Kapitel 13

Kiri wurde von wirren Träumen heimgesucht. Das Fieber quälte ihren Körper und ließ ihren Geist nur selten klar werden.

Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie hier schon lag, sie wusste auch nicht mehr genau, was passiert war. Nur ganz langsam kehrten ihre Sinne zurück, konnte sie die Augen öffnen und erkennen, was um sie herum geschah.

Ihre Sicht war verschwommen, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie gewahr wurde, dass irgendetwas mit ihren Augen nicht stimmte. Vorsichtig begann sie, ihr Gesicht mit der rechten Hand zu ertasten, bis eine fremde Hand ihr diese sanft fortzog.

»Nicht, Kiri.«

Kiri wusste, dass sie diese Stimme schon einmal gehört hatte, aber es dauerte eine Weile, bis sie sich erinnerte, wem sie gehörte. »Dany?«, fragte sie voller Freude.

»Ja.« Er nahm ihre linke Hand und drückte sie.

»Was ist passiert?«

»Du hattest einen ...«

»... Unfall«, fügte eine weitere Stimme hinzu.

»Amru?«

Wieder versuchte Kiri, sich an das Gesicht zu fassen. Dieses Mal ließ man sie gewähren. Vorsichtig ertastete sie mit den Fingern den Bereich um ihr linkes Auge. Die Haut war schmerzhaft geschwollen, und Kiri spürte eine große Narbe, die sich quer über das Auge zog. Sie erschrak und versuchte mit aller Kraft, es zu öffnen, aber nichts passierte.

»Mein Auge? Was ist mit meinem Auge?«

Sie wollte sich aufsetzen.

»Bleib liegen, Kiri«, herrschte Amru sie an.

Kiri versuchte, mit dem rechten Auge klar zu sehen, dazu musste sie sich sehr anstrengen.

»Kiri, bitte.« Das war wieder Danys Stimme, er saß wohl links von ihrem Lager. Sie konnte ihn erst sehen, als sie den Kopf ganz weit drehte.

»O nein! Ich bin blind ... bin ich blind?«

Dany drückte nur ihre linke Hand, die er die ganze Zeit in der seinen hielt.

Sie wollte sich noch einmal mit der freien Hand ins Gesicht fassen. Dany nahm aber nun auch diese und hielt sie fest. »Kiri, alles wird gut, wichtig ist, dass du wieder ganz gesund wirst. Das Fieber war so hoch ... Wir dachten schon ...«

Dann sprangen plötzlich Bilder durch Kiris Kopf, der Abend am Fluss, die Misi ...

»Die Misi ...?«

»Der Misi geht es gut, sie war sehr besorgt um dich«, sagte Amru sanft.

»Und der Masra?«

Amru schüttelte nur den Kopf.

Einige Stunden später besuchte Julie Kiri. Sie freute sich sichtlich, dass Kiri wieder bei Sinnen war, aber Kiri spürte deutlich, dass hinter der freundlichen Miene ein großer Schatten lag. Sie fragte sich, was wohl passiert war, während sie im Fieber gelegen hatte, wagte aber nicht, den Gedanken laut auszusprechen.

Julie hob den kleinen Henry aus seinem Körbchen und legte ihn an Kiris Seite.

»Er hat dich vermisst, Kiri«, sagte sie zärtlich.

Kiri hielt dem kleinen Masra ihre Finger hin, seine Fingerchen umfassten diese, und er gab ein zufriedenes Gurren von sich.

Julie wählte ihre Worte mit Bedacht. »Kiri, warum hast du denn nichts gesagt, wegen ... ich meine ...«

Kiri wusste zunächst nicht, wovon Julie sprach, drehte dann aber den Kopf zur Seite. Die Misi sollte nicht sehen, wie sehr sie das Thema quälte.

»Misi, ich dachte ... ich wollte nicht ...«

»Aber Kiri, das ist doch schön! Schau, Henry ist auch noch nicht so alt, und dein Baby ... es wird ihm ein Freund werden, ganz bestimmt.«

Kiri versuchte zu lächeln. »Ja, Misi, bestimmt!«

»Wer ist denn der Vater? Hast du einen Freund?«

Kiri nickte. Sie hatte der Misi nie von Dany erzählt. Es war schon gefährlich genug, dass er sich anmaßte, sich recht frei im Sklavendorf zu bewegen. Als Buschneger hatte er dazu eigentlich kein Recht, und es bestand immer die Gefahr, dass die Basyas ihn erwischten oder gar der Masra etwas mitbekam. Aber der Masra war jetzt ja nicht mehr da, auch das hatte sie mittlerweile verstanden. Auch er hatte einen Unfall gehabt.

Ohne es zu wissen, hatte Julie in Kiris dunkelstes Geheimnis gestochen. Die Frage der Vaterschaft lastete schwer auf Kiris Seele. Sie wusste nicht, ob Dany wirklich der Vater des Kindes war oder ...

Masra Pieter hatte sie oft zu sich gerufen. Kiri hatte versucht, die Demütigung und die Schmerzen, die er ihr zufügte, aus ihrem Kopf zu verbannen. Mehr als einmal war sie nahe daran gewesen, sich ihm zu widersetzen, aber der Gedanke an die Konsequenzen hatte sie dann doch schweigen lassen. Sie hatte sich nichts anmerken lassen, selbst die Misi hatte nichts gemerkt.

Jetzt war Masra Karl tot. Masra Pieter konnte ihm das Geheimnis also nicht mehr verraten, dass Henry nicht sein Sohn war. Vielleicht würde er jetzt aufhören, sie zu quälen? Jetzt war sicherlich die Misi Herrin über Rozenburg, jetzt würde alles gut werden. Und vielleicht war es ja doch Danys Kind, welches sie unter ihrem Herzen trug. Nichts wünschte sie sich sehnlicher.