprache zu erlernen, verschaffte der Königin und ihrem Gefolge viel Muße. Die offiziellen Veranstaltungen und Unterhaltungen, an denen teilzunehmen sie sich genötigt sahen, fanden für gewöhnlich am Abend statt; dadurch hatten sie meist den Tag für sich. Sie verbrachten diese Zeit mit Geplauder, zum größten Teil in Tamulisch. Durch den Zauber, den Sephrenia und Zalasta gewirkt hatten, lernten sie rasch Vokabeln und Satzbau, doch die richtige Aussprache brauchte mehr Zeit.

Wie Oscagne vorhergesagt hatte, warf der Reichsverweser ihnen so viele Steine in den Weg, wie es unauffällig ging. Soweit er dazu imstande war, arrangierte er langweilige Veranstaltungen und Besichtigungen, um den Tag der Elenier auszufüllen. Sie besuchten die Eröffnungen von Rinderausstellungen. Sie erhielten Ehrentitel der Universität. Man zeigte ihnen landwirtschaftliche Musterbetriebe. Der Reichsverweser teilte ihnen eine riesige Eskorte zu, wann immer sie den Kaiserhof verließen – Eskorten, die für gewöhnlich Stunden brauchten, sich zu formieren. Pondia Subats Agenten nutzten diese Zeit, die Straßen von den Leuten zu räumen, denen zu begegnen die Besucher gehofft hatten. Am ärgerlichsten war jedoch, daß er ihnen kaum eine Gelegenheit gab, mit dem Kaiser zusammenzukommen. Subat machte sich so unbeliebt, wie es nur möglich war. Aber er war nicht auf elenischen Einfallsreichtum gefaßt, zumal viele Gefolgsleute Ehlanas nicht das waren, was sie zu sein schienen. Vor allem Talen verwirrte des Reichsverwesers Spitzel völlig. Wie Sperber schon vor langer Zeit festgestellt hatte, war es so gut wie unmöglich, Talen in irgendeiner Stadt der Welt auf den Fersen zu bleiben. Der junge Mann hatte seinen Spaß dabei und konnte eine Menge Informationen zusammentragen.

Eines Nachmittags befanden Ehlana und die Damen sich in den königlichen Gemächern. Der Königin Kammermaid Alean berichtete soeben etwas, als Kalten und Sperber leise eintraten.

»Das ist nicht ungewöhnlich«, sagte das Mädchen mit den sanften Rehaugen gerade. »Es ist eine der Unannehmlichkeiten, die Dienstboten auf sich nehmen müssen.« Wie üblich trug Alean einen schlichten grauen Kittel.

»Wer war er?« fragte Ehlana, und ihre Augen waren hart wie Feuerstein.

»Das ist wirklich nicht von Bedeutung, Majestät«, antwortete Alean ein wenig verlegen.

»O doch, Alean«, widersprach Ehlana.

»Es war Graf Ostril, Majestät.«

»Ich habe von ihm gehört«, sagte Ehlana kalt.

»Ich auch.« Melideres Stimme klang nicht weniger frostig.

»Ich schließe daraus, daß der Graf keinen guten Ruf hat«, warf Sephrenia ein.

»Er ist das, was man einen Lebemann nennt, erhabene Sephrenia«, erklärte Melidere. »Ein Wüstling übelster Art. Er prahlt damit, daß er Gott die Mühe erspart, ihn zu verdammen, da er ohnehin nur geboren wurde, um in der Hölle zu enden.«

