|185|Machen Sie sich nicht angreifbar

Es sind aber nicht nur die freundlichen Angebote Dritter, die Ihnen und Ihrer Karriere zum Verhängnis werden können. Als ebenso fatal erweisen sich mitunter kleine Alltäglichkeiten und Banalitäten – wenn ihnen aus einem anderen Blickwinkel etwas Anrüchiges anhaften könnte. Und in Zeiten, in denen Führungsstellen und Marktpositionen hart umkämpft sind, sind Neider und Konkurrenten nur zu gern bereit, auch Harmlosigkeiten böswillig auszulegen.

Prüfen Sie darum sofort und sorgfältig, welche kleinen, potenziell zwielichtigen Angewohnheiten Sie haben. Ziehen Sie sich nicht auf die Position zurück: »Das machen doch alle in der Firma.« Das macht Ihr Handeln nicht weniger angreifbar. Fragen Sie sich: Was könnte jemand – mit dem Wissen, das Sie selbst über sich haben – ans Licht der Öffentlichkeit zerren und nutzen, um Sie zu diskreditieren? Und seien Sie sicher – Sie werden etwas finden: etwas Harmloses, eine Selbstverständlichkeit, etwas, das Sie tun, um sich für Ihre Leistungen mit einem Bonus zu belohnen, oder auch etwas, das alle tun. Sie werden überrascht sein.

 

Als der Frankfurter Banker Harkenrat kurz davor stand, Mitglied des Vorstandes zu werden, bat er mich, ihm bei der Analyse seiner Angriffspunkte zu helfen. Harkenrat ist ein durch und durch redlicher und kluger Mann, der besonnen und fair handelt. Dementsprechend brachte alles Bohren und Nachhaken nichts – der Mann schien unangreifbar zu sein. Bis wir eines Freitags gemeinsam Mittagessen gehen wollten. Ich holte den Bankier in seinem Büro ab. Der bat mich um einen Augenblick Geduld: Bevor wir ins Restaurant gingen, wollte er noch kurz bei einem Kollegen vorbei: »Wegen des Fußball-Totos.«

»Wie bitte?«, fragte ich ungläubig.

|186|»Ja, nun«, antwortete Harkenrat: Seit Jahrzehnten würde das gespielt. Er mache schon mit, seit er als kleines Licht in der Bank angefangen habe. Jeder setzt 5 Euro auf die Fußballspiele des Wochenendes. Rund vierzig Kollegen beteiligten sich daran quer durch alle Abteilungen: von den Sicherheitsmännern über die Schalterkollegen bis hin zum mittleren Management. »Am Montag erfolgt dann die Ausschüttung.«

»Sie kommen in den Vorstand und beteiligen sich seit Jahren an informellen Wetten mit Ihren Schutzbefohlenen?«, vergewisserte ich mich.

»Was heißt hier informell«, winkte Harkenrat ab. »Wir sind eine eingeschworene Truppe. Eine Mannschaft. Unabhängig vom Status ist jeder ein Teil davon.«

»Damit müssen Sie aufhören«, erklärte ich.

»Auf keinen Fall!«, widersprach Harkenrat empört. »Nur weil ich jetzt an die Hausspitze kommen, grenze ich mich nicht ab. Das sieht ja aus, als würde ich mich zu fein für das Wettvolk fühlen.«

»Okay, dann kehren wir einmal zu unserer Ausgangsfrage zurück: Was können wir tun, um Sie aus Ihrem Job herauszukatapultieren? Ich habe nun eine Antwort: Stellen Sie sich vor, der Frankfurter Rundschau oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird zugespielt, dass das zukünftige Vorstandsmitglied Harkenrat durch illegale Fußballwetten sein Monatsgehalt um einen vierstelligen Betrag aufzustocken versucht. Den journalistischen Profis wird es kaum schwerfallen, das Gerücht zu verifizieren. Stellen Sie sich die Schlagzeilen vor: ›Wettskandal in Frankfurt! Bankier zockt Angestellte ab!‹ Nach dieser Kampagne sind Sie beruflich am Ende. Oder würden Sie einem Banker mit Spielsucht vertrauen?«

Harkenrat war sichtlich verärgert. Er sei weder spielsüchtig, noch würde ich die Situation verstehen. Unser Mittagessen fiel für diesen Tag aus.

Eine Woche später erreichte mich eine knappe Mail: »Ich bin ausgestiegen.«

Ein kluger Mann. Dank seines frühzeitigen Handelns kann ihm nun niemand einen Strick daraus drehen.

 

|187|Wenn Sie nicht zu den naiven Opfertypen zählen wollen, dann hinterfragen Sie Ihre Gewohnheiten. Mogeln Sie nicht bei der Spesenabrechnung, buchen Sie nicht über Ihren Bürocomputer Ihre Urlaubsreise, surfen Sie nicht bei Ebay oder auf Pornoseiten. Hüten Sie sich ebenso davor, Firmenkontakte für private Feiern oder Reisen zu nutzen. Und schummeln Sie nicht bei der Steuererklärung. Diese Kleinigkeiten haben schon genügend Menschen beruflich den Kopf gekostet.

Auf illegale Handlungen – und seien sie noch so banal – zu verzichten, ist ein unglaublich entspannender Luxus. Denn Sie müssen keinerlei Enttarnung fürchten.