12

Eingeklemmt in der Menge und mit dem Hackmesser des Surfs nur wenige Zentimeter vor der Nase, hatte ich keine Möglichkeit zu entkommen. Ich warf einen Blick auf den Mann neben dem wütenden Surf. Seine Hose und seine Schuhe waren aus Aalhaut und ich vermutete, dass er Walmelker auf einem Township war. Sein Hemd war offen und um seinen Oberkörper waren blutige Verbände gewickelt. Immerhin sah er nicht so aus, als hätten ihn meine Worte ebenfalls beleidigt.

»Der Herausforderer ist ein Freund von mir«, sagte ich und versuchte ruhig zu klingen, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug. »Und hier ist mein Tipp: Ihr wärt schön blöd, wenn ihr euch die Gewinnchancen bei dieser Wettquote entgehen lassen würdet.«

Der Surf mit dem Hackmesser erwiderte nichts. Offensichtlich überlegte er noch, ob er mich am Leben lassen sollte.

Doch dann ergriff der zweite das Wort. »Ihr müsst echt gute Kumpel sein«, spottete er und zeigte mit dem Arm ringsum, »wenn du seinetwegen hier oben im Nasenbluten-Bereich zwischen uns – dem menschlichen Abschaum – festsitzt.«

»Ich wollte mal wissen, wie es von hier oben aussieht. Ich kann jederzeit wieder runtergehen.«

Der Kerl amüsierte sich offensichtlich köstlich über mich, denn er lachte herzhaft. Plötzlich hielt er jedoch inne und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den verbundenen Bauch.

Rinnsale aus Schweiß liefen über meine Stirn und hinterließen Streifen auf der Zinksalbe. Das Letzte, was ich jetzt brauchte, war, dass diese beiden Typen meinen Schein entdeckten und mich als Siedler entlarvten. Ich zwang mich, ruhig zu blieben. »Ihr werdet schon sehen. Ich werde gleich runtergehen, und wenn ich am Ring bin, nehme ich meinen Hut ab und winke euch zu.«

»Pass auf, das ist der Deal«, sagte der erste Mann, noch immer ernst wie eine Leiche. »Du erzählst mir von dem Herausforderer und ich werfe dich nicht von hier oben runter.«

Als ich nicht antwortete, mischte sich erneut der zweite Kerl ein. »Nimm das Angebot lieber an, Fischer. Wir sind auf der siebten Ebene. Wenn Levee dich runterwirft, stehen deine Überlebenschancen so zwanzig zu eins, wette ich.« Frisches Blut sickerte aus dem Verband und er presste eine Hand auf die Stelle. In Anbetracht der Menge des Blutes und der Größe des Verbandes mussten die Schmerzen fast unerträglich sein. Allein die Tatsache, dass der Mann überhaupt noch eine Unterhaltung führen konnte, war schockierend.

»Also los, von welchem Township ist er?«, fragte der Mann namens Levee, während er sein Hackbeil zurück in den Gürtel steckte.

»Er ist kein Surf«, antwortete ich.

Keiner der beiden Männer glaubte mir.

»Das Ganze wird nicht ohne Grund Surf-Boxen genannt«, sagte der zweite.

»Steht in den Regeln, dass du ein Surf sein musst?«

»Welche Regeln denn?«, höhnte Levee. »Nur Surfs sind zäh und verbittert genug, um in diesen Ring zu steigen.«

»Zäh und verbittert ist er auch.« Ich senkte die Stimme, sodass nur die beiden mich verstehen konnten. »Er ist der Anführer der Seablite-Gang.«

Was auch immer sie erwartet hatten, damit hatten sie nicht gerechnet. Ich hatte sie wirklich überrascht. Also setzte ich noch einen drauf. »Er verfügt über eine Dunkle Gabe. Diese Tätowierungen auf seinem Rücken und den Armen sind gar keine echten Tätowierungen. Er kann die Farbe seiner Haut ändern und das von einer Sekunde auf die andere. Er kann sich so gut an seine Umgebung anpassen, dass der andere Typ ihn nicht einmal mehr sehen kann.«

Ich hatte bei diesen Worten kein schlechtes Gewissen, denn Shade hatte damals auch einfach herausposaunt, dass ich eine Dunkle Gabe besaß. Er würde seine Gabe bestimmt nicht verbergen. Ich war mir sicher, dass er sie benutzen würde, um heute zu gewinnen.