»Meine Eltern waren Landleute«, fuhr Alean schüchtern fort, »deshalb wußten sie nichts vom Ruf des Grafen. Sie dachten, wenn sie mich in seine Dienste gäben, wäre ich mein Leben lang versorgt. Es ist für ein Bauernmädchen die einzige Möglichkeit zum Aufstieg. Ich war vierzehn, unschuldig und sehr naiv. Anfangs war der Graf sehr freundlich, und ich dachte, ich hätte wirklich Glück gehabt. Dann kam er eines Nachts betrunken nach Hause, und ich mußte erfahren, warum er so nett zu mir gewesen war. Ich hatte leider keine ähnliche Ausbildung wie Mirtai, darum konnte ich mich nicht wehren. Natürlich weinte ich danach; aber er hat mich bloß ausgelacht. Glücklicherweise hatte es keine Folgen. Sobald Graf Ostril erfuhr, daß Mägde schwanger waren, warf er sie aus dem Haus. Er kam noch ein paarmal zu mir; dann wurde er des Spieles müde. Er bezahlte mir den Lohn und gab mir ein gutes Zeugnis. Ich hatte Glück und konnte mich im Schloß verdingen.« Sie lächelte ein wenig schmerzlich. »Ich nehme an, da es keine Nachwirkungen hatte, war es wohl nicht allzu wichtig.«

»Für mich schon«, sagte Mirtai grimmig. »Du hast mein Wort, daß dieser Graf meine Rückkehr nach Cimmura nicht länger als eine Woche überleben wird!«

»Wenn Ihr Euch so lange Zeit mit ihm laßt, Mirtai, habt Ihr Eure Chance verpaßt«, erklärte Kalten beinahe gleichmütig. »Graf Ostril wird den Sonnenuntergang des Tages, an dem ich nach Cimmura zurückkehre, nicht mehr erleben, das verspreche ich!«

»Er wird nicht gegen dich kämpfen, Kalten«, gab Sperber zu bedenken.

»Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben!« entgegnete Kalten.

»Ich kenne eine Menge Beleidigungen, die kein Mann schlucken kann – und wenn sie keine Wirkung auf ihn haben, werde ich anfangen, ihn stückweise zu zersäbeln. Schneidet man einem Mann Ohren und Nase ab, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als nach seinem Schwert zu greifen – schon deshalb, weil er nicht weiß, was als nächstes an die Reihe kommen wird.«

»Man wird dich verhaften!«

»Das ist kein Problem, Sperber«, warf Ehlana grimmig ein, »ich werde ihn begnadigen.«

»Das braucht Ihr nicht zu tun, Ritter Kalten«, murmelte Alean gesenkten Blicks.

»O doch«, antwortete Kalten hart, »das muß ich. Ich werde Euch eines seiner Ohren bringen, wenn ich mit ihm fertig bin – um zu beweisen, daß ich mein Versprechen gehalten habe.«

Sperber rechnete damit, daß das sanfte Mädchen mit heftigem Abscheu reagieren würde; doch Alean lächelte seinen Freund herzlich an. »Das wäre sehr nett, Ritter Kalten«, murmelte sie.

»Rollt schon mal die Augen, Sephrenia«, sagte Sperber zu seiner ehemaligen Lehrerin, »diesmal würde ich Euch sogar beipflichten.«

»Warum sollte ich, Sperber?« fragte sie. »Ich finde Kaltens Vorhaben durchaus angemessen.«

»Ihr seid barbarisch, kleine Mutter!« rügte er.

»Na und?«

Am Spätnachmittag schlossen Sperber und Kalten sich den anderen Rittern in der schillernden Halle der nachgebauten elenischen Burg an. Die Ritter hatten ihre Paradepanzer abgelegt und trugen nun Wams und enges Beinkleid. »Es braucht wirklich nicht viel«, sagte Bevier gerade. »Die Mauern sind sehr stark, ein Ringgraben ist bereits vorhanden, und die Zugbrücke funktioniert. Allerdings könnte die Winde ein paar Tropfen Öl gebrauchen. Zur Abrundung müßten wir lediglich zugespitzte Pfähle in den Burggraben treiben.«

»Wie wär's mit ein paar Fässern Pech?« schlug Ulath vor. »Ich weiß doch, wie gern ihr Arzier siedendes Pech auf Belagerer gießt.«

»Meine Herren«, warf Vanion mißbilligend ein. »Wenn ihr die Burg zu befestigen anfangt, könnten unsere Gastgeber das in den falschen Hals bekommen.« Er dachte kurz darüber nach. »Es kann allerdings nicht schaden, wenn wir einen Vorrat an Pfählen bereitlegen«, fügte er hinzu, »und auch einige Fässer Lampenöl. Das ist zwar nicht so gut wie Pech, wird jedoch längst nicht soviel Aufmerksamkeit erregen, wenn wir es in die Burg schaffen. Ich finde, wir sollten auch unauffällig Proviant zu lagern beginnen. Wir sind eine große Zahl. Da dürfte es nicht schwerfallen, zu verbergen, daß wir Vorräte hamstern. Wir dürfen es aber nicht übertreiben.«

»Woran denkt Ihr, Vanion?« fragte Emban.

