Teil 3:

Die Erschütterung eines verlegerischen Lebenswerks

Für viele Chronisten markiert der 6. Oktober 1966, der Tag der glanzvollen Einweihung des Berliner Verlagshauses, den Höhepunkt im Leben Axel Springers. Der Verleger stand im Zenith seiner wirtschaftlichen und politischen Macht, war Herr über fast zwei Dutzend Zeitungen und Zeitschriften, die zu den auflagenstärksten der Bundesrepublik zählten, und gebot über weit mehr als 10.000 Mitarbeiter. Dank seiner unternehmerischen Erfolge, seines publizistischen Einflusses und seines idealistischen Wirkens wurde er von den politischen und gesellschaftlichen Spitzen des geteilten Landes ebenso bewundert wie gefürchtet. Keiner der versammelten Gäste, allesamt bedeutsame Vertreter des öffentlichen Lebens, konnte am 6. Oktober 1966 erahnen, welch politischer Orkan alsbald über das Verlagshaus hinwegfegen sollte.1 Dabei zogen längst dunkle Gewitterwolken auf, die öffentliche Kritik an der wirtschaftlichen und publizistischen Macht Springers wurde immer stärker vernehmbar. Dennoch war Springer überzeugt, dass die wachsenden politischen Vorbehalte gegenüber seinem Verlagshaus keine wesentlichen Konsequenzen nach sich ziehen würden. »Ich weiß«, verkündete Springer nicht ohne Hochmut in seiner Einweihungsrede, »wer da bauet an den Straßen, muß die Leut’ über sich reden lassen. […] Ich gestehe, daß eine andere Einsicht uns bei dieser Haltung oft hilft. Nämlich diese: Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.«2 Springer und seine Führungskräfte unterlagen mit dieser Einschätzung einem folgenschweren Irrtum. Denn schon einige Monate später sollte sich ein Gewitter über dem Verlagshaus entladen, das Springers Lebenswerk materiell wie immateriell in Frage stellte, den offensiven verlegerischen Expansionskurs beendete und einen zutiefst erschütterten Verlagsinhaber zurückließ, der nie wieder zu seiner alten unternehmerischen Stärke zurückfinden sollte.