Kapitel 7

 

Bis wir auf dem Parkplatz der Zentrale der Ermittlungsbehörde hielten, die immer noch bescheiden Anderwelt-Erdwelt-Tatort-Team hieß, hatte ich meine Tagträume über den Herbstkönig abgeschüttelt und war ganz darauf konzentriert, Hilfe für Camille zu finden.

Wir gingen auf das Gebäude zu, doch auf halbem Weg dorthin brach Camille zusammen.

Ich kniete mich hin und legte den Handrücken auf ihre Stirn.

»Sie hat Fieber. Schnell, bring sie rein!« Smoky hob sie hoch und eilte mit langen Schritten in das Gebäude. Ich war ihm dicht auf den Fersen, zusammen mit Morio.

Vanzir und Roz warteten im Auto. Wir rannten durch den Haupteingang, wo Yugi - ein schwedischer Empath, der kürzlich zum Lieutenant befördert worden war - uns entdeckte. Er warf einen einzigen Blick auf Camille und winkte uns durch.

Das Leichenschauhaus war im Keller, drei Stockwerke tief unter der Erde, und die Heilerstation im Erdgeschoss. Als wir um die Ecke in den medizinischen Flügel rannten, blickte uns die Empfangsdame entgegen. Sie war noch recht jung und sah rein menschlich aus, aber irgendwo vor ein paar Generationen hatte eine Erdwelt-Fee in ihrer Abstammung mitgemischt. Sie drückte auf einen Knopf und rief über die Sprechanlage Sharah aus. Sharah kam aus dem Pausenraum geschossen.

»Untersuchungsraum eins«, sagte sie und rannte uns voran. Wir folgten ihr in den steril riechenden Raum. Er war blassgrün gestrichen - die Farbe sollte beruhigend wirken, aber mich deprimierte sie.

Smoky legte Camille auf die Untersuchungsliege, während Sharah sich die Hände wusch und ein Paar latexfreier Handschuhe überzog. Latex reizte ihre Haut, wie bei so vielen Elfen. »Was ist passiert?«

»Sie hat einen Höllenhund angegriffen und etwas von seinem Blut abbekommen. Ihre Hand ist an der Seite bis auf den Knochen offen.« Besorgt drückte ich mich neben der Liege herum. »Sie wollte nicht eher gehen, bis wir da gründlich sauber gemacht hatten, aber ich habe sie dazu gebracht, sich wenigstens etwas zurückzuhalten.«

Sharah blickte zu mir auf. »Klingt ganz nach Camille«, sagte sie und wickelte dann den Verband ab. Die Wunde hatte sich inzwischen richtig entzündet, Eiter sickerte aus dem tiefen Krater. »Mutter Arachne, seht euch das an.«

»Wird sie es überstehen?«, fragte Smoky am Fußende der Liege, von wo aus er mit verschränkten Armen und nachdenklicher Miene zusah. Morio stand neben ihm.

»Sie ist vermutlich vor Schmerz in Ohnmacht gefallen. Der muss unerträglich sein, wenn ich mir die Wunde so ansehe. Wisst ihr eigentlich, dass die Zwerge oben im Nebelvuori-Gebirge die Säure aus Höllenhund-Blut benutzen, um Verzierungen in ihre magischen Schwerter zu ätzen?« Sie blickte kurz zu uns auf. »Sie ist dort sehr begehrt. Ihr hättet ein kleines Vermögen machen können, wenn es euch gelungen wäre, das Wesen auszubluten, ehe es verschwand.«

»Wir haben in dem Moment eher nicht an Geld gedacht«, sagte ich.

Camille bewegte sich, als Sharah die Wunde reinigte, indem sie die verletzte Hand in eine Schüssel mit einer schäumenden Flüssigkeit tauchte. Weiße Rauchfähnchen kräuselten sich in die Luft, als das Zeug um die Wunde herum zu blubbern begann.

