Kapitel 23

 

Nun brach natürlich die Hölle los. Das war wie etwas aus Jerry Springer, und ich konnte unmöglich den Mund halten.

»Verheiratet? Du? Du machst wohl Witze«, sagte ich und starrte ihn an, als sei ihm gerade ein zweiter Kopf gewachsen. »Diese Geschichte muss ich unbedingt hören... «

»Delilah, halt die Klappe«, sagte Menolly leise. So leise, dass ich herumfuhr. Ihr Gesichtsausdruck war alles andere als belustigt.

Ich biss mir auf die Zunge und sagte: »Ja, okay. Also, dann erklär uns das mal. Ist sie total bescheuert, dass sie sich mit Karvanak herumtreibt?« Die Vorstellung einer Succubus-Domina machte mir richtig Angst. Groß und schlank, vermutete ich, hauptsächlich in Leder gehüllt.

Rozurials Lächeln erlosch. »Weder noch«, sagte er leise. »Fraale und ich... als wir noch ..

sagen wir einfach, wenn sie für Karvanak arbeitet, ist es wahrscheinlich, dass sie an ihn verkauft wurde, genau wie Vanzir - dass sie in dieser Sache keine Wahl hat. Fraale kann verteufelt gut mit der Peitsche umgehen, aber sie würde niemals ernsthaft gewalttätig werden, es sei denn, jemand hätte ihr etwas angetan. Ich glaube, sie steckt in Schwierigkeiten.«

Menolly schob ihren Stuhl zurück. »Hört sich ganz so an, als hätten wir zwei Leute zu retten«, bemerkte sie. Roz lächelte sie dankbar an, und ich fragte mich, was zum Teufel da lief. Roz war offensichtlich sehr besorgt, und Menolly schien mehr zu wissen als wir.

Ich seufzte tief. »Menolly, warst du schon mal im Fangzabula?«

Sie nickte. »Nur einmal, mit Wade. Nicht der sauberste Club in der Stadt und ausgesprochen zwielichtig. Die treiben da auch illegales Glücksspiel, aber jedes Mal, wenn die Polizei zu einer Razzia anrückt, scheint sich der ganze Club auf magischem Wege geleert zu haben, sie können nie etwas finden. Die Polizisten haben sowieso eine Scheißangst, einem Haufen übellauniger Vampire die Bude zu stürmen.«

»Das glaube ich gern«, sagte ich und fragte mich, ob Chase bei einer dieser Razzien dabei gewesen war. Wenn ja, dann hatte er das jedenfalls nie erwähnt.

»Nicht nur das - ich würde ein Monatseinkommen darauf verwetten, dass die unter der Hand einen Bluthuren-Service am Laufen haben.« Sie verzog angewidert das Gesicht.

»Bluthuren?« Zach blickte verständnislos drein.

Menolly nickte ihm zu. »Ja. Möchtegern-Vamps oder Jugendliche, die Vampire cool finden, hängen da herum. Sie lassen sich Blut abzapfen, im Austausch gegen den sexuellen Kick, den ein Vampir ihnen geben kann. Sie werden süchtig nach diesem Kick und gehen irgendwann elendig ein, wenn ihre ›Besitzer‹ sie nicht gut behandeln.

Manche Vampire kümmern sich sehr gut um ihre kleinen Lieblinge, aber nicht alle. Die ganze Sache ist illegal, und aus gutem Grund. Aber es ist wie bei der Prostitution: Es gibt einfach keine Möglichkeit, das zu verhindern. Ich finde, die Regierung sollte die Praxis an sich legalisieren und die Clubs dann mit einer heftigen Steuer belegen. Dann könnten sie das Geschäft zumindest regulieren und großteils verhindern, dass Bluthuren leergetrunken oder misshandelt werden.«

»Klingt ja reizend«, sagte Camille und schenkte sich Tee nach. »Habt Wade und du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, so etwas wie einen Entzug für die Süchtigen aufzubauen?«

»Nein«, sagte Menolly leise. Sie kniff die Augen zusammen. »Wir haben in letzter Zeit über andere Themen diskutiert. Aber das ist eine gute Idee. Ich werde mit Wade darüber sprechen, sobald ich ihn sehe. Also, zurück zum Fangzabula. Ich habe ein mieses Gefühl bei diesem Club, und es würde mich nicht überraschen, wenn Terrance, der Besitzer, sich mit dem einen oder anderen Dämon einließe.«

»Gut.« Ich stand auf und räkelte mich. »Dann hast du ja sicher nichts dagegen, für uns den Spion zu spielen. Jemand muss da reingehen und mit Fraale reden, um herauszufinden, ob sie Karvanaks Spiel bereitwillig mitmacht oder gegen ihren Willen dazu gezwungen wird.«

Ein leicht angeekelter Ausdruck huschte über Menollys Gesicht. »Zum Teufel.«

Sie seufzte tief, ein bewusst eingesetzter Effekt, da meine Schwester nicht mehr zu atmen brauchte.

»Na schön«, sagte sie gleich darauf. »Aber wenn ich da rein muss, kommst du mit. Du kannst für den Abend mein Anhängsel sein. Du bist es doch gewohnt, ein Halsband zu tragen, nicht wahr, Kätzchen?« Sie grinste mich dreist an, und ich stöhnte.

