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»Meinst du nicht, wir sollten auf deine Eltern warten, bevor wir da reingehen?«, fragte Gemma, während ich den ausfahrbaren Metallschneider betätigte, um die Ankerketten des Townships durchzuschneiden.

»Wozu?«, erwiderte ich. »Ich tue genau das, was sie auch machen würden.«

Schließlich durchtrennte ich die letzte Verbindung. Als die Kette abfiel, begann das Township träge aufzusteigen. »Es wurde gebaut, um auf dem Wasser zu treiben«, erklärte ich. »Die Turbinen unter dem Schiff sind nur für den Antrieb da.«

Wir sahen dabei zu, wie sich das Township langsam einen Weg durch den Sperrmüll bahnte. Ich stellte zufrieden fest, dass nichts den Aufstieg des Kolosses völlig aufhalten würde, und steuerte den Kreuzer am Township vorbei Richtung Wasseroberfläche, wo wir wenig später durch die Wellen brachen.

Die untergehende Sonne warf einen rosaroten Schimmer über das offene Meer. Es waren weit und breit weder Land noch Schiffe in Sicht. Während Gemma die Luke am Verdeck des U-Boots öffnete, machte ich mich auf die heiße Luft gefasst, die uns draußen erwartete. Gemma sprang einfach raus, glitt am Bootsrumpf hinab und landete auf einer der schmalen Sprossen, die am Cockpit angebracht waren.

Ich brauchte etwas länger, um mich an die Temperaturen zu gewöhnen, und blieb zunächst, wo ich war. Sogar zu dieser späten Tageszeit verbrannte mir das Sonnenlicht die Haut und die Hitze brachte meinen ganzen Körper zum Kochen. Jedes Mal, wenn ich an die Oberfläche kam, konnte ich nur daran denken, möglichst schnell wieder ins Meer zu tauchen. Doch nachdem ich noch einmal tief durchgeatmet hatte, zwang ich mich aufzustehen und spähte aus der Luke nach draußen.

Gemma lehnte, ein Bein angewinkelt, mit dem Rücken am Verdeck des U-Boots. Sie hatte einen Taucheranzug übergestreift, obwohl sie nicht die Absicht hatte, ins Wasser zu gehen. Nach all der Zeit, die sie in der Handelsstation verbracht hatte, hatte ihr Gesicht eine gleichmäßige Röte angenommen, während ihr langes braunes Haar von noch mehr hellen Strähnen durchzogen war. Die Auswirkungen der UV-Strahlung sahen hübsch an ihr aus, doch ich wandte den Blick ab und starrte auf das aufgewühlte Wasser, aus dem jeden Moment das Township auftauchen würde.

Ich wusste, dass es manchen Menschen unnatürlich vorkam, unter Wasser zu leben. Sie konnten die Angst vor dem Ertrinken, vor bestimmten Meerestieren oder der Finsternis nicht überwinden. Ich war nicht sicher, welche dieser Ängste letztendlich von Gemma Besitz ergriffen hatte, nachdem sie gerade mal drei Monate bei uns gelebt hatte. Sie hatte nur davon gesprochen, dass der Ozean ihr Angst einjagte und dass sie das Sonnenlicht und die Luft vermisste. Trotzdem gab ich die Hoffnung nicht auf, dass sie dem Leben unter Wasser doch noch eine Chance geben würde.

Über unseren Köpfen kreischten Möwen und Wellen klatschten gegen den Schiffsrumpf, nur wir gaben keinen Laut von uns, als das Township aus dem Meer auftauchte und sich immer höher vor uns aufbaute.

»Es sieht aus wie eine Spirale«, stellte Gemma schließlich fest.

