Formen der Aggression im Berufsalltag

Diese vier Grundgruppen führen zu sechs konkreten Formen des Handelns im Geschäftsalltag – und fünf davon sind karriere- und geschäftsschädigend. Diese fünf sollen uns zunächst intensiver beschäftigen. Es handelt sich um die

  • spontane Aggression

  • Frustrationsaggression

  • Rachsucht

  • kompensatorische Aggression

  • Autoaggression

Spontan, unkontrolliert, cholerisch?

Die spontane, unkontrollierte, fast cholerische Aggression ist der schnelle, emotionale, nicht sehr überlegte Schuss aus der Hüfte, der mehr kaputtmacht als hilft und für den man sich in der Regel am nächsten Tag entschuldigen muss. Der wichtige Kommunikationssatz »Erst denken, dann reden« ist Vertretern dieser Handlungsweise fremd. Die spontane Aggression disqualifiziert Mitarbeiter und Führungskräfte, denn sie wirken überfordert und aufgeregt. »Die haben sich nicht im Griff«, bleibt bei Freund und Feind hängen. Ihr Verhalten ist zwar zutiefst |44|menschlich, aber unentschuldbar und peinlich. Entsprechend gelten die Spontan-Aggressiven als völlig ungeeignet für jedes strategische Vorgehen. Man muss ihnen sogar untersagen, an Meetings teilzunehmen, bei denen es um etwas geht, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass sie einfach drauflos reden und alles mit ihren Worten einreißen, was an diplomatischen Feinheiten aufgebaut worden war. So hart es auch klingen mag: Hier hilft nur die zeitlich begrenzte Aussperrung.

Trotz dieser negativen Auswirkungen ändern sich spontanaggressive Menschen nur ungern, denn der Genuss ist groß, den eigenen Frust bei anderen abzulassen. Besonders Führungskräfte glauben, dass ihr Leitungsstatus ihnen ein derartiges Benehmen zubilligt – ein Irrglauben, der sich in der Regel durch eine hohe Mitarbeiterfluktuation ausdrückt, denn Arbeit und Kreativität fördernd ist dieser cholerische Persönlichkeitszug nun wirklich nicht. Untersuchungen der Unternehmensberatung Kienbaum zeigen, dass Firmen, in deren Chefetagen mehrere Neurotiker für ein problematisches Betriebsklima sorgen, über bis zu 6 Prozent weniger Umsatzrendite verfügen.

Frustrationsaggression

Die Grundlage der Frustrationsaggression ist immer ein unbefriedigter Wunsch nach nicht erreichter Größe und Macht. Sie ist der untaugliche Versuch, sich aggressiv zu verschaffen, was einem von Dritten vorenthalten wurde. Diese Aggressionsform findet sich bevorzugt bei dissonanten Persönlichkeiten, deren Berufsrealität hinter dem selbst gesteckten Idealbild hinterherhinkt.

 

Ein Beispiel ist der hoch begabte Chemiker, der vergeblich darauf hofft, dass die Vorgesetzten endlich seine breit gefächerten (Führungs-) |45|Qualitäten erkennen, ihn aus dem Laborleben befreien und in elitärere Zirkel katapultieren, wenigstens aber zum Leiter des Forschungslabors bestellen.

Aber nicht einmal das geschieht. Das hängt auch mit dem Selbstmarketing des Mannes zusammen, denn er hat seine Ambitionen bis dato niemandem verraten, und von alleine kommt keiner seiner Chefs darauf. Der Mann leidet unter dem sogenannten »Dornröschen-Syndrom«: Er möchte in seiner Qualität von der Leitung erkannt und – um im Bild zu bleiben – »wachgeküsst« werden, ohne dass er selbst die Werbetrommel für sich rühren muss. Aber das macht niemand, denn man ist ja mit ihm im Labor sehr zufrieden, weil er dort den Laden schmeißt. Seine hervorragenden Laborleistungen führen dazu, dass seine Chefs seinen Status zementieren: »Never change a winning team!« Diese Berufsrealität nagt an seiner Psyche und er ist nicht in der Lage, selbstständig Anstöße zu geben. Das frustriert.