»Ich komme auch mit«, sagte Zach, doch ich hob die Hand.

»Nein. Das ist zu gefährlich, sogar für dich. Roz, möchtest du mitkommen?« Ich versuchte, meine Stimme sanft klingen zu lassen, aber die Frage traf ihn trotzdem, seinem kummervollen Gesichtsausdruck nach zu schließen.

»Darüber muss ich kurz nachdenken«, sagte er und ging abrupt ins Wohnzimmer hinüber. Morio, Zach und Smoky folgten ihm. Camille trat zu Iris ans Spülbecken und reichte ihr die Teebeutel. Iris setzte einen weiteren Kessellauf. Menolly schlenderte ans Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus.

Vanzir warf mir einen Seitenblick zu. »Du bist ganz ähnlich wie ich.«

Da mir nicht nach einem vertraulichen Gespräch zumute war, blickte ich nur kurz zu ihm auf. »Wie meinst du das?«

»Wie gesagt, du und ich sind uns in gewisser Hinsicht recht ähnlich. Du gibst dir Mühe, schaffst es aber trotz deiner guten Absicht nie, so ganz das Richtige zu sagen.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich passe nicht in meine Welt, weißt du? Ich bin gut in dem, was ich tue, aber es macht mir keine Freude.«

Das war nicht das, was ich erwartet hatte. »Ach, hör schon auf. Du willst mir erzählen, dass es dir nicht gefällt, den Leuten ihre Lebenskraft durch ihre Träume auszusaugen? Ist es nicht das, was du am besten kannst? Ich dachte, Dämonen stehen darauf, Leuten weh zu tun.«

Ich konnte nicht anders, als höhnisch zu reagieren, obwohl ich höflich zu ihm sein wollte.

Aber nach allem, was in letzter Zeit passiert war, und da die Dämonen nun auch noch Chase gefangen hielten, war ich nicht eben großmütig gestimmt.

Er runzelte die Stirn. »Jetzt bist du absichtlich beleidigend. Aber ich verstehe das.

Wirklich. Manche Dämonen sind so. Karvanak tut nichts lieber, als seinen Untergebenen den Willen zu brechen, ob sie nun gefangen genommen, gekauft oder angeheuert wurden. Räksasas werden schon so gemein geboren, und sie sind sehr arrogant.«

»Ja. Den Eindruck hatte ich auch«, sagte ich und spielte mit einem Keks. Vanzir war selbst eines von Karvanaks Opfern gewesen. Es fiel mir zwar schwer, Mitleid für ihn zu empfinden, aber ich zwang mich, ihm offen ins Gesicht zu sehen.

Er erwiderte meinen Blick. Vanzir war drahtig und mager. Seine Augen, die wie Prismen schillerten, verrieten seine Herkunft. Ich hatte erwartet, dass sie blutrot sein würden, wie bei Menolly, wenn sie sich über irgendetwas aufregte. Aber das waren sie nicht. Sie leuchteten wie ein Regenbogen. Vor seinem platinblonden, zottelig gestylten Haar kamen diese Augen besonders zur Geltung, und er hatte sie mit dunklem Kajal zusätzlich betont.

Immer noch schweigend, ließ ich den Blick zu seinen Lippen gleiten. Sie waren dünn, wie bei vielen Männern, und farblos wie die Nacht. Obwohl seine Wangen beinahe hohl waren, saßen zwei Grübchen darin. Plötzlich räusperte er sich, und ein leicht spöttisches Lächeln breitete sich über sein Gesicht.

»Bist du fertig, oder suchst du immer noch nach Anzeichen des Wolfsmenschen?«, fragte er. Dann deutete er auf seinen Kopf und sagte: »Kein Fell im Gesicht. Keine Hörner weit und breit. Außerdem hat nichts an mir scharfe Spitzen oder Widerhaken. Weder meine Finger, noch meine Zehen oder mein Schwanz.«

Als ich errötete, schürzte er die Lippen und warf mir eine Kusshand zu. »Ach, armes kleines Samtpfötchen. Habe ich dich in Verlegenheit gebracht? Wie fühlt sich das an, wenn sich andere auf deine Kosten amüsieren? Das musste ich bei Karvanak jeden Tag durchmachen. Und er hat mich gezwungen zu trinken. Ich hatte es geschafft, fünfunddreißig Jahre lang durchzuhalten, ohne irgendjemandes Träume auszusaugen, und dann hat der verfluchte Scheißkerl mich dazu gezwungen.«

Vanzir beugte sich plötzlich über den Tisch. Ich fuhr zusammen, doch er schob nur die Hand neben meine. Er berührte mich nicht, sondern klopfte mit den Fingern auf den Tisch. »Ich bin wie ein Alkoholiker, verstehst du? Wenn ich diese Energie einmal gekostet habe, will ich mehr davon. Aber es gefällt mir nicht, zu was ich dadurch werde.

Der Räksasa wusste, dass ich mir geschworen hatte, nicht mehr zu trinken, und er hat damit gedroht, seine - meine - Opfer zu töten, wenn ich nicht von ihren Seelen trinke.

