|162|Strategien, die Ihre Gegenspieler ins Schwitzen bringen

Strategien werden genutzt, um sich gegen zu forsche Kollegen und Mitarbeiter zu wehren oder auch um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Bewährt haben sich besonders folgende Verfahren:

  • Aufgaben, die quantitativ nicht zu bewältigen sind

  • Aufgaben, die man nicht lösen kann

  • die Konzentration auf das 3-Prozent-Defizit

  • die Innovationsfalle

  • das schmerzhafte Feedback-Timing

  • die cholerische Inszenierung

  • die Arbeitsgruppe als Bermuda-Dreieck

  • die Frauen-Aggressivitätsfalle

All diese Strategien sollten nur angewandt werden, wenn man in beruflich existenzielle und karriereentscheidende Wettbewerbssituationen verstrickt ist. Für alltägliche kleine Konflikte sollten diese Strategien nicht verschleudert werden: Schießen Sie nicht mit Kanonen auf Spatzen! Sparen Sie Ihr Pulver für die wirklich lohnenden Gelegenheiten.

Aufgaben, die quantitativ nicht zu bewältigen sind

Zu den effektiven Durchsetzungsstrategien zählt es, Aufgaben an nörgelnde und kritisierende Kollegen und Mitarbeiter zu verteilen. Besonders wirkungsvoll sind Aufgaben, die quantitativ einfach nicht zu bewältigen sind. Sie verdoppeln ganz schlicht das Arbeitspensum, während Sie gleichzeitig so tun, als ob sich kaum etwas verändert hätten. Die so Überladenen werden ihren Job höchstwahrscheinlich nicht bewältigen können. Dieses |163|nehmen Sie wiederum zum Anlass, die Mitarbeiter öffentlich zu kritisieren, etwa in dem Sinne, dass sie den Anforderungen des Unternehmens offensichtlich nicht mehr voll gerecht werden beziehungsweise dass das Zeitmanagement deutlich zu wünschen übrig lässt. In der Soziologie nennt man dieses »Interaktionsspiel« »Looping-Effekt«: Man überlastet jemanden bewusst, um dann zu monieren, dass er die Last nicht tragen kann! Bevor die Mitarbeiter begreifen, was hier eigentlich gespielt wird, sind sie schon in die Defensive gedrängt und ihr Ruf als Stütze des Unternehmens steht auf dem Spiel. Der Status der Überladenen bröckelt und damit auch die Bedeutung ihrer nörgelnden und kritisierenden Worte.

Diese Strategie lässt sich nicht nur aus der Chefposition bedienen. Auch an den Kollegen, der sich gern egoistisch vor der Team-Arbeit drückt, aber zumindest ein- bis zweimal im Jahr die Urlaubsvertretung übernehmen muss, kann man massenhaft Arbeit delegieren, die sich nicht aufschieben lässt. Nach dem Balearen-Urlaub sollte man der Vertretung nicht nur ein kleines Präsent überreichen, sondern auch seine Verwunderung zum Ausdruck bringen, dass dieses »normale Pensum« so viel Sorgen bereitet hat. Danach stimmt man sich mit der Leitung ab, zukünftig regelmäßig an die Vertretung Aufgaben delegieren zu dürfen, damit es bei den nächsten Vertretungen nicht wieder zu Engpässen kommt. Der Kollege ist nun ja schon bestens eingearbeitet, so Ihr schlagkräftiges Argument!

Diese Strategie ist die böse Überspitzung dessen, was vielen nicht so durchsetzungsstarken Menschen schwer fällt: das Delegieren. Die Fähigkeit, sinnvoll und fair Aufgaben an Dritte abzugeben, reduziert nicht nur das eigene Arbeitspensum, sondern signalisiert dem Gegenüber: »Ich traue dir diese Verantwortung zu!« Gerade durchsetzungsschwache Peperoni-Skeptiker zögern hier – auch weil sie dem heimlichen Gedanken |164|folgen, dass sie den Job allein besser und schneller hinbekommen, was letztlich dazu führt, dass sie sich selbst mit Arbeit überhäufen. Es mag ja stimmen, dass man selbst immer noch ein bisschen genauer hinschaut – falsch ist es aber trotzdem, denn wer nicht delegieren kann, wird niemals führen dürfen!

Die Fähigkeit, Aufgaben sinnvoll und glaubwürdig an Kollegen delegieren zu können, ist der sicherste Schutz, nicht selbst zum Opfer von Arbeitsüberlastung zu werden.

Wenn Sie feststellen müssen, dass Sie plötzlich das Arbeitspensum nicht mehr bewältigen können, obwohl Sie bis dato alles gut im Griff hatten, dann könnten Sie gerade selbst Opfer des »Looping-Effekts« werden.

Aufgaben, die nicht zu lösen sind

Eine weitere Möglichkeit ist, spezielle Aufgaben zu vergeben, die schlichtweg nicht zu lösen sind! Auch diese Hinterhältigkeit dient dazu, allzu ambitionierten oder intriganten Kollegen ihre Grenzen aufzuzeigen. Engagierte Mitarbeiter, die dieses Machtspiel nicht durchschauen, beißen sich an den unlösbaren Aufgaben die Zähne aus, ohne zu bemerken, was gespielt wird. Schnell können sie vor der versammelten Mannschaft – aufgrund ihres vermeintlichen Versagens – als ungeeignet für komplexe Problemlösungen hingestellt werden.