Aber dieser Frust ist selbst- und hausgemacht, denn ein wenig extrovertierte Positionierung hätte hier Wunder wirken können: Durch eine klare Ansage hätte unser Mann seine Karrierechancen deutlich erhöht, denn man hätte ihn nicht mehr ignorieren können. So aber bleibt nur Frust, der sich mit der Zeit wie ein zäher Schleier über seine Seele legt und zu einer negativen, griesgrämigen Nörgel-Attitüde führt, die alle Mitarbeiter nervt, ihn isoliert und sicher eines verdeutlicht: Für zukünftige Leitungsaufgaben ist dieser Chemiker ungeeignet.

 

Wenn Sie so einen Mann in Ihrer Abteilung haben und ihm nicht zur Karriere verhelfen wollen, weil er Sie so herrlich entlastet, dann sollten Sie wenigstens seine wahren Qualitäten anerkennen und loben. Das tut seiner gequälten Seele gut, und der Mitarbeiter wird Ihnen – wegen dieser direkten Zuwendung – stets treu ergeben bleiben. Was wollen Sie mehr?

Dass die Frustrationsaggression für die Mitmenschen auch schöne Konsequenzen haben kann, zeigt ein erfolgreicher, |46|bewunderter mittelständischen Unternehmer aus der Provinz. Der bietet Leiden auf hohem Niveau – was wiederum ganz gut zu ihm passt:

 

Er grämt sich über sein Leben im ländlichen Abseits, wäre lieber Konzernchef (was er einmal versuchte, aber nicht schaffte) und ärgert sich darüber, dass er weder von der Wirtschaftswoche noch von anderen ökonomischen Publikationen wahrgenommen wird. Obwohl größter Arbeitgeber in der Region und trotz Anerkennung durch Provinzverwaltung und -politik, bleibt ihm die erschütternde Gewissheit: »Ich bin nur zweite Liga.«

Der Unternehmer ist darüber frustriert, ohne sich aber in aggressive Konsequenzen zu ergießen. Er wendet seinen Frust positiv in Richtung Kreativität: Kulturorganisation (»Ich hole den Domingo«) und Mäzenatentum sind die Folge. Auch eine Stiftungsgründung wirkt Wunder: Die gewünschte Größe erhält er dann eben außerhalb der Wirtschaft, zur Freude der kulturell oder sozial antizipierenden Mitmenschen. Die Hoffnung stirbt zuletzt: In unserem Fall brachte wenigstens das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Randnotiz.

Frustration, positiv gewendet, kann viel Gutes auslösen!

Rache an der Vergangenheit!

Rache ist der irrationale Versuch, Geschehenes rückgängig zu machen. Rachsüchtig aggressive Menschen sind unerträglich. Sie verteidigen sich nicht in einem Kampf, denn die erlittene Gemeinheit ist schon längst geschehen. Sie gehört eigentlich der Vergangenheit an. Man sollte sie als Niederlage ad acta legen, sich nicht weiter darum kümmern und sich natürlich vornehmen, den urhebenden Fiesling zukünftig nicht zu fördern.

|47|Dieses Vernunfthandeln reicht dem rachsüchtigen Zeitgenossen allerdings nicht, denn der macht den irrationalen Versuch, durch seine Taten die Vergangenheit zu korrigieren. Er folgt dem Lex talionis, dem Prinzip »Auge um Auge, Zahn um Zahn«.