»Das ist mal ’ne verdammt gute Geschichte«, sagte der zweite Kerl beeindruckt, aber auch skeptisch.

»Ich glaube nicht, dass er lügt, Krait.« Levee musterte mich.

»Ich sage die Wahrheit. Ihr könnt euch nachher davon überzeugen. Und wenn ihr euer Geld bei diesen Quoten nicht setzt, werdet ihr es bereuen.«

Levee nickte. »Also gut, Fischerjunge. Da ich ein Zocker bin, lasse ich es drauf ankommen.«

»Diese Information muss etwas wert sein«, sagte ich und versperrte Levee den Weg. Meine Familie war plötzlich auseinandergerissen worden, was hatte ich noch zu verlieren? »Bitte erzähl mir von der Drift«, bat ich leise. »Ich habe einen persönlichen Grund, danach zu fragen. Und ich werde auch nichts weitersagen.«

Ein ängstlicher Schatten jagte über sein Gesicht. Er schien plötzlich ein völlig anderer Mensch zu sein als der, der mich vor einer Minute bedroht hatte.

Krait wickelte gerade einen Teil seines Verbandes ab und sagte beiläufig: »Wie wäre es damit: Wenn der Herausforderer gewinnt, wird Levee mit dir reden.« Er sah seinen Freund an. »Was sagst du dazu?«

Levee hatte seine Fassung zurückerlangt, war wieder ganz der Draufgänger und nickte. »Wenn ich bei diesem Kampf Geld gewinne, viel Geld, werde ich dir erzählen, was ich vor einer Stunde gehört habe.«

»Das wirst du«, betonte ich. »Wo werde ich dich finden?«

Krait lächelte bitter. »Genau hier, auf der einzigen Ebene, auf der wir uns aufhalten dürfen.« Der halb abgewickelte Verband rutschte von seinem Oberkörper und genähte Wunden kamen zum Vorschein. Ungerührt begann er, sie neu zu verbinden.

»Wie ist das passiert?« Die Worte waren mir einfach herausgerutscht.

Leicht überrascht sah er auf. Dann schien er sich zu erinnern, dass er nicht mit einem Surf sprach. »Ein Versehen«, erwiderte er knapp.

Ich nickte nur, denn ich wollte mein Glück nicht durch weitere Fragen herausfordern. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte seine Bauchgegend wohl »versehentlich« Bekanntschaft mit ein paar gefährlichen Zähnen gemacht, die in einem besonders großen, kräftigen Kiefer gesteckt haben mussten. So viel wusste ich mit Sicherheit.

Ich wusste auch, dass dieser Biss nicht von einem Hai stammen konnte. Doch ich hatte keine Ahnung, was es dann gewesen war.

Während ich mich zu Gemma und den Outlaws auf den Weg nach unten machte, bemerkte ich, dass sich auf jeder Ebene ziemlich brutal aussehende Männer als Wachposten in der Nähe der Treppenhäuser aufgestellt hatten. Sollten sie nur für Ruhe sorgen oder die Surfs davon abhalten, sich auf den anderen Decks herumzutreiben?

Als ich die Treppe zur zweiten Ebene erreichte, versperrte mir der Wachmann den Weg. »An den Ring kommt man nur mit Einladung«, schnappte er. »Und ich weiß, dass Fischer nicht eingeladen sind.«

Glücklicherweise kam Eel gerade mit einem vollen Sack über der Schulter vorbei. »Der blaue Junge gehört zu mir«, sagte er. Der Mann schien Eel wiederzuerkennen, trat zur Seite und wir drängten uns die Stufen hinab.

»Machst du dir Sorgen um deine hübsche Haut?«, fragte er.

Ich ignorierte seine Stichelei. »Was ist in dem Sack?«

»Das ist kein Sack, sondern ein Tischtuch«, korrigierte er mich. »Es wäre doch ein Verbrechen, dieses Festmahl vergammeln zu lassen.«

Als wir die zweite Ebene betraten, sah ich, dass Wasser über die untersten Stufen der Treppe schwappte. Die Flut kam herein und ich fragte mich, ob auch diese Ebene überflutet werden würde.

Wenigstens war es hier nicht so überfüllt und wir kamen schneller voran. Wir bahnten uns einen Weg zum Bohrschacht in der Mitte der Stadt, wo Gemma am Geländer stand.

