Schlussbetrachtungen

Die unzähligen Nachrufe, die Axel Springers im Herbst 1985 gedachten, würdigten vor allem das politische und gesellschaftliche Engagement des Verlegers. Dagegen fand die unternehmerische Lebensleistung, der Aufbau des größten Zeitungshauses der Bundesrepublik mit über 10.000 Beschäftigten und annähernd 2,5 Milliarden Deutsche Mark Umsatz, nur am Rande Erwähnung. Höchstens in kursorischer Form wurde auf die Entstehungsgeschichte des »Mammutverlages« von den Anfängen im Bendestorfer Schweinestall bis zum Aufstieg zu einem der weltweit führenden Medienkonzerne eingegangen. Es dominierte der Blick auf den politischen Menschen, hinter dem der Unternehmer zurücktrat. Erst mit dem Erscheinen der journalistischen Biographien wurde Springers unternehmerisches Wirken in den 1990er-Jahre wieder stärker thematisiert. Anlässlich seines 50-jährigen Jubiläums griff zudem der Verlag das unternehmerische Erbe auf und verarbeitete es in einer unternehmensgeschichtlichen Darstellung. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Springer als Verlagsunternehmer fand hingegen nicht statt. Damit schließt sich der Kreis zum einleitend beschriebenen Anliegen, das unternehmerische Wirken Springers erstmals umfassend zu rekonstruieren und zu bewerten. Zum Abschluss der Darstellung sollen die wesentlichen Faktoren seines unternehmerischen Erfolges zusammengefasst und erläutert werden.

Innovationsfähigkeit

Keiner umschrieb Springers Innovationsfähigkeit so prosaisch wie Rudolf Augstein, der zu Beginn der 1960er-Jahre den Begriff des »schöpferischen Ingeniums«1 als Synonym für die ebenso bewunderte wie gefürchtete verlegerische Schaffenskraft seines Konkurrenten prägte. Das Erfolgsparadigma des genialen Blattmachers, der mit einem untrüglichen Gespür für die Leserbedürfnisse neue Verlagsobjekte entwickelte und millionenfach absetzte, formierte sich indes bereits Ende der 1940er-Jahre, als das junge Hamburger Abendblatt zur auflagenstärksten Tageszeitung der Bundesrepublik wurde und die Programmzeitschrift Hör zu die Millionengrenze durchbrach. Spätestens nach dem Aufstieg der Bild-Zeitung zur meistverkauften Zeitung Europas galt Springer als Zeitungsgründer von historischer Bedeutung und wurde mit Ullstein, Mosse und Scherl verglichen. In den 1960er-Jahren wandelte sich jedoch das öffentliche Bewusstsein. Kritiker warfen Springer vor, mit modernen massentauglichen Verlagsobjekten die Vielfalt der Presselandschaft zu gefährden und die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Weder die erfolgsparadigmatischen noch die agitatorischen Betrachtungen eignen sich indes, um die Ausprägung der Innovationsfähigkeit Springers und ihre Bedeutung für den Unternehmenserfolg zu beleuchten. Die Rekonstruktion des unternehmerischen Wirkens zeichnet ein wesentlich differenzierteres Bild. Bemerkenswerterweise kann Springer nur für zwei Verlagsinnovationen eine umfassende Urheberschaft reklamieren kann. Die erste Neuschöpfung war der regionale Human-Interest-Journalismus des Hamburger Abendblattes, der die inhaltliche Ausrichtung auf die menschliche Sphäre, den »Bezirk des Seelischen«, konsequent mit dem Lokalprinzip verknüpfte. Das für eine deutsche Tageszeitung neuartige redaktionelle Konzept beruhte neben dem Rückgriff auf angelsächsische Vorbilder vor allem auf klar umrissenen Vorstellungen über die Bedürfnisse breiter Leserschichten, die Springer in den 1940er-Jahren offenbar mit großem Interesse studierte und besonders in ihren psychologischen Dimensionen verinnerlichte. Immer wieder zeigten sich Zeitgenossen von seinem intuitiven Gespür für das Denken und Fühlen weiter Bevölkerungskreise beeindruckt. Für das Konzept der Bild-Zeitung, die zweite Verlagsinnovation, reicherte er den regionalen Human-Interest-Journalismus mit einer weiteren Komponente, der umfassenden Visualisierung von redaktionellen Inhalten, an, für die ebenfalls angelsächsische Massenblätter Pate standen. Der Verleger wählte anfangs einen derart radikalen Bildeinsatz, dass das Verlagsprojekt zu scheitern drohte. Erst durch Modifikationen und Weiterentwicklungen, die nicht allein auf Springer zurückgingen, wurde die verlegerische Neuschöpfung verkaufsfähig. Beiden Blättern ist gemeinsam, dass aus einer Vision über die Leserbedürfnisse eine redaktionelle Gestaltungsidee und schließlich ein innovatives Verlagsprodukt entstanden, das aufgrund einer zumindest temporären Singularität eine weitgehend unangefochtene Wettbewerbsstellung einnehmen konnte. In beiden Fällen kann von der Durchsetzung einer neuen Produktkombination im Sinne des Ökonomen Joseph Schumpeters gesprochen werden. Überdies machte das Sterben der regionalen Parteirichtungszeitungen nach der Einführung des Hamburger Abendblatts deutlich, wie Markterfolg auf »kreativer Zerstörung« basieren konnte. Bei der Bild-Zeitung war ein solcher Wirkungsmechanismus allerdings nicht erkennbar, obwohl in den späteren öffentlichen Auseinandersetzungen oftmals Gegenteiliges behauptet wurde.