 

Ein feinsinniges Beispiel dafür bietet der junge Abteilungsleiter einer staatlichen Behörde. Der ist bereits mit 31 promoviert und gilt als Kronprinz des Seniorchefs, der im nächsten Jahr in Rente geht. Dieser |165|Abteilungsleiter bekommt nun eine Mitarbeiterin zugewiesen, die bereits mit 29 ihren Doktor hingelegt hat. Diese Frau ist engagiert und eine echte Bereicherung für die Abteilung. Eines Nachts schreckt unser Mann allerdings aus dem Schlaf hoch, weil er von einem Satz träumte, der wie in großen Werbelettern immer wieder vor ihm auftaucht: »Bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt!« Schlagartig wird ihm klar, dass seine Kronprinzenrolle durch die Neue akut gefährdet ist, denn die ist mindestens gleich qualifiziert. Und Charme hat sie auch! Unser Mann grübelt die ganze Nacht über Wege aus diesem Dilemma. Er will Kronprinz bleiben. Er will den besser bezahlten Job des Seniors haben, denn er ist ehrgeizig, hat eine anspruchsvolle Frau und ist Mitglied in einem teuren Golfclub! Gegen 4 Uhr morgens hat er die Lösung. Er entscheidet sich dafür, ihr – mit der er sich ansonsten blendend versteht – einen Forschungsauftrag zu erteilen, den noch keiner gelöst hat, weder in Deutschland noch in den USA. In jedem Leitungsmeeting fragt unser Abteilungsleiter in der Pause dezent die Neue – aber so, dass es alle gerade noch mithören können – wie weit sie denn sei. Ihre ehrliche Antwort: »Das hab ich noch nicht gelöst.« Drei Wochen zieht sich dieses Spiel hin. Danach hat die Neue ihren Spitznamen im Leitungsgremium weg: »Frau Hab-ich-noch-nicht«. Als potenzielle Führungskraft wird sie entsprechend nicht mehr gehandelt, und es überrascht kaum, dass unser Mann und nicht sie die nächste Durchstarterstelle bekommt – bei ihrem Image!

 

Wenn Sie plötzlich vor Aufgaben stehen, die Sie einfach nicht lösen können – obwohl Sie fachlich sehr versiert sind –, dann lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob Sie nicht gerade mundgerecht als Opfer zubereitet werden. Was können Sie dagegen tun? Bleiben wir bei unserem Beispiel: Wie hätte unsere junge Doktorin cleverer reagieren können?

Es gibt einen alten Therapeutensatz: »Wenn du nicht mehr weiter weißt, frage deinen Klienten!« Übertragen auf unsere |166|unlösbare Forschungsaufgabe heißt das, dass Frau Doktor hätte irritiert sein müssen, dass sie diese Aufgabe bei ihrer Intelligenz nicht in den Griff bekommt. Aber statt Selbstzweifel aufzubauen und ehrgeizig das Problem im Alleingang lösen zu wollen, hätte sie erfahrene Kollegen anrufen und sie nach Lösungsansätzen fragen können. Diese Externen hätten wahrscheinlich am Telefon laut gelacht, weil ihnen die Unlösbarkeit aufgefallen wäre, und gefragt, wer ihr denn den Job angedreht hat. Mit diesem Background-Wissen wäre sie in die nächste Leitungskonferenz gegangen und hätte den Direktor gefragt, ob er ihr eine Arbeitsbeschäftigungsmaßnahme zugewiesen hätte. Der Direktor, der diese Art von Machtspielchen für Zeitverschwendung hält und hasst, hätte verneint und daraufhin höchstwahrscheinlich den aufstrebenden Abteilungsleiter zu einem strengen Vater-Sohn-Gespräch gebeten …

Die Konzentration auf das 3-Prozent-Defizit

Diese Strategie ist sehr effizient, denn sie kann die Betroffenen sehr irritieren und verunsichern, während man selbst mit Weitsicht brilliert. Diese Strategie beinhaltet, dass Sie sich ausschließlich auf die, auch nebensächlichsten, Fehler der Gegenspieler konzentriert. Viele Leistungsorientierte glauben, nur durch Kompetenz überzeugen zu können. Das ist natürlich nicht falsch: Kompetenz, Fachwissen und Qualität bilden unbestreitbar die Basis für jeden Aufstieg. Viele Menschen glauben weiterhin, dass man ihre Qualität erkennt (das ist richtig) und sie entsprechend fördert (das stimmt nicht). Viele Durchsetzungsschwache sind beseelt von einem ausschließlichen Glauben an Qualität und Substanz. Sie erliegen dem sogenannten Dornröschen-Komplex, wollen also lieber »wachgeküsst« werden als |167|selbst auf ihre Qualitäten hinzuweisen. Das ist naiv und kann machtstrategisch unangenehme Folgen haben: Wenn Machtspieler wissen, dass Sie sehr kompetent sind, werden sie sich noch mehr Mühe geben, Sie kleiner zu halten, als sie selber sind. Machtspieler schätzen schlaue Menschen – aber kompetenter sollten sie nicht sein und womöglich zur Konkurrenz werden. Diese potenziellen Nebenbuhler werden daher angegriffen. »Präventive Einflussreduzierung« nennt sich das.