»Wie eine Nautilus«, stimmte ich ihr zu, denn inzwischen war die Form des Schiffes unter den Seepocken gut zu erkennen. »Die Fenster bilden die Streifen der Muschel. Die Kuppel aus Plexiglas an der Vorderseite«, ich zeigte auf den abschüssigen, spitz zulaufenden Bereich, »formt die Tentakel nach.«

»Wo siehst du da Tentakel?«

»Sie sind zusammengebündelt.« Ich ließ mich zurück in den Steuersitz fallen. »Bereit?«

Sie nickte zwar nur zögernd, aber ich fuhr trotzdem weiter und steuerte den Kreuzer längsseits des Townships direkt neben den Puffer. Ich schaltete den Autopiloten ein und kletterte aus dem U-Boot. Der Computer würde es auf dieser Position halten. »Ich gehe nur kurz rein. Und ich werde nichts anfassen. Die Meereswache wird es untersuchen wollen, deshalb sollte ich lieber nichts verändern.«

Gemma nickte. »Ich helfe dir, die Luke zu öffnen.«

Es dauerte nicht lange, die Kette durchzuschneiden, die vom Drehrad am Lukendeckel bis zu einem Haltegriff am Schiffsrumpf gespannt war. Als ich die Luke aufzog, hatte ich das Gefühl, dass wir ein Grab öffneten. Eisige Luft schlug mir aus der Luftschleuse entgegen. Unter anderen Umständen hätte ich diese Abkühlung als angenehm empfunden, doch diese Art von Kälte jagte mir einen unheimlichen Schauer über den Rücken. Nach nur einem Atemzug wusste ich, dass der Sauerstoffgehalt viel zu gering war. Weil ich nicht riskieren wollte, dass mir schwindelig wurde, füllte ich meine Lunge mit Liquigen.

Gemma kletterte zurück auf das U-Boot. Unter den Sommersprossen war ihr Gesicht ganz blass geworden. »Bist du sicher, dass du da reinwillst?«

Ich nickte und wagte mich in die Luftschleuse vor.

»Ich werde hier auf dich warten und die Luke bewachen«, rief sie mir nach.

Die Schotte auf der anderen Seite der Luftschleuse standen offen, ich trat hindurch und fand mich in einem großen, weitläufigen Areal wieder. Das war vermutlich der Marktplatz. Durch die Algen und das Meeresgetier, mit denen die Plexiglaskuppel überzogen war, hatte das hindurchschimmernde Sonnenlicht eine grünliche Färbung, was dem Ort eine gespenstische Atmosphäre verlieh. Vielleicht war die nervöse Anspannung in mir aber nicht auf das trübe Licht zurückzuführen, sondern auf den Anblick der Menschen, die zusammengerollt und in Decken gewickelt auf dem Boden lagen. Ich war froh über das Liquigen in meiner Lunge, das mich davon abhielt, Hallo zu rufen, denn ich wusste, dass die Antwort nur eisiges Schweigen wäre.

Als ich mich näherte, sah ich, dass sie unter den Decken Schwimmwesten trugen – sie hatten auf Rettung gehofft, die nicht eingetroffen war. Ich schluckte, um den Kloß im Hals loszuwerden, und wandte mich lieber ab. Ich wollte nicht sehen, dass unter den Personen kleine Kinder waren, obwohl mein Verstand es längst wusste.

Ich richtete meinen Blick nach oben und stellte fest, dass sich die Plexiglaskuppel über dem Marktplatz tatsächlich aus mehreren Elementen zusammensetzte, die wie eine Reihe Tentakel zum Himmel hin geöffnet werden konnten. Nur dass das Bedienfeld nicht funktionierte.

Darauf bedacht, nichts anzurühren, umrundete ich vorsichtig das flache Becken, das in der Mitte des Platzes eingelassen war. Es befand sich kein Wasser darin, stattdessen bedeckten schimmernde weiße Kristalle die Seiten und den Boden des Beckens. Eis konnte es nicht sein, dazu waren die Kristalle zu groß. Ich brach ein Stück ab und kostete es. Das war Salz.

Ein schmales Rohr reichte in den Pool. Ich folgte ihm, bis es sich in der Mitte des Townships neben den geschwungenen Treppenaufgängen hinaufschraubte. Die meisten Türen der Wohnquartiere auf der Etage über mir standen offen, doch ich stieg die Treppe nicht hinauf. Ich brauchte mich nicht weiter umzusehen. Über diesem Schiff lag eine frostige Kälte, die alles Leben darin erstickt hatte. Hier konnte niemand überlebt haben.

Ich lief zurück zum Marktplatz und entdeckte Gemma, die in das Becken in der Mitte des Platzes starrte. »Niemand?«, fragte sie leise, als sich unsere Blicke trafen.

