Die Welt: Das verlegerische Flaggschiff

Mit dem mehrheitlichen Erwerb der Tageszeitung Die Welt im September 1953 betrat Springer nicht nur unternehmerisches und verlegerisches Neuland, er legte auch den Grundstein für seine charakteristische biographische Wandlung zum politischen Verleger. Auch spielte sich der Übernahmeprozess weitaus stärker als die Zulassung des Hamburger Abendblatts im politischen Raum ab. Gleichzeitig sollte das spätere verlegerische Flaggschiff bis zum Beginn der 1960er-Jahre nicht nur Springers publizistische, sondern auch seine wirtschaftlichen Bedürfnisse befriedigen.

Die Welt als britische Tageszeitung

Am 2. April 1946 erschien in der britischen Besatzungszone die erste Ausgabe der überparteilichen und überregionalen Tageszeitung Die Welt mit einer Startauflage von 160.000 Exemplaren.608 Das »britisch kontrollierte deutsche«609 Blatt war von der Militärregierung als Modellzeitung für die Lizenzpresse konzipiert worden und bildete ein Kernstück der in der re-education policy eingebetteten Reform des deutschen Pressewesens610:

»The new standards of editorial production can only be set by example. A written directive will not suffice. It will be necessary for British editors and British-trained German editorial staff to produce a central newspaper – to serve as model of what is wanted.«611

Gleichzeitig betrachtete die britische Kontrollkommission612 ihr Zeitungsobjekt als »a sure and powerful instrument which will influence the German public in the British Zone towards the ends desired by H. M. G. [His Majesty’s Government]«.613 Der ambivalente Charakter der Welt, die als deutsche Zeitung geschaffen wurde, aber dennoch ein britisches Besatzungsorgan war, bedeutete von Anbeginn eine Bürde für alle Beteiligten.614 In politischer Hinsicht brandmarkten Kritiker und Wettbewerber Die Welt als »Britenpostille«, wodurch die Reputation des Blattes angesichts wachsender Ressentiments gegenüber der britischen Besatzungsmacht erheblichen Schaden nahm. Nicht ausgeräumt, sondern verschärft wurde die misstrauische Haltung der Öffentlichkeit gegenüber der Welt durch den Versuch der Militärregierung, die eigene Kontrolle über Die Welt zu verleugnen.615 Die zwiespältige Situation setzte sich innerhalb des Verlags fort und schlug sich insbesondere in Loyalitätskonflikten zwischen der mit Deutschen besetzten Redaktion und der kleinen Gruppe britischer Kontrolloffiziere nieder.616 Auch auf juristischem Gebiet kam es zu deutsch-britischen Auseinandersetzungen, als Konrad Adenauer im Herbst 1949 Besitzansprüche auf Die Welt Verlagsgesellschaft mbH617 anmeldete.618 Bei der Gründung der Die Welt Verlagsgesellschaft mbH619 im Januar 1947 waren die Gesellschaftsanteile vom Hamburger Oberfinanz-Präsidenten gezeichnet worden, der zwar »für das Deutsche Reich mit Genehmigung der Militärregierung« handelte, aber faktisch Treuhänder der Briten war. Unter Berufung auf die Rechtsnachfolge für das Reich versuchte die Bundesregierung die Gesellschafteranteile der Welt zu übernehmen, scheiterte jedoch einige Monate später.

Das Konzept einer Zonenzeitung als Modell für die Lizenzpresse war bereits im Sommer 1945 entwickelt worden.620 Eine erste Probenummer, die der Leiter des Political Warfare Executive (PWD), Sefton Delmer im September 1945 vorlegte, wurde allerdings nicht realisiert. Einer der Gründe hierfür war, dass der Einsatz Delmers auf Vorbehalte der Public Relations/Information Services Control (PR/ ISC) stieß, die ab August 1945 die Verantwortung für die Medienpolitik in der britischen Besatzungszone übernommen hatte. Wochen vergingen, ehe die PR/ ISC im November 1945 mit Oberst Henry B. Garland, dem britischen Presseverantwortlichen für Hamburg und Schleswig-Holstein sowie ehemaligen Germanistik-Professor, einen geeigneten leitenden Kontrolloffizier für die britische Zeitung gefunden hatte.621 Aufgrund der fehlenden beruflichen Perspektiven, der unattraktiven Bezahlung und der hohen Qualifikationsanforderungen war es nicht leicht, die Controller-Position dauerhaft zu besetzen.622 Der angesehene Garland folgte nach nur zwölf Monaten einem Ruf an die Universität von Exeter und überließ Oberstleutnant McRitchie, einem Verlagskaufmann, die oberste Kontrolle der Welt, die dieser dann bis zum Verkauf an Springer innehatte. Ebenso schwierig gestaltete sich die Suche nach deutschen Journalisten, die unbelastet waren und im Sinne eines modernen Zeitungskonzepts ausreichende Qualifikationen mitbrachten. Der Redaktionsaufbau wurde Anfang 1946 vom »Fall Zehrer« überschattet. Hans Zehrer623, einer der profiliertesten wie auch umstrittensten Publizisten Deutschlands und enger Vertrauter Springers, hatte sich Ende 1945 von den Briten zum Chefredakteur verpflichten lassen. Aufgrund seiner guten Verbindungen gelang es ihm, eine Reihe herausragender Journalisten für Die Welt zu gewinnen. Daneben war er maßgeblich an der Entwicklung des Zeitungstitels beteiligt, den er der französischen Tageszeitung Le Monde entlehnte.624 Allerdings holte den neuen Chefredakteur bald seine Vergangenheit als Herausgeber der Monatsschrift Die Tat ein. Zwischen 1929 und 1933 hatte Zehrer die einstige Kulturzeitschrift zu einer »Plattform der konservativen Revolution, totalitär und elitär«625 auf einem »beachtlichen intellektuellen Niveau«, entwickelt, deren Gedankengut nicht zuletzt von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde.626 Im Januar 1946 wandte sich Erich Klabunde, Sozialdemokrat und Vorsitzender des Hamburger Journalisten-Verbandes, an die Bürgerschaftsparteien und den Hamburger Bürgermeister, um die Absetzung des Welt-Chefredakteurs zu erreichen.

Abbildung 11: Erstausgabe der Tageszeitung Die Welt (1946)

