Kapitel 15

 

Vanzir wirkte ungeduldig, während wir die Situation erklärten. Ich zupfte an meiner Jacke herum. Der Traumjäger gab sich zwar große Mühe, sich anzupassen, aber die Tatsache, dass er ein reiner Dämon war, blitzte auf vielerlei Weise hervor und machte mich nervös.

Und damit war ich nicht allein.

Ehe wir ins Auto gestiegen waren, hatte Camille mir anvertraut, dass der Dämon, der aussah wie ein Rocker im Heroin-Chic, ihr unheimlich war, obwohl er durch einen Eid an uns gebunden war. Aber wir brauchten jegliche Hilfe, die wir kriegen konnten, und da durfte man eben nicht wählerisch sein. Vor allem, wenn Schattenschwinge es auf einen abgesehen hatte. Vanzir wusste zu viel über uns, als dass wir ihn hätten freilassen können.

Wir verheimlichten ihm eine ganze Menge, aber da er ständig in unserer Nähe war, bekam er vieles auch einfach so mit.

Ich versuchte, meine Nervosität abzuschütteln und mich auf unser Ziel zu konzentrieren.

Da nun schon alle über die Brücke waren, übernahm Roz die Führung. Wir folgten ihm den immer schmaleren Grat entlang, der einen Pfad darstellen sollte. Wir gingen in die entgegengesetzte Richtung von der Klippe, auf der wir der Berglöwin begegnet waren.

Ich blickte gerade rechtzeitig über die Schulter zurück, um sie zu sehen - sie beobachtete uns hinter einem Gebüsch hervor. Nun öffnete sie das Maul, als wollte sie etwas sagen, doch selbst meine scharfen Ohren vernahmen nichts außer dem rauschenden Bach unter uns und den leisen Stimmen von Camille und Morio, die sich raunend unterhielten.

Wir alle konnten im Dunkeln sehen, zumindest einigermaßen, doch Roz bestand darauf, dass wir ein langsames Tempo anschlugen. Er hielt einen langen Stock in der Hand und klopfte damit den Boden vor uns ab. Wir könnten uns an großen Steinen auf dem Pfad die Knöchel verstauchen oder in Schlaglöcher treten oder vielleicht sogar auf eine Klapperschlange stoßen, obwohl man die eher auf der Ostseite der Kaskadenkette fand.

Aber in den Bergen wusste man ja nie.

Ich entdeckte einen schwachen Umriss in tieferem Schwarz. Rechts vor uns war eine Höhle in die Felswand eingegraben, und wir hielten direkt auf die finstere Öffnung zu.

Als wir näher heran waren, bekam ich eine Gänsehaut, und die Haare sträubten sich mir im Nacken.

Camille flüsterte: »Ich kann sie spüren. Irgendwelche Geister. Die Luft ist mit Energie schon völlig überladen, und ich weiß nicht, was passiert, wenn ich jetzt die Macht der Mondmutter herabrufe.«

»Versuch es gar nicht erst. Außer es wäre unbedingt notwendig«, sagte Smoky, der sie mit einer Hand im Rücken sacht voranführte. Der Anblick der beiden machte mich plötzlich traurig. Chase sollte jetzt hier sein; Chase sollte sich um mich sorgen, statt mit seiner Ex herumzumachen.

Zachary schien meine Stimmung zu spüren. Er legte mir sacht eine Hand auf die Schulter und flüsterte: »Keine Sorge. Wir beide geben schon aufeinander acht. Okay?«

Ich fühlte mich ein bisschen besser und lächelte ihn an, während ich mich fragte, was zum Teufel ich eigentlich wirklich wollte. Aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt für Selbstmitleid. Wir waren schon beinahe da, und ich schuldete es den anderen, ganz bei der Sache zu sein.

