Kapitel 6

 

Eine Aufgabe? Durch die betörenden Düfte, die meine Sinne bestürmten, hallten die Worte in meinen Ohren wider. Und dann spürte ich, wie ich mich erneut zu verwandeln begann. Binnen Sekunden stand ich in einer Wolke aus Nebel und glitzerndem Rauch vor dem Herbstkönig. Die anderen konnte ich nicht sehen, aber ich wusste aus Erfahrung, dass sie da waren - dass er uns beide nur in eine etwas andere Dimension versetzt hatte.

Sobald ich mich von der plötzlichen Verwandlung zum Panther und wieder zurück erholt hatte, blickte ich zum Herbstkönig auf. Elementarfürsten waren offenbar immer so groß, dass sie sogar vor jemandem mit meiner Statur drohend aufragten.

Außer in meinen Träumen hatte ich den Herbstkönig erst ein einziges Mal gesehen, als ich Kyoka, einen tausend Jahre alten Werspinnen-Schamanen, bekämpft und besiegt hatte. Ich beugte das Knie. Immerhin war er mein neuer Herr, obwohl ich mir das nicht ausgesucht hatte. Die Tätowierung in Form einer schwarzen Sense auf meiner Stirn verband mich mit ihm und würde mich auf ewig an meine Pflicht erinnern. Ich schuldete ihm Respekt.

»Ich weiß nicht recht, wie ich Euch ansprechen soll«, sagte ich. i Er blickte auf mich herab, und ein seltsames Glitzern tanzte in seinen Augen. Wenn man so zu ihm aufblickte, sah er auf finstere Weise anziehend aus, und ich spürte, wie mir beinahe der Atem stockte. War dies der Grund dafür, dass seine Todesmaiden, die ihm nach dem Tod dienten, zugleich seine Ehefrauen wurden? Er besaß Charisma, aber es war mit einer so jenseitigen Fremdheit durchsetzt, dass ich nicht hätte sagen können, ob er nun nach gewöhnlichen Maßstäben gut aussah oder nicht.

»Niemand kennt meinen Namen, keinen Namen, wie ihr ihn habt, doch ich werde dir einen geben, mit dem du mich ansprechen darfst. Er ist nur für deine Lippen und meine Ohren bestimmt.« Er beugte sich über mich, und seine Lippen streiften mein Ohr. Ein ängstlicher Schauer, der beinahe an Erregung grenzte, rieselte durch meinen ganzen Körper. »Du darfst mich Hi'ran nennen«, sagte er und strich mir dann mit den Fingern über die Lippen.

Ich konnte kaum atmen, denn seine kalte Berührung jagte Funken durch meinen Körper.

»Hi'ran«, wiederholte ich, wie gebannt von den Empfindungen, die er in mir auslöste. Ich öffnete den Mund, gerade so weit, dass sein Zeigefinger an der Innenseite meiner Lippe entlang streichen konnte.

»Schweig stil und hör mir zu. Du wirst meinen Namen niemals einer anderen lebenden Seele nennen, noch einer jener Seelen, die tot sind oder über das Grab hinaus wandeln.

Er verbindet dich mit mir, und es gibt ihn nur zwischen uns beiden.«

Während er sprach, drang ein sanfter Nebellaus seinen Fingerspitzen und über meine Lippen. Ich spürte, wie er in meinem Mund herumwirbelte, und er schmeckte nach Zigarrenrauch, Cognac und knackenden Kaminfeuern. Ich sog den Rauch tief in meine Lunge ein, und die Energie strömte durch meinen Körper und schärfte all meine Sinne. Am liebsten hätte ich mich in seine Arme gestürzt, ich wollte seine Lippen auf meinen spüren. Er war so fremdartig und doch so verführerisch. Dann stieg der Nebel durch meine Kehle auf und legte sich auf meine Zunge, und ich wusste, dass ich seinen Namen niemals irgendjemandem würde nennen können - ich konnte ihn weder aussprechen noch aufschreiben oder als Gedanken übertragen. Er war unser Geheimnis und würde für den Rest meines Lebens in mir verborgen bleiben.