Sehr geeignet für eine derartige Attacke sind Meetings, in denen Ihr anvisiertes Opfer eine Präsentation abliefert, die zu 97 Prozent Spitze ist, hervorragend ausgearbeitet und begründet. Sie sollten sich davon aber nicht irritieren lassen. Beißen Sie sich unbeirrt ausgerechnet an den 3 Prozent der Darlegungen fest, die nur durchschnittlich waren. Stellen Sie Detailfragen, die den Spitzenreferenten in die Enge treiben. Der Dialektiktrainer Albert Thiele nennt das die »Partisanentechnik«, die aus dem Hinterhalt hervorblitzt und deren boshafte Nachfragen mit der Hartnäckigkeit eines Bullterriers betrieben werden. Schön ist das nicht, aber sehr wirkungsvoll. Deshalb wird diese Technik sehr häufig gewählt: Schon viele Zeitgenossen wunderten sich, dass ihre sehr guten Präsentationen wegen eines winzigen, unwichtigen oder unüberlegten Details auseinander genommen wurden.

Wenn Ihnen das widerfährt, merken Sie sich den 3-Prozent-Frager, und sehen Sie ihn ungeschminkt: Er zählt zu Ihren Gegenspielern, auch wenn dieser Kollege noch so höflich auftritt!

Wenn Sie selbst Opfer der 3-Prozent-Fragen werden, sollten Sie möglichst schnell versuchen, Kontakte in die Chefetage aufzubauen |168|– oder zumindest Gerüchte über Ihren »guten Draht nach oben« streuen. Die Überkritischen werden schlagartig aufhören, Sie ins Kreuzverhör zu nehmen. Den Chefs wollen sie nicht ins Gehege kommen, denn auch diese Machtspieler bevorzugen leichte, nicht protegierte Opfer. Es gilt die alte Machtregel: Schieße nicht jene an, die von den Göttern liebkost werden!

Natürlich können Sie als Angegriffener auch auf das Einmaleins der Abwehrrhetorik zurückgreifen. Verschaffen Sie sich durch eine passende Erwiderung erst einmal Zeit zum Nachdenken: »Es ist sehr interessant, was Sie sagen und ich möchte jetzt keine spontane Antwort aus dem Hut zaubern. Lassen Sie mich ein wenig nachdenken. Ich maile Ihnen morgen meine Einschätzung zu …«

Noch wirkungsvoller ist allerdings, einige befreundete Zuhörer (optimal ist es, wenn es drei sind) bereits im Vorfeld zu briefen. Rufen Sie sie am Vorabend an und deuten Sie an, dass Sie mit Gegenwind vom Kollegen XY rechnen. Bitten Sie offen darum, dass Ihre Unterstützer dann helfend in die Bresche springen: Kaum legt der 3-Prozent-Kritiker los, weisen die Gebrieften nacheinander darauf hin, dass dieses Randthema doch bitte in der Pause zu erörtern ist. Dem müssen Sie sich nur noch anschließen. Der Kritiker wird sich dem anpassen: einer gegen vier erscheint selbst ihm suizidal!

Die Innovationsfalle

Ambitionierte Menschen, die in ihrem Aufstieg ausgebremst werden sollen, konfrontiert man gerne mit dem Innovationsbegriff. Der ist positiv besetzt, prangt von jeder Firmen-Hochglanzbroschüre und beherbergt einige böse Fallen: Wenn Sie |169|hören, Sie seien kreativ, besonders innovativ und auf jeden Fall die Unternehmensspeerspitze der Zukunft, dann sollten alle Alarmglocken bei Ihnen schrillen. Die Innovativen werden nämlich nur nach außen als zukunftweisend gelobt. Firmenintern gelten sie dagegen schnell als die Zerstörer alter Traditionen: Transportieren die Innovativen eine sehr gute, neue Idee, sind alle alteingesessenen, etablierten Mitarbeiter substanziell beleidigt, zumal ihnen diese Idee in den letzten fünf Jahren eben nicht gekommen ist. Mit innovativen Ideen bringt man vielleicht die Firma voran, Freunde macht man sich damit nicht im kollegialen Umfeld. Ganz im Gegenteil: Teile des Kollegenkreises werden es sich zum Hobby machen, Fehler beim Innovativen zu suchen, der intern als »Schlaumeier« und »Angeber« verunglimpft wird. Pathetisch formuliert: Das Mittelmaß sucht das Versagen bei der innovativen Lichtgestalt, um sich aus dessen Schatten zu lösen. Meist beginnt dies zunächst sprachlich: Man wird dann im Osten als »Besser-Wessi« oder »Treuhand-Adlatus« heruntergezogen, im Saarland als »Madame Wichtig«, in Nordrhein-Westfalen als »abgehobener Akademiker« oder in Hamburg als »unhanseatisch und traditionsfeindlich« stigmatisiert.