»Verstehe ich sehr gut«, sagte sie. »Die Infektion ist begrenzt - nur oberflächlich. Ich glaube nicht, dass sie sich so schnell in ihrem Blutkreislauf hat ausbreiten können. Camille hat verdammtes Glück gehabt«, fügte sie hinzu und sah mich an. »Eine halbe Stunde später, und sie hätte mit einem Fuß schon im Grab gestanden. Und das wäre ein entsetzlich schmerzhafter Tod geworden.«

Plötzlich fühlte ich mich so schwach, dass ich mich mit dem Rücken an die Wand sinken ließ. Ich war gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass die Wunde tödlich sein könnte. Schmerzhaft, ja. Entstellend vielleicht, falls es eine große Narbe gab. Mit tödlich hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Smoky wurde leichenblass, und Morio sog mit einem scharfen Zischen den Atem ein.

Während Sharah das tiefe Loch in Camilles Hand untersuchte, regte sich Camille und stöhnte leise. Sie öffnete blinzelnd die Augen und sah sich verwirrt um.

»Alles in Ordnung«, sagte Sharah. »Du hast vor Schmerz das Bewusstsein verloren, aber das wird wieder. Wenn du so freundlich wärst, deinen besorgten Ehemännern und deiner Schwester zu sagen, sie sollten sich verziehen... Ich kann mich wirklich viel besser um dich kümmern, wenn sie mir nicht ständig über die Schulter gucken.« Sie lächelte uns an, wies aber mit einem Nicken zur Tür. »Na los. Sie ist bald wieder auf den Beinen und wird nur eine Zeitlang einen Verband brauchen. Es kann sein, dass eine hässliche Narbe zurückbleibt, aber Camille wird es überstehen.«

Ehe ich an meine Schwester herankommen konnte, schob Smoky sich an der Elfe vorbei, beugte sich vor und küsste Camille lang und zärtlich auf den Mund. »Ich warte gleich hier draußen«, sagte er. Morio wollte sich nicht ausstechen lassen und tat es ihm gleich.

Als die beiden widerstrebend zur Tür gingen, strich ich Camille das Haar aus dem Gesicht und küsste sie auf die Stirn. »Erhol dich gut. Ich mache mich auf die Suche nach Chase. Bin bald wieder da.« Auf dem Weg zur Tür fügte ich noch hinzu: »Wenn sie Ärger macht, Sharah, sag mir ruhig Bescheid.«

Sharah lachte. »Kein Problem. Geh du nur. Ich glaube, Chase ist in seinem Büro.«

Mit einem letzten Blick auf Camille, die ziemlich weggetreten aussah, ging ich zur Tür hinaus und zurück zum Wartebereich. Smoky und Morio saßen auf einem dieser unbequemen, zu niedrigen Sofas, die man wohl in jedem Krankenhaus findet. Sie unterhielten sich im Flüsterton. Ich reckte den Daumen zum Gruß, eilte an ihnen vorbei und durch das Labyrinth aus Korridoren zu Chases Büro.

Die Gewissheit, dass es Camille bald wieder gutgehen würde, hob meine Laune. Ich fühlte mich einer langen Unterhaltung mit Chase gewachsen. Was auch immer ihm zu schaffen machte, wir würden gemeinsam da durchkommen. Ich hatte noch nie eine Beziehung gehabt, außer in Katzengestalt mit anderen Katzen. Aber die sind nun einmal von völlig anderer Natur. Wenn man bedachte, dass ich zum ersten Mal mit einem VBM zusammen war, schlug ich mich ganz gut, fand ich. Allerdings wusste ich, dass Menolly uns nicht die geringste Chance gab. Camille behielt ihre Ansicht für sich.

Chases Tür war geschlossen, und ich platzte ohne anzuklopfen herein, wie ich es schon immer getan hatte. »Hallo, mein Schatz, Überraschung!«

Was ich sah, ließ mich auf der Stelle erstarren. Ich brach in Schweiß aus, die Hand noch auf dem Türknauf. Eine zauberhafte Brünette, zierlich mit großen Brüsten und in irgendeinen knappen Designerfummel gehüllt, saß auf seinem Schreibtisch. Sie hatte die Beine weit gespreizt, und Chase stand dazwischen. Sein linker Arm umfing ihre Taille, während er mit der rechten Hand ihre Klitoris streichelte. Die Hose hing ihm auf den Knöcheln, und er schob den Schwanz in ihre Muschi. Als er jemanden hereinkommen hörte, stieß er so hart zu, dass sie aufschrie.