Als wir uns der Höhle näherten, glitt Menolly neben mich. »Geister spüre ich nicht gut, aber ich kann dir sagen, dass ich da drin keine dämonische Energie fühle.«

Vanzir hörte sie und ließ sich zu uns zurückfallen. »Ich auch nicht. Ich vermute, dass Karvanak und seine Bande diesen Ort noch nicht gefunden haben. Wir haben Glück«, fügte er hinzu und warf Menolly einen Blick zu. »Aber eines sage ich euch. Manche der Wesen, die aus der Schattenwelt kommen, lassen meinesgleichen geradezu lächerlich wirken. Wiedergänger und Schemen sind viel gefährlicher als der gewöhnliche Räksasa oder Traumjäger.«

Ich runzelte die Stirn. Kein angenehmer Gedanke. Jedenfalls keiner, mit dem ich mich befassen wollte, so viel stand fest. »Meinst du, dass es da draußen Geister oder Gespenster gibt, die so gefährlich sind wie Schattenschwinge?«

Meist vermieden wir das Thema Schattenschwinge, wenn Vanzir dabei war. Er war und blieb immerhin ein Dämon aus den U-Reichen. Er nahm es Schattenschwinge nicht direkt übel, dass der den größten Bösen Buben gab. Vanzir war nur mit seinem Plan nicht einverstanden, die Portale zu durchbrechen und Erde und Anderwelt zu überrennen. Ich fragte mich, wie weit diese Läuterung reichen mochte, wenn es darauf ankam.

Andererseits - weshalb hätte er sich dem Knechtschaftsritual unterwerfen sollen, wenn er sich nicht wahrhaftig ändern wollte? Zumindest ein bisschen? Er würde sterben, falls er versuchen sollte, einen Rückzieher aus dieser Verpflichtung zu machen, und das würde kein angenehmer Tod sein.

»Ich weiß es nicht. Hoffentlich nicht.« Vanzir zuckte mit den Schultern. Er starrte mich einen Moment lang an, und seine beunruhigend klaren Augen bohrten sich in meine Gedanken. Dann streckte er die Hand aus, und seine Finger berührten ganz leicht meinen Arm, ehe er es sich anscheinend anders überlegte und die Hand zurückzog.

»Ich weiß, dass du mir nicht vertraust«, sagte er. »Du kommst nicht dahinter, wie ich zu der ganzen Sache stehe. Das kann ich dir nicht verdenken. An deiner Stelle ginge es mir vermutlich genauso. Aber ich hoffe, dass du mir eines Tages wirst glauben können, wenn ich dir sage, dass ich keine versteckten Ziele habe. Ich mag als Dämon auf die Welt gekommen sein, aber ich bin nicht... es gefällt mir nicht, was ich in meinem Leben bisher getan habe. Das bin nicht ich. Ich passe nicht in die Unterirdischen Reiche und auch nicht zu den meisten meiner Art.«

Ehe ich etwas erwidern konnte, eilte er voraus, um Roz einzuholen. Ich sah ihm nach und stieß dann einen langen Seufzer aus - ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

Menolly fing meinen Blick auf, und wir zuckten beide mit den Schultern. Sie sah ebenfalls ziemlich verwundert aus. »Wer weiß?«, bemerkte sie so leise, dass selbst ich ihre Worte kaum verstand. »Vielleicht sagt er die Wahrheit. Halten wir trotzdem die Augen offen.«

In diesem Moment blieb Roz stehen, hob die Hand und winkte uns zu sich heran. Er legte sich den Zeigefinger an die Lippen. »Seid so leise wie möglich. In Seattle haben wir das Haus gestürmt, und ihr habt ja erlebt, wie das gelaufen ist.

Versuchen wir es diesmal mit einer etwas subtileren Vorgehensweise.«

»Ach, im Ernst?«, erwiderte ich, aber sehr leise.

»Ja, im Ernst.« Er lächelte mich an, wurde aber rasch wieder nüchtern. »Also, wir wissen nicht genau, wie es in der Höhle aussieht. Das konnte der Goldsucher uns nicht sagen, aber wenn er recht hat, befindet sich die Kammer mit dem Geistsiegel irgendwo links von der Haupthöhle. Es führt ein kurzer Gang dorthin, aber er hat ein paar alte Einsturzstellen und Schächte erwähnt. Verlauft euch nicht. Wenn die Mine intensiv ausgebeutet wurde, könnte es ein ganzes Labyrinth von Stollen geben. Das Holz, das sie abstützt, ist sicher morsch.«

Smoky runzelte die Stirn auf eine Art, die in mir Erleichterung darüber aufkommen ließ, dass ich nicht Roz war. »Das ist gefährlich. Ich war schon in alten Tunneln wie diesen.

Man kann ohne Vorwarnung darin erschlagen werden. Macht keinen Lärm - keine lauten Worte, keine Explosionen. Camille, du solltest dich mit deiner Magie zurückhalten.