Für die Innovationsmacher wird die Neuinitiative so schon mal zum Bumerang. Nehmen wir ein Beispiel aus der Justiz:

 

Die angehende Führungskraft Krüger wird zum Abteilungsleiter ernannt. Der Mann ist froh, denn damit hat er endlich diesen wichtigen Karriereschritt gemeistert. Er bittet seine Direktoren dabei nur um eine Kleinigkeit: Er möchte sein Therapieprogramm für Kriminelle, das er vor seiner Ernennung erfolgreich etabliert hatte, weiterführen. Abteilungsleitung plus X, nennt das sein wortgewandter Direktor. Der ist nicht nur mit dieser Idee einverstanden, sondern derart begeistert, dass er die anderen vier alten Abteilungsleiter per schriftlicher Verfügung anweist, |170|ebenfalls »plus X-Angebote« zu machen! Die Etablierten sind von der erwarteten Mehrarbeit wenig begeistert. In Leitungsmeetings wird Krüger deswegen gemieden. Man gibt ihm die Schuld an den Zusatzerwartungen des Direktors. Krüger ist darüber aber nur wenig überrascht, denn er weiß von den Schattenseiten der Innovation. Er reagiert auch nicht mit Retourkutschen gegen seine neuen Leitungskollegen, sondern lädt sie zum Mittagessen beim Italiener ein, verschenkt mal guten Rotwein und baut so die Ressentiments langsam ab. Als innovativ wird Krüger übrigens nie gelobt, dafür aber der Direktor, den das Ministerium für seine Therapieprogramme würdigt.

 

Werden Sie zur innovativen Kraft gekürt, dann muss das nicht zwingend etwas Gutes und Fortschrittliches heißen. Vielleicht sollen Sie nur zum innovativen Außenseiter abgestempelt und zum informellen Abschuss freigegeben werden!

Was können Sie in diesem Fall tun? Zunächst: Halten Sie durch. Die kritische Haltung des beruflichen Umfeldes zum innovativen Handeln ändert sich schlagartig, wenn Sie langen Atem beweisen und die Innovation etablieren können. Noch schneller geht dies, wenn Sie einen einflussreichen Fürsprecher in der nächsten oder gar übernächsten Hierarchiestufe finden können – oder Ihr kollegiales Umfeld dies zumindest vermutet. Am einfachsten ist es allerdings, wenn Sie die innovative Idee in einer Projektbeschreibung im Namen Ihres Chefs (oder einer anderen statushohen Person, die Sie natürlich vorher gefragt haben!) in den Firmenverteiler geben. Das heißt: Sie entwerfen alles, und Ihr Chef kann damit – ohne Mehrarbeit – glänzen. Dann neidet Ihnen vielleicht der eine oder andere Ihre Idee, zur Kritik wird es aber nicht kommen, weil man um Ihre Rückendeckung von oben weiß. Störfeuer bleiben aus. Herrlich, oder?

Sie erfahren plötzlich einen wundersamen Wandel, eine Form nicht unangenehmer und doch kriecherischer Zustimmung, |171|die alle Innovationsgestählten zur Genüge kennen: »Mensch«, sagen die ehemaligen Gegenspieler, »ich habe doch schon damals gewusst, dass Sie Ihren Weg gehen werden. Gratuliere. Und eines wissen Sie doch: Auf mich können Sie in Zukunft immer zählen!«

Wer keinen betriebsinternen Dank für Innovation erwartet, vermeidet Enttäuschungen!

Das schmerzhafte Feedback-Timing

Feedbacks müssen sein. Sie dienen dazu, Mitarbeiter zu loben oder auf Fehler hinzuweisen. Vor allem möchte man, dass die Feedbacks vom Gegenüber wahrgenommen und umgesetzt werden. Dabei gilt: Je besser sich der Mitstreiter das Feedback merkt, umso wahrscheinlicher die Umsetzung des Angemahnten. Wichtige Feedbacks sollten Sie darum so timen, dass sie eine hohe »Einschlagwirkung«, also Nachhaltigkeit erzielen. Am besten ist dies zu »schmerzhaften« Unzeiten, beispielsweise am späten Nachmittag oder am frühen Abend, kurz vor Dienstschluss, zu erreichen.

Die tiefste Wirkung entfaltet diese Strategie am Ende der Arbeitswoche: Wählen Sie für ein besonders ernsthaftes Gespräch den Freitagnachmittag. Bitten Sie Mitarbeiter zu sich ins Büro, wenn bereits fast alle anderen gegangen sind. Sagen Sie: »Ich möchte, dass Sie einmal über Folgendes nachdenken …« Dann schenken Sie ihm zwei Kritikpunkte mit kurzen, ruhigen, erläuternden Worten ein – und schicken ihn nach Hause ins Wochenende. Jetzt können Sie sich der Wirkung des Feedbacks sicher sein, da die Kritik in der Ruhephase des Wochenendes |172|ihre volle Schönheit entfalten kann. Die Sätze sitzen. Das so praktizierte Feedback verpufft nicht. Sollte der Mitarbeiter allerdings am Montag noch irritiert wirken, muntern Sie ihn wieder auf: »Sie bleiben aber trotzdem einer unserer Guten!« Sollte er aber uneinsichtig sein, bitten Sie ihn zu einem weiteren Vier-Augen-Gespräch, am kommenden Freitag um 17.45 Uhr, denn »mein Terminplan lässt leider keine Alternative zu«. Die schmerzhaften Feedback-Timer spielen diese Karte meist nur bei jenen Mitarbeitern aus, die als kritikresistent gelten beziehungsweise dazu neigen, die geäußerte Kritik gleich wieder im Kollegenkreis zu zerreden, anstatt darüber nachzudenken.