Ungeachtet der anfänglichen Fürsprache der zuständigen britischen Presseoffiziere musste Zehrer im März 1946 seinen Posten aufgeben.627 Ihm folgte der Sozialdemokrat und ehemalige KZ-Häftling Rudolf Küstermeier, dem es gelang, mit seiner »leisen, nüchtern-gelassenen aber dennoch bestimmten Art« das Vertrauen der britischen Kontrolloffiziere und der sehr heterogenen deutschen Redaktion zu gewinnen.628 Unter seiner Ägide wurde Die Welt zu einem verlegerischen Erfolg, der sich nicht nur in der Auflage von über einer Million Exemplare, sondern noch mehr in dem hohen Ansehen der Tageszeitung widerspiegelte. Erleichtert wurde die publizistische Arbeit Küstermeiers durch die Privilegien, welche Die Welt als britische Besatzungszeitung besaß. »Durch einen Hoheitsakt der Besatzungsmacht waren alle Gebäude und technischen Einrichtungen des Hauses Broschek beschlagnahmt, soweit sie zur Herstellung der Welt notwendig waren«, so der erste Verlagsleiter Albert Lubisch.629 Ebenso wurde die Infrastruktur der ehemaligen Rheinisch-Westfälischen Zeitung in Essen requiriert, wo ab Oktober 1946 unter der Leitung von Heinrich Schulte630 die »Ausgabe West« der Welt gedruckt wurde.631 Auch die »Frage der Materialbeschaffung löste sich mehr oder weniger von selbst«.632 Insbesondere die bevorzugte Papierversorgung633 wurde von Konkurrenzverlagen regelmäßig zum Anlass genommen, Die Welt aus wettbewerbspolitischen Gründen zu kritisieren.634 Die Ausdehnung des Verbreitungsgebiets auf die US-amerikanische und die französische Besatzungszone635 im Mai 1948, die Herausgabe der Welt am Sonntag ab August 1948 und die frühe Umstellung auf eine tägliche Erscheinungsweise im Juli 1949 verstärkte angesichts der allgemeinen Papierknappheit den Eindruck einer Bevorzugung durch die britische Militärregierung.636 Der entscheidende Erfolgsfaktor für das Auflagenwachstum der Welt lag indes in der Pressepolitik der britischen Militärregierung. Im Rahmen des bestehenden Lizenzsystems konkurrierte Die Welt bis 1948 nur mit Parteirichtungszeitungen, denen das britisch kontrollierte Blatt nicht nur an Objektivität, sondern auch an Modernität überlegen war.637

Nach der Währungsreform blieb auch Die Welt nicht von den veränderten Wettbewerbsbedingungen und der Abschaffung des Presse-Lizenzsystems verschont. Die Auflage sank rapide.638 Nach dem Einbruch der Verkaufsauflage von einer Million Anfang 1949 auf rund 250.000 Exemplare Anfang 1950 setzte sich die rückläufige Entwicklung jahrelang fort.639 Auch die Mehrumsätze der beiden erfolgreichen Schwesterzeitungen, die von Bernhard Menne im August 1948 begründete Welt am Sonntag und dem seit Oktober 1950 unter gleicher Chefredaktion herausgegebenen Boulevard-Titel Das Neue Blatt, konnten den Erlöseinbruch der Welt nicht kompensieren.640 Zudem standen den Umsatzrückgängen steigende Papierpreise, tarifbedingte Personalkostenzuwächse und mit den drei Verlags- und Druckorten Hamburg, Essen und Berlin strukturell hohe Herstellkosten gegenüber.641 Die Verantwortlichen reagierten mit umfassenden Sparmaßnahmen, die von einem im September 1949 eingerichteten Beirat, fortan das oberste Geschäftsführungsgremium des Verlags, entwickelt und beschlossen wurden.642 Zudem beriet und überwachte ein Sonderausschuss des britischen Hochkommissars den paritätisch besetzten, aber mit britischer Stimmenmehrheit ausgestatteten Beirat.

Chefredakteur Küstermeier sah eine wesentliche Ursache für den Auflagenschwund in den wachsenden anti-britischen Ressentiments unter den Lesern und forderte, die »britische Kontrolle so weit wie möglich unsichtbar zu machen«.643 Nach monatelangen Auseinandersetzungen mit den vorgesetzten Dienststellen und der Verlagsleitung reichte er Anfang 1950 seinen Rücktritt ein.644 Nach einem kommissarischen Zwischenspiel von Bernhard Menne, der weiterhin die Welt am Sonntag und Das Neue Blatt verantwortete, übernahm der ehemalige Regierungssprecher und Chefredakteur des Berliner Kuriers Paul Bourdin die Redaktionsleitung der Welt.645 Bourdin blieb allerdings die Gefolgschaft der Redaktion versagt, und er verließ Die Welt bereits im September 1950 wieder. Es folgte erst ein Dreierkollegium, aus Adolf Helbig, dem Leiter des Wirtschaftsressorts, Hans Scherer, dem Chef vom Dienst, und Adalbert Worliczek, einem profilierten Redakteur der Innenpolitik, und im Januar 1952 dann Albert Komma, vormals Redakteur der Frankfurter Zeitung. Während die Führungskrise auch mit dem neuen Chefredakteur nicht gelöst wurde, setzte sich der Auflagen- und Erlösrückgang unvermindert fort. 1949 wies die Welt-Verlagsgesellschaft erstmals seit ihrer Gründung einen Jahresfehlbetrag von 700.000 Deutsche Mark aus, der 1950 infolge der Sparmaßnahmen auf 200.000 reduziert wurde, sich allerdings im Folgejahr auf beachtliche 1,9 Millionen ausweitete.646 Der hohe Verlust war nicht allein den Auflagenrückgängen sowie Papierpreis- und Lohnerhöhungen geschuldet, sondern resultierte auch aus dem Auslaufen der Lohndruckverträge mit Springer, der ab April 1951 das Hamburger Abendblatt im eigenen Hause druckte. Im Gegenzug hatte er angeboten, die Verlagsobjekte der Welt-Verlagsgesellschaft »zum Selbstkostenpreis zu drucken«, worauf das britische Verlagshaus ungeachtet monatelanger Diskussionen nicht einging.647 Die schwierige finanzielle Lage des Unternehmens veranlasste die britische Hohe Kommission im November 1951, in London für eine Veräußerung der Welt-Verlagsgesellschaft zu plädieren.648 Dem Gesuch gab das Londoner Foreign Office im März 1952 statt.649

Diese Entscheidung zog einen Schlussstrich unter die jahrelangen Überlegungen und Auseinandersetzungen über die Zukunft der Welt.650 Insbesondere eine reine Stiftungslösung, für die sich zahlreiche Interessengruppen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Zeitung ausgesprochen hatten, wurde aus wirtschaftlichen Gründen verworfen.651 Gleichzeitig untermauerte die britische Hohe Kommission gegenüber dem Beirat ihre Besitzansprüche an der Verlagsgesellschaft und beendete die Spekulationen um die Rolle der deutschen Gesellschafter, denen mithin nur treuhänderische Funktionen zukamen.652 Notgedrungen folgte der Beirat im Mai 1952 dem Votum der Militärregierung: »Nach eingehender Prüfung beschlossen die deutschen Mitglieder, die Übertragung von 70 Prozent der Anteile an den neuen Besitzer, 20 Prozent an eine Stiftung […] und 10 Prozent an die Angestellten vorzuschlagen.«653 Eine unveränderliche Stiftungssatzung sollte die Unabhängigkeit der Verlagserzeugnisse gewährleisten. Noch im selben Monat wurde auf Empfehlung des Welt-Verlagsleiters Schulte die Norddeutsche Bank AG, ein Vorgängerinstitut der Deutschen Bank AG, mit den Verkaufsverhandlungen beauftragt.654 Bereits vor dem offiziellen Veräußerungsbeschluss hatten unterschiedlichste Interessengruppen damit begonnen, Einfluss auf den Verkaufsprozess und die zukünftige Eigentümerstruktur der Welt zu nehmen.655 Unter den Interessengruppen befanden sich britische und US-amerikanische Regierungsmitglieder, führende deutsche Politiker, allen voran Bundeskanzler Adenauer, sowie gewerkschaftliche und industrielle Vertreter. Ein undurchdringliches Geflecht aus staatlichen und wirtschaftlichen Interessen, aus diplomatischen Verwicklungen und politischen Winkelzügen, aus Allianzen, Doppelspielen und Kampagnen rankte sich fortan um den fast anderthalbjährigen Veräußerungsprozess, dessen Fortgang nachfolgend nur punktuell nachgezeichnet werden kann.