Also habe ich es getan, um sie zu retten. Ich habe ihre Seelen angezapft und mich von ihren Hoffnungen, ihrer Liebe und ihrer Lebenskraft genährt. Aber zumindest waren sie noch am Leben, wenn ich ihre Träume wieder verließ. Also, Miss Delilah, hast du vielleicht recht damit, mir nicht zu trauen. Damit kann ich leben. Aber verkneif dir deine spitzen Bemerkungen, bis du eine Weile in meiner Welt verbracht hast. Du bist nicht so lustig, wie du glaubst.«

Mir wurde schlecht, denn Bilder aus meiner Kindheit stiegen in mir auf und überwältigten mich.

... Kinder hüpfen im Kreis um meine Schwestern und mich herum und singen:

»Windwandler, Windwandler, haben kein Zuhaus ... Niemand will euch haben, alle sperr'n euch aus!« Den ganzen Heimweg lang geht das so, bis Mutter sie hört, aus dem Haus kommt und sie wegscheucht. Wir passen auf, dass sie uns nicht weinen sieht; wir wollen nicht, dass sie traurig wird, weil es ihr Blut ist, weswegen sie uns verspotten ..

... einer meiner Onkel zeigt auf uns, als wir bei seiner Mittsommerfeier sein prächtiges Haus betreten. Er flüstert seiner Mätresse zu: »Das sind die drei, von denen ich dir erzählt habe. Die dreckigen kleinen Mischlinge meines Bruders ...« Camille und ich zwingen Menolly, den Mund zu halten, damit Vater nichts davon erfährt. .

... der Nachbarsjunge rennt mit seinem Hund hinter mir her und jagt mir eine solche Angst ein, dass ich mich verwandle. Sie hetzen mich auf einen Baum, und ich kann stundenlang nicht mehr herunterkommen. Schließlich merkt Camille, was er da tut, vermöbelt ihn fürchterlich und klettert auf den Baum, um mich herunterzulocken. Wir erzählen niemandem davon ..

Und nun hatte ich Vanzir genau dasselbe angetan, nur aufgrund dessen, was er war.

Schließlich war er nicht mehr unser Feind. Das Ritual war unser Sicherheitsnetz. Wir.

hätten ihn jederzeit nach Belieben töten können, und er könnte nicht einmal die Hand erheben, um sich gegen uns zu verteidigen. Und das hatte ich ausgenutzt.

Ich warf einen Blick zum Spülbecken hinüber, wo Camille stand, die uns geflissentlich überhörte und noch mehr Kekse auf einem Teller arrangierte, während Iris nach dem Tee schaute. Menolly war zur Decke hinaufgeschwebt und hing mit geschlossenen Augen mitten in der Luft. Ich wusste, dass sie unsere Unterhaltung hören konnte, doch sie hatte sich offenbar dafür entschieden, sich nicht einzumischen. Stimmen aus dem Wohnzimmer sagten mir, dass die Jungs eben zurückkehrten.

Hastig beugte ich mich über den Tisch und flüsterte Vanzir ins Ohr: »Es tut mir leid.

Ehrlich. Ich habe mich saudumm benommen und entschuldige mich dafür.« Ich schluckte meinen Stolz hinunter. »Ich habe früher dasselbe erlebt. Wir alle drei.

Manchmal ist es allzu leicht, zu dem zu werden, was man verabscheut.«

Den Blick immer noch starr auf mein Gesicht gerichtet, nickte Vanzir. »Ja, ich weiß. Es ist allzu leicht, in die Schublade zu gleiten, in die man gerade nicht hineinpassen will .

Kenn ich, will ich nicht unbedingt noch mal hin.« Er räkelte sich. Sein Death-Zombies-T-Shirt war zerrissen, an manchen Stellen von Sicherheitsnadeln zusammengehalten, und seine schwarze Lederhose war staubig, aber nicht schmutzig. Er hatte den Rocker-Look wirklich perfekt drauf, dachte ich.

In diesem Moment betraten Smoky und Morio die Küche, gefolgt von Zach und Roz.

Roz wandte sich mit steinerner Miene Menolly zu. Was auch immer die Jungs da drüben besprochen hatten, uns würden sie wohl nichts davon erzählen.

»Ich begleite euch. Und ich möchte, dass Zach auch mitkommt. Du hältst ihn vielleicht für zu naiv, aber glaub mir, er wird ein wertvoller Verbündeter sein. Und meine Ex-Frau mag Werwesen«, fügte Roz leise und mit Blick auf mich hinzu. »Täuscht euch nicht - sie beschränkt sich nicht auf ein Geschlecht.«

»Dann sollten wir jetzt gehen«, sagte Menolly. »Selbst wenn Fraale nicht mehr da ist, hat sie sicher irgendjemand gesehen. Kätzchen, du musst dich umziehen.«

Ich fragte mich, in was für ein Outfit sie mich nur stopfen würde, und stand langsam auf. »Ich komme schon. Camille und Morio, könntet ihr versuchen, Chase mit eurer Magie aufzuspüren? Ich habe ein paar Sachen von ihm in meinem Zimmer, falls ihr so etwas braucht.«

Camille nickte. »Wir machen uns sofort an die Arbeit. Smoky will raus auf sein Land und feststellen, ob die Drohende Dreifaltigkeit irgendetwas gehört hat.« Wir benutzten diesen Spitznamen für Titania, Morgana und Aeval seit einer Weile, aber nur unter uns. Die Männer sahen sie entgeistert an.