Die weiteren Verlagsobjekte gingen in ihrer Gesamtkonzeption nur noch teilweise auf Springers Urheberschaft zurück. Zudem fehlte ihnen der Charakter einer grundlegenden Presseinnovation, auch wenn einzelne inhaltliche, gestalterische, konzeptionelle oder vermarktungstechnische Elemente einen hohen Innovationsgrad aufwiesen, darunter die Werbemaßnahmen des Hamburger Abendblattes, die Kampagnen der Bild-Zeitung oder die Aufmachung des Lifestyle-Magazins Jasmin. Springers persönliche Gestaltungskraft wirkte ab Beginn der 1950er-Jahre vor allem in verlagsstrategischen Bereichen: So erwarb er unter schwierigen politischen Umständen die Welt, entwickelte die anfangs unternehmerisch geprägte Vision für eine Berliner Verlagsdependance, erkannte die verlegerischen Potentiale der Ullstein-Blätter, konzipierte ein letztlich unrealisiertes europäisches Magazin, plante die Wiederbelebung der renommierten Berliner Illustrirten, verfolgte eine massive Expansionsstrategie auf dem bundesdeutschen Zeitschriftenmarkt und strebte mit allen Mitteln einen Einstieg in das Fernsehgeschäft an. In der Regel delegierte Springer seine verlegerischen Schlüsselprojekte an profilierte Chefredakteure oder Führungskräfte, die zwar seinen Vorgaben folgten, jedoch fast immer über einen großen Gestaltungsspielraum verfügten, der Motivation, Eigenverantwortung und Kreativität nachhaltig stärkte. Aus Sicht von Springer blieb Innovationsförderung weitgehend auf einen Personalauswahl- und Führungsprozess beschränkt. Einzig mit dem »Redaktionellen Beirat« versuchte er, Innovationsprozesse institutionell zu verankern. Gleichzeitig unterstützte er die von Kracht initiierte Dezentralisierungsstrategie, die unternehmerisches Denken und kreative Dynamik innerhalb eines sich bürokratisierenden Verlagskonzerns sichern sollte. Höhepunkt dieser Entwicklung war der dezentrale Umbau des Kindler & Schiermeyer-Verlags zu einem der produktivsten Zeitschriftenhäuser der Bundesrepublik. Derweil verlor Springers verlegerischer Schaffensdrang aus vielfältigen Gründen an Intensität; das »schöpferische Ingenium«2 erlosch. Auch die Innovationsfähigkeit des Verlagshauses nahm Ende der 1960er-Jahre spürbar ab. Außer in den Redaktionen der Bild-Zeitung und der neugegründeten Fachzeitschriften fehlte es an kreativen und durchsetzungsstarken Blattmachern. Mangelnde Führung, bürokratische Strukturen und ein ausgeprägtes Besitzstandsdenken verstärkten den Negativtrend.