Durchsetzungsschwachen Menschen ist das schmerzhafte Feedback-Timing zuwider. Die üben zwar auch Kritik, aber leider zu Zeitpunkten, die aus dem Verweis schnell einen Bumerang machen können. Zum Beispiel bevorzugen sie für ihre Feedback-Gespräche den Dienstagvormittag um 11.45 Uhr – und begehen damit einen machtstrategischen Fehler, denn der zurechtgewiesene Kollege wird bereits während des Mittagessens in der Kantine über das »dumme Gerede des Chefs/ der Chefin« herziehen. Das ist psychologisch erleichternd für den Kritisierten, weil sich sicher irgendeiner am Tisch finden wird, der ihm Recht gibt – vielleicht auch nur, um in Ruhe essen zu können. Fakt ist aber: Die Wirkung des Feedbacks ist bereits nach dem Essen verpufft! Das ist unerfreulich. Wählen Sie darum grundsätzlich nachhaltig wirksame Zeiten für Feedback-Gespräche!

 

Meisterlich bedient das ein kaufmännischer Leiter: Der bittet zu Feedback-Gesprächen nur nach 19.15 Uhr. Er ist dafür berühmt-berüchtigt, dass er bei widerständiger Haltung des Gegenübers seine Vorstellungen präzise und in aller Ruhe immer wieder erläutert. Vor 20.30 Uhr ist man selten wieder aus der Firma heraus. Seitdem dies bekannt wurde, ist die |173|Einsicht der Mitarbeiter groß, den Argumentationen des Leiters zügig zu folgen: »Vorauseilende Zustimmungsbereitschaft« nennen sie das.

 

Auch im Forschungsalltag ist ein gutes Timing die halbe Miete, wenn es um die fristgerechte Erledigung lästiger Aufgaben geht:

 

Nehmen wir die Vorsitzende eines Forschungsausschusses. Sie sammelt die Exposés der Kollegen, um diese der Präsidialverwaltung vorzulegen. Immer wieder ärgert sie sich über die professoralen Fristüberschreitungen, die es ihr fast unmöglichen machen, diese Aufgabe pünktlich zu erledigen. Besonders stört sie, dass die Unpünktlichkeit ihrer Professoren an ihr hängen bleiben kann. Daher überlegt sie sich eine neue Zeitstrategie. Sie nennt sie »das sonntägliche 8.30-Uhr-Feedback«:

Punkt 8.30 ruft sie am Sonntagmorgen die überfälligen Professoren an, um sie an die Exposéabgabe zu erinnern. Die Angerufenen sind durchweg überrascht – gelinde gesagt. Manche fallen vor Schreck aus dem Bett, bei anderen hört sie das Fluchen des Ehepartners, der ebenfalls vom Klingeln des Telefons aus den Träumen gerissen wurde. Bei Dritten spricht sie auf den Anrufbeantworter (»Was für ein schöner Morgen, ich komme gerade vom Joggen und dabei fiel mir ein, bei Ihnen nachzufragen, ob …«), bevor sie diese direkt auf dem Handy anruft.

Auf das Ergebnis ihrer Erinnerungstelefonate ist die Vorsitzende recht stolz: Nach nur zwei Sonntagen schnellte die Quote der pünktlichen Abgaben auf über 90 Prozent! In der Wissenschaft spricht man in diesem Fall elegant vom Wecken einer sekundären Abgabemotivation.

Die cholerische Inszenierung

Die cholerische Inszenierung kann in großen zeitlichen Abständen angewandt werden, um die eigene kommunikative »Gefährlichkeit« |174|beziehungsweise Unberechenbarkeit unter Beweis zu stellen. Bevorzugt wird der künstliche cholerische Ausbruch in Momenten inszeniert, in denen die Gefahr droht, dass das Team sich nicht mehr so gut kontrollieren lässt oder Teammitglieder womöglich aufmüpfig werden. Ihre professionelle Inszenierung muss echt wirken: Eindrucksvoll ist, wenn Ihre Halsschlagader anschwillt, zumindest aber sollte Ihr Gesichtsausdruck mehr als verärgert wirken. Werden Sie lauter oder zischender, schlagen Sie mit der Hand krachend auf den Tisch – während Sie innerlich distanziert über einen Kinobesuch am heutigen Abend nachdenken. Das nennt man »professionelle Distanz«. Sie tun so »als ob«. Sie sind nicht wirklich emotional berührt, inszenieren aber den großen Wutausbruch und eine astreine Konfrontation, weil Sie wissen, dass Umstände, wegen denen Ihr Team unruhig wird, unbedingt vom Tisch müssen, damit Sie später nicht wirklich verärgerte, schlaflose Nächte durchwachen. Die cholerische Inszenierung ist in diesem Sinne ein »präventives Einschüchterungsritual«, mit dem Sie widerspenstige Teams auf Linie bringen. Allerdings sollten Sie diese Inszenierung nur sporadisch anwenden, da ansonsten der Eindruck entsteht, dass Sie hysterisch oder chronisch cholerisch sind.