»Die Drohende Dreifaltigkeit? Wissen sie denn, dass ihr sie so nennt?«, fragte Roz und grinste wie eine Banshee.

»Natürlich nicht, du Idiot«, entgegnete Camille.

»Wie ist das bei dir?«, wandte Roz sich an Smoky. »Redest du sie so an?«

Smoky räusperte sich grollend. »Verrückte Hühner sind das, aber ich bleibe stets Gentleman…«

Als Camille, Menolly und ich wie aus einem Munde zu kichern begannen, zog er nur eine Augenbraue hoch. »Ihr müsst immerhin zugeben, dass ich bessere Manieren habe als meine geliebte Ehefrau.« Er grinste Camille lüstern an. »Nicht wahr? Außerdem habe ich von ihnen nichts zu befürchten. Mir droht da gar nichts.«

»Finde dich damit ab, Schatz, du wirst mich nicht mehr los«, sagte Camille und tätschelte liebevoll seine Hand auf ihrer Schulter. »Ungezogen, unanständig und unzüchtig obendrein.«

»Anders wollte ich dich auch gar nicht haben«, sagte er, beugte sich vor und küsste sie.

»Auch wenn ich dich mit dem Fuchs teilen muss. Und dem Svartaner.« Und dann war er wie ein stil er Schatten in der Nacht durch die Hintertür verschwunden.

Ich stieß einen Pfiff aus. »Eines muss man ihm lassen - er bewegt sich sehr geschickt.«

»Das kannst du laut sagen«, entgegnete Camille, ein anzügliches Lächeln auf den Lippen.

»Ach, verdammt noch mal... so habe ich das nicht gemeint...«

»Kätzchen? Nun mach schon!« Menollys Stimme hallte die Treppe herunter, und ich verließ eilig die Küche.

Menolly erwartete mich vor meinem Kleiderschrank und sah mir genervt entgegen.

»Könntest du nicht ein bisschen mädchenhafter sein? Ich meine, ehrlich - deine Unterwäsche geht ja noch, aber hast du denn nichts im Schrank außer ärmellosen T-Shirts und zerrissenen Jeans?« Sie hielt meine bequemste Jeans in die Höhe, die Risse an Knien und Oberschenkeln aufwies. »Hast du nicht irgendetwas mit ein bisschen Spitze oder Pailletten?«

O ihr guten Götter. Sie mäkelte tatsächlich an meiner Garderobe herum? »Ist das dein Ernst?«

»Willst du in diesen Club reinkommen, ohne Verdacht zu erregen, oder nicht? Du musst aussehen wie mein aktuelles Lieblingsspielzeug. Und das bedeutet, dass du schon ein bisschen Dekollete, Bein oder sonst was zeigen musst.«

Ich verzog das Gesicht. »Du wirst tot umfallen vor Lachen. Ich habe es noch nie getragen«, fügte ich hinzu und wühlte in einer Kiste ganz hinten in meinem Kleiderschrank herum. »Das habe ich in einem Anflug von Wahnsinn gekauft. Sobald ich den Laden damit verlassen habe, wusste ich, dass es ein Fehlkauf war. Aber es war mir zu peinlich, es zurückzubringen, also habe ich es versteckt, damit du und Camille es nicht seht und euch über mich lustig macht.«

Ich hatte so gar keine Lust, Menolly meine heimliche Schmach zu enthüllen, aber sie würde ohnehin keine Ruhe geben, da die Katze nun einmal aus dem Sack war.

Ich fischte eine Plastiktüte vom Grund der Schachtel, holte sie heraus und verdrehte die Augen gen Himmel, als ich sie ihr in die Hand drückte.

Sie riss die Tüte auf. Als sie die goldene Lame-Hose und das mit Fransen besetzte Neckholder-Top dazu hervorholte, begannen ihre Schultern zu zucken, und das hämische Grinsen auf ihrem Gesicht wurde immer breiter.

»Ich hab's dir doch gesagt«, brummte ich und versuchte, ihr das Ensemble wieder abzunehmen.

»Nein, kommt nicht in Frage!«, sagte sie und wich zurück. »Genau das ziehst du heute Nacht an! Ich weiß, es ist... nicht unbedingt dein Stil... «

»Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts.« Ich funkelte sie an, warf mich auf mein Bett und beklagte mein Schicksal. »In dieser Aufmachung in der Öffentlichkeit gesehen zu werden... das wird der demütigendste Abend meines ganzen Lebens... Na ja, abgesehen von dem Moment, als ich Chase mit dem Schwanz in Erikas Muschi erwischt habe.«

»Irgendwie würde ich da eher Wut als Demütigung empfinden«, erwiderte sie.

»Du solltest dich deshalb nicht schämen. Wenn er eine säuselnde, rotznasige Debütantin braucht, um sich wie ein Mann fühlen zu können, ist das doch nicht deine Schuld. Aber... « Sie zögerte, als wollte sie noch mehr sagen.