»Oh, nur ein paar einfache Vorsichtsmaßnahmen, Eminenz. Die Lage hier in Tamuli ist ziemlich unsicher, und wir wissen nicht, was sich zusammenbrauen könnte. Da uns eine wirklich gute Burg zur Verfügung steht, sollten wir sie auch nutzen – nur für den Fall des Falles.«

»Bilde ich's mir nur ein, oder hat noch jemand das Gefühl, daß wir einen ungewöhnlich langen Sommer haben?« fragte Tynian plötzlich.

Sperber erstarrte. Irgendwann mußte es jemandem auffallen, und wenn die Gefährten der Sache nun ernsthaft nachgingen und die Tage zählten, würde nicht verborgen bleiben, daß jemand die Zeit beeinflußt hatte. »Wir befinden uns hier in einem anderen Teil der Welt, Tynian«, sagte Sperber, »da ist natürlich auch das Klima anders.«

»Sommer ist Sommer, Sperber, und kein Sommer dauert ewig.«

»Mit dem Klima ist es so eine Sache«, widersprach Ulath, »erst recht an einer Küste. Entlang der Westküste von Thalesien verläuft eine warme Strömung. In Yosut an der Ostküste kann eisiger Winter herrschen, in Horset dagegen mildes Herbstwetter.«

Guter alter Ulath, dachte Sperber erleichtert.

»Ich finde es trotzdem ein wenig merkwürdig«, brummte Tynian zweifelnd.

»Dir kommt vieles merkwürdig vor, alter Freund.« Ulath lächelte. »Ich habe dich schon sehr oft eingeladen, mit mir auf Ogerjagd zu gehen, und jedesmal hast du abgelehnt.«

»Warum Oger töten, wenn man sie nicht essen kann?« Tynian zuckte die Schultern.

»Die Zemocher, die du getötet hast, sind ja auch nicht im Topf gelandet.«

»Weil ich kein gutes Rezept hatte, sie zuzubereiten.«

Alle lachten, und Sperber war erleichtert, daß niemand mehr über den seltsam langen Sommer nachzudenken schien.

In diesem Augenblick kam Talen in die Halle. Wie üblich hatte er die Spitzel des Reichsverwesers gleich am Morgen abgehängt und sich unbeobachtet in der Stadt umgesehen.

»Überraschung!« sagte er trocken. »Krager hat es endlich nach Matherion geschafft. Ich hab' mir schon Sorgen um ihn gemacht.«

»Jetzt reicht's!« Sperber schlug die Faust auf die Armlehne seines Sessels. »Ich habe allmählich die Nase voll von ihm!«

»Wir hatten bisher wirklich keine Zeit, uns um ihn zu kümmern, Ritter Sperber«, erinnerte Khalad.

»Vielleicht hätten wir uns diese Zeit nehmen sollen. Das wollte ich eigentlich schon, als wir ihn in Sarsos gesehen haben. Jetzt, da wir uns hier für eine Weile niedergelassen haben, könnten wir ein wenig Zeit und Energie aufwenden, um seiner habhaft zu werden. Zeichne ein paar Bilder von ihm, Talen, verteile sie und versprich eine Belohnung für brauchbare Hinweise.«

»Ich weiß, wie man das anpackt, Sperber.«

»Worauf wartest du dann noch? Ich möchte dieses besoffene Wiesel endlich in die Hände kriegen. Er weiß ein paar Dinge, die auch ich wissen möchte. Ich werde die schnapsgetränkte Haut dieses Kerls bis auf den letzten Tropfen auswinden!«

»Unser Freund ist ziemlich gereizt heute, nicht wahr?« sagte Tynian zu Kalten.