 

Meisterlich inszeniert das ein leitender Potsdamer Regierungsdirektor: Er bittet seinen Kontrahenten, im Meeting neben ihm Platz zu nehmen, überschreitet dabei Nähe und Distanz und pflegt – wenn er die Rolle »Ich rege mich auf« spielt – verärgert mit der flachen Hand so geschickt auf den Konferenztisch zu schlagen, dass sein Wasserglas umkippt und sich der Inhalt auf Papiere und Beine des Kontrahenten ergießt. Damit dies besser gelingt, hat seine Chefsekretärin ein sektkelchartiges Trinkglas besorgt, das sowieso auf wackligem Bein steht. Das nennt man gelungene Vorzimmerfürsorge!

 

|175|Besonders glaubwürdig wirken derartige Inszenierungen, wenn sie gegen reale oder imaginäre Feindbilder der Firma gerichtet sind. Meisterlich verstehen es dann die Akteure, ihre verbalen Ausbrüche als Kampf- und Verteidigungsbereitschaft gegen äußere Feinde darzustellen. »Können Sie ein Feindbild zum Leben erwecken, rückt die Mannschaft hinter Ihnen zusammen, und das Führen wird leichter. Wenn man keinen äußeren Feind hat, muss man auf jeden Fall eines erfinden«, so ein Münchner Erfolgsmensch.

Wenn Ihnen diese Strategie zu primitiv erscheint, können Sie die abgeschwächte Variante wählen, in der Sie wenigstens punktuell laut oder im Ton böse werden (»Es reicht!«), damit die anderen im Team spüren, dass Sie es ernst meinen. Fakt bleibt: Sporadische – auch lautstärkere – Positionierungen schaden nicht, sondern zeigen, dass Ihr kommunikatives Repertoire nicht nur Charme, sondern auch Vulkanausbrüche beinhalten kann: »Sie kann kämpfen wie eine Löwin« wird dann zum Kompliment. Eine wichtige Bewertung, um nicht unterschätzt und als zu leichtgewichtig für höhere Aufgaben abgetan zu werden!

Die Frauen-Aggressivitätsfalle

Damit karriereorientierte Frauen auch in Zukunft aufgrund ihrer Reflexionslust und ihren moralischen Ansprüchen ins Wettbewerbsschlingern geraten, haben Männer die »Frauen-Aggressivitätsfalle« entwickelt. Diese ist einfach, primitiv und vor allem deshalb wirkungsvoll, weil sie kultiviert beginnt: Headhunter, Unternehmensberater und Vorgesetzte fördern die differenzierte Zurückhaltung von Frauen, ihr ethisches Abwägen und ihr soziales Know-how, das heute unter dem schmackhaften |176|Begriff der »emotionalen Intelligenz« gereicht wird. Vordergründig wohlwollend empfehlen sie Frauen,

  • nicht aggressiv zu sein, das wirke unweiblich und kriegerisch;

  • nicht zu ambitiös, also ehrgeizig aufzutreten, das wirke verkrampft;

  • zwar Biss zu zeigen, aber niemanden wegzubeißen;

  • sozial kompetent zu agieren – zumal jedes Unternehmen die soziale Kompetenz in seinen Imagebroschüren herausstellt – und teamorientiert zu arbeiten.

Das klingt alles sympathisch, vernünftig und fair. Die männlichen und weiblichen Berater verschweigen allerdings, dass auch jedes noch so eingespielte Team eine graue Eminenz hat, die in Konfliktfällen die Richtung vorgibt. Und es ist auch kein Zufall, dass von »grauer Eminenz« und nicht von »grauer Äbtissin« gesprochen wird! Die wohlklingenden Empfehlungen sind darum dazu angetan, pflegeleichte Mitarbeiterinnen zu fördern, aber keine Führungsfrauen! Machtorientierte Frauen durchschauen diese Fehlempfehlungen, auch weil ihnen die informellen Macht- und Männerspiele bekannt sind. Sie halten dagegen und fighten. Für Männer ist das ein Albtraum. Frauen, die derart pfiffig agieren, merken sehr schnell, dass die übliche Charmeoffensive machtstrategischer Männer dann sehr schnell versickert: Komplimente werden nicht mehr verteilt und aus dem Mantel hilft ihnen auch keiner mehr. Stattdessen häufen sich ätzende Kommentare zu langjährigen männlichen Erfahrungen mit weiblichen Unzuverlässigkeiten und Fehlentscheidungen.

Frauen, die ernsthafte Gegenspielerinnen werden, anstatt bescheiden ins dritte Glied zurückzutreten, erhalten die Höchststrafe: die Frauen-Aggressivitätsfalle. Zwar wird dem weiblichen Geschlecht klischeehaft die größere Affinität zur |177|Intrige unterstellt, aber auch Männer haben hier Bemerkenswertes zu bieten, zumal ihr System Jahrhunderte lang erprobt wurde. Zu drastischen Mitteln wie der Hexenverfolgung und -verbrennung mag man spätestens seit der Aufklärung nicht mehr greifen. Stattdessen pflegt die Männerwelt heute den sanften Rufmord, eben die Frauen-Aggressivitätsfalle: Alles was erfolgreichen Männern positiv zugeschrieben wird, ist für Frauen negativ:

  • Ambitioniertheit wird plötzlich zum krankhaften Ehrgeiz,

  • Durchsetzungsstärke zur Hysterie,

  • Zielstrebigkeit zur Sturheit und

  • weibliche Dynamik zum bornierten Auftreten.