Da nun beide Schotten der Luftschleuse offen waren, musste genug Sauerstoff von außen hereingeströmt sein. Ich atmete ein, damit sich das Liquigen aus meiner Lunge verflüchtigte. »Ich fürchte nicht.«

Sie zitterte leicht. Dann beugte sie sich vor und berührte die Kristalle im Becken. Sie schien überrascht zu sein, wie leicht sie ein Stück mit der Hand abbrechen konnte. Sie hielt es in die Höhe, und als sich das Licht darin fing, erinnerte mich die Struktur des Kristalls an die Linien, die der tote Junge im Gesicht tätowiert hatte.

»Was ist das?«, fragte Gemma.

»Die Nomad war eine Salzfarm«, erwiderte ich traurig.

»Die Nomad?«

Ich zeigte auf das Wort, das an die Wand geschrieben war. »Das ist der Name dieses Townships.«

»Warum würde jemand so etwas tun?«

Ich schüttelte nur den Kopf. Ich wusste nicht warum. Und ebenso wenig konnte ich die Frage beantworten, die mir durch den Kopf ging, seit ich die Ketten vor den Luken entdeckt hatte: Wer würde so etwas tun?

Innerhalb einer Stunde hatten Mum, Dad, ich und ein paar unserer Nachbarn es geschafft, das Township zur Handelsstation zu schleppen. Wir ließen es neben dem Oberdeck treiben, das aus einem riesigen, zwei Stockwerke umfassenden Ring bestand, der auf der Meeresoberfläche schwamm. Der größere Teil der Handelsstation lag dreißig Meter tiefer versteckt unter der Wasseroberfläche und war mit einem dicken Seil mit der Plattform über dem Wasser verbunden.

Aufgrund der späten Stunde war das Oberdeck so gut wie menschenleer. Der Fischmarkt auf der Promenade, die etwa fünf Meter über den Wellen lag, hatte schon vor Stunden geschlossen. Nur eine Handvoll Boote war am schwimmenden Anlegering festgemacht und wurde von den Lichtern der Promenade darüber beleuchtet.

»Ein verdammt guter Fund«, sagte Raj, während er das Township beäugte. Mit den breiten Schultern, dem Bart und seiner lauten Art wirkte er eher wie ein Outlaw als ein Pionier. »Da sie alle tot sind«, er schwenkte seine Seegraszigarre, »bekommst du den Bergungslohn, gar keine Frage.«

»Ja, warum schmeiße ich nicht gleich eine Party?«, erwiderte ich, während ich auf Dad und Lars wartete. Sie waren an Bord der Nomad gegangen, um nachzusehen, warum die Maschinen versagt hatten.

»Weil du noch nicht begriffen hast, wie viel du damit verdienen wirst«, sagte Raj, als hätte ich nicht verstanden, was er vorhin gesagt hatte.

»Für die gibt es sowieso nichts mehr zu holen«, mischte sich Jibby ein und deutete mit seinem blonden Strubbelkopf zum Township. »Aber du kannst daraus ein kleines Vermögen machen.«

»Gemma und ich haben es gemeinsam gefunden«, stellte ich richtig. Gleich nachdem wir angelegt hatten, hatte sie sich in die Lounge zurückgezogen, um ihren Taucheranzug loszuwerden.

»Selbst wenn die Maschinen hin sind, könntest du das Schiff auseinandernehmen und in Einzelteilen verkaufen«, fuhr Jibby fort und ignorierte, dass ich Gemma erwähnt hatte. Mit seinen dreiundzwanzig Jahren war er zu alt für sie – so sah ich das jedenfalls. Sie war erst fünfzehn. Aber sie war auch das einzige Mädchen im gesamten Benthic-Territorium, das seinem Alter wenigstens nahe kam und das noch dazu hübsch war. Deshalb hatte Jibby ihr auch schon zweimal einen Heiratsantrag gemacht. Obwohl er beide Male enttäuscht worden war, dachte er gar nicht daran, die Hoffnung aufzugeben, was ich sowohl lustig als auch nervig fand.

Kurz darauf stolperten Dad und Lars aus dem Township. Lars war schon immer blass gewesen, doch als er sich jetzt gegen die Leiter lehnte, die zur Promenade hinaufführte, war er bleicher als ein Gespensterfisch. Dad schlug die Luke zu und klemmte zusätzlich ein Brecheisen hinter den Griff. Dann kniete er sich an den Rand des Anlegerings und spritzte sich Meerwasser ins Gesicht. Niemand sagte ein Wort, um den beiden Zeit zu geben, ihre Fassung zurückzugewinnen.