Morio, dein Fuchsfeuer-Zauber ist in Ordnung, aber tu nichts, was das Gestein erschüttern könnte. Mit anderen Worten, wir werden die Geister mit Zaubern angreifen müssen, die keine Schockwellen erzeugen. Dieses eine Mal gehorcht mir, sonst endet ihr so platt geschlagen wie eine von Delilahs Spielzeugmäusen.«

Ich lachte schnaubend, aber nicht lange. Er funkelte mich an. Offensichtlich hatte er das nicht scherzhaft gemeint. Mein Lächeln erlosch.

»Der Mann hat es begriffen«, sagte Roz. »Das hier ist eine sehr delikate Mission. Also denkt nach, ehe ihr etwas sagt, und überprüft den Boden vor euch, ehe ihr in irgendwelche Stollen vorrückt.«

Camille warf Morio einen Blick zu. »Genau wie in Titanias Höhle. Die hatte auch ein paar hässliche Fall gruben.«

Wir stellten uns auf. Menolly und Vanzir bildeten die erste Angriffswelle. Sie waren am leisesten. Roz, Zach und ich machten die zweite Reihe. Camille und Morio kamen als Dritte. Smoky würde uns Rückendeckung geben und dafür sorgen, dass uns niemand von hinten überraschte.

Als Menolly und Vanzir in der Höhle verschwanden, stieß ich den Atem aus. Auf ein Neues, dachte ich. Dann gab ich Roz und Zach an meinen beiden Seiten einen Wink und ging in die Dunkelheit.

Die Luft schlug sofort um, von klar und kühl zu muffig und feucht. Es roch nach Schimmel oder Schleim oder irgendetwas, das ein paar Wochen zu lang im Kühlschrank gelegen hatte. Ich schaffte es gerade noch, den Atem anzuhalten, ehe mein Abendessen wieder zum Vorschein kommen konnte. Ich hatte einen stark ausgeprägten Würgereflex, dank der Haarknäuel-Problematik, und ich konnte zwar eine Tonne Junkfood verdrücken, während ich mir irgendwelches abartige Zeug im Fernsehen ansah - aber wenn ich einen Raum mit einem starken Geruch betrat, ging es gern mit mir durch.

Was auch immer das sein mochte, es roch nicht nach stinknormalem Moder. Nein, das hier war widerlich. Der Geruch war... er war... säuerlich und faulig und erinnerte mich an den Keller voller Toxidämonen, nur nicht ganz so schlimm.

»Mann, das ist ja ekelhaft«, flüsterte Zach mir ins Ohr. »Was zum Teufel riecht hier so?«

»Ich weiß es nicht, aber ich freue mich nicht gerade darauf, es herauszufinden.« Ein Steinchen unter einem Fuß brachte mich aus dem Gleichgewicht, und ich streckte den Arm aus, um mich an der Wand abzustützen. Meine Finger trafen auf den widerlichsten, klebrigsten Schleim, den ich je berührt hatte. Es fühlte sich an, als hätte ich die Hand in eine halb verweste Bananenschnecke gesteckt oder in eine dicke Schicht Rotz.

»Igitt! Pfui Teufel.« Ich schaffte es, meine Stimme zu senken, ehe ich meinen Ekel durch die Höhle schallen ließ. Ich zog die Hand zurück und versuchte verzweifelt festzustellen, ob sie mit etwas Gefährlichem bedeckt war oder nur mit etwas Ekligem.

Zach beugte sich darüber, und Roz zückte eine winzige, bleistiftdünne Taschenlampe und richtete den Lichtstrahl auf meine Finger. Sie waren mit etwas bedeckt, das wie eine Art zähes, gallertartiges Sekret aus einem Science-Fiction-Film aus den Fünfzigern aussah -

wie Gruselspielzeug, das Eltern ihren Kindern nie kaufen wollen, weil sie genau wissen, dass es im Magen oder - noch schlimmer - im Haar der lieben Kleinen landen wird.

Nur dass dieses Zeug hier schlimmer stank als Stinktiersekret. Schlimmer als mein Katzenklo, wenn ich ein paar Tage lang vergessen hatte, es sauber zu machen. Schlimmer als... Was zum

Ich hörte sofort auf, darüber nachzudenken, wie der Schleim roch, denn nun begann er sich auf meiner Hand zu bewegen. Er dehnte sich aus und wurde dabei zu einem dünnen Film. Als er sich um meine Finger wand und über meine Handfläche kroch wie eine Freakshow von einem lebenden Handschuh, stieß ich ein leises Kreischen aus.