In Abwesenheit der Damen wird sexistisch nachgelegt: Die durchsetzungsstarke Frau gilt schnell als frigide, frustriert und unweiblich, oder sie wird Bestandteil von Machowitzen unterhalb des Playboy-Niveaus. Diese chauvinistischen Witze sind übrigens nicht nur Ausdruck primitiver, unsensibler Männlichkeit: Sexismus verstehen einige Männer als letzte Waffe im Geschlechterkampf, denn die Erfolgsfrau von heute hasst dieses Vulgärniveau! Angewidert wendet sie sich ab – und schon ist man(n) sie los.

Das klappt nicht immer, denn manche Frauen schlagen klug zurück. Das erfuhr auch die Security-Abteilung eines großen britischen Handelshauses in der Londoner City. Diese musste 1,4 Millionen Pfund Schadensersatz an Mrs. B. zahlen. Grundlage war eine Geschmacklosigkeit, die ihr Chef auch noch schriftlich auf einem Notizzettel hinterließ: »Sie (B.) hat schon Krebs hinter sich, nervt uns ständig und bekommt jetzt auch noch ein Baby.«

|178|Für den gejagten Mann bleibt Chauvinismus eine antiquierte, aber effektive Strategie, um weibliche Emporkömmlinge abzuschrecken und auf Distanz zu halten!

Machtorientierte Frauen schalten auch in harmloseren Fällen die Gender- oder Frauenbeauftragte ein, mit der sie eh per Frauennetzwerk verbunden sind. Sie delegieren damit zum Beispiel ihren Ärger über sexistisch Primitives an das Gleichstellungsressort. Die betroffenen Männer müssen dann dort Rede und Antwort stehen. Peinlich und nicht karrierefördernd. Zur Höchststrafe wird es für Männer, wenn die machtorientierten Damen die sexistischen Ausfälle den Ehefrauen zugänglich machen, die in der Regel ihre Männer als kultivierte Vertreter ihrer Spezies sehen – beziehungsweise bis dahin sahen.

 

Ein Beispiel für einen derartigen Stigmatisierungsprozess bietet die neue, 33-jährige Ressortleiterin eines internationalen Wirtschaftsmagazins: Von 1 000 männlichen Furien fühle sie sich gejagt! Auf die Frage nach ihrer wichtigsten Kompetenz in der beruflichen Anfangszeit in diesem Durchstarterjob antwortet sie: »Dumme Antworten auf Dicke-Busen-Witze!« (Eigentlich drückte sie es verbal noch drastischer, allerdings nicht druckfähig aus.) Das ist ja auch ein starkes Stück aus Männersicht: Ressortleiterin in der Männerdomäne Wirtschaftsmagazin! Wäre die Dame bei Cosmopolitan, Schöner Wohnen oder Living at Home auf dem Karrieresprung, hätten die männlichen Topjournalisten das eher verkraftet. Aber beim Wirtschaftsmagazin! Vor allem die älteren, graumelierten Herren taten sich schwer, da sie sich noch an die fünfziger Jahre in Deutschland erinnerten, in denen es verheirateten Frauen nicht gestattet war, ohne Zustimmung des Ehemannes ein Bankkonto zu eröffnen!

|179|Also griffen sie an – niveaulos und sexistisch. Aber in unserem Fall bissen die Busen-Witzler bei ihrer neuen Ressortleiterin auf Granit. Die lud nämlich deren Ehefrauen zur Weihnachtsfeier ein und kündigte den Männern an, ihren »Humor« »da mal zum Besten zu geben«. Die Männer erschraken. Wer will zu Hause schon als jemand dastehen, der andere Frauen anmacht? Einige der Ehefrauen kamen übrigens tatsächlich zur Weihnachtsfeier – und die Leiterin sagte nichts. Musste sie auch nicht. Die Ankündigung hatte als Abschreckung ausgereicht. Was blieb, war Dankbarkeit für das Schweigen der neuen Chefin und eine zukünftig größere Höflichkeit ihr gegenüber.

 

Auch in diesem Fall zeigt sich: Ablehnung wandelt sich schnell in professionellen Respekt, wenn man an jemandem nicht vorbeikommt, weil der Standfestigkeit beweist. Machtorientierte Frauen wissen und genießen das. Vor allem lassen sie sich nicht von hässlichen Kommentaren in ihrem beruflichen Umfeld schockieren oder frustrieren. Sie schmeißen auch nicht das Handtuch. Ganz im Gegenteil: Sie interpretieren die fiesen Kommentare als letzte männliche Zuckungen, als Zeichen, auf dem richtigen Weg zu sein, denn man(n) betrachtet sie als ernst zu nehmende Mitbewerberin.

