|158|Wenn Blicke töten könnten – nonverbale Abwehrstrategien

Eines der beliebtesten und einfachsten Machtspiele liegt im nonverbalen Bereich: das Abchecken des Gegenspielers mit den Augen. Jeder weiß: Wenn Blicke töten könnten, wären viele zerstrittene Abteilungen ausgestorben. Die Augen gelten als Spiegel der Seele und verraten recht gut, was das Gegenüber von uns hält:

  • Werden Sie von oben bis unten taxiert, wissen Sie, dass Ihr Gegenüber versucht, Sie einzuschätzen: Wird der mir gefährlich? Ist der harmlos und unsicher? Kann ich den für mich gewinnen? Dem begegnen Sie am besten mit abschätzend-humorlosem Blick. Bei dieser Art des visuellen Ganzkörper-Abtastens sollten Sie Ihrem Gegenüber vor allem eines vermitteln: »Das schätze ich nicht!« Wird es dennoch fortgesetzt, setzen Sie den Gaffer als penetrant Lernunwilligen auf Ihre »Abstellgleis-Liste«: Unterstützung wird er von Ihnen nicht mehr erfahren.

  • Werden Sie mit stechendem Blick fixiert, drängt Ihnen jemand einen Machtkampf auf und hofft, dass Sie dem Angriff nicht standhalten können. Sicher ist: Der sieht in Ihnen eher nicht den Partner, sondern ist auf Wettbewerb und Konkurrenz aus. Also Vorsicht! Hier hilft gelangweiltes Ignorieren, gepaart mit der Andeutung eines Gähnens. Nichts nervt Angreifer so sehr wie die Ignoranz ihrer nonverbalen Attacken!

  • Schaut man Ihnen als Frau tief in die Augen und dann unverblümt 35 Zentimeter tiefer, dann dürfen Sie getrost schlussfolgern, dass der Gaffer nicht viel Respekt vor Ihnen hat. Der Busenblick verrät, dass hier ein Macho nicht so sehr an den professionellen Qualitäten der Kollegin interessiert ist. |159|Solch chauvinistisch orientierte Männer werden sich meist schwer damit tun, Frauen als gleichberechtigt wahrzunehmen, wenn es beruflich ernst wird. Daher sollten Sie diese Männer immer auf Distanz halten und kein Vertrauen aufbauen – selbst wenn sie sehr charmant auftreten. Hier hilft der »strenge Mutterblick« der Queen à la »I am not amused«, während man gleichzeitig seinem Nachbarn etwas Belangloses zuflüstert (»interessantes Meeting heute …«), den Busen-Glotzer aber im Auge behält. Der denkt, Sie berichten von seinen sexuellen Neigungen, fühlt sich ertappt und läuft wahrscheinlich puterrot an. Solche Glotzer schätzen es gar nicht, wenn Dritte von ihren schlüpfrigen Blicken erfahren!

  • Werden Ihnen freundliche, wohlwollende Blicke zugeworfen, dann haben Sie es wahrscheinlich mit Zeitgenossen zu tun, mit denen sich ein gemeinsames Kantinenessen lohnen würde, denn diese netten Aufgeschlossenen werden Ihnen bereitwillig die informellen Strukturen und Verbindungen der Firma erläutern.

  • Kann Ihr Gegenüber Ihnen gar nicht ins Auge schauen, sondern blickt auf den Boden, auf den Schreibtisch, an Ihnen vorbei oder über Sie hinweg, kann das zum einen ein Zeichen für Schüchternheit sein. Die können Sie durch Komplimente und Gesten der Akzeptanz abbauen. Zum anderen kann aber etwas Gemeineres dahinter stehen: Ihr Gegenüber spielt nicht mit offenen Karten. Es verheimlicht Ihnen etwas Wichtiges und Unangenehmes. Ihr Gesprächspartner mag Ihrem Blick nicht begegnen, da er Angst hat, »erkannt« zu werden! Hier gilt es, dass Sie sich schnellstens schlau machen, um zu erfahren, was Ihnen verheimlicht wird.

So sagt der Prokurist einer Metallfirma aus Sachsen-Anhalt kurz vor Weihnachten: »Mein Verhältnis zum Eigentümer hat sich abgekühlt. Ich |160|weiß nicht warum. Die Zahlen stimmen bei uns und zeigen sogar nach oben. Ich weiß nur, dass mir unser Chef ungefähr seit September nicht mehr in die Augen guckt und meinem Blick, wenn möglich, ausweicht. Mich irritiert das.« Zu Recht!