Dann trat er zurück. Ich wusste nicht, ob das gleiche Begehren auch in ihm aufflackerte, doch er ließ den Blick langsam über meinen Körper gleiten und sah mir dann wieder ins Gesicht. »Ich habe einen Auftrag für dich. Du sollst in dein Heimatland zurückkehren -

in die Wälder von Finstrinwyrd - und dort nach dem Pantherzahn suchen.«

Pantherzahn? Wälder von Finstrinwyrd? Ich runzelte die Stirn. Das klang nicht nach einem lustigen Ausflug. Finstrinwyrd war ein wilder Wald drüben in der Anderwelt, wo sich weniger nette Geschöpfe niederließen. Er stand nicht gerade auf meiner Liste von Lieblings-Reisezielen.

»Was ist der Pantherzahn?«

Hi'ran lächelte mich an. »Pantheris pbir. Ein Kraut, das in den Wäldern dort vorkommt.

Du wirst es mit nach Hause nehmen und in deinen Garten pflanzen. Hege und pflege es, und einmal im Monat, unter dem Neumond, bereite eine Tasse Tee davon zu und trinke ihn. Das wird dir helfen, die Verwandlung in deine Panthergestalt zu beherrschen, wenn sich das Kraut in deinem Körper anreichert.« Er trat zurück. »Tue dies vor dem nächsten Neumond. Und vergiss nicht, Delilah: Du bist an mich gebunden. Du bist die erste meiner lebenden Abgesandten.«

Damit verschwand er, und ich stand plötzlich wieder zwischen den anderen. Sie waren in einen Kampf mit den Toxidämonen verwickelt, und plötzlich schrie Camille, die an der Tür zurückgeblieben war: »Sie ist wieder da!«

Ich wollte gerade etwas sagen, als ich ein lautes Summen rechts von mir hörte. Ich fuhr herum und sah mich einem ausgewachsenen Toxidämon gegenüber. Er schwebte dicht vor meinem Gesicht, und ich bemerkte, wie sich sein Bauch krümmte, als er den Stachel bereitmachte und auf meine Brust zielte.

Heilige Scheiße - den Schatten mochte Hi'ran eliminiert haben, aber offenbar traute er uns zu, mit den Toxidämonen allein fertig zu werden. Auf in den Kampf.

Ich riss meinen Dolch hoch und ließ ihn mit einem lauten Schrei herabsausen, direkt in das sich rasch nähernde Hinterteil des Dämons. Das verflixte Biest war zäh. Ich konnte seinen Panzer nicht durchdringen, doch der Hieb schleuderte die Riesenschmeißfliege zu Boden. Sie stieß ein schrilles Kreischen aus, und ich spießte sie auf wie ein Kind, das Schmetterlinge auf eine Schautafel heftet. Ein Mistvieh weniger, aber ein rascher Blick durch den Raum zeigte mir, dass noch reichlich davon übrig waren. Ich wirbelte gerade rechtzeitig herum, um es mit dem nächsten aufzunehmen.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die anderen ebenfalls eine Spur aus Schleim und Fliegengedärmen quer durch die Dämonennester zogen.

Smoky zertrampelte gerade ein Nest vol er Larven und schlitzte die wimmelnden Maden mit den Klauen auf. Wenn er sie traf, heulten sie so schrill und laut, dass ich mich fragte, ob man sie oben auf der Straße hören konnte.

Der zweite Toxidämon schoss vor mir hin und her und versuchte, mich zu übertölpeln.

Genervt ließ ich den Dolch von einer Hand in die andere wandern.

