Kapitel 24

 

Das Fangzabula lag im Industrial District im Süden von Seattle, nicht weit von der Gegend, in der wir die Toxidämonen gefunden hatten. Mir kam ein Gedanke: Falls die Dämonen tatsächlich Unterstützung von ein paar hiesigen Vampiren hatten, braute sich hier gewaltiger Arger zusammen. Und wenn die Dämonen schon Häuser besetzten und Nester ihrer grotesken Schmeißfliegen darin einrichteten, was mochten sie dann noch alles tun, welche weiteren Gruppen bereits infiltriert haben?

Die Tatsache, dass es in dem Toxidämonen-Haus ein Portal in die Schattenwelt gegeben hatte, machte mir Sorgen. Hatten die Dämonen etwa auch Allianzen mit Geschöpfen aus der Geisterwelt geschlossen? Versuchten sie, Armeen von allen Seiten um sich zu scharen? Ich erzählte den anderen von meinen Befürchtungen.

»Da könntest du auf etwas gestoßen sein. Dämonen machen normalerweise einen großen Bogen um die Welt der Schatten, aber bei allem, was sich in letzter Zeit so tut, müssen alte Feindschaften und Allianzen nicht unbedingt fortbestehen.

Wenn Vanzir recht hat und Schattenschwinge wahnsinnig geworden ist, müssen wir mit allem rechnen. Aber warum sollte irgendjemand aus der Schattenwelt ihm helfen wollen? Was hätten die dabei zu gewinnen?« Menolly runzelte die Stirn. Sie lenkte Camilles Lexus durch die Straßen der Stadt. In ihrem Jaguar wäre es allzu eng geworden, und mein Jeep passte so gar nicht zu ihrem Stil. Sie trug nun hautenges, schwarzes Leder - jeder Zoll die Gebieterin.

»In der Schattenwelt gibt es Geschöpfe, die die Lebenden hassen«, erklärte Roz.

»Wenn sie irgendwann einmal eine körperliche Gestalt annehmen konnten, werden manche furchtbar wütend, wenn sie sie wieder aufgeben und in die Welt der Schatten zurücksinken müssen. Vielleicht haben die Dämonen ihnen leichteren Zugang zur physischen Ebene versprochen, wenn die Schatten ihnen helfen.«

»Ich habe keine Ahnung von so etwas«, sagte Zach stirnrunzelnd, »aber es gab ein paar seltsame Vorfälle im Revier. An den Grenzen herrscht eine unruhige Atmosphäre, und wir haben die Nachtwachen verdoppelt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass die Werspinnen wieder da sind.«

Schaudernd blickte ich aus dem Fenster. Die Werspinnen waren eine beeindruckende Erfahrung gewesen, das konnte man sagen. Kyoka und Karvanak mochten einander ebenbürtig sein, wenn ich es recht bedachte.

Allerdings hatte Kyoka einen Groll gegen die Werpumas gehegt, während Karvanak es direkt auf uns abgesehen hatte.

»Das bezweifle ich. Jedenfalls will ich es nicht hoffen«, murmelte ich. »Wir haben schon genug Sorgen, aber Kyoka gehört nicht mehr dazu. Vielleicht hat irgendeine andere Werspinne seinen Platz eingenommen, aber Kyoka habe ich zerstört und seine Seele vernichtet.« Bei der Erinnerung an diese Nacht erschauerte ich. Hi'ran, der Herbstkönig, hatte mir seine Befehle erteilt, und ich hatte sie ausgeführt. Ich hatte Kyoka vom Angesicht der Erde getilgt und seine Seele zurück in die Unendlichkeit geschleudert, deren Energie das Universum antreibt. Seine Essenz war längst vernichtet, aufgegangen in den weißen Feuern der Schöpfung selbst. Er konnte unmöglich noch auf irgendeiner Ebene existieren - trotzdem konnte der Jägermondclan ja beschlossen haben, sich neu zu formieren und wieder großen Schaden anzurichten.

Während wir durch die regennassen Straßen rollten, öffnete ich das Fenster einen Spaltbreit, um frische Luft zu bekommen. Der Frühling im Nordwesten war immer kühl, aber die feuchte, kalte Luft war erfrischend. Ich sog sie tief ein, hielt den Atem an und ließ ihn dann wieder ausströmen. Ich wurde zwar nicht gern nass, wusste den Segen reiner Luft, die der Regen mitbrachte, aber trotzdem zu schätzen.