»Was zum Teufellist hier los?« Ich hörte meine Stimme, ehe ich merkte, dass ich etwas gesagt hatte.

»O Gott, ich komme!« Die Frau ließ den Kopf in den Nacken fallen und stieß ein langgezogenes Stöhnen aus. Chase fuhr herum, die Augen vor Angst weit aufgerissen.

Die Frau zog ihn fester an sich und schob sich ihm entgegen.

Chase befreite sich hastig und versuchte, sein Jackett zurechtzurücken. Sein Penis ragte darunter hervor. Offensichtlich hatte er immer noch die Latte seines Lebens.

»Wer ist sie? Sag schon!« Als ich mich der Frau zuwandte, krabbelte sie vom Schreibtisch und zog ihren Rock herunter. Sie strich ihn glatt, verschaffte mir aber vorher einen Blick auf ihren nackten Hintern, den ich gerade gar nicht gebrauchen konnte. Dann grinste sie mich höhnisch an.

»Es ist nicht... «, begann Chase, dann verstummte er. Er ließ den Kopf hängen. »Ich werde dich nicht belügen. Es ist genau das, was du denkst.

Das ist Erika. Sie ist... wir waren vor fünf Jahren miteinander verlobt.«

Chase hatte mir erzählt, er hätte noch nie eine ernste Beziehung gehabt. Diese Kleinigkeit hatte er dabei offenbar vergessen. Das war also Lüge Nummer eins.

Kochend vor Wut und unsicher, was ich sagen sollte, starrte ich die beiden an. Erika zupfte ihre Frisur zurecht und wirkte nun gelangweilt und vage genervt. Chase starrte mich an, und seine dunklen Augen schimmerten gehetzt.

Am liebsten wäre ich zu ihm hingelaufen, hätte ihn in die Arme genommen, Erika grün und blau geprügelt und mein Revier abgesteckt. Aber die Wahrheit lautete, dass ich kein Recht dazu hatte. Ich hatte mit Zachary, dem Werpuma, geschlafen. Chase hingegen hatte behauptet, ich würde ihm genügen. Er hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er je eine andere wollte. Er hatte mich belogen. Und ich hasste Lügner.

Einen Moment später fand ich meine Stimme wieder. »Wie lange läuft das schon?«

Chase ließ sich in den Sessel neben seinem Schreibtisch fallen und schaute zu Erika hinüber. »Vielleicht wäre es besser, du gehst jetzt. Ich muss mit Delilah reden.«

Sie warf mir einen unverschämten Blick zu, schnappte sich ihre Handtasche und rauschte hinaus. »Ruf mich an, wenn du fertig bist und wir essen gehen können«, warf sie über die Schulter zurück, und sie sprach gewiss nicht mit mir.

Ich wartete, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, und wandte mich dann wieder Chase zu. »Wann wolltest du mir eigentlich von ihr erzählen?«

Er wand sich. »Ich weiß es nicht. Vielleicht nie. Sie ist nur noch diesen Monat hier. Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise herausgefunden hast, Süße.«

»Nenn mich nicht Süße«, flüsterte ich und fragte mich, ob Mutter das je mit Vater hatte durchmachen müssen. Wir Mädels hatten immer angenommen, dass er ihr treu gewesen war, und Mutter hatte uns nie Anlass gegeben, daran zu zweifeln. Aber ich hatte soeben eine schmerzliche Lektion über Annahmen gelernt, weshalb ich jetzt eine Menge Dinge hinterfragte, die ich bisher einfach geglaubt hatte.

Vater hatte reines Feenblut gehabt, und Feen waren selten monogam. Hatten unsere Eltern Phasen der Eifersucht und Versuchung durchgemacht? Vater war ein gutaussehender Mann - es war schwer zu glauben, dass keine Frau je versucht haben sollte, ihn zu verführen.

Chase schluckte schwer. »Erika ist vor ein paar Wochen nach Seattle gekommen. Sie hat mich angerufen. Ich hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen, und ich dachte, wir würden nur mal zusammen essen gehen, und das war's. Aber dann hat sie gesagt, dass sie es bereut, mich damals aufgegeben zu haben. Dass sie mich immer noch vermissen würde.