 

Ein unschönes Beispiel bietet ein Bauunternehmer. Der erhielt nicht den erhofften staatlichen Auftrag, obwohl er »Büro-Sonderausgaben« des Dezernenten mitfinanzierte und eine Alarmanlage in dessen Privathaus mehr als kostengünstig installierte. Der Bauunternehmer entwickelt nun einen regelrechten Hass auf diesen bestechlichen Entscheidungsträger, der nicht einmal die Grundregel der prä-konventionellen Moral einhält, die recht simpel lautet: »Eine Hand wäscht die andere!« Die Rache des Übergangenen ist perfide: Mithilfe eines Journalisten, den er instrumentalisiert, werden Gerüchte in die Welt gesetzt: Der Dezernent hätte eine Affinität zu kleinen Jungen. Der Bauunternehmer, seines Zeichens Freund moderner Popmusik, kommentiert knapp: »Das Gerücht hat ja schon bei Michael Jackson funktioniert.«

Nach zweimonatigen (Presse-)Spekulationen stellt sich zwar die pädophile Unschuld des Dezernenten heraus, seine angespannte Ehe schliddert jedoch nur knapp an der Scheidung vorbei, und im Lions-Club meidet man ihn seitdem dezent. In letzter Zeit klagt er über Herz-Rhythmus-Störungen. Unseren Unternehmer ficht das wenig an, denn aus seiner Sicht hat die Gerechtigkeit gesiegt. Mitleid hat er nicht, denn bei dem Auftrag ist es schließlich um seine Existenz und die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter gegangen!

 

Böses tun und sich gut fühlen: Die amerikanischen Kriminalsoziologen Sykes und Matza sprechen hier von Neutralisierungs- beziehungsweise Rechtfertigungsstrategien, um Schuld- und Schamgefühle zu vermeiden: Die Rache war gerecht und notwendig, weil man selbst Schreckliches erlitten hat. Mehr darüber erfahren Sie im Kapitel Neutralisierungstechniken: Gut zu |48|wissen – aber bitte nicht anwenden! Die Rechtfertigung des Unternehmers ist in diesem Fall von großer Schlichtheit: Das Opfer hat selber Schuld, der Dezernent hätte sich ja an die informellen und illegalen Absprachen halten können!

Der rachsüchtige Typus ist nachtragend, er vergisst nicht. Sein unangenehmes Lebensmotto lautet: Man trifft sich immer zwei Mal im Leben! Man sollte sich vor den Rachsüchtigen vorsehen: »Ich vergesse Kränkungen und Unkollegialität von anderen nie. Gegenüber solchen Mitstreitern mache ich bei allen Gelegenheiten Politik, oder klarer gesagt: Ich versuche sie auflaufen zu lassen und in die Pfanne zu hauen. Diskret, versteht sich«, so eine Führungskraft aus der Computerbranche.

Psychoanalytisch kann von einem Versuch gesprochen werden, die angeschlagene Selbstachtung wiederzufinden. Das geschieht leider mitunter auch auf Kosten unbeteiligter Dritter, wenn man etwa an zerstrittene Unternehmenserben denkt, bei deren Streit die Belegschaft zerrieben werden kann: Ohne Rücksicht auf den Fortbestand der Firma, ohne Rücksicht auf die Zukunftsängste der Arbeitnehmer wird um jeden Bleistift erbittert gekämpft, weil vorausgegangene persönliche Kränkungen den objektiven Blick verbarrikadiert haben. Dabei ist der Kampf mit harten Bandagen gerade vor diesem Hintergrund nicht zwangsläufig nötig, da professionelle Konfliktschlichter, sogenannte Mediatoren, viel Elend reduzieren könnten, indem sie etwa die Angst vor dem gegenseitigen Übervorteiltwerden minimieren.

Hinter der rachsüchtigen Aggression steht häufig eine Enttäuschung über das Leben, vielleicht auch über die eigene missratene Lebensleistung. Oft handelt es sich um ein »anspruchsvolles Leiden«, das durch gezielte Aktivitäten wie einen »Seitenwechsel« zu relativieren wäre: Dabei erfahren Erfolgreiche das Leben der Gesellschaftsverlierer, indem sie es einige |49|Wochen in der Obdachlosenbetreuung den Sozialpädagogen gleichtun. Das Gefühl des Übervorteiltwerdens bekommt danach eine völlig andere Bedeutung. Die Relationen verschieben sich wohltuend!