Rozurial war eigenartig stil , und ich bemerkte, dass da anscheinend irgendeine Kommunikation mit Menolly lief. Ich konnte nicht genau sagen, was das sein sollte, aber es kam mir so vor, als ob sich die beiden unterhielten. Ob sie irgendeine Art geheimen Rapport entwickelt hatten oder sich nur besonders gut verstanden, da war zweifellos eine Verbindung zwischen den beiden. Ich fragte mich, ob sie miteinander schliefen, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Rozurial mochte alles Mögliche sein, verschwiegen war er nicht. Er hätte ein solches Geheimnis niemals für sich behalten können.

»Was tun wir denn, wenn wir da sind? Soll Zach auch eines deiner Schätzchen sein? Und warum steckt er dann nicht in einer Lycra-Badehose?« Ich lächelte, und er stöhnte.

»Lycra? Du spinnst wohl. Ich bin ein Mann der Boxershorts«, sagte er, obwohl ich ganz genau wusste, dass er zumindest manchmal ganz ohne herumlief.

Menolly hüstelte. »Zachary in einer Lycra-Badehose überlässt weniger der Phantasie, als mir im Moment lieb ist.

Nimm's nicht persönlich, Zach - du siehst gut aus, aber das passt einfach nicht.«

Er lachte. »Die Vorstellung, wie du meine nackte Haut mit heraushängenden Reißzähnen begaffst, macht mich auch nicht gerade an, also sind wir quitt. Keine Lycra-Badehose, außer wir gehen schwimmen. Am helllichten Tag.«

Sie schnaubte belustigt. »Kluger Mann. Und ja, Zach geht am besten als mein neuestes Spielzeug mit rein. Allerdings hast du recht, Delilah - passend angezogen ist er eigentlich nicht.« Sie warf einen Blick über die Schulter, wechselte auf die linke Spur und bog dann auf den Giles Boulevard ab. Wir waren nur noch ein paar Querstraßen vom Fangzabula entfernt.

»Hört sich gut an. Ich nehme an, ich halte mich ein paar Schritte hinter dir, da du ja meine Gebieterin bist?«

»Ihr beide, ja. Und denkt daran, mir niemals in der Öffentlichkeit zu widersprechen oder mich als Erste anzusprechen, es sei denn, ihr habt eine Bitte.«

»Gehört und verstanden«, erklärte Zach.

Als sie von der Straße auf den Parkplatz abbog, sah ich, dass da schon einige Autos standen. Ich blickte mich gründlicher um. Nicht viele Leute trieben sich draußen vor dem Club herum, aber bei dem Regen wunderte mich das nicht. Die Doppeltür war leuchtend rot gestrichen und wirkte vor den schwarz-weißen Streifen an der Wand geradezu schockierend. Der Club ging über drei Stockwerke, und das verblasste Schild auf der Rückseite des Hauses wies darauf hin, dass in dem Gebäude früher Fleisch verarbeitet worden war. Das nannte man wohl Ironie.

Als wir aus dem Wagen stiegen, bemerkte ich die Rausschmeißer an der Tür. Einen Augenblick zuvor war noch niemand da gewesen. Jetzt wurden die Samtkordeln, die den Eingang absperrten, von zwei sehr massigen, großen Herren flankiert. Wir mussten an denen vorbei, um in den Club zu gelangen. Sie waren in Lack-PVC gehüllt, der etwa so eng saß wie mein Outfit, und dazu trugen sie Bikerstiefel und dunkle Brillen. Und fiese Gummiknüppel, die so aussahen, als könnten sie beim ersten Schlag Knochen brechen.

»Passt auf«, raunte ich. »Überlasst den Lackierten Lakaien da nicht den ersten Schlag.«

»Es wird hier keinerlei Konfrontation geben«, erwiderte Menolly angespannt. »Diese Männer sind Vampire. Wenn du dich auf einen Kampf mit ihnen einlässt, werden sie ihre Knüppel nicht brauchen, um dich zu erledigen, Kätzchen. Einer von ihnen fühlt sich alt an - sehr alt. Ich schätze, er ist schon sehr lange hier. Und je länger er schon untot ist, desto mehr Macht und Kraft besitzt er. Ich frage mich, warum Wade ihn noch nie erwähnt hat.«

»Vielleicht weiß Wade nichts von ihm«, erwiderte ich und vergewisserte mich, dass meine Fransen gerade hingen.