In der Gesamtschau bleibt festzuhalten, dass das Zusammenspiel von Springers schöpferischer Kraft mit seinem Gespür für verlegerische Marktchancen und seiner Umsetzungsstärke einen wesentlichen Erfolgsfaktor für dessen unternehmerischen Aufstieg darstellte. In diesen Punkten ähnelt Springer Joseph Schumpeters Figur des »dynamischen Unternehmers«. Von besonderer Bedeutung war, dass sich eine individuelle mit einer strategischen Innovationsfähigkeit verband, auf deren Basis Springer nicht nur das Hamburger Abendblatt und die Bild-Zeitung konzipierte und erfolgreich vermarktete, sondern auch die schöpferische Kraft anderer für sein Verlagshaus nutzbar machen konnte – beginnend mit dem konstitutiven Verlagsobjekt Hör zu, über Constanze, Bild am Sonntag und die Berliner Blätter, bis hin zu Jasmin und Bild der Frau. So wurde Springer zu einem »Serien-Verleger«, dessen unternehmerischer Erfolg auf mehreren Verlagsobjekten basierte.

Führungs- und Mitarbeiterkompetenz

Ohne die schöpferische Kraft, die fachliche Expertise und das organisatorische Geschick einzelner journalistischer und kaufmännischer Führungskräfte hätte Springer weder seine verlegerischen Eigenentwicklungen zur Marktreife bringen noch ein Verlagshaus mit der vorhandenen Produkttiefe und Auflagenstärke errichten können. Grundlage war ein Führungssystem, das erstens den Anspruch realisierte, nicht nur überaus profilierte Journalisten und erfahrene Verlagsfachleute für das Unternehmen zu gewinnen, sondern auch talentierte Nachwuchskräfte zu fördern und an geeignete Positionen heranzuführen. Es erzeugte zweitens durch verschiedene Instrumentarien eine überdurchschnittlich hohe Leistungsbereitschaft und setzte drittens durch die Gewährung von Gestaltungsspielräumen systematisch kreative und unternehmerische Potentiale frei. Auch wenn Springer formell an allen wesentlichen Unternehmensentscheidungen beteiligt blieb, waren hochrangige Führungskräfte in Teilbereichen befugt, über strategische Fragen zu entscheiden. Dies galt, wie dargestellt wurde, vor allem für kaufmännische Belange. Eine klare Trennung zwischen strategischen und operativen Entscheidungsebenen existierte nicht.

Die Kernelemente des Führungssystems basierten auf Springers persönlichen Charakterzügen und Neigungen; dies galt insbesondere für seine visionäre Kraft, seine charismatischen Fähigkeiten, sein journalistisches Qualitätsbewusstsein, seine Loyalitätsgefühle, seine Freigiebigkeit oder seine interessengeleiteten, auf Vertrauen aufbauenden und zugleich zielorientierten Delegationsmuster. Die ausgeprägte Leistungsmotivation, die er durch wohlinszenierte persönliche Auftritte, materielle Anreize, wegweisende Arbeitsbedingungen, gewährte Gestaltungsspielräume oder durch die Eigendynamik der personen-, verlags- und produktbezogenen Erfolgsparadigmen schuf, zeigte sich auf allen Unternehmensebenen. Wesentliche Führungsgrundsätze wurden durch die leitenden Angestellten übernommen und auf diese Weise unternehmenskulturell verankert. Mit Springers sukzessivem Rückzug aus der operativen Unternehmensführung Ende der 1960er-Jahre erodierten Teile dieses angestammten Führungssystems. Zwischen Springer und den obersten Führungskräften wuchs die Distanz. Im Zusammenspiel mit einer zunehmenden Bürokratisierung und Hierarchisierung nahmen unternehmerisches Denken und Innovationsorientierung im Verlagshaus, wie bereits geschildert, ab.

In der Rückschau wird deutlich, in welch hohem Maße das von Springer etablierte Führungssystem konstitutiv für den Unternehmenserfolg war. Dies begann bei seinem ersten ökonomisch erfolgreichen Verlagsobjekt, der von Rhein geleiteten Programmzeitschrift Hör zu, und erreichte in den 1960er-Jahren den Höhepunkt, als unter seiner strategischen Führung die etablierten Verlagserzeugnisse beständig expandierten und im Zeitschriftenbereich eine Reihe neuer Titel zur Marktreife gebracht wurden.