»Was? Du hast offensichtlich eine Meinung zu dem Thema, die du mir gern mitteilen würdest.« Ich setzte mich erwartungsvoll auf.

»Ja, aber ich weiß nicht, wie du sie aufnehmen wirst.«

»Raus damit.«

»Also gut.« Menolly starrte mich an. »Wenn du meine Meinung hören willst, hat Chase Bestätigung gebraucht. Kätzchen, es kann nicht gerade leicht für einen VBM wie ihn sein, wenn seine Freundin nicht nur stärker, sondern obendrein schneller, magisch begabter und sinnlicher ist als er. Seien wir doch mal ehrlich - jede von uns dreien ist eine ziemliche Herausforderung für jeden Mann - oder jede Frau. Man muss schon eine sehr starke Persönlichkeit haben, um sich neben einer Partnerin mit Feenblut nicht entmannt und ewig unterlegen zu fühlen. Mit beiden Facetten seines Jobs klarzukommen, war ziemlich hart für Chase. Er erlebt ständig, dass du besser kämpfst und ihn auch sonst überflügelst.

Ich will damit nur sagen... das muss seinem Ego sehr zu schaffen machen.«

Ich starrte die Tagesdecke auf meinem Bett an und rang mit dem Impuls, Menolly eine runterzuhauen. Ich behandelte Chase niemals, als sei er irgendwie unzureichend. Nie.

Doch dann hielt ich in Gedanken inne. Wir alle taten das. Nicht absichtlich, aber es ließ sich kaum vermeiden. Wir sagten ihm ständig, er solle uns bei einem Kampf aus dem Weg gehen, hinter uns bleiben oder gar nicht erst mitkommen, weil es zu gefährlich für ihn sei. Aber das war doch nur zu seinem eigenen Schutz, nicht deshalb, weil wir ihn für »schwächer« oder »schlechter« hielten als uns selbst. Nun wurde mir klar, dass er es vielleicht nicht so sah.

»O ihr Götter«, flüsterte ich. »Du hast recht. Es war mies von ihm, mich zu belügen, aber du hast recht. Vielleicht hat er sich Erika zugewandt, weil er sich zur Abwechslung mal wieder stark fühlen wollte.« Ich starrte auf die gemusterte Steppdecke. »Mutter hat sich Vater gegenüber nie so gefühlt. Oder... meinst du?«

Ich hatte von Mutter nie ein klagendes Wort gehört, weil Vater so stark und langlebig war. Ja, sie hatte die Chance bekommen, mit ihm zusammen viel älter zu werden, als es ihrer normalen Lebensspanne entsprochen hätte - und abgelehnt, weil sie glaubte, dass sie mit den vielen zusätzlichen Jahren nicht klarkommen würde.

Menolly setzte sich neben mich aufs Bett und nahm meine Hand. »Das können wir nicht wissen. Aber eines weiß ich: Mutter wollte nie zur Garde. Sie hat keine Karriere draußen angestrebt, sie wollte eine gute Ehefrau und Mutter sein. Heim und Herd waren ihr Reich, und Vater hat sich da nicht eingemischt, also standen sie nicht in Konkurrenz. Wir wissen nicht, ob sie im Bett Probleme hatten, aber die Dynamik ihrer Beziehung war völlig anders als bei dir und Chase. Was glaubst du denn, warum ich so gezögert habe, deine Beziehung gutzuheißen?«

»Ich dachte, du magst eben Chase nicht«, sagte ich kleinlaut.

»Das stimmte anfangs auch, aber nein, das ist nicht der eigentliche Grund. Er ist einer von den Guten. Jemand, den wir brauchen und dem wir vertrauen können. Aber er ist ein VBM, und das macht ihn sehr verletzlich. Wir setzen uns alle für die gleiche gefährliche Sache ein, und dadurch steht ihr beide auf demselben Spielfeld. Und das Kräfteverhältnis ist nicht ausgeglichen, Kätzchen. Das muss ich dir sagen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Selbst wenn es uns gelingt, ihn zu retten, wüsste ich nicht, wie ihr dieses Hindernis überwinden könntet. Außer er kann das trennen und nicht persönlich nehmen.«

Ich starrte trübsinnig zu Boden. Sie hatte recht. Wie hatte ich so blind sein können? Aber ich hatte keine Erfahrung mit Beziehungen. Ich war den Umgang mit diesen feinen Nuancen nicht gewohnt, die auftraten, wenn man sein Leben mit jemand anderem teilte. Diese ganze Sache mit der Liebe war neu für mich, und ich fragte mich, ob ich dafür geschaffen war. Ich war eine Katze, bei allen Göttern. Katzen waren bekanntermaßen Einzelgänger.

»Kätzchen? Alles klar?« Menolly stand auf und küsste mich auf die Stirn. »Wir sollten los.«

»Ob alles klar ist? Keine Ahnung«, antwortete ich leise. »Aber du hast recht. Wir haben etwas zu erledigen.« Ich zwang mich, aufzustehen, und sie drückte mir den Hosenanzug in die Hand. Chase zu retten hatte im Augenblick höchste Priorität.