Erwerb der Welt zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen

Fast ein Jahr verging, bevor Springer im April 1953 zur Überraschung zahlreicher Beteiligter sein Interesse an der Übernahme der Welt signalisierte.656 Der Veräußerungsprozess war zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschritten, und große Teile der interessierten Öffentlichkeit gingen von einem Zuschlag zugunsten des Berliner Traditionsverlags Ullstein aus.657 Elf weitere Interessenten waren in den zurückliegenden Monaten aufgetreten, darunter die Broschek & Co. KG, deren Zeitungsdruckerei weiterhin von der Welt-Verlagsgesellschaft genutzt wurde, ferner die Verlagshäuser Girardet, Droste sowie Kiepenheuer & Witsch, Gerd Bucerius’ Zeit-Verlag, die Westdeutsche Allgemeine Zeitungsverlagsgesellschaft (WAZ), der FDP-Politiker Ernst Achenbach mit finanzieller Unterstützung von Friedrich Flick, die Ostdeutsche Privatbank, zentrale Holding-Gesellschaft des 1951 verstorbenen Alfred Hugenbergs, sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) über die Bank für Gemeinwirtschaft Nordrhein-Westfalen.658 Bis Anfang April 1953 hatte sich der Interessentenkreis jedoch auf die drei Verlagshäuser Broschek, WAZ und Ullstein reduziert, von denen nur die westdeutsche Zeitungsgruppe ein vollwertiges Angebot vorgelegt hatte.659 Allerdings lehnte der Beirat der Welt-Verlagsgesellschaft Anfang Mai 1953 eine Veräußerung des Unternehmens an die Essener Verlagsgesellschaft aus politischen und wirtschaftlichen Gründen ab.660

Der Broschek-Verlag war hingegen als echter Favorit in das Rennen um die Welt-Verlagsgesellschaft gegangen. Frühzeitig hatte der Beirat sein Interesse an einem Verkauf des Blatts an die eigenen Hausherrn signalisiert.661 Neben den wirtschaftlichen Gründen spielten vor allem moralische Überlegungen eine Rolle, denn eine Reihe von Beiratsmitgliedern und britischen Presseoffizieren fühlte sich dem Broschek-Verlag ideell verpflichtet, dessen Infrastruktur – nicht zum Nutzen des Unternehmens – jahrelang von der Welt in Anspruch genommen worden war.662 Im August 1952 hatte Klaus Basedow als Vertreter der Erbengemeinschaft Kurt Broschek Interesse an der Welt angemeldet.663 Aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Familienzweigen und infolge ungeklärter Restitutionsfragen kam es allerdings nicht zu weiterführenden Verhandlungen.664 Der Hamburger Senat, als Treuhänder des Restitutionsvermögens und späterer restitutionsbedingter Komplementär des Broschek-Verlags, verhinderte ein Gebot für Die Welt.665 Die Blockade der Offerte ging mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Bürgermeister Brauer zurück, der einen Verkauf an Springer unterstützte.666

Ein weiterer Wunschkandidat des Beirats war der Ullstein-Verlag, dessen verlegerische Erfahrung, vermeintliche politische Unabhängigkeit und angebliche Finanzkraft vorteilhaft zu Buche schlugen.667 Außerdem versprach ein Zusammengehen mit dem Traditionsverlag ein optimales Zusammenspiel der Druckereistandorte Essen, Berlin und Hamburg sowie eine Verzahnung der Verbreitungsgebiete Berlin und Westdeutschland. De facto war der wenige Monate zuvor restituierte Ullstein-Verlag allerdings weder besonders zahlungskräftig noch politisch unabhängig. In einer verdeckten Aktion hatten die maßgeblichen Ullstein-Eigentümer und eine Gruppe konservativer rheinischer Geldgeber, das Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie, die Rheinisch-Westfälische Bank AG, eine Vorläuferin der Deutschen Bank, sowie Günther Henle, Haupteigentümer der Klöckner-Werke, ein Bündnis geschmiedet, um ein »kräftiges und solides bürgerliches Zeitungsunternehmen« zu begründen.668 Spiritus rectores waren Robert Pferdmenges, Sal. Oppenheim-Teilhaber und Vertrauter des Bundeskanzlers, sowie Gerd Bucerius, Verleger und damaliger CDU-Bundestagesabgeordneter, die Adenauers Ansinnen umsetzten, dauerhaften Einfluss auf Die Welt zu gewinnen.669 Der Bundeskanzler hatte bereits 1950 mit der Anfechtung der britischen Besitzansprüche eine Übernahme der Welt angestrebt und den begabten Juristen Bucerius mit der letztlich erfolglosen Mission betraut.670 Weitere Vorstöße des Bundeskanzlers unter Beteiligung von Bucerius und Herbert Blankenhorn, Adenauers engstem Mitarbeiter im Auswärtigen Amt, folgten. Als die Welt-Verlagsgesellschaft schließlich zum Verkauf angeboten wurde, setzte der Bundeskanzler gleich in doppelter Hinsicht auf den Zeit-Verleger, der nicht nur im Hintergrund der Erwerbsbemühungen des Ullstein-Verlags stand, sondern auch selbst als Interessent auftrat, schließlich jedoch kein Gebot abgab.671 Im August 1952 kam es zur bemerkenswerten Beteiligung des Zeit-Verlags an der Ullstein AG in Höhe von 10 Prozent des Grundkapitals.672 Die Anteilsübernahme, die von den erwähnten rheinländischen Geldgebern finanziert wurde, zielte zweifellos darauf ab, das Bündnis aus politischen Interessen, industriellem Kapital und verlegerischen Kräften zu institutionalisieren. In den nachfolgenden Verhandlungen wurde der Ullstein-Verlag rasch zum Wunschkandidaten der britischen Hohen Kommission und der deutschen Mitglieder des Beirats.673 Dennoch vergingen Monate, ohne dass die Verhandlungen greifbare Ergebnisse zeigten. Unter den Beiratsmitgliedern wuchs die Enttäuschung über den Verlag. Vieles deutet darauf hin, dass Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Familie Ullstein der Grund für die zögerliche Haltung des Berliner Traditionsverlags waren.674

In dieser Situation kam es Mitte April 1953 zur überraschenden Wende im Ringen um Die Welt, als Springer seine Zurückhaltung aufgab und ein Gebot für die Verlagsgesellschaft ankündigte. Weshalb er erst elf Monate nach Beginn des Veräußerungsprozess als Bieter auftrat, wann er sich für Die Welt zu interessieren begann, welchen Einfluss die schwierige Gründungsphase der Bild-Zeitung hatte und inwieweit verhandlungstaktische Gründe eine Rolle spielten, bleibt aus heutiger Sicht im Dunkeln.675 Sicher ist, dass Springers Bewerbung um Die Welt Teil eines abgestimmten Planes mit Bucerius war, der die Allianz mit Ullstein verworfen hatte und nun eine verlegerische Zusammenarbeit mit seinem Hamburger Freund anstrebte.676 Auslöser für Bucerius’ Seitenwechsel waren offenbar Differenzen innerhalb der Ullstein-Familie über die zukünftige Beteiligungsstruktur und die Rolle des Zeit-Verlegers.677 Zusammen mit Springer plante Bucerius eine Vertriebspartnerschaft zwischen der Welt und der Zeit, darüber hinaus sogar eine Umwandlung des Wochenblatts in eine Sonntagsausgabe der Tageszeitung.678

