Kapitel 28

 

Ich verbrachte die Nacht im Krankenhaus, in dem Bett neben Chase. Camille und Morio gingen nach Hause und kümmerten sich dort um alles. Wir hatten eine Menge Haushaltskram zu ersetzen, und Iris hatte zwar schon angefangen, aber es war einfach zu viel Arbeit. Camille und Morio wollten außerdem die Banne verstärken und eine Möglichkeit finden, wie wir alle den Alarm mitbekommen konnten, wenn sie gebrochen wurden.

Ich hatte geglaubt, dass ich niemals würde schlafen können, obwohl ich so erschöpft war, aber Sharah brachte mir einen Becher Schlaf-in-der-Tasse aus der Anderwelt, und der Tee wirkte. Ich nickte sofort weg und schlief durch, bis mich ein unerwarteter Sonnenstrahl traf. Er fiel durchs Fenster herein und tauchte den Raum in warmes Licht. Ich räkelte mich und gähnte und konnte nicht anders, als ein wenig erleichtert zu sein. Wir starrten vielleicht ins offene Maul der Hölle, aber heute Morgen würden wir das zumindest im hellen Sonnenschein tun.

»Du bist wach.« Chases Stimme hallte durch meinen Kopf, und ich drehte mich um. Er saß aufrecht im Bett, die verletzte Hand auf einem Kissen hochgelagert.

Er sah zerschunden und erschöpft aus, aber sein Lächeln erhellte den Raum noch mehr.

»Ja, ich bin wach«, sagte ich, tapste hinüber und machte es mir am Fußende seines Bettes gemütlich. »Und wie fühlst du dich heute Morgen? Wo ist Zach denn hin?«

»Sie haben Zachary abgeholt, er wird am Rücken operiert. Den Tritt hat er für mich eingesteckt. Glaub ja nicht, das wüsste ich nicht. Wie ich ihm jemals dafür danken soll...« Chase zuckte mit den Schultern und lehnte sich in die Kissen zurück. »Und wie es mir geht... das ist eine schwer beladene Frage. Ich habe viel mitgemacht, Delilah. Mehr als einen abgehackten Finger.« Er starrte auf die dick verbundene Hand und schüttelte den Kopf. »Aber weißt du was? Jetzt verstehe ich es.«

»Was verstehst du?« Ich blinzelte verblüfft. Ich hatte erwartet, dass er sich schwach und zerbrechlich anhören würde, aber das Gegenteil war der Fall : Er klang stark und entschlossen.

»Ich verstehe, wofür ihr kämpft. Wofür wir kämpfen. Ich begreife allmählich das Wesen von Dämonen. Und ich verstehe, warum Menolly das tut, was sie tut, und warum die üblichen Regeln nicht mehr gelten. Ich glaube, dass ich meine Sache deshalb noch besser machen kann. Ich schätze... ich will damit sagen, dass ich mich eben in eurer Armee verpflichtet habe, statt nur über die Palisade zu gucken.« Er lächelte zögerlich. »Wenn ihr mich noch wollt.«

Ich senkte den Blick. Das war nicht der Chase, den ich in dieser Situation erwartet hätte. Und er gefiel mir ganz gut. »Wir brauchen dich, Chase. Was auch immer zwischen dir und mir passiert - wir brauchen dich.«

Er seufzte tief und schloss die Augen. »Ich habe dich verletzt. Ich kann gar nicht fassen, dass ich das getan habe... «

»Nicht. Menolly hat es mir erklärt. Dass du das Bedürfnis hattest, dich stark zu fühlen, und dass du dich neben mir nur als halber Mann fühlen kannst, weil das Blut meines Vaters mich stärker... « Ich verstummte. Er starrte mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. »Was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt?«