»Die Maschinen wurden blockiert. Das war eindeutig Sabotage«, sagte Dad mit heiserer Stimme. »Es sieht so aus, als hätten sie zumindest eine Weile einen Reservegenerator in Betrieb gehabt. Er hat ausgereicht, um für die Belüftung zu sorgen, aber nicht für Wärme. Diese armen Menschen sind an Unterkühlung gestorben, lange bevor ihnen die Luft ausgegangen ist.«

»Der größte Teil der Ausrüstung ist fast fünfzig Jahre alt«, fügte Lars hinzu, der noch immer an der Leiter lehnte. »Sie konnten froh sein, dass der Reservegenerator überhaupt angesprungen ist.«

»Aber das hat nicht gereicht«, murmelte ich.

»Wahrscheinlich haben sie gehofft, dass man sie rechtzeitig finden würde«, sagte Jibby betrübt.

Lars nickte. »Doch es gab keine Möglichkeit, ein Signal auszusenden.«

Ich konnte mir nicht vorstellen, wie schrecklich es sein musste, dabei zuzusehen, wie die Menschen erfroren, die man liebte.

»Wer würde so etwas tun?«, fragte meine Mutter. Sie hatte die Arme verschränkt, als wollte sie auf diese Weise ihre Bestürzung in Grenzen halten. »Wer würde ein bewohntes Township am Meeresboden verankern und die Luken mit Ketten verschließen?«

»Keine Ahnung«, sagte Dad. Er klang verärgert, was bei ihm selten vorkam. »Aber wir haben ja keinen Ranger mehr, also rufe ich jetzt die Meereswache.«

»Glaubst du, das ist schlau?« Wieder etwas sicherer auf den Beinen, stieß sich Lars von der Leiter ab. »Du willst dich doch morgen mit den Surfs von der Drift treffen.«

»Was hat das damit zu tun?«, fragte Mum. »Es ist nicht länger illegal, dass wir unsere Ernte verkaufen.«

Abgeordneter Tupper hatte so stolz auf sich gewirkt, als er uns diesen Brocken hinwarf. Die Versammlung hatte unsere Bitte nach Souveränität mit der Begründung abgelehnt, das Benthic-Territorium sei noch nicht alt und etabliert genug und habe zu wenig Einwohner. Doch als kleines Zugeständnis war es uns seitdem gestattet, unsere Steuern nicht mehr in Form von Naturalien, sondern bar zu zahlen. Sicher ein Schritt in die richtige Richtung, aber die Regierung wollte so gut wie nichts für unsere Waren zahlen. Es stellte sich außerdem heraus, dass es viel zu viel Zeit kostete, die Produkte Blatt für Blatt und Fisch für Fisch zu verkaufen, Zeit, die kein Siedler übrig hatte.

»Wenn du die Meereswache hinzuziehst«, Lars nickte zu dem Township hinüber, »gelangt das Ganze an die Öffentlichkeit und die Surfs auf der Drift werden Wind von der Sache bekommen.«

»Na und?«, fragte ich, als Gemma an Raj vorbeischlüpfte und sich neben mich stellte. In ihrem locker herabfallenden grünen Kaftan, der an der Taille mit einem Band zusammengehalten wurde, sah sie ganz und gar wie ein Topsider aus. Ein Überbleibsel aus ihrem Leben in der Schachtelstadt.

»Was, wenn sie dich dafür verantwortlich machen, was auf der Nomad passiert ist?«, wollte Lars wissen. »Surfs können unberechenbar sein. Du musst sie nur schief ansehen und sie werden wild. John, du hast vor, ganze Wagenladungen an die Townships der Surfs zu verkaufen … Na ja, du weißt, dass ich dich in diesem Punkt für verrückt halte.« Er hielt inne, als könnte er noch immer nicht glauben, dass Dad tatsächlich darüber nachdachte. »Ich will damit nur sagen, dass wir in Bezug auf die Nomad Stillschweigen bewahren sollten, bis du dein Geschäft abgeschlossen hast.«

»Der Häuptling der Drift ist nicht an einem einmaligen Handel interessiert«, sagte Dad. »Er will jeden Monat eine Lieferung. Er wird schon nicht aus der Haut fahren.«

»Was ist ein Häuptling?«, flüsterte Gemma mir fragend zu.