»Schafft es runter von mir, sofort!« Es war mir inzwischen egal, wer oder was mich hören konnte. Visionen von Verdauungsenzymen, die sich bereits auf meiner Haut an die Arbeit machten, verdrängten alles andere aus meinen Gedanken. Ich war zu jung, um vom Blob verschluckt zu werden.

Zach griff nach meiner Hand, doch Roz schlug seinen Arm beiseite. »Fass es nicht an; lass mich das machen. Hier, halt du die Taschenlampe.«

Inzwischen hatten sich auch die anderen um uns versammelt, außer Menolly und Vanzir, die schon weit voraus waren. Roz brachte ein Essstäbchen zum Vorschein - wozu um alles in der Welt er ein Essstäbchen mit sich herumtrug, war mir ein Rätsel, im Augenblick aber auch vollkommen egal - und stupste damit den Schleim an. Der bäumte sich zu einer Art bizarren Gummikeule auf und schlug nach dem Holzstäbchen.

Großartig - ich wurde gerade von einem Rocky-Balboa-Blob verschlungen. Als Nächstes würde der Gallert sich zu einem kleinen Boxhandschuh formen und auf mich einschlagen.

»Ich habe keine Ahnung, was das ist«, sagte Roz und pikste es wieder mit dem Essstäbchen an. Diesmal stach er ein Loch hinein. Ein Brennen breitete sich auf meiner Handfläche aus, und ich zuckte zusammen.

»Hör auf! Ich glaube, es sondert irgendwas auf meine Haut ab!«

Smoky schob sich zu mir durch, beugte sich über meine Hand und flüsterte ein paar leise Worte, die ich nicht verstand. Ein dünner weißer Nebel drang aus seinem Mund und hüllte meine Hand ein. Er erinnerte mich an Iris' Schnee- und Eiszauber. Als der Nebellauf meine Hand traf, zog sich der Schleim sofort zu einer Pfütze auf meiner Handfläche zusammen und gab meine Finger frei.

»Was macht es jetzt?«, fragte ich, fasziniert und angewidert zugleich.

»Es versucht, seine Kerntemperatur so hoch zu erhalten, dass es nicht erfriert«, erklärte Smoky. Er blies wieder darauf, und der Blob kristallisierte zu einem weißen Fleckchen vereister Gelatine und gefror dann durch und durch. Der Drache tippte ihn an, und er zersprang. Ich neigte die Hand und ließ den gefrorenen Blob auf den Boden fallen.

»Ist es tot?«, fragte ich und starrte auf Hunderte von Schleimsplittern hinab.

»Vermutlich nicht. Derartige Wesen vertragen sehr starke Temperaturschwankungen. Das ist irgendeine Art Ektoplasma-Schleim.« Er untersuchte meine Hand. »Nichts passiert.

Passt nur auf, dass ihr die Wände nicht berührt. Es könnte hier noch andere, aggressivere Formen davon geben.«

Aggressiver? Kein angenehmer Gedanke.

Smoky blickte sich in dem Tunnel um, in dem wir standen. »Wenn sich zu viele Geister aus der Schattenwelt auf eng begrenztem Gebiet auf der physischen Ebene versammeln, staut sich das Übermaß an Geister-Energie auf und nimmt eine Art Eigenleben an -

meistens bildet sie Ektoplasma aus. Wenn die Geister sehr stark sind, entwickelt es sogar ein rudimentäres Bewusstsein und wird zum Räuber.«

»Wie gefährlich ist das Zeug?«, fragte ich.

»Diese Menge an Schleim hätte eine, vielleicht zwei Hautschichten von deiner Hand verdauen können, bis sie gesättigt gewesen wäre. Dann wäre sie in einen schlafähnlichen Zustand verfallen und währenddessen gewachsen. Wenn du sie nicht entfernt hättest, hätte sie sich wieder an die Arbeit gemacht, sobald sie die Verdauungsphase abgeschlossen hatte. Hätte dich eine größere Menge angegriffen, wäre es wohl viel schlimmer ausgegangen«, sagte er und erkundete mit Roz' Taschenlampe die Decke. »Schaut immer auch nach oben. Ektoplasma kann sich an Decken und Dächer heften.«

Ich wand mich bei der Vorstellung, noch mehr fleischfressenden Schleim an mir zu haben. »Wie viele von diesen Dingern gibt es hier drin, was meinst du?«

»Schwer zu sagen, wie viele genau, aber in einem Bereich, der mit spiritueller Energie gesättigt ist, entwickelt sich jeweils nur ein Exemplar jeder Unterart. Die verschiedenen Schleime lösen Zellhaufen von sich ab, doch ein gemeinsames Bewusstsein bleibt erhalten«, erklärte Smoky und wandte sich ab, um seinen Platz am Ende unserer kleinen Gruppe wieder einzunehmen.