»Komm schon, du Mistvieh! Hol mich doch!«

Anscheinend waren Toxidämonen leicht reizbar, denn dieser änderte sofort seine Taktik und schoss schnurstracks auf meine Seite zu. Mein Instinkt übernahm die Kontrolle, und statt mit dem Dolch nach ihm zu stechen, fuhr mein rechter Fuß hoch in die Luft und traf die Riesenfliege ins Gesicht. Sie prallte ab, doch ich sah ihr an, dass sie nicht verletzt war - nur benommen. Ich stieß mit dem Dolch zu und traf sie von unten in den Bauch.

Sie fiel wie eine Mücke in einer Wolke Insektenspray.

»Delilah, hilf mir mal!«

Ich blickte über die Schulter und sah Morio gegen zwei ausgewachsene Toxidämonen kämpfen, die an ihm vorbei zu Camille wollten. Sie versuchte, Energie zu sich herabzuziehen; inzwischen erkannte ich den besonderen Ausdruck auf ihrem Gesicht, wenn sie die Mondmutter anrief. Doch es sah aus, als hindere ihr Schmerz sie daran, sich richtig zu konzentrieren.

»Komme schon«, schrie ich über den Kampfeslärm und das Gekreische hinweg, das durch den Raum hallte, während die übernatürlichen Schmeißfliegen und ihre Larven eine nach der anderen dran glauben mussten. Ich nahm mir den Toxidämon vor, der Morio von links angriff, und er konzentrierte sich auf den rechten. Gleich darauf hatten wir sie niedergemacht.

»Wie viele können es denn noch sein?«, fragte Camille und gab das Zaubern auf. Sie sah elend aus, und ich wünschte, sie würde sich einfach nach draußen verziehen und irgendwo warten, wo es sicher war.

Ich wies auf das Gewimmel im Raum. »Immer noch zu viele.«

Vanzir bekriegte sich mit einem ganzen Nest voll halbwüchsiger Riesenfliegen. Sie fielen rechts und links von ihm zu Boden, während er mit blitzenden Augen durch ihr Nest watete und mit gleich zwei hässlich gezackten Dolchen um sich hieb, die er aus seinen Stiefeln gezogen hatte. Die kleinsten Toxidämonen zertrat er und zermatschte sie unter seinen Absätzen.

Roz kämpfte gegen ein Trio ausgewachsener Fliegen, die ein Nest mit Larven beschützten. Er schaffte es zwar, sie beschäftigt zu halten, aber es war offensichtlich, dass wir im Allgemeinen nicht gut dastanden.

Ich rannte zu Smoky hinüber. Er hatte gerade die letzten Larven in dem Nest erledigt, das er sich vorgenommen hatte. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen. Es sind immer noch zu viele... «

Er ließ rasch den Blick durch den Raum schweifen und nickte. »Schaff alle hier raus. Ich kümmere mich darum. Aber ihr müsst sofort nach oben gehen und das Haus verlassen.

Hast du mich verstanden?« Als ich nickte und zu Roz weiterlaufen wollte, packte er mich am Handgelenk. »Und du sorgst besser dafür, dass deiner Schwester nichts geschieht.

Hörst du?«

Ich starrte in seine Gletscheraugen empor und erstarrte. Camille war praktisch gekauft und bezahlt. Ich sah es in seinem Gesicht. Smoky betrachtete sie als sein Eigentum. Ich zweifelte nicht daran, dass er meine Schwester liebte, aber ebenso wenig daran, dass jeder, der Smoky nicht passte, eines grausigen Todes sterben würde, falls er Camille etwas antun sollte.

»Lass mich los, Smoky. Du weißt genau, dass ich sie beschützen werde, du Idiot.« Ich schluckte den Kloß hinunter, der sich in meiner Kehle bildete. Ich durfte keine Angst vor ihm zeigen. Camille würde nicht vor ihm kuschen, und Menolly ebenso wenig. Also durfte ich mich auch nicht von ihm einschüchtern lassen.