»Muss ich diesen Mist wirklich anziehen?«

Sie lächelte mich an. »Ja, sei tapfer. Wenn du als mein kleiner Liebling da hingehen willst, musst du auch so aussehen, und glaub mir, Bluthuren tragen nur solchen Mist.« Ihr Gesichtsausdruck sagte mir, dass es keinen Zweck hätte, mich herauswinden zu wollen. »Zieh dich um.«

»Ich will echt nicht so rumlaufen.« Auf halbem Wege zu einer richtigen Jammer-Attacke setzte ich meinen besten Trauriges-Kätzchen-Blick auf, doch nicht einmal der konnte sie umstimmen.

»Pech. Was ist mit Stiefeln? Hast du hochhackige schwarze Stiefel? Stilettos, keine klobigen Bikerstiefel.« Menolly machte Anstalten, in meinem Kleiderschrank herumzuwühlen, also schob ich sie sacht beiseite, zog eine Schachtel vom obersten Brett und drückte sie ihr in die Hand.

»Camille hat mich dazu überredet, die zu kaufen. Sie sind schick, aber darin komme ich locker über eins neunzig. Willst du wirklich so einen großen kleinen Liebling? Du bist schließlich nicht mal eins sechzig groß.«

»Na und? Du bist groß, und ich bin ein Vampir. Ja, die sind gut«, sagte sie, als sie die Stiefel betrachtete. »Die sind wirklich sehr hübsch. Du sollst auffallen, Kätzchen, und du sollst in ein bestimmtes Schema passen. Das Fangzabula ist ein Treffpunkt für Vampire, die sich menschliche Haustiere und Bluthuren halten. Wenn ich da mit einer Frau in Jeans und Feinripp-Unterhemd auftauche, werden die Leute uns von Anfang an misstrauen, weil sie es gewohnt sind, dass ihre Kundschaft ein bisschen... schmierig aussieht. Ich kann nur hoffen, dass mich niemand erkennt. Meine Arbeit mit Wade würde mich verdächtig machen.«

»Ich trage keine Feinripp-Unterhemden«, erklärte ich und schlüpfte aus meinen Sachen.

»Ich trage Muskelshirts. Tanktops, okay?«

»Wie zum Teufel du sie nennst, ist mir egal.« Sie deutete auf meinen BH und das Höschen. »Die auch. Du hast nicht Camilles Oberweite, also kannst du auf einen BH verzichten. Und man sollte auch keinen Slipumriss sehen. Egal, was man in der engen Hose vielleicht sonst noch alles sieht. Es darf nur nichts sein, was auch nur annähernd normal wirkt.«

»Wenn du mit mir fertig bist, wird normal nichts mehr mit mir zu tun haben.«

Ich quälte mich in die hautenge Hose und hielt den Atem an, als ich sie über die Hüfte zog und die Naht in meinem Schritt verschwand.

Der Stoff kratzte, und ein Blick in den Spiegel sagte mir, dass der Stretchstoff aller Welt eine wahre Peepshow bot. Man konnte deutlich meine Lippen erkennen, und zwar nicht die, auf die ich Lipgloss auftrug.

Ich versuchte, den Schritt ein bisschen herunterzuziehen, aber der Stoff war wie angewachsen. Schließlich gab ich es auf, zog mir das Top über den Kopf und verknotete die Bänder im Nacken. Der Saum hing etwa fünfzehn Zentimeter über meinem Bauchnabel, und meine Mitte war mit langen Fransen bedeckt, die kitzelten. Sie verlockten mich dazu, mich in das Tigerkätzchen zu verwandeln, denn es wäre ein Heidenspaß gewesen, nach den Fransenquasten zu schlagen.

Aber diesen Gedanken unterdrückte ich hastig.

Menolly reichte mir die Stiefel, und ich schlüpfte hinein und zog die Reißverschlüsse hoch. Dann drehte ich mich vor ihr im Kreis und kam mir unsäglich lächerlich vor.

Sie nickte. »Gut... jetzt brauchst du noch ein Halsband. Schwarze Spitze, mit einer Schleife zugebunden. Wenn du kein Spitzenhalsband hast, frag Camille.«

»Ach, um Himmels willen, gibt es da vielleicht auch noch eine Kleiderordnung?«

Ich wühlte in meiner Kommode herum, bis ich einen schmalen Chiffonschal fand. Er war schwarz und schlicht, aber sehr dünn.

Menolly war damit zufrieden.

»Ja, gibt es, wenn auch ungeschrieben.« Sie band mir den Schal so um, dass die Schleife in meinem Nacken saß. »So, das ist der Code für ein Bi-Vieh. Wenn die Schleife vorn säße, würde kein Vampir - oder sonst jemand im Fangzabula - sich an dich herantrauen, denn Schleife vorn bedeutet, dass du mir gehörst, Finger weg. Links - ich lasse dich nur mit Mädchen spielen. Rechts - nur Jungs.