Ich habe ihr gesagt, dass ich mit dir zusammen bin, aber das war ihr egal. Am nächsten Tag ist sie zum Mittagessen hierhergekommen... und dann ist es... irgendwie eskaliert.«

Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben und nicht die Stimme zu heben. »Liebst du sie?«

Er riss den Kopf hoch. »Sie lieben? Nein... nein. Wenn ich sie überhaupt je geliebt habe, dann ist das schon lange vorbei. Sie ist nur... Ich war so scharf, und du... «

»Und ich war was? Praktischerweise gerade nicht da? Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass du mich einfach anrufen und fragen könntest, ob ich Lust auf einen Quickie in der Mittagspause habe? Ich wäre hergekommen, das weißt du genau.« Jetzt war ich wirklich sauer. Er konnte sich nicht mal eine anständige Ausrede einfallen lassen.

Als er nicht antwortete, schlug ich gegen die Wand - mit der flachen Hand, um kein Loch hineinzuhauen. »Du willst mir also erzählen, dass du sie gefickt hast, weil es dir zu mühsam war, mich anzurufen? Dass du einfach zu geil warst, um so lange zu warten, wie ich bis hierher gebraucht hätte? Erspar mir das!« Ich schüttelte den Kopf, als ich Tränen in mir aufsteigen fühlte. Wütend auf mich selbst, weil mich das so sehr traf, schob ich sie beiseite. »Ich war wenigstens mutig genug, dir von Zachary zu erzählen, und zwar sofort danach. Und ich habe es nicht einfach heimlich weiterhin mit ihm getrieben.«

Chase sprang mit blitzenden Augen auf. »Du wolltest mir aber nicht versprechen, dass es nie wieder passieren... «

»Ich habe dir gesagt, dass ich zuerst mit dir reden würde, falls so etwas wieder passieren sollte. Ich würde dir die Chance geben, selbst zu entscheiden, ob du damit klarkommst oder nicht. Ich habe nie etwas hinter deinem Rücken... «

»Blödsinn!«

»Wie bitte?« Ich trat so dicht an den Schreibtisch, dass uns nur noch Zentimeter trennten.

»Was zum Teufel soll das heißen? Nennst du mich etwa eine Lügnerin?«

»Sieh es ein, Delilah. Du und deine Schwestern, ihr verbergt ständig irgendetwas vor mir.

Oder vergesst bedauerlicherweise, mir Dinge zu erzählen, die ich wissen sollte. Was glaubst du eigentlich, wie ich mich bei euch und eurer kleinen Bande von Superhelden fühle? Camille und ihre Hengstparade, Menolly und ihre blutrünstigen Freunde. Alle macht ihr eure eigenen Regeln, und wenn ich mal etwas dagegen einzuwenden habe, höre ich nur: ›Vielleicht sollten wir nach Hause gehen und die Dämonen dir überlassen, Chase‹, oder: ›Ach, werd endlich erwachsen und gewöhn dich dran, Chase.‹ Interessiert ihr euch jemals wirklich für meine Meinung? Ist euch diese Welt im Grunde nicht scheißegal? Oder versteckt ihr euch nur hier drüben, weil eure psychotische Königin ein Kopfgeld auf euch ausgesetzt hat?«

Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. Glaubte er etwa, was er da sagte? Wie war es möglich, dass ich die letzten sechs Monate mit diesem Mann verbracht hatte und dabei nie über die Ablehnung gestolpert war, die aus ihm hervorsprudelte? Denn genau das kam gerade an die Oberfläche. Seine Worte waren vol er Ablehnung, Ärger und Neid. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und starrte ihn nur stumm an. Einen Moment lang glaubte ich, ich würde mich gleich verwandeln, und freute mich beinahe darauf, doch dann stand ich immer noch da und erkannte, dass nichts passieren würde.