Ebenso unklar wie die Umstände von Springers spätem Auftritt als Interessent, sind aus heutiger Sicht seine Motive für den Erwerb der Tageszeitung. Alles deutet darauf hin, dass Springers Interesse an der Welt einer eigentümlichen Mischung aus unternehmerischen Überlegungen, verlegerischen Ambitionen und persönlichen Prestigedanken entsprang. Ohne Zweifel musste eine renommierte Tageszeitung wie Die Welt die verlegerische Leidenschaft eines passionierten Verlagsunternehmers wecken, allemal wenn ein solcher, wie Springer, große publizistische Ambitionen hegte und von unternehmerischem Tatendrang erfüllt war.679 Überdies scheint er nach den Anfang 1953 einsetzenden Auflagenerfolgen der Bild-Zeitung den Wunsch verspürt zu haben, sich verlegerisch weiterzuentwickeln und seine auf den Massengeschmack ausgerichteten Verlagsobjekte durch eine anspruchsvolle, später als »Flaggschiff« titulierte, Tageszeitung zu ergänzen.680 Bestärkt wurden Springers verlegerische Ambitionen nicht zuletzt durch Hans Zehrer, der in einem denkwürdigen Schreiben im April 1953 Die Welt wie selbstverständlich in den Händen Springers sah und in den Kontext der erwarteten deutschen Einheit stellte.681 Zehrers Schlussfolgerungen bereiteten sicherlich den Boden für Springers Wandel zum politischen Verleger, im April 1953 waren dessen Interessen jedoch noch mehr unternehmerischer denn weltanschaulicher Natur. Politische Beweggründe, so lässt sich feststellen, spielten für den Erwerb der Welt höchstens eine untergeordnete Rolle.682 Dies schloss allerdings nicht aus, dass Springer aus unternehmerischen und emotionalen Gründen über die Ausweitung seines politischen Einflusses nachdachte. Der politische Machtkampf um Die Welt machte deutlich, welche gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Tageszeitung zukam. Ohne einen ausreichenden unternehmerischen Nutzen wären jedoch selbst die größten publizistischen Ambitionen Springers kein hinlänglicher Grund für den Erwerb der Welt gewesen. Dazu dachte der Verleger in den 1950er-Jahren noch allzu sehr in ökonomischen Kategorien. Überdies wäre ein wirtschaftlich fragwürdiger Kauf nicht zuletzt am streng kalkulierenden Voss gescheitert. Ungeachtet der Auflagenschwäche der Welt und der unterdurchschnittlichen Ertragskraft der mittlerweile wieder leicht profitablen Welt-Verlagsgesellschaft traute sich Voss zu, »ein Geschäft draus zu machen«.683 Insbesondere die technischen Synergiepotentiale waren vielversprechend.684 An der Hamburger Kaiser-Wilhelm-Straße entstand eine moderne Zeitungsdruckerei, die innerhalb eines Jahres in der Lage war, die bislang bei Broschek hergestellten Welt-Objekte in Eigenregie zu drucken.685 Darüber hinaus war die Welt-Druckerei in Essen für die Produktion der westdeutschen Bild-Ausgabe von Interesse.686 Ferner verfügte die Verlagsgesellschaft über ein attraktives überregionales Vertriebsnetz. Mit Blick auf die geplante Wiederbelebung des Hamburger Fremdenblatts hatte ein Erwerb der Welt überdies wettbewerbsstrategische Implikationen. Der Besitz einer weiteren Tageszeitung verbesserte Springers verlegerische Position im Falle eines denkbaren Wiedererscheinens des Hamburger Konkurrenzblattes. Nicht zuletzt schloss der Erwerb die Möglichkeit ein, die Hamburger Druckaufträge der Welt aus dem Broschek-Verlag abzuziehen und das Traditionshaus damit empfindlich zu schwächen.

Nachdem Springer seine Bewerbung eingereicht hatte, scheinen die folgenden Wochen einem wohl vorbereiteten Fahrplan gefolgt zu sein: Im Anschluss an ein Gespräch mit der Norddeutschen Bank am 14. April 1953 informierte der Verleger den Beiratsvorsitzenden McRitchie.687 Am 21. April 1953 kamen der Verleger, Voss, McRitchie, Schulte und Menne zu einer ersten Verhandlungsrunde zusammen, in der Springer ein detailliertes Angebot unterbreitete.688 Schulte und Menne zeigten sich »enthusiastic«689 über die Offerte, die nicht nur die wirtschaftliche Zukunft der Welt, sondern auch ihre eigene Position im Verlagshaus langfristig sicherte.690 Der Beiratsvorsitzende McRitchie stellte fest, »economically it is undoubtedly the best solution for ›Die Welt‹ and for its German Beirat members. It is also beneficial to London because they will be paid the balance of the sale price much earlier than with all other groups«.691 Gleichzeitig warnte der Brite: »Springer Verlag is today financially the most powerful one in Germany, and if he adds ›Die Welt‹-Verlag he will be in an unassailable position. […] With an ›Abendblatt‹ in the Ruhr and a ›Bild am Sonntag‹, which is already planned, circulating all over Western Germany you will see already the terrific power he will have.« Zudem stellte McRitchie fest, dass die Verhandlungsrunde »well-staged […] with every move obviously pre-arranged« gewesen sei. Die Bemerkung zielte zweifellos auf Schulte und Menne, die offensichtlich im Vorfeld mit Springer und Voss Absprachen über ihre künftige Autonomie und finanzielle Absicherung getroffen hatten.692 Am Abend des 21. April 1953 traf Springer schließlich mit Konrad Adenauer zusammen, der in Hamburg den CDU-Bundesparteitag besuchte.693 Seit der denkwürdigen Zusammenkunft, die sicherlich von den CDU-Politikern Erik Blumenfeld und Gerd Bucerius arrangiert worden war, unterstützte Adenauer Springers Übernahmepläne mit allen Mitteln.694 Insbesondere sein Regierungssprecher und Vertrauter Felix von Eckhardt wirkte fortan systematisch auf britische Entscheidungsträger ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich auch der britische Hochkommissar Kirkpatrick bereits für den Hamburger Verleger ausgesprochen.695 Als Argumente wurden Springers Charakter und Werdegang, seine Qualitäten als Zeitungsverleger, seine Finanzkraft zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Welt und seine guten Beziehungen zur Bundesregierung sowie zur Hamburger SPD angeführt.696 Gleichzeitig schätzte die britische Hohe Kommission die Gefahr eines Zeitungsmonopols als weitaus weniger kritisch ein, als McRitchie es getan hatte.697