»Nein, aber du liegst völlig daneben. Ich an deiner Stelle würde in Beziehungsfragen nicht ausgerechnet auf Menolly hören.« Er schnaubte. »Die hässliche "Wahrheit ist, dass ich das getan habe, weil ich schon immer ein Schwein war. Ich bin nicht besonders gut in Beziehungen, Delilah«, fügte er hinzu, beugte sich vor und griff mit der gesunden Hand nach meiner. »Diese Sache mit der festen Bindung fällt mir schwer. Ich habe Frauen immer so benutzt, wie andere Männer Alkohol oder Drogen benutzen... sogar Erika, als wir noch verlobt waren. Ich habe unsere Verlobung nie ernst genommen, und ich habe ihr wehgetan. Als sie herkam, um ein bisschen rumzuschnüffeln, habe ich Mist gebaut. So einfach ist das. Keine tieferen Gründe. Keine Ausreden. Sie ist hübsch, es war immer sehr lustig mit ihr, ehe sie mit mir Schluss gemacht hat, und da habe ich beschlossen, es zu riskieren. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du dahinterkommst, und es sollte nie mehr daraus werden als eine kurze Affäre.«

Ich starrte ihn an und dachte bei mir, dass mir die Vorstellung, er mache meinetwegen eine Art Selbstwert-Krise durch, besser gefallen hatte. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Dass du mit ihr geschlafen hast, war es gar nicht, was mich so wütend gemacht hat.«

Sein Lächeln erlosch, und er sah aus wie ein Hund, der gleich mit dem Besenstiel verprügelt werden soll. »Nur zu.«

»Du hast mich belogen. Und du hast dafür gesorgt, dass ich mich mies gefühlt habe, weil ich Zachary wollte. Du hast einen Riesenwirbel wegen Zach gemacht, und dann gehst du hin und fickst irgendeine Frau, die ich noch nicht mal kenne. Wenn du mir gesagt hättest, dass du sie willst, hätten wir diese ganze blöde Situation vermeiden können! Aber ich finde mich nicht mit so einer Doppelmoral ab.« Ich wartete und fragte mich, wie die Würfel wohl fallen würden.

Chase seufzte. »Ja. Ich weiß. Aber ich habe das ernst gemeint, was ich vorhin gesagt habe. Was auch immer du willst, ich tue es. Ich verspreche dir alles, ich lege jeden Eid ab, den du willst. Wenn du immer noch mit Zach zusammen sein willst, werde ich mich damit abfinden. Seit du Erika und mich ertappt hast, ist mir klargeworden, wie sehr ich dich liebe und wie sehr ich mir wünsche, dich in meinem Leben zu haben. Vielleicht ist es wahr, dass jede Beziehung anders ist.

Wenn ich nicht mehr erwarte, dass unsere Beziehung so ist, wie sie meiner Meinung nach sein sollte - vielleicht können wir dann die Beziehung haben, die wirklich unsere Beziehung ist.«

Mein Detective war in den vergangenen paar Tagen sehr viel erwachsener geworden. Ich streckte die Hand aus und schnippte ihm mit Daumen und Zeigefinger gegen die Nase. »Alberner Kerl. Wann bist du denn endlich so weise geworden? Und damit wir es von Anfang an richtig machen, will ich auch ehrlich sein. Ich habe wieder mit Zach geschlafen. Ich war so wütend auf dich und so aufgeputscht nach einem Kampf... und ich wollte ihn. Aber, Chase, ich liebe dich. Ich mag Zach, ich finde ihn aufregend - wir sind uns vom Wesen her ähnlich. Aber ich liebe ihn nicht.«

Ich beobachtete Chases Gesicht und bemühte mich, seine Reaktion einzuschätzen. Er presste die Lippen zusammen, und ich sah ihm an, dass ich ihm ebenso gut einen Schlag in die Magengrube hätte versetzen können. Doch dann stieß er einen langen Seufzer aus und lächelte. »Klar. Okay. Das wird von Zeit zu Zeit passieren, und ich kann damit leben. Und wenn ich... wenn ich jemanden treffe…«

»Dann wirst du erst mit mir darüber reden. Nehmen wir uns einfach einen Tag nach dem nächsten vor. Wie klingt das?« Ich beugte mich vor und küsste ihn auf den Mund. Seine Zunge glitt forschend zwischen meinen Lippen hindurch, und dann lag seine gesunde Hand auf meiner Brust, und ich stöhnte - ich wollte ihn, wollte meinen Liebsten in mir spüren.