Wenn die Schleife nach hinten zeigt, kann jeder um Erlaubnis fragen.«

Ich blinzelte erstaunt. Hatte ich bisher hinter dem Mond gelebt? »Woher zum Teufel weißt du das alles?«

»Ich komme eben viel rum«, sagte sie, zog die Augenbraue hoch und grinste frech. »Denk daran, dieser Code gilt nur innerhalb einer Subkultur - bei den Vampiren.« Menolly bedeutete mir, mich zu setzen, und griff nach meinem Schminkbeutel. »Du wirst feststellen, dass Besitz und Dominanz in jedem Subkult anders symbolisiert werden.«

Sie ging die Tiegel und Stifte durch. Ich hatte so viel von Camilles abgelegtem Make-up, dass es für Jahre reichen würde. »Schauen wir doch mal, was wir da haben - oh! Das ist gut.«

Wenig später trug ich glitzernd roten Lippenstift und äußerst gewagten, hellgrünen Lidschatten. Nachdem sie noch meine Augen mit schillerndem Eyeliner in Samtgrün umrandet hatte, staubte sie mich mit reichlich Puder ein, um mich blasser wirken zu lassen. »Du darfst nicht allzu gesund aussehen, wenn ich regelmäßig von dir getrunken haben soll.« Sie trat zurück. »Ich glaube, wir sind fertig.«

Ich starrte mich blinzelnd im Spiegel an. »Ah... bitte erschieß mich auf der Stelle. Ich sehe aus wie eine Drag Queen! Also, wie lautet unsere Geschichte?«, fragte ich und folgte ihr nach unten.

»Wir haben uns in einem Lesbenclub kennengelernt. Falls jemand nachfragt, sagst du, es war das Sapphic Blue. Ich habe dich aufgegabelt, mit nach Hause genommen und zu meiner Mahlzeit gemacht. Du hast es so sehr genossen, dass du mehr wolltest.«

»Jetzt bin ich also eine Lesbe? Von mir aus, was soll's«, bemerkte ich. »Erwarte bloß nicht von mir, dass ich es dir mit der Zunge besorge.« Als ich belustigt schnaubte, fuhr Menolly herum und stieß mich rücklings gegen die Wand. »Spaß und Spiele sind vielleicht lustig, aber denk daran, das ist kein Spaß, Kätzchen.

Versau es bloß nicht. Chases Leben hängt davon ab, dass wir Karvanak finden.

Dieser kleine Ausflug führt uns wahrscheinlich auf die Spur dieses dämonischen Drecksacks. Also gib dir verdammt noch mal Mühe und spiel deine Rolle gut, wenn du willst, dass wir deinen Freund finden.«

Sie sah so wild aus, dass ich rückwärts taumelte und auf die Treppe plumpste.

»Es tut mir leid. Du hast ja recht.«

»Allerdings habe ich recht. Okay, du willst unseren Hintergrund wissen? Wir sind ein Paar. Du bist einer meiner kleinen Lieblinge - was bedeutet, dass ich dich halte und versorge wie ein Haustier. Ich trinke von dir, und wir schlafen miteinander. Wenn ich dich gerade nicht benutze, hängst du im Wohnzimmer herum, schaust Fernsehen oder telefonierst stundenlang.«

Ich schluckte. »Ich habe also keinen Job?«

»Nein. Du wirst ausgehalten, und ich bezahle auch überall, wenn wir ausgehen.

Also lass deinen Geldbeutel im Auto bis auf ein paar Scheine im Stiefel für den Notfall . Ich bin keine sehr strenge Herrin. Du brauchst mich nicht um Erlaubnis zu bitten, wenn du etwas essen, auf die Toilette gehen oder dich mit jemandem unterhalten willst, aber ich treffe sämtliche Entscheidungen. Wenn du mit mir redest, sprichst du mich mit ›Herrin‹ an.«

Ich hustete. »Herrin? O Mann, das wird ja immer schöner. Also, was tun wir da drin?«

»Als Erstes wollen wir Fraales Aufmerksamkeit erregen. Wenn sie neu in der Stadt ist, könnten wir Glück haben und sie hat uns noch nicht selbst im Visier.

Wenn Karvanak sie auf den letzten Stand gebracht hat und sie für ihn arbeitet, müssen wir schnell umschalten. Es kann sein, dass wir sie töten müssen. Roz hat mir versichert, dass du ihr Typ wärst, also wird sie dich ausprobieren wollen.«

»Aber sie ist gar kein Vam. .«

Menolly blieb am Fuß der Treppe abrupt stehen. »Nein. Aber Vampirclubs sind gute Jagdreviere für ihre Beute. Und anscheinend schmeckt Succubus-Blut sehr gut. Ich habe es noch nie versucht, also kann ich das nicht genau sagen. Ich würde wetten, dass sie mir anbietet, von ihr zu trinken, im Austausch gegen ein Stündchen mit dem kleinen Liebling ihrer Wahl. Sie wird sich eine Weile herumtreiben, den Vampiren einen Schluck ausgeben und dann wieder gehen.

Wir müssen herausfinden, warum sie bei Karvanak herumhängt und wo er sich versteckt. Wenn wir Glück haben, erwähnt sie ihn von sich aus. Wenn nicht, stellen wir den Kontakt her, lassen sie ein bisschen mit uns spielen und folgen ihr dann nach Hause.«

»Großartig. Du willst damit sagen, dass ich mir am Ende auch noch den Hintern versohlen lassen muss.« Das war keine Frage. Ich hatte es aufgegeben, mich gegen die Einzelheiten wehren zu wollen.