Bleibt aber die Enttäuschung, führt dies schnell zu einem heimlichen Lebenshass: Statt des Glaubens an Mitmenschen und ethische Prinzipien wird zur Prestige- und Statusjagd angesetzt. Als Führungskraft ist dieser Typus auf den ersten Blick verbissen zielorientiert (und damit ein echter Leistungsträger), aber am Fortbestand des Unternehmens nicht wirklich interessiert. Biss paart sich bei diesem Menschenschlag gerne mit Bosheit. Moralische Grundwerte fehlen. Vorsicht ist geboten, denn an Nachhaltigkeit sind diese Menschen wenig interessiert.

Minderwertigkeit gut kompensiert

Von dieser Sorte gibt es viele. Diese Zeitgenossen versuchen Minderwertigkeitsgefühle auszugleichen. Sie favorisieren Ersatzhandlungen, um sich ganz bewusst größer und wichtiger aufzublasen, als sie wirklich ist. Im Volksmund heißen sie »Blender«. Durchsetzungsstärke und Dominanz stehen bei ihnen als Ersatz für produktives Handeln. Viel Substanz haben sie nicht zu bieten, sodass selbst gesteckte Ziele durch Schwäche, Ängste oder Inkompetenzen verfehlt werden können. Aus diesen Fehlleistungen entsteht das innerliche Hadern mit sich selbst. Das innere Gleichgewicht – die Psychologie spricht vom homöostatischen Prinzip – wird gestört. Und diese Störung gilt es eben auszugleichen.

Kompensatorische Leistungsträger haben häufig ein hervorragendes Selbstmarketing und einen tollen Auftritt, die leider aber beide nicht mit Inhalt gefüllt sind. Diese Menschen wirken |50|daher oft unberechenbar, stimmungsabhängig und sind mit einem großen Vergnügen am Misserfolg auch enger Mitarbeiter versehen. Gewalttäter sprechen in diesem Zusammenhang (wenn man mir diesen kriminologischen Vergleich erlauben mag) vom »Gesundstoßen am Leid der Opfer«. Die Aufgeblasenen empfinden diese Schadenfreude als Potenzersatz, eben als Ausgleich, als Kompensation.

Nerviger erscheinen die kompensierenden Zeitgenossen, die auf Statuserhöhung hoffen und sich fälschlicherweise als »Label Victims« bezeichnen – und dabei hoffen, dass man ihr Gucci-Täschchen, die Rolex oder die Flasche Veuve Cliquot identifiziert: »Ich trage teuer, also bin ich großartig!« Victims, also Opfer, sind diese Markenfetischisten allerdings nicht. Die Soziologie spricht hier präziser von den Wohlstandsverwahrlosten! Die materielle Kompensation ist substanzlos und verlangt nach stets schnellerer Befriedigung. Ein erfüllter Wunsch weckt zehn neue Ansprüche. Dieses sich immer rasanter drehende Karussell hat schon manchen an den existenziellen Rand katapultiert.

Die hässlichste Variante der Kompensierenden sind die Neo-Despoten, jene Hardliner, die den härter werdenden Wettbewerb ungebremst an die Mitarbeiter durchreichen. Sie versuchen sich über permanente Drohungen selbst zu erheben, anstatt ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern gerecht zu werden. Wortfragmente wie »Leute wie Sie müsste man …« begleiten ihren Arbeitsalltag. Diese empathie unfähige Managerspezies ist extrem leistungsorientiert, gepaart mit dem fast zwanghaften Wunsch, Mitarbeiter (und Familienangehörige) fest im Griff zu haben. Die Psychologie spricht bei dieser Führungsspezies im freudianischen Jargon vom »analen Charakter«, vom zwanghaften Handeln und Kontrollieren bis in Beruf und Familie hinein. Machtversessenheit bis zur heimlichen |51|Fantasie, gottgleich zu sein, dient dem inneren Ausgleich. Im Job funktioniert das häufig aufgrund der Hierarchie.