Ein paar Mitglieder der Seablite-Gang lungerten in ihrer Nähe herum. Sie wirkten nicht ganz so bedrohlich, wie ich sie in Erinnerung hatte, aber ich hatte sie auch nur flüchtig gesehen, als sie wegen Shade auf der Handelsstation aufgetaucht waren. Ich entdeckte Shade, der mit geschlossenen Augen zurückgelehnt auf einem Stuhl saß und ein Stück Kreide zwischen den Händen rieb.

Als ich am Geländer angekommen war, nahm ich meinen Hut ab, um Levee und Krait auf dem Sonnendeck zuzuwinken, und sah sie zurückwinken.

Hinter mir breitete Eel das Tischtuch mit dem durcheinandergeworfenen Essen aus. Als er sich aufrichtete, sah er zu Gemma und mir hinüber und kicherte. »Ihr zwei seht wirklich zum Anbeißen aus.«

»Was?«, fragte ich verständnislos.

Gemma drehte sich neugierig zu mir um. Nachdem sie mich kurz gemustert hatte, sagte sie lächelnd: »Wir passen zusammen! Hast du das mit Absicht gemacht?«

Ich brauchte einen Moment, um dahinterzukommen, dass sie über meine Zinksalbe und ihren Sari sprach – die haargenau dieselbe Farbe hatten – und Eel nutzte die Zeit, um auf ihre Frage zu antworten. »Hat er ganz bestimmt, Süße. Wer würde nicht zu dir passen wollen?«

Sie strahlte mich an, sodass ich es nicht fertigbrachte, klarzustellen, dass mir das überhaupt nicht in den Sinn gekommen war. Jedenfalls nicht bewusst. »Sicher …«, murmelte ich, dann bemerkte ich die teils belustigten, teils angewiderten Mienen der Outlaws. Zumindest war die Zinkpaste schön dick aufgetragen worden. Selbst wenn das Blau mich zu einem sentimentalen Idioten machte, verdeckte die dicke Schicht meinen Schein, der sich gerade heiß und leuchtend wie die untergehende Sonne anfühlte.

»Das ist Ty«, teilte Eel den Outlaws mit. Dann deutete er auf einen Gesetzlosen, den ich in einer Gegenüberstellung jederzeit wiedererkennen würde – den großen Kerl mit den spitzen Zähnen. Nur dass er jetzt nicht lächelte, um sie zu zeigen.

»Hatchet«, stellte Eel uns einander vor.

Hatchets schwacher Schein ließ seine hellbraune Haut wie Bernstein leuchten. Er erkannte mich offenbar auch wieder, denn seine schwarzen Augen verengten sich zu Schlitzen, während er mich musterte. Meinetwegen hatte er sich vor ein paar Monaten den Arm in einer Luke eingeklemmt. Er schien sich aber wieder vollkommen erholt zu haben, denn jetzt schlossen sich seine Finger zu einer Faust.

Eel zeigte auf zwei weitere Outlaws am Geländer und sagte: »Das sind Trilo, als Abkürzung für Trilobite, und Kale.«

Wenn er ihre Namen der Reihenfolge nach genannt hatte, dann musste Trilo der drahtige Kerl sein, der sich so sehr auf das Wasser im Bohrschacht konzentrierte, dass er Eel nicht einmal gehört hatte. Er war wahrscheinlich von allen aus der Gang meinem Alter am nächsten. Der Rest hatte mir wenigstens zwei Jahre voraus, bis auf Kale, der groß gewachsene Typ neben Trilo. Er war wahrscheinlich fast so alt wie Shade und wirkte nicht so sehr wie ein Outlaw. Abgesehen von der Narbe an seiner Wange hätte Kale mit seinen gekämmten braunen Haaren, dem offenen Blick und der knielangen, zugeknöpften Weste als Topsider-Lehrling durchgehen können. Er war sogar so höflich, zum Gruß die Flasche mit Blasentang-Bier zu heben.

Neben mir atmete Gemma scharf ein. »Was ist in dem Becken?«

Erst jetzt bemerkte ich, dass die Wasseroberfläche so aufgewühlt war, weil sich im Becken etwas bewegte.

Trilo drehte sich um und sah uns an. Seine Augen hatten die Farbe von radioaktiven Algen. Es hätte bei jedem unheimlich ausgesehen, doch durch seine dunkle Haut mit dem blassen Schein schien das giftige Grün regelrecht zu leuchten. »Aale«, sagte er und fummelte an den vielen Amuletten herum, die an seinem Hals baumelten.

Darauf hatte er also gestarrt … und zwar äußerst besorgt.