Netzwerkkompetenz

Ebenso bedeutsam wie das Wirken von zentralen Mitarbeitern waren die Unterstützung und Fürsprache einzelner Geschäftspartner und Entscheidungsträger außerhalb des Verlagshauses. Vor allem in den Anfangsjahren schufen verlagsexterne Schlüsselfiguren wesentliche Voraussetzungen für den unternehmerischen Erfolg Springers. Zum einen generierte er über sein Netzwerk wichtige Informationen. Beispielhaft angeführt sei die Zusammenarbeit mit John Jahr, der dem jungen Buchverleger wichtige Fachkenntnisse und noch bedeutsamere Kontakte auf der Absatzseite vermittelte. In diesem Sinne folgt Springer der vom Wirtschaftswissenschaftler Mark Casson definierten Unternehmerfigur mit ihrer spezifischen Fähigkeit, Informationen mit wirtschaftlichem Nutzen zu synthetisieren und die Informationsgewinnung über soziale Netzwerke zu maximieren. Allerdings geht Springers Netzwerkkompetenz weit über die Informationsgewinnung hinaus. Immer wieder gelang es ihm, auf Basis seiner verlegerischen Ideen und seiner charakterlichen Eigenschaften Fürsprecher und Verbündete für seine unternehmerischen Vorhaben zu finden. Hierfür lassen sich zahlreiche Beispiele anführen: Die NWDR-Mitarbeiter Eggebrecht und von Zahn sprachen sich für Springer als Verleger für die Nordwestdeutschen Hefte und eine geplante Programmzeitschrift aus, bevor der zuständige Presseoffizier Huijsman die notwendigen Lizenzen genehmigte. Brauer unterstützte zwei Jahre später die Zulassung des Hamburger Abendblatts. Die CDU-Politiker Blumenfeld und Bucerius wirkten 1953 auf hochrangige Entscheidungsträger zugunsten eines Verkaufs der Welt an Springer ein. Anfang der 1960er-Jahre strebte Adenauer den Aufbau eines privaten Fernsehsenders unter Beteiligung von Springer an, während der Berliner Bürgermeister Brandt die Ansiedlung des Verlagshauses in der Kochstraße förderte. Unzweifelhaft spielten charakterliche Eigenschaften in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Vor allem die emphatischen und charismatischen Fähigkeiten Springers, sein Humor und das breite Interesse an weltanschaulichen Fragen sind an dieser Stelle zu nennen. Der auf Persönlichkeitsmerkmalen beruhende Einfluss Springers wurde seit Ende der 1940er-Jahre durch seine wachsende publizistische und wirtschaftliche Macht ergänzt. So entstand eine Mischung aus personellen und sachlichen Einflussfaktoren, die er gezielt für seine verlegerischen und politischen Ziele einsetzte und die konstitutiv für seinen unternehmerischen Erfolg waren. Die öffentlichen Auseinandersetzungen um das Verlagshaus schwächten in den 1960er-Jahren Springers persönliche Machtposition. Teile seines Netzwerkes erodierten; ehemalige Verbündete wurden zu erbitterten verlegerischen und politischen Widersachern. Gleichzeitig wurde Springer im persönlichen Auftritt zunehmend ambivalent wahrgenommen: Zahlreiche Gesprächspartner zog er weiterhin durch sein einnehmendes Wesen in den Bann. Gerade scharfe Kritiker zeigten sich nach Unterredungen häufig überrascht und lobten das offene und bescheidene Wesen des Verlegers. Andere berichteten von einer ausgeprägten Selbstbezogenheit und inhaltlichen Verhärtung. Unternehmerisch war diese Entwicklung nur noch wenig von Belang, da sich Springer zunehmend aus der operativen Verlagsführung zurückzog und verlegerische Gespräche mit Außenstehenden auf einen handverlesenen Personenkreis beschränkt blieben.