Dieser Charakterzug gilt bei kulturkritischen Zeitgenossen übrigens als typisch deutsch und drückt sich in seiner volksnahen Variante als Schrebergarten-Mentalität, inklusive zwanghaftem allsamstäglichen Rasenmähen und Autowaschen aus!

Zurück zu den ökonomischen Zirkeln. Ein weniger feines, aber kriminologisch interessantes Beispiel für eine kompensatorische Aggression bietet ein Manager aus der Chemiebranche, den ich in Zürich kennen lernen durfte:

 

Dieser Manager ist sauer. Und zwar zu Recht, denn er hat einen siebenstelligen Auftrag gegen einen Konkurrenten verloren. Das ist bitter, aber verkraftbar, zumal unser Mann bei den letzten Aufträgen immer die Nase vorn hatte. Life goes on? Nicht bei unserem Mann, denn der leidet nicht nur unter dem finanziellen Verlust, sondern vor allem unter einer persönlichen Niederlage, da ihm im Konkurrenzunternehmen ausgerechnet sein alter Schulfreund/-feind den Auftrag wegschnappte.

Zur Vorgeschichte: Unser Mann stand schon in der Schule – überflüssigerweise – mit diesem seinem Freund in Konkurrenz, daraus resultierte eine ambivalente Beziehung, die munter zwischen Freund- und Feindschaft hin- und herpendelte. Nach dem Abschluss machten beide ähnliche Karrieren in konkurrierenden Unternehmen, bis es zu diesem siebenstelligen Showdown kam, bei dem unser Mann unterlag. Das konnte er nicht wegstecken. Er sagte sich, dass diese Niederlage nach Ausgleich lechze, den er sich auf eher ungewöhnliche Weise verschaffte: Er zerkratzte – und jetzt wird es kriminologisch interessant – in 25 Minuten neun Luxuswagen (Kriterium: Neupreis über 50 000 Euro) mit seinem Autoschlüssel während eines abendlichen Spaziergangs in einer österreichischen Großstadt. Seine Begründung war verblüffend und kommt einem kognitiven Purzelbaum gleich: »Weil mein Freund-Feind auch so einen Wagen fährt.« Eine Stellvertreterstraftat. Und er |52|fühlte sich dabei so richtig wohl! Geschämt hat er sich nicht, zumal die Nachwehen der Tat ihm drei Tage später ein geradezu euphorisches Hochgefühl vermittelten, als er in einer österreichischen Tageszeitung einen Artikel über Jugendvandalismus an Luxusautomobilen fand …

 

Man sieht, Böses kann einem richtig gut tun, eine First-Class-Kompensation. Wobei eines klar sein muss: Als Kriminologe lehne ich das grundsätzlich ab! Übrigens war das Risiko erwischt zu werden für unseren Kompensator nicht unerheblich. Auf meine Frage danach antwortete er irrational und jugendtypisch-omnipotent: »No risk, no fun!«

Autoaggression – Energien falsch ausgerichtet

Bei der Autoaggression – und die kommt bei aggressiv gehemmten Menschen häufig vor – werden die aggressiven Energien gegen den Empfindenden selbst gerichtet. Diese Menschen drücken sich vor anstehenden Konflikten, weil sie Angst vor Auseinandersetzungen mit Gegenspielern und Mitbewerbern haben. Dieses Phänomen tritt besonders bei sogenannten Gutmenschen auf, die ständig Harmonie und Teamgeist anmahnen, in Wirklichkeit aber nur die Konfrontation fürchten.

Der faule Kompromiss, der eigentlich Entscheidungsschwäche ist, wird nach außen als Konsensfindung und ausgleichende Verhandlungsführung verkauft. Dem eigenen Team kann man derartige Konsensheuchelei vielleicht noch wortgewaltig unterjubeln. Dem eigenen Körper und der eigenen Seele allerdings nicht. Die spüren den Selbstbetrug und reagieren entsprechend: Depressivität, starke Stimmungsschwankungen und Selbstzweifel, Angst, der Situation nicht gewachsen zu sein, quälen |53|den Autoaggressiven, der sich mit Cognac zu beruhigen versucht. Auch Essstörungen wie beispielsweise Bulimie bieten sich als (meist weibliche) Variante an.