Gemma verzog das Gesicht. »Kein Wunder, dass da niemand reinfallen will.«

Eel und Kale wechselten einen Blick, der einen Verdacht in mir weckte. »Was für Aale?«, fragte ich.

»Neunaugen«, erwiderte Kale bemüht beiläufig.

Mein Blick wanderte zu Shade. Er musste gewusst haben, worauf er sich da einließ. Doch welcher vernünftige Mensch würde freiwillig auf ein Floß steigen, das in einem Becken voller Neunaugen schwamm? Und noch dazu darauf boxen wollen?

»Ist Rip Tide von einem Netz umgeben?«, fragte ich. »Werden sie auf diese Weise drin gehalten?«

Eel nickte. »Es wurde um die Beine der Bohrinsel gespannt.«

Gemma sah von ihm zu mir und versuchte, aus unserem Gespräch schlau zu werden. »Gehören Neunaugen-Aale zu dieser elektrischen Sorte?«

»Nein«, sagte ich nur, denn ich wollte sie nicht noch mehr aufregen.

»Die geben nicht mal einen Funken ab«, fügte Eel hinzu, offensichtlich mit derselben Absicht.

Hatchet grinste und entblößte dabei seine gebleichten, spitzen Zähne. »Sie gehören eher zu der Ich-saug-dich-aus-Sorte.«

Ich hätte ihm eine verpassen können – auch wenn er einen Kopf größer war als ich.

»Was soll das heißen?«, rief Gemma.

Eel zuckte die Schultern, als sei das keine große Sache. »Sie saugen sich fest. So ähnlich wie Blutegel.«

»Nur dass Blutegel nicht über einen Meter lang sind und keinen Rachen voller Zähne haben«, gluckste Hatchet.

Als ich Gemmas entsetzten Gesichtsausdruck sah, bestätigte sich mein erster Eindruck. Hatchet war jetzt offiziell das Gangmitglied, das ich am wenigsten leiden konnte.

Shade warf Pretty das Kreidestück zu und erhob sich. Er schien von all dem völlig unbeeindruckt zu sein. Mit so einem Selbstvertrauen musste er einfach gewinnen, redete ich mir ein. Es mochte da draußen ein paar Männer geben, die größer waren als er – obwohl ich noch nie einem begegnet war –, doch ich konnte mir niemanden vorstellen, der zäher war.

Ich zwang mich, auf ihn zuzugehen. »Danke, dass du Fife dazu gebracht hast, mit mir zu sprechen.«

»Du hast ihr ein Zuhause gegeben«, erwiderte er mit einem Nicken in Gemmas Richtung.

Unsere Blicke trafen sich. Offensichtlich hatte sie Shade nicht erzählt, dass sie die letzten Monate auf der Handelsstation gelebt hatte. Mit einem kurzen Kopfschütteln ließ sie mich wissen, dass ich es auch jetzt nicht erwähnen sollte.

»Ist das eine Kellerassel?« Sie zeigte auf das gegrillte Krabbeltier, das Eel gerade zu knacken versuchte.

Ich wusste, dass sie nur das Thema wechseln wollte. Trotzdem musste ich lächeln, als ich sah, wie Eel sich abmühte. Er hielt die große Riesenassel an einem Hinterbein und bog sie über das Geländer, bis ihr Panzer am Kopf aufplatzte.

»Du willst das doch nicht etwa essen?«, stieß Gemma hervor.

Nachdem Eel das Tier in eine Schale mit gesalzenem Öl getaucht hatte, bot er ihr eines der Beine an. »Möchtest du mal kosten?«

Als Gemma angeekelt die Nase rümpfte, steckte er sich das eine Ende des Beins in den Mund und schlürfte laut.

Gemma wirbelte zu Shade herum. »Hast du ihnen denn keine Manieren beigebracht?«

Er lachte laut auf und ich war überrascht, wie viel Wärme darin mitschwang. Auch seine Antwort hatte nichts Sarkastisches. »Du kannst es ja gern versuchen.«

Da ertönten Jubelrufe und hallten von den Stahldecks der Stadt wider. Wir sahen zur anderen Seite der Plattform hinüber, wo jetzt der Box-Champion am Rand des Beckens stand. Der Surf mit den dunklen Haaren und dem Schnurrbart warf sein Handtuch ab. Seine Muskeln glänzten vor Öl, trotzdem wirkte er verglichen mit Shade eher schmächtig.