»Schon möglich.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Na schön. Gehen wir. Wenn Camille sich für uns zu einem Drachen ins Bett legen konnte, werde ich mich wohl der Verführung durch einen Succubus stellen müssen. Aber warum läuft es eigentlich immer darauf hinaus, dass wir uns Hilfe mit Sex erkaufen müssen? Können wir den Leuten denn nicht etwas Gutes kochen und uns einen schönen Video-Abend machen?«

Nun schnaubte Menolly. Sie lächelte mich an, wurde aber gleich wieder ernst. »Ich muss dir etwas sagen, ehe wir zu den anderen reingehen. Rozurial und Fraale waren verheiratet, ehe er in einen Incubus verwandelt wurde, und sie in einen Succubus. Sie haben sich sehr geliebt. Ihm war außer ihr niemand mehr geblieben, nachdem Dredge seine Eltern und Geschwister ermordet hatte.«

»Sie waren ganz normale Feen?«

»So ist es«, sagte Menolly. »Das alles ist passiert, als er etwa neunzig war, also noch recht jung. Sie haben einem reisenden Magier Gastfreundschaft in ihrem Haus gewährt, und er hat versucht, Fraale zu verführen. Als Roz ihn verscheuchen wollte, tauchte plötzlich die Ehefrau des Magiers auf und verwandelte Fraale in einen Succubus. Da haben sie erkannt, dass sie es gar nicht mit einem Magier und seiner eifersüchtigen Frau zu tun hatten. Der Mann war in Wirklichkeit Zeus, der sich mal wieder ein bisschen amüsieren wollte.«

»Lass mich raten - die Magiergattin war Hera?«

»Bingo. Und sie hat nach Blut gelechzt. Sie war wütend auf Zeus, hat ihre Wut aber an Fraale ausgelassen. Roz hat Zeus angefleht, die Verwandlung rückgängig zu machen, aber das konnte Zeus nicht. Also hat er Roz in einen Incubus verwandelt, weil er wohl irgendwie glaubte, das könnte die Situation verbessern. Natürlich hat er damit alles nur noch schlimmer gemacht.«

»Die Götter können manchmal echte Arschlöcher sein, was?« Ich knurrte leise. »Das war unfair.«

»Die griechischen Götter haben noch nie fair gespielt.« Menolly seufzte laut.

»Danach hat das dynamische Duo Roz und Fraale einfach vergessen. Als ihrer beider neue Natur sich immer mehr durchsetzte, haben sie sich schließlich getrennt. Sie konnten nicht zusammenbleiben, ohne einander ständig furchtbar weh zu tun. Sie waren vorher monogam gewesen, verstehst du? Wie Vater und Mutter. Sehr selten unter reinblütigen Feen, aber es kommt vor.«

Scheiße. »Ich werde versuchen, taktvoller zu sein. Roz' Gesichtsausdruck, als er an dem Schal gerochen hat, habe ich sehr wohl bemerkt.«

»Gut.« Menolly versetzte mir einen leichten Schubs. »Dann machen wir uns mal auf die Suche nach Chase.«

Als ich in meinem Outfit die Küche betrat, brachen sämtliche Gespräche ab.

Camille ließ den Keks fallen, den sie gerade aß, und er platschte in ihre Teetasse.

Iris erstarrte mitten im Satz. Smoky hüstelte und versuchte, ein ernstes Gesicht zu wahren, während Morio und Zach mich entsetzt anstarrten. Ein Grinsen breitete sich langsam über Rozurials Gesicht, und Vanzir schüttelte nur den Kopf.

Die Einzige, die etwas sagte, war Maggie, die von ihrem Lauf stall aus begeistert rief: »Di-ya-ya!«

Ich hob sie auf den Arm, küsste sie und reichte sie dann an die immer noch schweigende Iris weiter. »Also, nun redet doch nicht alle auf einmal. Kann ich so ins Fangzabula gehen?«

Camille stammelte: »Wo zum Teufel hast du das Outfit her? Aus meinem Kleiderschrank hast du das Ding jedenfalls nicht geklaut.«

»Das will ich hoffen«, bemerkte Smoky.

»Leck mich«, witzelte ich und verdrehte die Augen. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass das je irgendwer sieht. Ich hätte es längst wegwerfen sollen.«

»Es ist perfekt«, erwiderte Menolly. »Und jetzt gehen wir lieber. In etwa anderthalb Stunden dürfte in dem Club die Hölle los sein, und ich will da sein, ehe es zu voll wird.

Hoffentlich schnappen wir etwas Interessantes auf.«

Als Zach und Roz nach ihren Jacken griffen, blickte ich zu den anderen zurück. »Ich habe mein Handy dabei, und Menolly ihres. Tut ihr hier, was ihr könnt. Wir müssen Chase finden, bevor Karvanak... «

Der Gedanke daran, was er Vanzir angetan hatte, welche Demütigungen der Traumjäger durchlitten hatte, ging mir immer wieder durch den Kopf. Chase würde solche Misshandlungen nicht überleben. Er war kein Dämon. Und nach allem, was schon passiert war, fragte ich mich - selbst wenn er überlebte, würde er sich je davon erholen?

»Gehen wir«, sagte ich. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«