»Er hat einen schlechten Tag.« Kalten zuckte die Schultern. »Bei seinen Begleiterinnen mußte er einen unerwarteten Hang zur Grausamkeit entdecken, und das macht ihm zu schaffen.«

»Ach?«

»In Cimmura gibt es einen Grafen, der den Tod verdient hat.

Wenn ich erst wieder daheim bin, werde ich ihm seinen Schniedel absäbeln, bevor ich ihn in kleine Stücke schneide. Die Damen hielten das für eine großartige Idee – und Sperber war um ein paar Illusionen ärmer.«

»Was hat der Kerl denn getan?«

»Das ist eine sehr private Angelegenheit.«

»Oh. Aber zumindest Sephrenia war doch gleicher Meinung wie unser berühmter Führer?«

»Eben nicht! Sie war sogar noch blutrünstiger als die anderen. Sie hat später noch einige Vorschläge zur Behandlung des Grafen geäußert, die sogar Mirtai erblassen ließen.«

»Der Kerl muß ja wirklich etwas Furchtbares getan haben!«

»Das hat er, mein Freund, und ich werde ihm viele Stunden Zeit lassen, es zu bedauern.« Kaltens blaue Augen erinnerten plötzlich an Gletschereis, seine Nasenflügel waren weiß, und die Lippen verkniffen vor unterdrücktem Zorn.

»Ich hab' nichts getan, Kalten«, versicherte Tynian, »also guck nicht mich so an!«

»Verzeih«, entschuldigte sich Kalten. »Ich kann mich kaum beherrschen, wenn ich nur daran denke.«

»Dann laß es lieber.«

Die Aussprache der Sprachschüler ließ immer noch zu wünschen übrig – dafür hatte Sephrenia gesorgt –, aber sie hatten kaum noch Schwierigkeiten, Tamulisch zu verstehen. »Sind wir soweit?« fragte Sperber seine Lehrerin eines Abends.

»Sofern Ihr nicht beabsichtigt, öffentliche Reden zu halten, Prinz Sperber«, warf Kaiser Sarabian ein, der ihnen wieder einmal einen seiner Wirbelwindbesuche abstattete. »Euer Akzent ist einfach schauderhaft!«

»Ich will hinaus, um zu lauschen, Majestät«, erklärte Sperber, »nicht, um mich zu unterhalten. Sephrenia und Zalasta tarnen unseren ungewöhnlichen Fortschritt mit dem Akzent.«

»Ich wollte, Ihr hättet mir verraten, daß Ihr das könnt, Zalasta«, sagte Sarabian fast ein wenig wehmütig. »Ihr hättet mir Monate angestrengten Studiums ersparen können, als ich Fremdsprachen erlernte.«

»Majestät, Ihr habt dieses Studium geheimgehalten«, erinnerte Zalasta ihn. »Ich wußte ja gar nicht, daß Ihr Fremdsprachen lernen wolltet.«

»Das hab' ich nun von meiner Klugheit.« Sarabian zuckte die Schultern. »Was soll's? Was planen wir jetzt eigentlich genau?«

»Wir werden uns auf Eurem Hof umsehen, Majestät«, antwortete Vanion. »Eure Regierung ist gespalten, und Eure Minister haben Geheimnisse voreinander. Das bedeutet, daß niemand einen völligen Überblick hat. Wir verteilen uns auf die verschiedenen Ministerien und sammeln so viele Informationen wie möglich; dann können wir vielleicht ein Muster erkennen.«

Sarabian verzog das Gesicht. »Es ist meine eigene Schuld«, gestand er.

»Sprecht nicht in Rätseln, Sarabian«, bat Ehlana. Die beiden Monarchen waren inzwischen gute Freunde geworden – hauptsächlich wohl deshalb, weil der Kaiser alle Förmlichkeit abgestreift hatte. Er hatte offen und direkt gesprochen und darauf bestanden, daß Ehlana es ebenfalls tat.