Zach musterte zaudernd die Tür. »Ich wäre im Augenblick überall lieber als hier, aber ich bin direkt hinter dir.« Seine Stimme klang gepresst, und ich erhaschte einen Hauch der Angst, die er verströmte. Das konnte ich ihm nicht verdenken. In meiner Magengrube feierte ein Haufen Schmetterlinge eine Party.

»Keine Sorge.« Menolly tätschelte Zach die Schulter. »Wir lassen niemanden an dich heran. Falls Fraale von sich aus zu uns kommt und sich vorstellt, lasst mich nur zuerst reden.«

Ich holte tief Luft und versuchte, mich in die Welt eines Vampir-Schätzchens einzufühlen. Und dann ging mir ein Licht auf. Wenn ich in meiner Katzengestalt gestreichelt oder gebürstet werden wollte, schmiegte ich mich an Iris oder meine Schwestern und machte auf niedlich und schmusig.

Die domestizierte Hauskatze ist, wie alle Katzen wissen, nur eine List. Ja, Katzen lieben ihre Menschen, und ja, sie wissen ein gutes Zuhause zu schätzen. Aber unter dieser oberflächlichen Kooperationsbereitschaft lauert immer noch das Herz eines Tigers. Ich bin bereit, deinen goldenen Käfig mit den Tatzen zu betreten, jodelt die Hauskatze bei Nacht, aber meinen Geist kannst du nicht einsperren.

Ich konzentrierte mich darauf, wie es sich anfühlte, wenn Iris mich im Arm hielt und mich kraulte, bis ich laut schnurrte. Ich stellte mir vor, wie ich mich neben Camille auf dem Kissen zusammenrollte und sie mitten in der Nacht aufwachte und mich hinter den Ohren kraulte und mir sagte, was für ein braves Mädchen ich sei. Ja, als Tigerkätzchen würde ich bereitwillig ein Halsband tragen, wenn das Liebe, Schutz und Aufgehobensein bedeutete.

Ich ließ mich in diese Energie hineinsinken, rückte ein wenig näher an Menolly heran und miaute leise. Sie wandte sich nach mir um und lächelte. »Braves Mädchen. Ich sehe es in deinen Augen, Kätzchen. Da drin werde ich dich Desiree nennen, damit niemand deinen richtigen Namen hört. Du nennst mich einfach Herrin. Bist du so weit?« Sie sah mich an.

Ich nickte. »Ja... Herrin.«

»Sehr schön. Zach, du solltest dir auch einen anderen Namen zulegen. Wie wäre es mit Jerry?«

Er blinzelte verblüfft. »Jerry? Wie kommst du denn darauf? Na gut, bin ich eben Jerry. Ah... jawohl, Herrin.« Er holte tief Luft und warf mir einen Blick zu. »Delilah - sei vorsichtig, ja?«

Ich nickte. Roz deutete an, dass er bereit war, und löste sich von uns. Er würde allein reingehen und sich im Hintergrund halten, bis er gebraucht wurde. Mit einem letzten prüfenden Blick über den Parkplatz führte Menolly uns zu den Türen des Fangzabula.

Die Türsteher waren kein Problem, sobald Menolly erst ihre Reißzähne gezeigt hatte. Sie wichen zurück, nickten ihr knapp zu und begafften Zach und mich, als wir ihr nach drinnen folgten.

Das Fangzabula war extrem Vampyr. Mit anderen Worten: Sie hatten den Laden mächtig aufgemotzt für die Möchtegerns und Touristen. Farblich war alles in Rot und Schwarz gehalten, mit ein wenig Silber und Weiß hier und da, und der Anblick, der sich uns vom Eingang aus bot, hätte für einen puffigen Vampirfilm getaugt.

Der Hauptraum war riesig. Eine Treppe führte vom Eingang hinab zur Tanzfläche, die in einem schwarz-weißen Schachbrettmuster gefliest war. Die Decke erstreckte sich gut sieben Meter über uns, und große Stoffbahnen aus schwarzem und rotem Samt hingen herab und schufen ein Labyrinth aus sacht wehenden Wänden.