Am 6. Mai 1953 reichte Springer schließlich bei der Norddeutschen Bank ein Angebot ein, das die Übernahme von 75 Prozent des Stammkapitals der Welt-Verlagsgesellschaft mit ihren Zeitungs- und Zeitschriftentiteln Die Welt, Welt am Sonntag und Das Neue Blatt für 2,7 Millionen Deutsche Mark vorsah.698 Die übrigen 25 Prozent des Verlagshauses sollten zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Welt einer Stiftung übertragen werden, die über ein Mitspracherecht bei allen wesentlichen Verlagsentscheidungen verfügen würde. Zudem wurde der Verlagsgesellschaft die Nutzung umfangreicher technischer und infrastruktureller Kapazitäten des Axel-Springer-Verlags eingeräumt. Am 11. Mai 1953 zog sich der Ullstein-Verlag überraschend aus dem Rennen um Die Welt zurück.699 Als Begründung führte Karl Ullstein eine Pressemeldung an, die über einen Verkauf der Welt an Springer berichtete und nachfolgend nicht durch die Welt-Verlagsgesellschaft dementiert wurde. Über die tatsächlichen Gründe für den Rückzieher wurde in deutschen und britischen Kreisen vielfach spekuliert. So war McRitchie davon überzeugt, dass der Ullstein-Verlag »rejected by Wahnerheide« gewesen wäre und daraufhin entschieden hatte, den Bieterwettstreit um Die Welt aufzugeben.700 Nur wenige konnten wissen, dass der entscheidende Grund wohl im Rückzug der Geldgeber rund um Bucerius lag, der mittlerweile das Gebot seines Freundes Springer unterstützte.701 Am 12. Mai 1953 votierte der Beirat der Welt-Verlagsgesellschaft mit einer Gegenstimme für eine Veräußerung an den Axel-Springer-Verlag.702 Zwei der drei britischen Beiratsmitglieder wurden aus Wahnerheide instruiert, die Veräußerung an Springer zu billigen.703 Die Gegenstimme kam von McRitchie, der seinem Einwand treu blieb, dass mit dem »Verkauf an Springer ein Empire« geschaffen werden würde, das »gegen den Sinn seiner siebenjährigen Arbeit in Deutschland verstieße«.704 Am selben Tag stimmte auch die Gesellschafterversammlung der Welt-Verlagsgesellschaft mit einer Mehrheit von 80 Prozent des Stammkapitals für eine Veräußerung an den Hamburger Verleger.705 Am 21. Mai 1953 reisten Springer und Voss in das britische Hauptquartier nach Wahnerheide, um persönliche Unterredungen mit Kirkpatrick und weiteren britischen Verantwortlichen zu führen.706 Zu diesem Zeitpunkt hatte die britische Hohe Kommission beim Londoner Foreign Office bereits eine Bewilligung für die Veräußerung an Springer beantragt und hoffte, »to complete the sale to Springer as soon as we possibly can«.707 Voss und Hermann Arning708, der Rechtsberater des Verlagshauses, begannen Ende Mai 1953, mit den Vertretern der Norddeutschen Bank, der Welt-Verlagsgesellschaft und der Hohen Kommission die Detailfragen der Transaktion abzustimmen und die Kaufverträge auszuarbeiten.709

Eine rasche Übernahme der Welt-Verlagsgesellschaft durch Springer wurde allerdings durch neuerliche Entwicklungen konterkariert. Am 11. Mai 1953 erging ein Gerichtsurteil, das den Hamburger Staat zwang, seinen Minoritätsanteil am Broschek-Verlag an die Alteigentümer zurückzugeben.710 Nachdem der Richterspruch den Alteigentümern ihre Handlungsfreiheit über das Unternehmen zurückgegeben hatte, reichte das Broschek-Verlagshaus umgehend ein Kaufangebot bei der Norddeutschen Bank ein. Als Geldgeber stand dem kapitalschwachen Verlagshaus die Ostdeutsche Privatbank AG, die Vermögensverwaltung der Hugenberg-Erben, zur Seite, die selbst zeitweise als Bewerberin um Die Welt aufgetreten war.711 Statt eine Absage zu erteilen, wie den anderen zwischenzeitlich aufgetretenen Interessenten, darunter der stellvertretende Welt-Chefredakteur Curt Bley, nahm der Beirat ungeachtet seines Veräußerungsbeschlusses und der Verkaufsentscheidung der britischen Hohen Kommission Verhandlungen auf, wenn auch unter Vorbehalt.712 Allem Anschein nach gingen die überraschenden Neuverhandlungen nicht nur auf den Beiratsvorsitzenden McRitchie als scharfen Kritiker einer Veräußerung an Springer, sondern auch auf gewichtige Londoner Kreise zurück.713 Die Befürworter einer Veräußerung an Springer reagierten alarmiert. Hamburgs Bürgermeister Brauer intervenierte bei Kirkpatrick, der Adenauer-Vertraute Blankenhorn bei britischen Regierungsstellen.714 Springer versuchte die oben erwähnten Bedenken zu entkräften, indem er im Juni 1953 eine Erklärung über die künftige Unabhängigkeit der Welt-Verlagsgesellschaft abgab, die über die Autonomiebestimmungen seines Übernahmeangebots deutlich hinausging.715 Unterdessen antichambrierten die Protagonisten des Broschek-Verlags, allen voran Antje Broscheks Bevollmächtigter Basedow, in Wahnerheide und London.716 Auch der Verleger, der Bundeskanzler und die Hohe Kommission blieben in politischer Hinsicht nicht untätig.717 Längst war die Veräußerung der Welt zum Spielball der hohen Politik geworden, zum Faustpfand im Machtkampf zwischen dem Vereinigten Königreich und der jungen Bundesrepublik.718 Mitte Juni 1953 ordnete Kirkpatrick eine Abstimmung des Beirats über die Offerte des Broschek-Verlags an.719 Obwohl das Gremium zur Erleichterung der britischen Hohen Kommission das Angebot ablehnte, blieb eine Londoner Entscheidung zugunsten Springers aus. Im Gegenteil: Wohl nicht allein aus sachlichen, sondern auch aus politischen Gründen wurde Springer mit neuen finanziellen Forderungen aus London konfrontiert.720 Zugleich forderte das britische Schatzamt, die »Verkaufsverhandlungen auf breiter Front« neu zu eröffnen, um den ehemaligen Interessenten Gelegenheit zu geben, auf die neuen Veräußerungsbedingungen zu reagieren.721 Zwar gelang es Springer und seinen Fürsprechern, den politisch motivierten Vorstoß des Schatzamtes und des Foreign Office zugunsten von Neuverhandlungen abzuwiegeln. Dennoch war Voss Ende Juli 1953 gezwungen, der neuen Kaufpreisregelung zuzustimmen, so dass Springer für den Erwerb der Welt-Verlagsgesellschaft nicht 2,7 Millionen, sondern 3,4 Millionen Deutsche Mark aufzubringen hatte.