»Ich habe es falsch gemacht, Ehlana«, sagte er zerknirscht. »Tamuli hat sich noch nie einer echten Krise gegenübergesehen. Unsere Bürokraten sind klüger als die regierten Völker, und sie haben die Ataner, um ihre Anordnungen durchzusetzen. Die Kaiserfamilie hatte schon von jeher mehr Angst vor der eigenen Regierung als vor Fremden. Wir ermutigen keine Zusammenarbeit der einzelnen Ministerien. Jetzt ernte ich offenbar die Früchte einer fehlgeleiteten Politik. Wenn das alles vorbei ist, werde ich einiges umorganisieren!«

»Meine Regierung hat keine Geheimnisse vor mir«, sagte Ehlana selbstgefällig.

»Reitet bitte nicht darauf herum.« Sarabian wandte sich an Vanion. »Wonach halten wir eigentlich Ausschau?«

»Unterwegs nach Matherion wurden wir Zeugen gewisser Phänomene. Wir vermuten, daß wir es mit verbündeten Gegnern zu tun haben, und wir wissen – oder sind uns zumindest ziemlich sicher –, wer einer davon ist. Jetzt müssen wir uns auf den anderen konzentrieren. Solange wir nicht wissen, um wen es sich handelt, befinden wir uns zweifellos im Nachteil. Wenn Ihr nichts dagegen habt, Majestät, werden Königin Ehlana und Prinz Sperber viel Zeit mit Euch verbringen. Das bedeutet, daß Ihr ein ernstes Wort mit Eurem Reichsverweser reden müßt, fürchte ich. Pondia Subat wird ziemlich lästig.«

Sarabian zog fragend eine Braue hoch.

»Er hat alles nur mögliche getan, uns nicht zu Euch vorzulassen, Sarabian«, erklärte Ehlana.

»Er hatte eine gegenteilige Anweisung!« erwiderte Sarabian düster.

»Offenbar hat er Euch nicht zugehört, Majestät«, sagte Sperber. »Wir müssen uns regelrecht einen Weg durch seine Leute bahnen, wann immer wir auch nur in die Nähe Eures Schlosses kommen. Und jedesmal, wenn einer von uns bloß den Kopf aus einem Fenster streckt, formieren sich ganze Abteilungen von Spitzeln, um uns zu folgen, falls wir die Burg verlassen. Es hat ganz den Anschein, als wäre unsere Anwesenheit Eurem Reichsverweser ein Dorn im Auge.«

»Ich fürchte, ich werde dem ehrenwerten Pondia Subat ein paar Dinge erklären müssen«, entgegnete Sarabian. »Ich glaube, er hat vergessen, daß seine Stellung nicht erblich ist – und sein Kopf nicht so fest auf den Schultern sitzt, daß ich ihn nicht davon trennen könnte, wenn er uns Ungelegenheiten bereitet.«

»Welche Anklage würdet Ihr gegen ihn erheben, Sarabian?« erkundigte Ehlana sich neugierig.

»Anklage? Wovon in aller Welt redet Ihr, Ehlana? Wir sind hier in Tamuli. Ich brauche keinen Grund zu nennen, wenn ich ihm den Kopf abschlagen lassen möchte, weil mir beispielsweise seine Haartracht nicht gefällt. Ich kümmere mich um Pondia Subat, meine Freunde. Von jetzt an kann ich euch völlige Zusammenarbeit garantieren – entweder mit ihm oder mit seinem Nachfolger. Bitte fahrt fort, Hochmeister Vanion.«

»Patriarch Emban«, erklärte Vanion, »wird sich auf den Reichsverweser konzentrieren – wer immer es auch sein wird. Ritter Bevier wird sich mit dem Lehrkörper der Universität befassen. Gelehrte erfahren viel, und Regierungen neigen dazu, nicht auf sie zu hören – bis es zu spät ist. Ulath, Kring und Tynian werden den Generalstab der Armee im Auge behalten – das tamulische Oberkommando, wohlgemerkt. Um das der Ataner kümmert sich Atan Engessa. Durchlaucht Stragen und Talen werden als Verbindungsmänner zu den Dieben von Matherion dienen, und Alean und Khalad werden sich unter den Schloßdienstboten umhören. Sephrenia und Zalasta werden mit der hiesigen styrischen Gemeinde reden, und Melidere sowie Berit werden sämtlichen Hofleuten den Kopf verdrehen.«