Er ließ los. »Natürlich weiß ich das. Los jetzt. Ich mache dieser Sauerei hier ein Ende.«

Ich rannte zu Roz hinüber und packte ihn am Arm. »Komm mit.« Er stellte keine Fragen, sondern wandte sich ab und folgte mir, wobei er sich ducken und den Toxidämonen ausweichen musste, die jetzt auf uns zuschwärmten. Vanzir sah mich vorbeirennen, warf einen raschen Blick zu Smoky hinüber und lief uns nach. Morio führte bereits Camille den Flur entlang zur Treppe. Als wir an dem Raum mit dem Portal vorbeikamen, warf ich einen Blick hinein und sah ein glühendes Augenpaar aus dem wirbelnden Trichter spähen, doch wir konnten jetzt nicht stehen bleiben. Was auch immer Smoky vorhaben mochte, es musste etwas Grandioses sein, dachte ich. Grandios und vermutlich explosiv, wenn man bedachte, wer er war. Oder vielmehr was.

Ich sollte nicht enttäuscht werden. Wir hatten eben die Vordertreppe erreicht, als der Boden unter unseren Füßen sich wellenartig aufbäumte. Das Haus wackelte wie bei einem Erdbeben. Das hätte sogar gut sein können - die ganze Gegend hier war geologisch instabil, und es gab reichlich Vulkane, die das bezeugten. Aber ich wusste, dass dies kein echtes Erdbeben war. Eher ein Drachenbeben.

»Raus hier!«, brüllte Morio über den Lärm wie von einem donnernden Güterzug hinweg, der unseren umwerfend gutaussehenden Drachenfreund ankündigte.

Morio riss Camille hoch und trug sie auf den Armen weiter - sie taumelte, schwindelig vor Schmerz und dem Beben ausgeliefert. Ich fragte mich, wie weit Smoky wohl gehen würde. Es fühlte sich an, als wollte er das Haus dem Erdboden gleichmachen.

Roz und Vanzir bildeten die Nachhut und vergewisserten sich mit einem raschen Blick, dass wir es alle in den Vorgarten geschafft hatten.

Roz schob Vanzir auf uns zu und rannte zur Haustür zurück. »Ich gehe wieder rein und helfe ihm.«

»Bist du verrückt? Du wirst da drin höchstens zerquetscht.« Ich schüttelte den Kopf und deutete neben mir auf den Boden. »Raus da und hierher zu uns, Roz!«

»Mach dir keine Sorgen um mich. Kümmere dich um deine Schwester.« Er verschwand im Haus. Ich wollte ihm schon folgen, als Camille mich am Arm packte. Für jemanden, der eben noch beinahe in Ohnmacht gefallen war, hatte sie verdammt viel Kraft.

»Lass sie. Sie können beide leicht entkommen.« Sie stöhnte und hielt ihre verletzte Hand am Handgelenk. Ich setzte mich neben sie. Der Boden bebte immer noch, aber hier draußen waren die Wellen schwächer. Was auch immer Smoky da drin tat, wurde von der Erde unter uns gedämpft.

Ich wickelte Roz' provisorischen Verband ab. Die Wunde schwärte bereits, trotz der Salbe, die er aufgetragen hatte. »Deine Hand ist entzündet. Wir müssen dich nach Hause schaffen. Eigentlich würde ich dich am liebsten gleich zur AETT-Klinik bringen. Die Elfen können so etwas vermutlich schneller heilen als Iris.«

Ich sah mir die Wunde näher an. Ja, sie ging bis auf den Knochen und sah wirklich hässlich aus. Den Göttern sei Dank, dass sie die nicht von den Toxidämonen hatte, denn sonst würde sich da drin längst ein Haufen Eier breitmachen.

»Ich glaube, du hast recht«, sagte sie und verzog das Gesicht, als ich den Verband wieder anlegte.

»Was hast du damit gemeint, dass sie beide leicht entkommen können? Was weißt du über sie, was ich nicht weiß?« Ich sah sie eindringlich an. Sie errötete. O ja, sie verschwieg mir etwas. »Nun sag schon, oder ich erzähle Smoky, dass du Roz geküsst hast.« Das war ein Scherz, aber sie erbleichte.