Ehe es weiterging, wandte er sich noch einmal um und fügte hinzu: »Wenn ihr welchen seht, der eher indigoblau als grünlich ist, haltet euch um Himmels willen davon fern, sonst könnte euch vermutlich niemand mehr retten.«

»Aber natürlich: Viromortis-Gallerte! Jetzt weiß ich, was er meint. Mein Vater hat mir alles über sie erzählt, als ich noch jung war. Und Smoky hat recht«, sagte Morio. »Die indigofarbene Unterart ist viel aggressiver. Wenn eine Zelle ein Opfer findet, ruft sie ihre Schwesterzellen herbei, und die Dinger sind viel schneller, als man glauben möchte. Dem Indigo-Schleim macht Eis nichts aus, aber Feuer kann ihn versengen. Das bedeutet, dass wir das Ding von dir abbrennen müssten, wobei wir auch dich verbrennen würden.«

»Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Igitt!« Ich schauderte und rieb hektisch die Hand an meiner Jeans, um sicherzugehen, dass kein bisschen Monsterschleim mehr dran war. Ich warf Camille einen finsteren Blick zu. Sie bekam nie irgendwelche Gallert-Flecken ab. Ja, sie wurde von Dämonen vermöbelt, von Höllenhund-Blut verätzt und von Vampiren aufgeschlitzt, aber mit so etwas wie dem Schleim-Monster musste sie sich nie herumschlagen. Plötzlich war ich neidisch auf sie, obwohl ich wusste, dass das lächerlich war. Von uns dreien war ich immer diejenige - und daran würde sich wohl nichts mehr ändern -, die Matsch im Gesicht oder Katzenstreu am Hintern kleben hatte.

Wir schlichen tiefer in den Stollen hinein, wobei wir herabgefallenen Felsbrocken und ein paar kleinen Löchern ausweichen mussten. Die Schlaglöcher waren nicht tief genug, um uns zu verschlucken, aber man konnte sich daran höllisch den Knöchel verknacksen. Das putsch, putsch, putsch von tropfendem Wasser drang aus der Ferne zu uns. Während wir leise vorrückten, musste ich an die Minenarbeiter denken, die hier geschuftet hatten.

Sie hatten von Gold und Silber geträumt oder vielleicht von glitzernden Juwelen. Wie viele von ihnen waren jemals tatsächlich auf Reichtum gestoßen?

Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich nicht mitbekam, wie Roz uns bedeutete, anzuhalten. Deshalb prallte ich gegen Zachs Rücken und stieß ihn vornüber auf die Knie.

Ehe ich reagieren konnte, war er wieder aufgestanden. Ich flüsterte: »Hast du dir weh getan?«, und er schüttelte mit belustigtem Blick den Kopf.

Roz stand in einem Durchgang. Die Balken, die den Durchgang stützten, sahen alt aus, geschwächt von Wasser und Zeit. Ich lauschte dem Holz, und was ich hörte, gefiel mir nicht: Geräusche von Alter und Insekten, Last und Druck und splitterndem Holz.

Scheiße, wir waren wirklich in Gefahr. Je eher wir fertig wurden und hier rauskamen, umso besser.

Roz lauschte ebenfalls und wandte den Kopf erst nach links, dann nach rechts. Sein langes, lockiges Haar war zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, und er trug wie immer seinen schwarzen australischen Lederhut mit einer Feder im Hutband. Er hatte ihn irgendwo günstig gebraucht gekauft, nachdem er im Spätprogramm mit Menolly und mir Crocodile Dundee gesehen hatte - und selbst ich musste zugeben, dass der Hut gut zu seinem ledernen Staubmantel passte.