Unterdessen verschärften die Fürsprecher Springers ihren Druck auf das Foreign Office.722 Der Bundeskanzler bekundete offen seinen Unmut über die Verzögerungen des Verkaufsprozesses. Mitte April 1953 lehnte der Beirat nicht nur ein zweites Mal die Offerte des Broschek-Verlags aus wirtschaftlichen Gründen ab, sondern zeigte sich auch tief besorgt über einen möglichen Rückzug Springers:

»The German members of the Beirat wish me to stress to you that they have always felt that Broschek was a natural partner for Die Welt, and that is why time and again they have investigated the various Broschek offers, sometimes despite strong opposition from Wahnerheide. None of these offers were acceptable, and to investigate this one would certainly mean the withdrawal of Springer´s offer, which would place Die Welt in too dangerousa situation.«723

In der Tat hatte Springer Anfang Juli 1953, nachdem der geplante Vertragsschluss mehrmals verschoben worden war, die Verhandlungsführung der Welt-Verantwortlichen als geschäftsschädigend kritisiert.724 Ende Juli 1953 verwies Voss auf »Vorarbeiten […] für die Aufnahme der Welt«, »die einen erheblichen Kostenaufwand […] verursacht hätten«, und forderte Exklusivverhandlungen.725 In der zweiten Augusthälfte 1953 gaben die Londoner Regierungsstellen endlich ihre Zustimmung für die Veräußerung an Springer.726 Allerdings wurde die Entscheidung aus unbekannten Gründen vorerst geheim gehalten. Einzig McRitchie ließ wissen, dass er auf diese Weise dem Broschek-Verlag »better chances in their negotiations with Springer« einzuräumen suchte.727 Nach der endgültigen Ablehnung des Broschek-Angebots hatten Springer und die Familie Broschek Verhandlungen über den zukünftigen Druck der Welt, über das geplante Hamburger Fremdenblatt und darüber hinaus gehende Kooperationsmöglichkeiten aufgenommen.728 Mit Ausnahme einer sechsmonatigen Verlängerung des Welt-Druckvertrages scheiterten die Gespräche Mitte September 1953 am Widerstand des Familienzweigs Albert Broschek.

Vier Monate nach dem ersten Veräußerungsbeschluss unterzeichneten am 17. September 1953 Voss und McRitchie in seiner Eigenschaft als Beiratsvorsitzender, treuhänderischer Gesellschafter und Vertreter der Darlehensgläubigerin die notariell beurkundeten Verträge über den Erwerb von 75 Prozent des Stammkapitals der Welt-Verlagsgesellschaft durch die Axel Springer Verlag GmbH.729 Springer war nunmehr Verleger der Tageszeitung Die Welt, der Sonntagszeitung Welt am Sonntag und der Wochenzeitschrift Das Neue Blatt. Neben dem geringen Bestand an Betriebsmitteln, vor allem Rotationen im angemieteten Essener Druckhaus, übernahm er auch ein 1948 begründetes Reisebüro in Hamburg.730 Als Gegenleistung erwarb die Axel Springer GmbH zwei Forderungen im Umfang von 2,3 Millionen Deutsche Mark, leistete zwei Zahlungen in Höhe von 400.000 Deutsche Mark und akzeptierte eine Steuerschuld von 700.000 Deutsche Mark.731 Zudem übernahm Springer die bereits in seinem Angebot fixierten Verpflichtungen zum Erhalt der Unabhängigkeit der Welt. Im Dezember 1953 wurde die Stiftung Die Welt zur Förderung und Unterstützung der Zeitungswissenschaften sowie des journalistischen Nachwuchses mit Genehmigung des Hamburger Senats begründet; sie übernahm sogleich 25 Prozent des Stammkapitals der Welt-Verlagsgesellschaft.732 Die finanzielle Grundaustattung belief sich auf 200.000 Deutsche Mark, ein Teil des von Springer zu entrichtenden Kaufpreises. Überdies wurde die Stiftung mit rund 1,1 Millionen Deutsche Mark zuzüglich Zinsen bedacht, die von der Welt-Verlagsgesellschaft über einen Zeitraum von dreißig Jahren als Ausgleich für den Entfall der britischen Forderungen erbracht werden mussten.733 Den Siftungsvorstand übernahmen der Rechtsberater der Welt, Walter Siemers, der Justitiar des Axel-Springer-Verlags, Hermann Arning, sowie – als Vorsitzender – der Vorstandssprecher der Phoenix Gummiwerke Hamburg-Harburg AG und spätere persönlich haftende Gesellschafter der Friedrich Flick KG sowie Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Otto A. Friedrich.734

Abbildung 12: Axel Springer mit Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem CDU-Landesvorsitzenden Erik Blumenfeld mit einer Ausgabe der Welt (1957)

Ein Großteil der Gesamtaufwendungen von 3,4 Millionen Deutsche Mark floss der Welt-Verlagsgesellschaft entweder direkt zu oder diente ihrer Teilentschuldung. Unter Abzug der Wert steigernden Effekte lassen sich Springers Gesamtbelastungen für den Erwerb von 75 Prozent des Stammkapitals der Welt-Verlagsgesellschaft auf unter drei Millionen Deutsche Mark taxieren. Dies entsprach lediglich 60 Prozent des anteiligen Ertragswerts, den ein Wirtschaftsprüfer im Auftrag des Beirats vor der Veräußerung ermittelt hatte.735 Der Erwerb wurde im Wesentlichen aus Eigenmitteln finanziert; einzig ein Teilbetrag von 700.000 Deutsche Mark des Kredites der Norddeutschen Bank blieb vorerst als Verbindlichkeit bestehen.736 Dass Springer zu derart günstigen Konditionen in den Besitz der Welt kommen konnte, lag vor allem an drei Faktoren: Erstens blieb der Kreis der relevanten Interessenten auf wenige und – mit Ausnahme von Springer – relativ kapitalschwache Unternehmen und Gruppierungen begrenzt, so dass ein Preis treibender Bieterwettstreit unterblieb. Zweitens fehlte angesichts der ungewöhnlichen Eigentums- und Entscheidungsstrukturen der Welt-Verlagsgesellschaft eine Instanz, die an der Durchsetzung einer hohen Kaufpreisforderung nachhaltig interessiert gewesen wäre. Während für die britische Regierung ein politisch reibungsloser Ablauf, die wirtschaftliche Absicherung der Welt und die Befriedigung der eigenen Forderungen oberste Priorität hatten, zielten die Bemühungen des Beirats in erster Linie auf die Wahrung der Unabhängigkeit der Welt. Drittens kommt sicher der geschickten Verhandlungsführung von Springer und Voss eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Basis hierfür war die detaillierte Kenntnis über die komplexe Interessenlage der Beteiligten und die Verhandlungspositionen der Mitbewerber, wozu auch der späte Eintritt in den Veräußerungsprozess beigetragen hatte. Insbesondere Voss verfügte offenbar über gute Kontakte zu einzelnen Beiratsmitgliedern, so dass er über viele Entwicklungen frühzeitig informiert war.737 Entsprechend konnten Springer und sein Teilhaber gezielt auf die Interessen der Beteiligten reagieren und über vielfältige Kontakte, zum Beispiel über den Bundeskanzler, wirkungsvoll Einfluss nehmen.