Ein paar junge Männer auf einer der oberen Ebenen riefen immer wieder: »Ansprache! Ansprache!« Daraufhin hob der Boxer seine Fäuste zu ihnen empor und knurrte wütend.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich die Outlaws.

»Gabion ist stumm«, erklärte Kale.

»Und sie ziehen ihn damit auf?«, fragte Gemma entrüstet. »Das ist einfach nur gemein.«

Kale nahm schnell einen Schluck Bier, um sein Lächeln zu verstecken, doch Hatchet prustete unverhohlen los. »Das ist einfach nur gemein«, äffte er Gemma nach und lachte sich fast schlapp.

»Ja, das ist es«, schnappte Gemma. »Eigentlich kann ich mir nichts Schlimmeres vorstellen, als sich über die Behinderung eines anderen lustig zu machen. Vielleicht tut er so, als mache ihm das nichts aus«, sie zeigte mit dem Finger auf Gabion, »aber ich bin sicher, dass es seine Gefühle verletzt.«

Jetzt brachen auch die anderen in Gelächter aus, Shade eingeschlossen, dessen polterndes Lachen ebenso laut wie tief war. Nur Pretty blieb ungerührt und rollte mit den Augen, als Eel zu würgen begann, weil er sich vor Lachen verschluckt hatte.

Ich unterdrückte mein eigenes Lachen. »Dass sie sich über Gabion lustig machen«, sagte ich leise zu ihr, »ist wahrscheinlich noch das Netteste, was in diesem Ring passieren wird.«

Shade war schon auf dem Weg zum Ring, da blieb er noch einmal kurz vor Gemma stehen. »Ich werde versuchen, seine Gefühle nicht zu verletzen, aber für den Rest von ihm kann ich nicht garantieren.« Er zupfte liebevoll an ihrem Haarband und stieg durch die Lücke im Geländer. Die Jubelrufe nahmen deutlich ab.

Fast fühlte ich mich schlecht für ihn, doch da erhoben sich begeisterte Rufe und ein wilder Applaus. Die Menge reagierte auf Shades Tätowierungen, die er über seine Haut wandern ließ – eine übermütige Zurschaustellung seiner Dunklen Gabe. Das Publikum fuhr voll darauf ab. Kein Wunder, dass Fife gern mit dem »Lokalkolorit« prahlte.

Auf der anderen Seite des Bohrschachtes machte Gabion ein finsteres Gesicht angesichts Shades aufkommender Beliebtheit.

Eel trat zu Gemma und mir ans Geländer. »Jetzt muss Shade diesen hässlichen Kauz nur noch ins Wasser werfen.«

»Und zwar vollständig«, fügte Kale hinzu. »Solange Gabion auch nur einen Finger auf dem Floß hat, ist der Kampf nicht vorbei.«

»Nun, das klingt einfach«, sagte Gemma hoffnungsvoll.

Eel hob eine Augenbraue. »Na klar, einfach. Nur, dass alles erlaubt ist. Beißen, aufspießen, Kopfstöße …«

»Augen ausstechen«, fiel Trilo mit ein.

»Erwürgen«, fügte Hatchet hinzu.

»Aufhören«, rief Gemma.

Ich dachte, sie wollte keine weiteren grausigen Kampftechniken mehr hören, doch dann fügte sie hinzu: »Benutz eine Serviette.« Jetzt kapierte ich, dass sie Eel gemeint hatte, der die fettigen Hände an seinem T-Shirt abwischte.

Grinsend zog er das Tuch von seinem Kopf und betupfte damit vornehm seinen Mund.

Auf beiden Seiten des Beckens bestiegen jetzt Shade und Gabion ein kleines Boot.

Während die beiden Boxer zum Floß gerudert wurden, deutete Eel auf die Zuschauer. »Sie hoffen auf einen blutigen Kampf. Sie schließen Wetten darauf ab. Und wie du mitbekommen hast, gibt Fife den Touristen gern, was sie wollen.«

Shade und Gabion stiegen gleichzeitig auf das Floß, das sofort stark zu schwanken begann. Offensichtlich waren die Fässer, die es über Wasser hielten, nur unter der Mitte befestigt. Das würde wohl eher ein Wettkampf im Gleichgewichthalten als ein Boxkampf werden.

Die Blicke fest auf den jeweils anderen gerichtet, fanden Shade und Gabion langsam Halt auf dem Floß. Sowie ihre Bewegungen ruhiger geworden waren, läutete ein Gong den Beginn des Kampfes ein.