Wirtschaftliche und politische Einflussfaktoren

Unternehmerische Erfolgsfaktoren sind nicht nur aus der Binnenwelt eines Unternehmens, geschweige denn allein aus einer Unternehmerperson heraus erklärbar. Bereits in der Einleitung wurde die Bedeutung von Rahmenbedingungen für den unternehmerischen Erfolg hervorgehoben. So folgt unternehmerisches Wirken naturgemäß nicht nur eigenlogischen Entwicklungslinien, sondern steht in einem fortwährenden Spannungsverhältnis zum jeweiligen zeitgeschichtlichen Hintergrund. In ganz besonderem Maße muss dies für Springer gelten, der sein Unternehmen nicht nur in signifikanten Umbruchphasen des 20. Jahrhunderts begründete, sondern im Medienbereich auch besonders nah am politischen Puls der Zeit agierte. Bereits die verlegerischen Anfänge waren Folge der kriegswirtschaftlichen und propagandapolitischen Entscheidung des nationalsozialistischen Regimes, eine Vielzahl von Tageszeitungen, darunter auch die elterliche Hamburger Neueste Zeitung, zu schließen. Aus den weiteren politischen Entwicklungen und Zäsuren erwuchsen unternehmerische Möglichkeiten, die Springer geschickt für sich zu nutzen wusste. Angeführt sei die Bedienung der hohen Buchnachfrage im Krieg und in der unmittelbar Nachkriegszeit, die Herausgabe einer Programmzeitschrift während der Neuordnung des Pressewesens, die Etablierung der ersten parteiungebundenen Tageszeitung in Hamburg nach Kriegsende, die Abdeckung der expandierenden Pressemärkte der Wirtschaftswunderjahre oder die Nutzung der zunehmenden technischen Rationalisierungsmöglichkeiten seit den 1950er-Jahren. Gleichzeitig wirkten politisch induzierte Negativfaktoren, von denen jedoch nur zwei einen unmittelbaren und nachhaltigen Einfluss auf Springers unternehmerisches Handeln entfalteten: der vorläufig verhinderte Einstieg in das Fernsehgeschäft und die massive öffentliche Kritik am Verlagshaus, in deren Folge Springer seinen offensiven Expansionskurs aufgab.

Ungeachtet aller zeitgeschichtlichen Einflüsse und Überformungen, ungeachtet der substantiellen Leistungen und Impulse einflussreicher Weggefährten, bedeutsamer Führungskräfte und unzähliger Mitarbeiter, und ungeachtet der prinzipiellen Schwierigkeit, die Erfolgswirksamkeit von individuellen Entscheidungs- und Handlungsprozessen zu bemessen, war Springers unternehmerisches Wirken auf Basis seiner Eigenschaften und Fähigkeiten in zentraler Weise bestimmend für den wirtschaftlichen Erfolg des Verlagshauses. Seine Innovationskraft und seine Führungsstärke waren die beiden grundlegenden Erfolgsfaktoren, die sich zwar erst in komplexen Interaktionsketten realisierten, jedoch stets unmittelbarer Ausdruck seines originären unternehmerischen Wirkens waren. Gleichwohl sollte bei jeder Betrachtung von Erfolgsfaktoren der Eindruck einer erfolgsparadigmatischen Sicht vermieden werden. Wirtschaftlicher Erfolg ist weder monokausal erklärbar noch Ausdruck vermeintlicher Eigenlogiken und narrativer Kontinuitätslinien. Die Ausführungen haben beispielhaft aufgezeigt, dass unternehmerisches Wirken stets von einem Wechselspiel aus Aufschwüngen, Stagnation und Abschwüngen gekennzeichnet ist, wenige Siege von vielen Niederlagen begleitet werden und unerwartete Umbrüche Sichergeglaubtes immer wieder in Frage stellen.

Für Springer verlor die erfolgsparadigmatische Interpretation seines unternehmerischen Wirkens in den späteren Jahren zusehends an Bedeutung. Die Gründe lagen nicht nur in der Dominanz der politischen Zielsetzungen, sondern vor allem in der zunehmenden Orientierung an religiösen Werten. Während der letzten Aufsichtsratssitzung, der Springer im September 1985 beiwohnte, wurde zwar das unternehmerische Lebenswerk des vom Tode gezeichneten Verlegers gewürdigt, doch der Geehrte selbst nutzte die Gelegenheit, um ein letztes Mal ein politisches Bekenntnis für ein wiedervereinigtes Deutschland und ein ungeteiltes Berlin abzugeben.3 Zweieinhalb Wochen später starb Springer und fand seine letzte Ruhe unter einem Grabstein, dessen Inschrift keinerlei Hinweis auf sein unternehmerisches Schaffen gibt. Schon Jahre zuvor hatte er einem engen Vertrauten das Bild skizziert, das die Nachwelt von ihm haben sollte und das zugleich grundlegend seinem Selbstbild im letzten Lebensabschnitt entsprach. Die Rolle als Unternehmer blieb in diesem Zusammenhang unerwähnt – stattdessen hoffte er, als »großer Journalist, Patriot und Gottsucher«4 in Erinnerung zu bleiben.