Das Flaggschiff auf neuem verlegerischen Kurs

Die Tageszeitung Die Welt stellte für Springer eine neue unternehmerische und verlegerische Herausforderung dar. Erstmals verfügte er über ein bedeutendes Verlagsobjekt, das er nicht selbst geschaffen, sondern in bereits bestehender Form übernommen hatte. Statt der Verankerung eines neuen verlegerischen Stils, wie es Springer bei seinen beiden Tageszeitungen Hamburger Abendblatt und Bild getan hatte, galt es nun, die vorhandene verlegerische Substanz der Welt weiterzuentwickeln, um neue Leserschichten zu erschließen, ohne die bestehenden zu verlieren. Zugleich bekannte sich Springer, der 1953 noch als unpolitisch galt, zur liberalen Ausrichtung und parteipolitischen Unabhängigkeit der Welt. Über die verlegerischen Herausforderungen der Welt stand er lange vor ihrer Übernahme in einem regen Austausch mit Zehrer, der damals Chefredakteur des evangelischen Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts war.738 Frühzeitig schien Springer die Entscheidung getroffen zu haben, Zehrer mit der Chefredaktion der Welt zu betrauen, obwohl er wissen musste, dass die Berufung des ehemaligen Tat-Herausgebers erhebliche öffentliche Kritik auslösen würde.739 Nachdem sich Springer und Zehrer im August 1953 auf eine Zusammenarbeit geeinigt hatten740, kehrte der 54-jährige Publizist Ende September 1953 nach sieben Jahren zur Welt zurück und übernahm mit Enthusiasmus und Ehrgeiz741 die Leitung der Redaktion von seinem Vorgänger Albert Komma.742 Die grundsätzliche publizistische Kontinuität der Welt in Verbindung mit der Einsetzung von Zehrer als Chefredakteur hatte zur Folge, dass Springer vorerst eine ganz andere Verlegerrolle einnahm als zu den Gründungszeiten des Hamburger Abendblatts oder der Bild-Zeitung. Während er an der Blattgestaltung seiner beiden »Zeitungskreationen« in den Anfangszeiten unmittelbar beteiligt war, an Redaktionskonferenzen teilnahm und auf einzelne Redaktionsmitglieder einwirkte, wahrte er zur Redaktion der Welt eine erstaunliche Distanz.743 Neben dem Bestreben, Zehrer einen ausreichenden redaktionellen Freiraum zu geben, und neben dem Wunsch nach persönlicher Entlastung spürte Springer wohl auch, dass er von der selbstgewissen Welt-Redaktion nie die Anerkennung erfahren würde, die er von den Redakteuren des Hamburger Abendblatts oder der Bild-Zeitung gewohnt war.744 So richtete er seine zahlreichen redaktionellen Anmerkungen und Anregungen fast ausschließlich an Zehrer, der ungeachtet der engen Abstimmung mit dem Verleger einen ähnlichen verlegerischen Freiraum wie Hör zu-Chefredakteur Rhein genoss.745 Anders als der exzentrische Hör zu-Erfinder tauschte sich Zehrer jedoch nicht nur regelmäßig und ausgedehnt mit dem Verleger aus, er schuf auch einen Redaktionsapparat, der von Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt, von »innerer und äußerer Liberalität« geprägt war.746 Zehrers Vorbild für Die Welt war kein geringeres Blatt als die berühmte Vossische Zeitung, die bis zu ihrer Einstellung im Jahre 1933 das Ideal des liberalen Intelligenzblattes verkörpert hatte und ihn selbst während seiner dortigen Lehrzeit in den 1920er-Jahren geprägt hatte.747 Auch die britische Times wurde von Zehrer als Maßstab für Die Welt herangezogen.748 In Einklang mit der politischen Ausrichtung der Times traten Springer, Zehrer und die Redaktion anfangs für einen gemäßigt regierungsloyalen Kurs der Welt ein, der Mitte der 1950er-Jahre jedoch einer zunehmend regierungskritischen Haltung wich.749 Das Bundeskanzleramt, das sich zugute hielt, Springer maßgeblich bei der Übernahme der Welt unterstützt zu haben, reagierte mit hörbarem Unmut auf diesen Kurswechsel.750 Ähnlich enttäuscht zeigten sich britische Regierungskreise über die nicht immer englandfreundliche Berichterstattung der Welt.751

Aus Springers und Zehrers redaktioneller Zielsetzung resultierte ein hoher Qualitätsanspruch, den der Chefredakteur mit einer konsequenten Personalpolitik zu erreichen trachtete. Neben einer Reihe von Entlassungen gewann Zehrer nach seinem Einstieg einige bedeutende deutsche Journalisten für Die Welt.752 Seine personalpolitischen Maßnahmen umfassten zudem einen vertrauensbildenden und kooperativen Führungsstil als Basis für ein Fördern und Fordern durch den Chefredakteur.753 In der Tat gelang es ihm rasch, die Anerkennung und das Vertrauen der Redaktion zu gewinnen.754 Zugleich schien sich der Chefredakteur jedoch schwer zu tun, aus den zahlreichen Individualisten eine funktionierende Redaktionsmannschaft zu formen.

Inhaltlich hatten Springer und Zehrer drei Themenfelder ausgemacht, die zielgerichtet ausgebaut werden sollten: Ausland, Wirtschaft/Finanzen sowie Kultur/Gesellschaft. Vor allem mit weltweiten Exklusivberichten beabsichtigte Springer, Die Welt als »the one great news organ in Germany« zu positionieren; »there were plenty of other papers pouring forth opinion every day but no German paper really carried world news every day. This Die Welt would do, however costly.«755 Für anspruchsvolle gesellschafts- und kulturpolitische Beiträge sowie Literaturkritiken begründete Zehrer Die geistige Welt, eine Wochenendbeilage, die bereits im Oktober 1953 erschien.756 Im Januar 1955 wurde die Berlin-Ausgabe wiederbelebt, deren Herstellung im Oktober 1957 der Ullstein-Verlag übernahm. Seit Januar 1958 ergänzte eine Luftpostausgabe, die erste ihrer Art in Deutschland, die bestehenden drei Welt-Ausgaben Nord, West und Berlin.

Grafik 5: Entwicklung der Tageszeitung Die Welt (bis 1960)761

Ungeachtet der personellen und redaktionellen Neuerungen, die Zehrer zunehmend Beachtung und Anerkennung einbrachten, setzte sich der Auflagenrückgang, wenn auch in abgeschwächter Form, fort.757 Springer reagierte mit zunehmender Ungeduld auf die Auflagenentwicklung, die er auf einen Mangel an »guten Zeitungsmachern« innerhalb der Welt-Redaktion zurückführte.758 Einige Monate später gelang es Zehrer, mit Paul Sethe, dem Mitbegründer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, einen »virtuosen Blattmacher« für Die Welt zu gewinnen.759 Unter seinem Einfluss verstärkte das Blatt seinen regierungskritischen Kurs, der für deutliche Misstöne aus dem Bundeskanzleramt sorgte. Im Jahr 1955 war der Auflagentiefpunkt mit rund 166.000 endlich erreicht; nachfolgend verzeichnete die Verkaufsauflage bis Mitte der 1960er-Jahre ein stetiges Wachstum auf über 243.000.760

Die geplante verlegerische Zusammenarbeit mit Bucerius wurde indes nicht realisiert. Mitte 1953 war es unter den Gründungsgesellschaftern des Zeit-Verlags, Gerd Bucerius, Ewald Schmidt di Simoni und Richard Tüngel, zu einem schweren Zerwürfnis gekommen, das, darauf deutet zumindest alles hin, ein Zusammengehen der Zeit und der Welt vorerst unmöglich machte.762 Dennoch übergab Bucerius als Beweis seiner Kooperationsbereitschaft und zugleich seiner Finanzkraft Springer im Mai 1954 einen Scheck von 600.000 Deutsche Mark als Vorschuss für die geplante Zusammenarbeit.763 In den nachfolgenden Monaten hielt sich Springer gleichwohl hinsichtlich der gemeinsamen Pläne auffallend bedeckt. Der Grund für die Zurückhaltung lag wohl nicht allein in den Auseinandersetzungen um den Zeit-Verlag, sondern auch in einem mangelnden Interesse an einer Zusammenarbeit mit Bucerius. Immerhin hatte Springer mit dem Welt-Erwerb sein Ziel erreicht; zudem übten das defizitäre Wochenblatt Die Zeit und das Magazin Stern offenbar keinen übermäßigen verlegerischen Reiz aus. Mitte 1955 scheint das Kooperationsvorhaben im freundschaftlichen Einvernehmen aufgegeben worden zu sein.764 Anschließend zahlte Springer den Vorschuss zuzüglich Zinsen an Bucerius zurück. Wie der weitere am Welt-Erwerb beteiligte Personenkreis auf das Scheitern der Zusammenarbeit reagierte, bleibt unbekannt. Die Ullstein-Beteiligung, die Robert Pferdmenges und die übrigen Geldgeber im Vorfeld der Transaktion erworben hatten, wurde Anfang 1960 von Springer übernommen.765