»Können wir das denn?«, fragte ich und warf einen Blick zur Tür.

Er nickte mit einem erwartungsvollen Glitzern in den Augen. »O ja, schau doch mal nach, wie ich kann.« Er hob die Bettdecke an, und ich sah, dass er erwartungsvoll steif und hart war. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, und er lachte. »Keine Bisswunden, bitte! Steigen Sie bitte ein, Madam, und halten Sie sich gut fest. Ich zeige Ihnen gern die Sehenswürdigkeiten.«

Ich grinste, zog mir das Höschen aus, schlüpfte zu ihm ins Bett, und er nahm meine rechte Brustwarze in den Mund und sog daran. Als sich die Wärme von meinem Scheitel bis in die Zehenspitzen ausbreitete, senkte ich mich auf ihn nieder, ließ mich auf diesen wunderbar harten Schwanz gleiten, denn mich hungerte danach, mich wieder mit ihm zu verbinden, ihn wieder in mir zu spüren. Wir fanden unseren Rhythmus. Meine Hüften wiegten sich auf ihm, und er streckte die gute Hand nach unten, liebkoste mich und schickte Empfindungen in kleinen Wellen durch meinen Körper. Ich keuchte und ließ mich so tief auf ihn sinken, dass er mich bis zum Schaft ausfüllte und mich so nass machte, dass ich glaubte, ich würde nie genug von ihm bekommen.

In unserer Hast hatte er wohl vergessen, den Rufschalter beiseitezuräumen, denn als ich kurz davor stand, zu kommen, ging die Tür auf, und Jessila, eine der Elfen-Krankenschwestern, eilte herein.

»Sie haben geklingelt, Mr. John.. oh!«

Ich warf einen Blick über die Schulter und sah sie dastehen - sie schüttelte den Kopf und grinste von einem Ohr zum anderen. Ich weiß, wir hätten sofort aufhören müssen, aber ich stand so kurz davor, und Chase fühlte sich so gut an, und als er meine Klitoris noch einmal berührte, stieß ich einen leisen Schrei aus und kam. Der Orgasmus rollte in schweren Wogen über mich hinweg, und mir wurde schwindelig, als Chase mir nachfolgte.

»Na dann, nur weiter«, sagte Jessila und schloss lachend die Tür hinter sich.

Chase brach in lautes Gelächter aus, wir lösten uns voneinander, und ich kroch zu ihm unter die Decke. »Oh, hast du ihr Gesicht gesehen?«

»Du bist ein böser, böser Mann«, sagte ich und kuschelte mich kichernd in seinen Arm. Ich hob die verletzte Hand an meine Lippen und küsste zärtlich den Verband. »Du bist ein böser Mann, und ich werde dich bestrafen müssen. Wie wäre es, wenn ich dir zur Strafe befehle, es noch mal zu machen?«

Aber er sagte nichts. Mein liebster Detective war eingeschlafen und begann laut zu schnarchen. Ich schüttelte den Kopf. Er brauchte Schlaf und Ruhe, und ich auch. Ich stieg aus dem Bett, damit er mehr Platz hatte, zog ihm die Bettdecke bis unters Kinn und verwandelte mich in das Tigerkätzchen. Ein rascher Sprung, und ich rollte mich auf dem Kissen neben seinem Kopf zusammen; der Schlaf lockte mich wie ein warmer, fauler Sommertag.

Für den Augenblick war die Welt vol kommen in Ordnung.