»O Große Mutter, tu das nicht! Smoky würde ihn umbringen! Und dann würde er... ach... nicht so wichtig.«

Sie ruderte so schnell zurück, dass ich wusste, da war noch etwas, aber sie sah nicht ängstlich aus. Eher verlegen? Camille war so leicht nichts peinlich, was bedeutete, dass Smoky eine Möglichkeit gefunden hatte, sie irgendwie dranzukriegen -keine einfache Angelegenheit.

Schließlich seufzte sie. »Verrate bloß niemandem ein Wort. Jemand könnte dieses Wissen gegen sie einsetzen, und eines Tages brauchen wir diese Taktik vielleicht als Geheimwaffe. Smoky reist über das Ionysische Meer. Auf diese Weise kommt er so schnell von einem Ort zum anderen. Roz weiß offenbar, wie Smoky das macht, und er macht es genauso. Er hat Smoky vorgeschlagen, uns auf diese Weise durch die eiserne Tür da unten zu bringen.«

»Über das Ionysische Meer? Darum ging es also vorhin? Darauf wäre ich nie gekommen.

Irgendwie beängstigend...

Moment mal! O Große Mutter, hat Smoky dich etwa in die Ionysische Strömung mitgenommen?« Die Vorstellung, durch die Astralwelten zu reisen, machte mir entsetzliche Angst. Diese Energie war so unberechenbar, dass man ebenso gut über ein Minenfeld laufen könnte.

Das Ionysische Meer lag nicht direkt auf der Astralebene, sondern es hielt die astrale, ätherische und diverse andere Ebenen der Existenz zusammen und schuf gleichzeitig eine Pufferzone, damit diese sich nie berührten. Falls die verschiedenen Energiefelder zusammenstießen, konnte das eine gewaltige Explosion mit der Zerstörungskraft eines Schwarzen Lochs auslösen, oder - wenn genug Energie aufeinanderprallte - ein ganzes Schwarzes Universum. Man konnte sich das so vorstellen, wie wenn Materie mit Antimaterie in Kontakt kam... nicht so doll, wenn man Captain Kirk und den Partikelmagiern Glauben schenkte, mit deren Lehren wir aufgewachsen waren.

Das Ionysische Meer war rauh, und nur wenige Geschöpfe konnten es überqueren.

Manche, vor allem jene, die Macht über Eis und Schnee hatten, konnten Barrieren um sich errichten und hindurchschwimmen, wobei sie aus der Zeit hinaustraten.

Sie nickte. »So schlimm ist es nicht. Nur ausgesprochen merkwürdig. Aber er war sehr vorsichtig. Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen.«

»Und Roz kann auch über das Ionysische Meer reisen? Das erklärt auf seltsame Art so einiges.« Ich runzelte die Stirn und überlegte, was unsere Jungs wohl noch so alles im Ärmel haben mochten.

»Ja, allerdings habe ich keine Ahnung, wie er das bewerkstelligt«, entgegnete sie und lehnte sich an meine Schulter. Ich schlang einen Arm um sie und drückte sie an mich. »Er ist ein Dämon - ein Incubus. Ich weiß nicht genug über das Ionysische Meer, um mir erklären zu können, woher er die Kraft nimmt. .«

Ein plötzliches, gewaltiges Donnern schnitt ihr das Wort ab, und das Haus implodierte förmlich. Vor unseren Augen stürzten Wände und Dach ein und rumpelten in einen Abgrund, der sich plötzlich im Boden auftat. Ich sprang auf und zog Camille mit mir.

Gemeinsam mit Vanzir und Morio rannten wir über die Straße zu unseren Autos und starrten auf das klaffende Loch in der Erde, über dem eine Staubwolke lag. Gleich darauf schoss eine Stichflamme in den Himmel. Die Gasleitung musste geplatzt sein oder zumindest ein Leck bekommen haben.