Im kaufmännischen Bereich ließen Springer und Voss dem Welt-Geschäftsführer und langjährigen Verlagsleiter Schulte ganz im Sinne des Führungsverständnisses des Verlegers weitgehend freie Hand. Formell wurde hierdurch eine Zusatzvereinbarung zwischen dem Axel-Springer-Verlag und der Welt-Stiftung erfüllt, die eine Abberufung Schultes an die Zustimmung des Stiftungsvorstands knüpfte und »Einwirkungen auf die Geschäfte […] des Verlags Die Welt nur auf dem Wege über die Verlagsleitung« ermöglichte. Informell zweifelten weder Springer noch Voss am Kurs des erfahrenen Verlagsmanagers, der das Zeitungshaus nach strikten Kostengesichtspunkten führte und die Synergiepotentiale zwischen den beiden Verlagshäusern hob, soweit es die gesellschaftsrechtliche und satzungsmäßige Trennung der Welt-Verlagsgesellschaft von ihrer Hauptanteilseignerin zuließ. Bereits Ende 1953 wurde die Herstellung der westdeutschen Ausgabe der Bild-Zeitung in die Essener Welt-Druckerei verlegt.766 Umgekehrt übernahmen nach dem Auslaufen des Broschek-Druckvertrags im August 1954 die neuen Rotationen von Axel Springer & Sohn die Produktion der Welt in Norddeutschland.767 Im Vergleich zum Beginn der 1950er-Jahre war die Ausgangslage für eine vorteilhaftere Entwicklung der Welt-Verlagsgesellschaft somit entschieden günstiger. Während Die Welt ab Mitte des Jahrzehnts moderate Auflagenzuwächse verzeichnete, verdreifachten sich gleichzeitig ihre Vertriebs- und Anzeigenerlöse zwischen 1953 und 1961 auf 43,4 Millionen Deutsche Mark.768 Im gleichen Zeitraum stieg die Anzeigenquote von 40 Prozent auf über 61 Prozent und spiegelte damit die gestiegene Attraktivität der Welt für die Anzeigenkunden wider.769 Allerdings entwickelte sich die Kostenseite, vor allem im Bereich der Herstellung, der Anzeigenwerbung und der kaufmännischen Verwaltung ungeachtet der Sparmaßnahmen Schultes ähnlich dynamisch, so dass Die Welt weiterhin leicht defizitär blieb. Erst im weiteren Verlauf der 1950er-Jahre ließen die starken Erlöszuwächse ein positives Betriebsergebnis zu, das bis 1961 auf 5,9 Millionen Deutsche Mark anwuchs und einer Umsatzmarge von 14 Prozent entsprach.

Die Schwesterblätter Welt am Sonntag und Das Neue Blatt

Nur wenig verlegerische Beachtung erfuhren die beiden Schwesterblätter der Welt, die Welt am Sonntag und Das Neue Blatt. Dies lag nicht nur an Springers geringem redaktionellen Interesse, sondern auch an ihrer stabilen Auflagenentwicklung und der zufriedenstellenden Ertragskraft.770 Gemäß den vertraglichen Vereinbarungen blieb Zeitungsgründer Bernhard Menne bis zu seinem Tod im Jahr 1968 Chefredakteur der Welt am Sonntag. Wesentliche konzeptionelle Änderungen erfuhr das Blatt in diesem Zeitraum nicht. Wenig dynamisch entwickelte sich auch die Verkaufsauflage, die von rund 350.000 im Jahre 1953 auf über 400.000 Mitte der 1960er-Jahre stieg und damit unter den allgemeinen Zuwachsraten des deutschen Zeitungsmarktes blieb. Bis 1962 verdoppelten sich die Vertriebs- und Anzeigenerlöse von rund 6,3 Millionen auf 12,4 Millionen Deutsche Mark.771 Gleichzeitige Kostenzuwächse ließen jedoch nur geringe Ertragssteigerungen zu, so dass das Ergebnis im gleichen Zeitraum lediglich von 1,1 Millionen auf 1,3 Millionen Deutsche Mark wuchs und die Umsatzrendite von 17 auf 11 Prozent fiel.

Erfolgreicher entwickelte sich die Wochenzeitschrift Das Neue Blatt, das zwischen 1953 und 1962 seine Auflage von rund 200.000 auf über eine Million Exemplare steigerte.773 Im gleichen Zeitraum wuchsen die Gesamterlöse von 2,5 Millionen auf 16,5 Millionen Deutsche Mark und das Ergebnis von der Verlustgrenze auf rund 2,9 Millionen.774 Damit bildete das Boulevardblatt eine der wesentlichen Ertragssäulen der Welt-Verlagsgesellschaft. Um die Steuervorteile des Standortes Berlin zu nutzen, erfolgte im Juni 1963 die Ausgründung des Neuen Blatts in eine eigene Gesellschaft, deren Anteile zu 95 Prozent durch die Welt-Verlagsgesellschaft und zu 5 Prozent von der Hammerich & Lesser Verlag KG, ab Mai 1965 von der Axel Springer & Sohn KG gehalten wurden.775 Auf diese Weise war der Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages mit dem Hammerich & Lesser-Verlag möglich, der den Berlin-Präferenzen unterlag. Nach einer rückläufigen Auflagenentwicklung wurde Das Neue Blatt 1966 redaktionell neu gestaltet und auf Tiefdruck umgestellt.776 Nachfolgend stieg die Auflage kontinuierlich auf über 1,1 Millionen Exemplare. Im Juni 1968 verkaufte der Generalbevollmächtigte Kracht Das Neue Blatt im Rahmen einer Portfoliobereinigung für 32,5 Millionen Deutsche Mark an den Bauer-Verlag.777

Grafik 6: Entwicklung der Sonntagszeitung Welt am Sonntag (bis 1960)772

Diese solide wirtschaftliche Entwicklung spiegelte sich auch in den Umsatz- und Ertragszahlen der Welt-Verlagsgesellschaft wider. Zwischen 1953 und 1961 stiegen die Gesamterlöse von 31 Millionen auf 98,7 Millionen Deutsche Mark, wobei Letztere signifikante Druckereiumsätze des Mutterhauses enthielten. Gleichzeitig legte das Ergebnis von 1,8 Millionen auf 9,7 Millionen Deutsche Mark zu, aus denen bis 1960 Ausschüttungen von 3,3 Millionen an die Axel Springer Verlag GmbH geleistet wurden.778 Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass keine Kapitalzuflüsse des Axel-Springer-Verlags an die Welt-Verlagsgesellschaft erfolgten, hatte sich der Erwerb der Verlagsgesellschaft nach sieben Jahren somit vollständig amortisiert.