Die Beleuchtung war kalt und stroboskopisch und erzeugte einen Abgrund aus Licht und Schatten. Ich kam mir vor, als stünde ich mitten in einem Gothic-Zirkuszelt. Allerdings war dies ein ehemaliges Lagerhaus, kein Zelt, und die Akrobaten hier setzten eher ihre übernatürlichen Kräfte ein als die Muskeln ihrer sterblichen Körper.

Zwei prächtige Treppen an den Seiten führten in den nächsten Stock hinauf, und in der Mitte des Hauptraums konnte ich ein Geländer sehen, das drei Seiten einer Öffnung nach unten umgab. Eine weitere Treppe führte in die unterirdischen Ebenen des Clubs.

Die Bar an der linken Wand war von vielen Tischen und Sitznischen umgeben.

Auf der anderen Seite des riesigen Saals befand sich eine Grotte, die stark an die »Grube« im Collequia zu Hause in der Anderwelt erinnerte. Das Collequia war ein Nachtclub und zugleich Opiumhöhle, und Camille war da gern hingegangen.

Sie hatte zwar nie etwas mit Drogen am Hut gehabt, aber eine Menge interessanter Männer dort kennengelernt, darunter auch Trillian, was praktisch schon alles sagte, was man über den Laden wissen musste.

In der Grotte drängten sich plüschige Diwane und riesige Sitzsäcke, und darauf ruhten auch schon mehrere Dreiergrüppchen. Es war offensichtlich, dass eine der Frauen den Blutswirt für einen Vampir spielte, der aussah, als wäre er eben einer Biker-Ausgabe des GQ entstiegen. Natürlich konnte man daraus noch nicht schließen, ob sie eine Bluthure war oder nicht.

Der Vampir sah einfach umwerfend aus, mit leuchtend rotem Haar, das ihm über den ganzen Rücken fiel. Er trug eine hautenge Lederhose und sonst fast nichts.

Er küsste ihren Hals, und erst hielt ich das für eine Liebkosung, bis ich das dünne Rinnsal aus Blut sah, das aus dem Hals der Blondine sickerte. Sie hatte die Augen geschlossen und einen seliggenussvollen Ausdruck auf dem Gesicht, während seine Zunge ihr das Blut entlockte, Tropfen für Tropfen.

Während ich noch hinstarrte, blickte der Vampir auf. Seine Zunge unterbrach ihre leckenden Bewegungen keinen Moment lang, während er mir in die Augen sah, und ich konnte den Blick nicht mehr abwenden. Ich blieb stehen wie erstarrt, gebannt von seiner vollkommenen Schönheit. Mein Atem begann zu fliegen, meine Wangen wurden heiß. Ich hatte das Gefühl, dass sein Blick mich Schicht um Schicht entblößte, bis auf die Haut, bis auf die Muskeln, bis hinab auf die Knochen. Zu meinem Entsetzen spürte ich, wie ich feucht wurde, und obwohl ich mich zu beherrschen versuchte, glitt meine Hand in meinen Schritt. Ich wimmerte.

Menolly wirbelte herum, warf einen einzigen Blick auf mich und schaute dann zu dem Vampir hinüber. So schnell, dass ich es kaum wahrnahm, öffnete sie den Mund, fuhr die Reißzähne aus und fauchte laut. Erschrocken zog er seine Energie von mir zurück, und ich spürte, wie er den Raum um mich verließ. Er nickte ihr höflich zu und widmete seine Aufmerksamkeit wieder der jungen Frau, bei der er gerade trank.

»Scheiße«, sagte sie. »Das war nicht gut. Halte den Blick möglichst gesenkt, Kätzchen. Du auch, Zach. Manche von diesen Vampiren sind sehr alt und sehr mächtig, und ein paar davon könnte ich vielleicht nicht daran hindern, euch fortzulocken. Seht keinem von ihnen ins Gesicht. Ihr solltet sowieso meine Spielgefährten sein, also schaut ihr am besten überhaupt nirgendwohin außer auf eure Füße, wenn ich nichts anderes sage.« Sie nickte uns zu und ging mitten in den Raum hinein. Zach und ich folgten ihr mit etwa drei Schritten Abstand. Ich konnte Roz in der Nähe spüren, sah ihn aber nirgends. Er verbarg sich gut.