Im Januar klärt sich die Situation für unseren Prokuristen auf. Über einen ausländischen Vertragspartner erfährt er, dass es Verkaufsgespräche des Eigentümers mit einem ausländischen Investor gibt. Die Zukunft seiner Stelle als Prokurist ist damit unsicher. Der Eigentümer hat ihn nicht eingeweiht, weil er Angst hat, dass sich sein Prokurist – den er sehr schätzt – wegen der ungewissen Zukunft vorzeitig wegbewirbt. Das will er unbedingt vermeiden, obwohl er weiß, dass das nicht ganz fair ist. Deswegen mochte er ihm auch nicht in die Augen schauen!

Ein ausweichender Blick kann existenzielle Folgen haben. Es lohnt sich, die Hintergründe zu prüfen!

Die effizienteste weibliche Abwehr ist der strenge »Mutterblick«. Dieser entfaltet besonders dann seine einschüchternde Wirkung, wenn Männer originell oder witzig wirken möchten. Statt auf die männlichen Humoresken einzugehen, blickt frau abweisend, strafend und vollkommen unamüsiert. Ein Blick, der keinen Widerspruch duldet. Die meisten Männer hassen diesen Blick, der sie an ihre Mütter erinnert, denn – egal ob sie Unternehmen und Institute leiten oder es auf andere Weise zu Anerkennung und Erfolg gebracht haben – in der Nähe ihrer Mutter mutieren sie wieder zu kleinen Jungen, die gehorchen sollen. Diese Mütter haben ihr Leben lang für ihre Söhne gesorgt, sie haben immer das getan, was sie für ihre Kinder für das Beste hielten. Söhne, die gegen diese fürsorgliche Belagerung rebellierten, wurden durch den strengen Mutterblick abgestraft und zurück auf Kurs gebracht.

 

|161|Mich beeindruckte diesbezüglich der Auftritt eines gefürchteten, weil knallharten Unternehmers (51 Jahre), bei dem ich zum Frühstück eingeladen war. Mitten im Gespräch, auf seiner sonnigen Terrasse mit Talblick, stieß seine Mutter dazu. Sie sagte freundlich »Guten Morgen« und dann ein wenig strenger: »George (so der Name der Top-Kraft), bringe mir eine Tasse Tee.« George – er erklärte mir gerade das Wirtschafts- und Weltgeschehen – antwortete: »Einen kleinen Augenblick, bitte!«, worauf die Mutter nur – streng blickend – »George« zischte. Unser Mann sprang auf (sonst springt immer nur sein Umfeld), um in die Küche zu eilen. Er war dem strengen Mutterblick nicht gewachsen! Die Mutter genoss sichtlich ihren kleinen Triumph, ihre Macht über den Mächtigen und unterstrich dies mit einem kurzen Satz, der meinem Gastgeber sichtlich peinlich war: »Danke für den Tee. Bist ein guter Junge!«

 

Die meisten Männer können sich dem gestrengen Mutterblick nur schwer entziehen, weil er bei ihnen ein schlechtes Gewissen auslöst. Widersprechen hieße »Verrat am Lebensspender«!

Diese männliche Anfälligkeit für mütterliche »Befehle« können Frauen nutzen. Frauen, die im Beruf mütterlich-streng gegenüber Männern auftreten, haben es so unendlich leichter sich durchzusetzen. Am besten, Sie besorgen sich noch ein Foto von der Mutter des Chefs und tragen dann in Verhandlungen Mutters Lieblings-Twin-Set oder dieselbe Perlmutt-Haarspange. Frauen, die dies befolgen, werden feststellen, dass sich die Neigung der Chefs zu widersprechen massiv reduziert! Was will man mehr?

Das Beste: Dieser Blick kommt nicht von ungefähr. Sie können ihn üben: vor dem Spiegel oder im Beisein von männlichen Freunden, die bei der entsprechenden Mimik zurückmelden: »Jetzt blickst du ganz furchtbar. Grässlich! Du riechst nach mütterlichem Ärger!« Jetzt gilt es den Blick zu konservieren, bei Bedarf abzurufen und die Wirkung zu genießen.