Seien Sie in der Frauen-Aggressivitätsfalle nicht freundlich zu Ihren Gegenspielern. Betrachten Sie diese als Feinde. Blicken Sie finster drein, seien Sie streng und signalisieren Sie, dass Sie diese Herabwürdigung nicht ungestraft lassen – die anderen werden schon sehen.

|180|Die Arbeitsgruppe als Bermuda-Dreieck

Bleiben ungeliebte Ideen und noch ungeliebtere Mitarbeiter so hartnäckig, dass man sie trotz diverser Abwehrstrategien nicht loswerden kann, bleibt immer noch die Möglichkeit, diese Ideen samt Verteidigern im Bermuda-Dreieck einer Arbeitsgruppe zu versenken. Viele Arbeitsgruppen erfüllen genau diese Funktion. Ihre Aufgabe ist es nicht, zu besten Ergebnissen für die Firma zu kommen. Sie sind dazu da, störende Mitarbeiter zu beschäftigen, sozusagen als betriebsinterne Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit vorprogrammiertem Scheitern. Das ist garantiert, wenn Sie Einfluss auf die Zusammenstellung der Arbeitsgruppe nehmen können: Bestücken Sie das Team möglichst mit Mitarbeitern, die sich durch kontroverse Grundhaltungen und Arbeitsstile auszeichnen und auch kollegial nicht miteinander können, weil deren Chemie schlichtweg nicht stimmt. Die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe werden dann in einen schönen Raum mit gutem Service gesperrt und mit der Konzepterstellung für die ungeliebte Idee, die man auf keinen Fall umsetzen möchte, beauftragt. Die gegenseitigen Unsympathien in der Gruppe führen wunschgemäß dazu, dass sich deren Mitglieder zerstreiten und zu keinem sinnvollen Ergebnis kommen. Ganz im Gegenteil: Sie torpedieren gegenseitig ihre Vorschläge.

In der Politik nimmt man zur Umsetzung dieser Bermuda-Dreieck-Strategie am besten Experten aus Gewerkschaft und Arbeitgeberlager, die sich bekanntermaßen überhaupt nicht grün sind. Sehr gut sind jene geeignet, die sich gegenseitig schon über die Presse oder anderweitig öffentlich kritisiert und beleidigt haben. Auch Arbeitsgruppen, die sich aus Vertretern von Lebensmittelhandel und -chemie zusammensetzen, ziehen hier an einem Strang – in unterschiedliche Richtungen. An Universitäten reicht es üblicherweise aus, zwei Professoren |181|aus konkurrierenden Theorieschulen in dieselbe Arbeitsgruppe zu berufen. Garantiert werden die sich gegenseitig neutralisieren und sich zu keiner einhelligen Fachmeinung durchringen können, sodass die Institutsleitung ganz elegant das ungeliebte Projekt solange auf Eis legen kann, »bis eine theoretische und praktische Einhelligkeit erzielt werden kann«. Das wird vermutlich nie geschehen – wie schade … Die instrumentalisierte Arbeitsgruppe darf als einer der wirkungsvollsten Innovationszerstörer in Deutschland betrachtet werden!

Wenn Sie erfahren, dass Sie in eine Arbeitsgruppe mit sich widersprechenden Vertretern bestellt werden sollen, dann versuchen Sie auf jeden Fall, sich dieser Aufgabe zu entziehen, denn Sie sollen abgeschoben werden.

Das kann recht schwierig sein, denn offiziell muss der Anschein der Arbeitsfähigkeit der Arbeitsgruppe aufrechterhalten bleiben. Elegant können Sie dem entgehen, wenn Sie jemanden anderes als fachlich geeigneter hinein empfehlen können, vielleicht noch gepaart mit dem unaufdringlichen Angebot an die Leitung, sie dann hier und dort entlasten zu können. Der von Ihnen Empfohlene kann übrigens gerne jemand sein, den Sie aufs Abstellgleis befördern wollen – denn genau darum handelt es sich bei dieser Art von Arbeitsgruppen!

Nur Arbeitsgruppen, in denen die große Mehrheit an einem Strang zieht (und zwar in eine Richtung), entfalten die Power der Innovation!

Wollen (oder müssen) Sie dennoch in schwierigen Arbeitsgruppen etwas durchsetzen, sollten Sie sich der präventiven Konfliktlösungsstrategie bedienen: erst die Mehrheiten in Vorgesprächen festzurren und dann pseudodemokratisch ins Meeting |182|gehen. Im Jargon nennt man das »gut präpariert«. Kluges Taktieren hält die potenziellen Gegenspieler auf Distanz. Ganz davon abgesehen, dass der Genuss am eigenen strategischen Geschick so manchen Mitarbeiter aufblühen lässt.

 

Ein Textilgeschäftsführer nennt das geradezu euphorisch sein »sinnliches Verhältnis zur Gestaltungsfreiheit«. Will er etwas Kniffliges durchsetzen, stimmt er sich mit seinen loyalen Partnern, Frau Sabine L. und Herrn Walter K., aus der Entscheidungsgruppe präzise ab: »Ich werde meine Ausführungen mit dem Satz beenden: ›Das hat aus meiner Sicht Zukunft!‹ Walter fällt mir dann bitte sofort ins Wort und sagt: ›Ein sehr guter Gedanke, den wollte ich auch schon lange verfolgen.‹ Sabine präzisiert direkt im Anschluss, dass diese Idee exakt den Interessen unserer nationalen Partner entsprechen dürfte.« Das Resultat dieser Art von Abstimmungsprozessen ist fast immer identisch: Die Restgruppe nickt ab, denn jeder Gegenredner weiß, dass er es nun gleich mit drei potenten Fürsprechern zu tun bekommt. Die Gefahr, hier zu unterliegen, scheuen die meisten. Der Widerstand ist damit im Keim erstickt, und manch potenzieller Kritiker lässt frustriert den Kopf hängen – was unser Textilgeschäftsführer gerne auch als zustimmendes Nicken wertet! Der Mann hat Humor. Schwarzen Humor.