Je tiefer wir in das Herz des Clubs vordrangen, desto besser verstand ich, warum Menolly frühzeitig hatte hier sein wollen. Erstens war es so leichter, Fraale zu entdecken, und zweitens war allein die Atmosphäre, die Energie in dem noch fast leeren Club, beinahe überwältigend. Sie war berauschend, beängstigend und trieb mich dazu, mich verwandeln zu wollen. Das Fangzabula war ein Hexenkessel an Emotionen und Hunger.

Plötzlich erstarrte Menolly. Sie hob kaum merklich die Hand. Ich wäre beinahe gegen sie geprallt, konnte mich aber gerade noch fangen, und Zach blieb neben mir abrupt stehen.

Direkt vor uns, an einem runden schwarzen Tisch mit roten Plastiksesseln, saß eine Frau. Sie war kein Vampir, so viel merkte ich. Aber irgendetwas an ihr sagte mir, dass wir Fraale gefunden hatten.

Sie war keine schöne Frau. Ja, manche Leute hätten sie auf den ersten Blick vielleicht als unscheinbar bezeichnet. Aber beim zweiten Blick hätten sie ihr Herz an Fraale verloren. Auf den ersten Blick wirkte ihr Gesicht nett, aber nicht klassisch schön, und ihr Haar war mausbraun. Wenn man aber noch einmal hinsah, strahlte sie plötzlich, ihr Haar hatte einen üppigen goldenen Glanz, und ihre Lippen wirkten besonders voll.

Fraale stand auf, als wir uns ihr näherten. Sie war nicht groß, etwa ein, zwei Fingerbreit kleiner als Camille. Sie war auch nicht die schlanke, grazile Frau, die ich mir ausgemalt hatte. Sie trug vermutlich Größe zweiundvierzig oder vierundvierzig. Aber ihre Rundungen waren verführerisch, und mein Blick folgte ihnen, glitt über die vollen, runden Brüste, angehoben von einem Hauch rosiger Spitze an der Naht eines Push-up-BHs.

Mein Blick blieb an ihrem Miedergürtellaus schwarzem PVC hängen, der ihre Taille betonte und dann die Kurven ihrer Hüften unter dem enggeschnittenen roten Kleid.

Ich unterdrückte das Keuchen, das sich in meiner Brust aufbaute. Was zum…?

Ich wusste theoretisch, dass ich Frauen hin und wieder anziehend fand, aber heute Nacht schien meine Libido in Flammen zu stehen. Erst der Vampir, jetzt ein Succubus. Strahlten sie Sex direkt in mein Gehirn ab, oder versprühten die hier irgendeinen Duft? Vielleicht einen Lufterfrischer mit dem Namen »Lust in der Luft« oder so?

Menolly straffte die Schultern. Ihre Haltung sagte mir, dass auch sie sich von der Frau angezogen fühlte. Und neben mir rückte Zach Schrittchen für Schrittchen näher an mich heran, und ich konnte die Anspannung in seinem Körper spüren.

Ehe Menolly etwas sagen konnte, winkte Fraale uns zu sich heran. All unsere sorgsam überlegten Pläne waren mit einem Schlag zunichte gemacht, als sie so leise sprach, dass ich sie kaum hören konnte: »Ich weiß, wer ihr seid, und ihr bringt euch in Gefahr, indem ihr hierherkommt. Spart euch die Mühe mit diesem Spielchen, das ihr euch da ausgedacht habt. Und ich weiß, wer noch bei euch ist.«

Sie blickte sich um. »Rozurial, glaubst du wirklich, du könntest dich vor mir verbergen? Ich weiß, dass du hier bist, also zeig dich einfach gleich. Deinen Geruch erkenne ich selbst nach all den Jahren.« Ihre Stimme klang weich, beinahe verletzt, und sie neigte den Kopf auf eine Weise, die in mir den Wunsch weckte, den Schmerz fortzuküssen, der in ihren Worten lag.