»Ist Ritter Berit nicht ein wenig zu jung?« fragte Sarabian. »Meine Höflinge sind ein sehr abgeklärter Haufen.«

»Ritter Berit hat einige ganz besondere Qualifikationen, Majestät.« Melidere lächelte. »Die jüngeren Damen an Eurem Hof – und einige nicht mehr ganz so junge – würden fast alles für ihn tun. Berit wird vielleicht einige Male seine Tugend opfern müssen, aber er ist ein sehr entschlossener junger Mann. Deshalb bin ich sicher, daß wir mit ihm rechnen können.«

Berit errötete. »Warum müßt Ihr immer solche Dinge sagen, Baroneß?« beklagte er sich.

»Ich mache ja nur Spaß, Berit«, versicherte sie ihm voller Zuneigung.

»Es gibt da etwas, das Männer nicht verstehen, Majestät«, sagte Kalten. »Berit hat aus mir unverständlichen Gründen eine ganz besondere Wirkung auf junge Frauen.«

»Kalten und Mirtai werden zu Sperbers und der Königin Verfügung stehen«, fuhr Vanion fort. »Wir wissen nicht genau, wie weit unsere Gegner möglicherweise zu gehen bereit sind. So werden sie euch zusätzlichen Schutz bieten.«

»Und Ihr, Hochmeister Vanion?« fragte der Kaiser.

»Vanion und Oscagne werden versuchen, das Mosaik zusammenzufügen, Sarabian«, erklärte Ehlana. »Alles, was wir erfahren, teilen wir den beiden umgehend mit. Sie werden die Informationen prüfen und die Lücken feststellen, damit wir wissen, worauf wir unsere weiteren Bemühungen konzentrieren müssen.«

»Ihr Elenier seid sehr methodisch«, lobte Sarabian.

»Das ist ein Auswuchs ihrer Logikabhängigkeit, Majestät«, sagte Sephrenia. »Ihre anstrengende Suche nach Fakten ist manchmal nicht zum Aushalten; aber sie führt tatsächlich zum Erfolg. Ein fähiger Elenier verbringt einen halben Tag mit Beobachtung, bevor er sich einzugestehen erlaubt, daß es regnet.«

»Stimmt«, entgegnete Emban, »aber wenn ein Elenier sagt, daß es regnet, kann man sich vollkommen darauf verlassen.«

»Und was ist mit Euch, kleine Hoheit?« Sarabian blickte lächelnd zu Prinzessin Danae hinunter, die auf seinem Schoß saß. »Welche Rolle werdet Ihr in diesem großen Plan spielen?«

»Ich soll Euch ablenken, damit Ihr nicht zu viele Fragen stellt, Sarabian«, antwortete sie mit großem Ernst. »Eure neuen Freunde werden Dinge tun, die vielleicht nicht anständig sind. Da ist es besser, wenn Ihr Euch mit mir beschäftigt und sie nicht bemerkt.«

»Danae!« rief ihre Mutter entrüstet.

»Stimmt das etwa nicht? Ihr werdet Leute belügen, sie bespitzeln und vermutlich jeden töten, der sich euch in den Weg stellt. Oder meint ihr das alles etwa nicht, wenn ihr von Politik sprecht?«

Sarabian lachte. »Jetzt hat sie es Euch aber gegeben, Ehlana!« Er schmunzelte. »Ihre Definition von Politik ist zwar ein wenig drastisch, trifft aber ins Schwarze. Eure Tochter wird einmal eine großartige Königin.«

»Danke, Sarabian.« Danae küßte ihn erfreut auf die Wange.

Da spürte Sperber die plötzliche Eiseskälte, und obwohl er wußte, daß es sinnlos war, legte seine Hand sich um den Schwertgriff, als die Schwärze sich am Rand seines Blickfelds zeigte. Er fing zu fluchen an – halb auf elenisch, halb auf tamulisch –, als ihm bewußt wurde, daß die schattenhafte Wesenheit, die sie seit Monaten hartnäckig verfolgte, alles mit angehört hatte, was hier gesprochen worden war.