»Der Anführer eines Townships.«

»Ihr redet hier über Surfs.« Raj nahm seine Seegraszigarre aus dem Mund. »Lars hat Recht. Mit ihren ausgedörrten Hirnen könnten sie das falsch verstehen und du blickst schneller dem tödlichen Ende eines Dreizacks ins Auge, als du dir vorstellen kannst.«

»Sieh mal«, sagte Dad, »wir können uns nicht mehr auf den Staatenbund verlassen. Sie haben uns noch nicht einmal einen neuen Ranger geschickt. Und wenn wir versuchen, es allein zu schaffen, wird diese Siedlung niemals mehr sein als ein abgeschiedenes Provinznest. Um florieren zu können, müssen wir hier draußen im Meer Bündnisse eingehen. Also rufe ich jetzt die Meereswache, denn wenn die Menschen auf diesem Schiff Siedler wären«, er zeigte auf die Nomad, »würden wir diese Diskussion gar nicht erst führen.« Damit machte er sich auf den Weg in die Lounge, um den Anruf zu tätigen.

»Siedler bringen aber auch keine Menschen um und verarbeiten ihre Innereien zu Kleidung«, rief Raj ihm nach.

Gemmas Augen weiteten sich. »Das tun Surfs?«

»Nein«, sagte Mum und funkelte Raj an. »Das ist nur ein dummes Gerücht, das von Leuten verbreitet wird, die es eigentlich besser wissen sollten.«

»Hey, wir haben sie alle in ihren Regenmänteln aus Darmhäuten gesehen«, sagte er und deutete mit seiner Zigarre auf den Rest von uns.

»Diese durchsichtigen Mäntel sind aus menschlichen Eingeweiden gemacht?«, fragte Jibby erstaunt. »Ich dachte, sie seien aus Robbendärmen.«

»Sind sie ja auch«, sagte Mum bestimmt.

»Wie kannst du dir da so sicher sein?« Raj ließ nicht locker.

Mum winkte verärgert ab.

»Warum ist der Handel so eine große Sache?«, fragte mich Gemma, nachdem sich die Erwachsenen zerstreut hatten. »Ihr verkauft doch nur etwas Seetang an ein Township.«

»Es ist das erste Mal. Das macht die Leute nervös. Na ja, hinzu kommt noch die Tatsache, dass Surfs sich sogar für Frischwasser gegenseitig überfallen oder Floater angreifen. Und sie sind dafür berüchtigt, kranke Babys und alte Leute den Wellen zu überlassen.«

»Und ihr wollt euch mit ihnen anfreunden?«

»Anfreunden wäre zu viel gesagt. Wir wollen einfach nur unsere Erzeugnisse verkaufen.«

Ich stand der Lounge zugewandt, während sie auf das Meer hinaussah. Ihre sommersprossige Haut schimmerte leicht im Mondlicht. Sie hatte mir erzählt, dass sie sich auch einen Schein wünsche und in den drei Monaten, die sie bei uns verbracht hatte, natürlich eine Menge biolumineszierenden Fisch gegessen. Doch normalerweise dauerte es bei einem neuen Siedler mindestens ein Jahr, bevor die Haut die Ernährungsweise widerspiegelte. Aber ihre Haut leuchtete an diesem Abend trotzdem.

»Hast du einen Schein bekommen?«, fragte ich und unterdrückte das Verlangen, ihre Wange zu berühren.

»Wie bitte? Ich glaube nicht … Ty, sieh dir nur das Wasser an!«

Ich drehte mich um und sah, dass auch die Erwachsenen stehen geblieben waren und auf das Meer hinausstarrten. Und das aus einem guten Grund, denn das Wasser rund um die Nomad leuchtete in einem weißen Licht. Die Reflexion des unheimlichen Lichts hatte Gemmas Haut so wirken lassen, als hätte sie einen Schein.

Sie stolperte zurück. »Das sind sie nicht, oder?«

»Wen meinst du?«

Sie zeigte auf das Township, das nicht mehr als eine schwerfällige Silhouette vor dem nächtlichen Himmel war. »Die Geister, die wir freigelassen haben«, flüsterte sie.