Roz trat hinter einer nahen Säule hervor. »Ich wäre nicht hergekommen, wenn wir nicht deine Hilfe brauchten. Sag mir eines - und falls du noch irgendeine Erinnerung an die Ehrenhaftigkeit besitzt, die uns einmal vereinte, dann sag die Wahrheit: Bist du mit dem Räksasa im Bunde?«

Fraale sah uns einen nach dem anderen an. Als ihr Blick meinem begegnete, glaubte ich, ein Glitzern wie von einer Träne in ihren Augen zu sehen. Sie blinzelte. »Bei meiner Ehre und der Ehrenhaftigkeit unserer Ehejahre, ich bin nicht seine Verbündete. Er lenkt mich, ja, aber das ist nicht mein freier Wille.«

»Wie dann?« Roz bedeutete ihr, sich zu setzen, und wir alle nahmen an dem runden Tisch Platz. »Sprich mit uns.«

Sie warf ihm einen gequälten Blick zu und zog den Kopf ein. Als sie sich wieder setzte, schien ihr Glanz einen Moment lang zu verblassen, und ich starrte plötzlich in die viel zu kummervollen Augen einer trauernden Frau.

»Er wird bald kommen. Wenn er mich im Gespräch mit euch ertappt. .«

»Bis dahin sind wir weg«, sagte Menolly. »Bitte, wir brauchen deine Hilfe. Wenn du nicht mit ihm im Bunde bist, dann hör uns zumindest an.«

Fraale überdachte Menollys Bitte. Schließlich seufzte sie und sagte: »Na schön. Was habe ich schon zu verlieren außer meinem Leben?«

»Dazu wird es nicht kommen«, versicherte ihr Roz. »Also, was tust du bei Karvanak?«

»Ich bin ihm versehentlich in die Quere gekommen«, begann Fraale langsam. »Ich habe einen seiner jungen Lieblinge in mein Bett gelockt, und Karvanak ist dahintergekommen.

Er war entsetzlich wütend; der Junge war noch Jungfrau gewesen, und der Dämon hatte sich darauf gefreut, ihn... ihn... zu deflorieren. Das konnte ich nicht zulassen. Er war noch so jung, kaum achtzehn Jahre alt. Er war Dichter, Künstler. Er hätte Karvanaks Misshandlungen niemals überlebt. Karvanak hat mir einen Tauschhandel vorgeschlagen.

Ich lasse ihn ein Jahr lang meine Energie abzapfen, und er lässt den Jungen gehen. Wie hätte ich da nein sagen können? Wie hätte ich diesen Jungen in den Tod schicken können? Er hat ausgesehen wie mein Bruder, Rozurial. Er hat mich so an Marian erinnert.«

Roz presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Er ließ den Kopf hängen.

»Du hast dich also geopfert, um den Jungen zu retten?«, hakte Menolly nach.

Fraale nickte. »Und ich bezahle einen bitteren Preis dafür. Karvanak ist abscheulich. Er befiehlt mir, hierherzukommen, einen Gespielen - oder eine Gespielin - zu finden und zu seinem Haus zu locken. Dort fällt er dann über sie her. Ich habe ihm zweimal gehorcht, aber ich kann das nicht immer wieder tun. Eher würde ich sterben. Habt ihr irgendeine Möglichkeit, mir zu helfen?«

Ihre Frage klang mir noch in den Ohren, und ich wollte sie gerade beantworten, als Menolly auf ihrem Platz zusammenzuckte.

»Karvanak. Er ist da drüben.« Sie deutete auf einen Tisch hinter mir. Wir konnten nur seinen Hinterkopf sehen. Aber diese glänzende Glatze war unverkennbar, ebenso wie sein teurer Anzug und der Duft nach Jasmin, Orangen und Vanillezucker, der zu uns herübertrieb.

Vorsichtig rutschte ich von meinem Sessel, bemüht, keine Aufmerksamkeit zu erregen. »Ich glaube, er hat uns noch nicht gesehen, aber wir müssen hier raus. Fraale, du kennst den Laden. Wo sollten wir es versuchen?« Wenn wir einfach zur Tür gingen, müssten wir direkt an ihm vorbei, und der Club war noch nicht vol genug, um in der Menge unterzutauchen.

Sie zögerte und sagte dann: »Durch die Katakomben wäre es am leichtesten. Er würde nie da hinuntergehen. Der Räksasa mag keine Vampire und kommt nur hierher, um geschäftliche Angelegenheiten zu regeln. Kommt, folgt mir und beeilt euch.«

Ehe Karvanak uns entdeckte, schlichen wir uns zur Treppe in der Mitte des Raums und stiegen hinab. Ich betete zu jedem Gott, der zufällig gerade zuhörte, dass Fraale die Wahrheit gesagt hatte. Denn ansonsten stand uns die Hölle auf Erden bevor.