Er drehte sich um. »Ich glaube, diese Öffnung führt in eine andere Dimension. Vanzir und Menolly sind links abgebogen, da bin ich sicher. Rechts rieche ich Wasser. Und anscheinend führt der Weg in eine tiefe Kluft hinab. Diese Höhle weicht von allem ab, was für diese Gegend typisch ist. Es sollte hier keine Mammuthöhlen geben - nicht in diesen Dimensionen.«

»Gehen wir da einfach rein? Wenn es ein Portal ist - kommen wir dann wieder zurück, wenn wir die Schwelle erst überschritten haben?« Ich versuchte, mir alles in Erinnerung zu rufen, was ich über Portale wusste. Manche, wie diejenigen, die die Feen zum Schutz vor Dämonen errichtet hatten, ließen nur sehr wenige Wesen durch, waren aber ziemlich stabil im Gebrauch. Andere, wie die Portale, die sich willkürlich auftaten, waren nicht ausbalanciert und konnten sich ebenso willkürlich wieder schließen.

Roz blickte zu Smoky auf, der die Öffnung argwöhnisch betrachtete. »Was meinst du?«, fragte er leise. Das sagte mir, dass er besorgt war.

Smokys Blick flackerte zu Camille, dann zu mir. »Offensichtlich dachten Menolly und der Dämon, es sei sicher. Aber vielleicht haben sie den Durchgang auch erst bemerkt, als es zu spät war. Die ganze Höhle ist instabil. Wir könnten ebenso gut eine Bombe mit uns herumtragen. Eine falsche Bewegung, und wir bringen Tonnen von Gestein über uns zum Einsturz. Oder Schlimmeres.«

Camille holte tief Luft. »Uns bleibt keine andere Wahl. Wir müssen das Geistsiegel finden, und wir wissen nicht, wohin Menolly und Vanzir genau gegangen sind. Wie wäre es, wenn wir uns aufteilen? Die eine Hälfte bleibt hier, die andere geht durch, dann wissen wir, was passiert.«

Ich seufzte leise. »Ja, das wird wohl das Beste sein. Du bleibst hier, zusammen mit Smoky und Morio. Ich nehme Roz und Zach mit, wir gehen durch. Sobald wir die Schwelle überschritten haben, müssten wir merken, ob wir in Schwierigkeiten stecken oder nicht.«

Dieses eine Mal widersprach sie mir nicht, und ich fragte mich, ob ihre Hand ihr mehr Schmerzen bereitete, als sie sich anmerken ließ. Normalerweise spielte Camille mir gegenüber immer die Große-Schwester-Karte aus, aber jetzt wirkte sie nur ein wenig erleichtert.

Smoky nickte. »Rozurial, falls etwas schiefgeht, weißt du, wie du Delilah und Zach da herausholen kannst. Tu es, falls es nötig sein sollte.«

Mir stockte der Atem. »Das Ionysische Meer?« Ich warf Roz einen raschen Blick zu.

Smoky stieß ein leises Knurren aus, sagte aber nichts.

Ich starrte ihn an. »Komm schon, du weißt doch, dass Camille es mir irgendwann erzählen musste.«

Mit schiefem Grinsen sagte Roz: »Da hat sie wohl recht.«

Smoky führte Camille und Morio ein Stück von dem Durchgang weg.

»Falls es Arger gibt«, sagte Camille, »schreit - kreischt so laut wie möglich - tut, was ihr könnt, um uns Bescheid zu sagen. Wenn ihr verschwindet und wir euch nicht in ein paar Minuten wiedersehen, komme ich nach.«

»Du wirst nicht... «, begann Smoky, doch sie wischte seinen Protest beiseite.

»Natürlich werde ich, und du kannst mich nicht daran hindern.« Sie lief zu mir und stellte sich auf die Zehenspitzen, um mich auf die Wange zu küssen. »Pass gut auf dich auf, Kätzchen. Ich hab dich lieb. Handle dir keinen unnötigen Arger ein.«

Als sie zu ihrem Drachen zurückkehrte, holte ich tief Luft und ließ sie langsam wieder ausströmen. Dabei zählte ich von zwanzig rückwärts bis eins, um das Flattern in den Griff zu bekommen, das sich in meiner Magengrube ausgebreitet hatte.

»Sind wir so weit?«, fragte ich.

Roz und Zach nickten. Wir verschränkten die Arme miteinander und traten dann durch den Bogen, der in die riesige Höhle führte.