Er schloss die Augen, lehnte sich an den Schreibtisch und sank langsam in sich zusammen. »Es tut mir leid. Ich bin zu weit gegangen. Ich weiß, dass ihr euch wirklich engagiert und dass ihr Mädels es gerade nicht leicht habt... Ich bin nur... « Er seufzte tief und sagte dann: »Ich habe keine Ausrede, Delilah. Ich war frustriert darüber, wie in letzter Zeit alles läuft. Es geht drunter und drüber, und irgendwie hat es immer etwas mit euch zu tun. Ich glaube, Erika... sie hat mich an eine Zeit erinnert, als alles viel einfacher war. Sie war da, sie wollte, und ich wollte sie. Also... habe ich mit ihr geschlafen.«

Ich war wie betäubt und fühlte nichts außer brennender Scham, die ich nicht einmal verstehen konnte. Ich suchte nach Worten, doch sie waren versprengt und wollten nicht zurückkommen. Schließlich wandte ich mich ab.

»Ich muss hier raus«, sagte ich. »Menolly ruft dich an, falls 'irgendetwas passiert. Du kannst jederzeit Iris oder Camille anrufen. Ich muss... Ich will... Ich gehe jetzt, und ich möchte eine Weile lieber nicht mit dir sprechen.«

»Delilah, du kannst nicht einfach gehen. Wir müssen darüber reden.« Er eilte zu mir und streckte die Hand nach mir us, aber ich zuckte zurück und blieb stehen wie erstarrt. Ich wollte nicht, dass er mich berührte, wollte seine Hand nicht auf meiner Haut spüren. »Geh nicht. Bitte bleib hier. Es tut ir leid. Es tut mir leid, dass ich es dir nicht gesagt habe.« Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht tat es ihm wirklich leid, vielleicht bereute er aber auch nur, dass ich ihn ertappt hatte. Ich wollte es gar nicht wissen. Jetzt nicht. Vielleicht nie. »Ich gehe jetzt durch diese Tür hinaus und den Flur entlang. Bitte komm mir nicht nach.«

»Delilah - nicht!«

Als ich durch die Tür trat, hielt ich inne, wich aber seinem Blick aus. »Übrigens, du solltest wohl wissen, dass Camille in der Krankenstation ist. Sie wäre heute beim Kampf gegen einen Höllenhund beinahe gestorben. Und nur zu deiner Information: Wenn wir die Welt unserer Mutter und die Leute, die hier leben, nicht sehr lieben würden, wären wir schon längst weg. Wir alle haben den Preis dafür bezahlt, in Blut und Schmerzen. Wir sehen dem Tod ins Auge, jedes Mal wenn wir da raus gehen.«

»Delilah... «

Sein Flüstern drang durch meinen Zorn. Ich wirbelte herum und funkelte ihn an. »Wenn wir diese Welt nicht lieben würden, hätten wir sie den Höllenhunden und Dämonen und den Irren überlassen, die hier durch die Straßen streifen. Die Perversen, die Menolly erledigt, damit sie nie wieder jemandem etwas antun können. Dieselben Typen, die du und deine Leute nicht verhaften oder nicht wegsperren könnt. Ich scheiß auf dich, Chase Johnson. Ich scheiß auf dich, deine Unsicherheit und deine Lügen. Du willst eine offene Beziehung? Schön! Du wusstest genau, dass ich nichts dagegen hätte. Aber ich will , dass dabei alles offen und ehrlich abläuft. Im Volk meines Vaters ist man zumindest ehrenhaft genug, es seinem Liebhaber zu sagen, wenn man sich einen neuen nimmt. Kannst du das auch von dir behaupten?«

Er streckte flehentlich die Hände aus. »Delilah, bitte... können wir nicht in Ruhe darüber reden?«

Ich hatte genug. Ich war nicht einmal sicher, ob mich Erika oder seine Lügen schlimmer trafen. Und ich wusste, dass es eine Weile dauern würde, bis ich Ordnung in meine Gedanken und Gefühle gebracht hatte. Wenn ich uns überhaupt noch eine Chance geben wollte, dann brauchte ich erst einmal Abstand. Ich schüttelte den Kopf.

»Vielleicht in ein, zwei Wochen. Aber vorerst lassen wir es bei unentschieden. Ich will eine Pause. Wie gesagt, du kannst Iris oder meine Schwestern anrufen, wenn du offizielle Angelegenheiten mit uns besprechen musst, aber ich will keinen Kontakt zu dir. Ich muss nachdenken. Und du auch.« Damit schloss ich die Tür hinter mir. Ich weinte auf dem ganzen Weg den Flur entlang.