»Smoky!«, schrie Camille, doch ich hielt sie zurück, als sie auf das Feuer zurennen wollte.

»Ich bin hier. Nur keine Sorge«, sagte Smoky und trat hinter dem Auto hervor. Gerade eben war er noch nicht dagewesen, und Roz ebenso wenig, doch nun erschien der Incubus neben dem Drachen. Smoky breitete die Arme aus, und ich schob Camille sacht auf ihn zu. Er hüllte sie in seinen Mantel ein - so makellos sauber wie immer - und küsste sie zärtlich auf den Kopf. »Du hast dir Sorgen um mich gemacht?«, flüsterte er.

Sie nickte und schluchzte etwas, das ich nicht verstand. Als ich mich abwandte, um die brennenden Reste des Hauses zu betrachten, trat Roz neben mich.

»Ich wünschte, jemand würde sich so um mich sorgen«, sagte er mit einem Grinsen im Gesicht.

»Erzähl das, wem du willst, du Lügner. Du weißt selbst, dass du nicht für eine feste Freundin geschaffen bist.« Trotzdem erwiderte ich sein Lächeln. »Was ist mit dem Portal?«

»Wir haben es vorübergehend versiegelt. Einfach mit der Gasleitung darauf gezielt und gezündet. Die Schattenwelt ist kalt - eiskalt. Der Feuerstoß aus der Gasleitung hat es... na ja... sozusagen zugeschmolzen. Das wird nicht lange halten, aber vorerst ist es verschlossen.« Er warf einen Blick zu Smoky hinüber. »Der große Idiot da ist gar nicht so übel, wenn man ihn erst näher kennenlernt«, setzte er hinzu.

Ich gab ihm einen Klaps auf die Nase. »Ja. Solange du nicht versuchst, seine Frau anzubaggern, wird er dir auch nichts tun.« Ich warf einen letzten Blick auf die Szene - das unvermeidliche Sirenengeheul wurde immer lauter - und wies auf die Autos. »Na los, sehen wir zu, dass wir wegkommen. Wir fahren zum AETT-Hauptquartier. Die sollen sich Camilles Hand ansehen. Alle kommen mit, bitte keine Alleingänge.«

Während wir abfuhren, fiel mir auf, dass wir immer noch nicht wussten, wer den Toxidämonen das Tor geöffnet hatte, aber dank der kleinen Auseinandersetzung mit ihnen hatte ich jetzt noch eine neue Aufgabe, die aufzuschieben ich nicht wagte: Ich musste in die Anderwelt reisen und eine Pflanze namens Pantheris phir finden. Hurra, hurra. Ich war nicht gerade die geborene Gärtnerin, aber vielleicht konnte Iris mir helfen, das Pflänzchen am Leben zu erhalten.

Ich warf einen Blick in den Rückspiegel und vergewisserte mich, dass Morio, der jetzt den zweiten Wagen fuhr, noch hinter mir war. Ein Aufblitzen wie von Quecksilber - und ich starrte den Herbstkönig an. Dann zeigte der Spiegel wieder nur die Straße und Camilles Lexus.

Hi'ran mochte noch kein sonderlich fordernder Herr sein, aber mein Herr und Meister war er jetzt, ob mir das gefiel oder nicht. Ich sollte mich verdammt noch mal endlich daran gewöhnen. Avatare des Todes ließen ein Nein normalerweise nicht gelten. Aber Hi'ran... Die Erinnerung an seine Finger auf meinen Lippen ließ mich nicht mehr los, und ich schmeckte noch immer den Nebel, der mir die Zunge gelähmt hatte. Wieder schlich die Vorstellung, mich in seine Umarmung zu schmiegen, durch meinen Hinterkopf, doch ich schob sie beiseite. Hatte ich denn nicht schon genug Arger, ohne dass ich auch noch mit dem Tod anbändelte?