Fakt ist: Die Aggression, die im Berufsleben unterdrückt oder geleugnet wird und kein Ventil findet, führt häufig zur Antriebsschwäche und Passivität oder sucht sich eben auf körperlicher Ebene einen Ausweg. Darunter leidet dann nicht nur der Betroffene, sondern auch sein soziales Umfeld.

Wir können unseren aggressiven Potenzen nicht entfliehen!

Autoaggression ist im Berufsleben mehr als kontraproduktiv. Sie schädigt den Autoaggressiven wie die Firma gleichermaßen. Sie ist vor allem bei jenen ausgeprägt, die ihre eigene Aggression ausschließlich negativ besetzen, vielleicht weil ihnen von Kindesbeinen an eingeredet wurde, dass sie lieb, brav und hilfreich sein sollen.

Es wundert nicht, dass gerade Mädchen diesem Erziehungspostulat besonders stark ausgesetzt sind – mit enormen Nachteilen im späteren direkten Wettbewerb mit Männern, denen man im Heranwachsen mehr Rohheit zubilligt. Die Sozialisationstheorie spricht hier von »geschlechtsspezifischen Verzerrungen«! Die so erzogenen Damen laufen Gefahr, ausschließlich konsens- und teamorientiert zu agieren. Für Konflikt- und Konkurrenzsituationen, wie sie im Berufsleben gang und gäbe sind, ist dieses Handlungsmodell zu wenig hilfreich.

Es darf nicht ignoriert werden, dass man im Job in Hierarchien steckt, in denen das strategische Mit- oder Gegeneinander einen Teil der Normalität ausmacht. Autoaggression geht Hand in Hand mit Durchsetzungsschwäche.

 

|54|Dieses Dilemma beschreibt der Personalchef eines international agierenden Lebensmittelkonzerns wie folgt: »Wir haben Topexperten. Aber wenn die eine Gruppe mit zwölf Leuten leiten sollen, versagen sie und kochen aus lauter Harmonie- und Konsensgedudel ihrem Team erst mal Kaffee. Die führen nicht, die wollen geliebt werden und werden deshalb nicht ernst genommen!«

 

Daher sollten zur Autoaggression neigende beziehungsweise zu liebe Mitarbeiter in Managementtrainings lernen, bissiger, enthemmter, autoritärer und weniger ängstlich zu werden. Sie brauchen sich nicht sorgen, dass sie danach über das Ziel hinausschießen und zu unangenehmen und fiesen Kollegen mutieren. Trainings geben nur einen Tritt in die richtige Richtung – und das auch nur dann, wenn der Seminarteilnehmer es zulässt! Den ganz Ängstlichen bleibt der Trost: Sollten sie den Bogen versehentlich doch einmal überspannt haben, können sie sich immer auch noch entschuldigen! Die Furcht, dass jemand nach einem derartigen Managementtraining ein schlechter Mensch wird, ist unbegründet, denn solche Trainings zielen nicht auf Persönlichkeitsveränderung, sondern streben nur eine Persönlichkeitsergänzung an. Allerdings eine punktgenaue: eben die Peperoni-Strategie!

 

Wie oben erwähnt, handelt es sich bei diesen beschriebenen Formen der Aggression um Karriere- beziehungsweise Geschäftskiller. Sie zelebrieren Rücksichtslosigkeit und sind ethisch verwerflich. Zumindest die ersten vier rufen in kürzester Zeit die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Daher: Finger weg, denn solche Strategien sind den vermeintlichen Sieg nicht wert. Sie sind nicht nachhaltig!

Bei aller Durchsetzungsstärke gilt es niemals zu vergessen: Werden Sie sich klar über Ihre persönlichen Werte und Ihr |55|Leitbild, und orientieren Sie in jedem Fall Ihr Handeln daran. Behalten Sie stets das Gemeinwohl im Blick!

Unterstützt werden Sie dabei von einer Ausprägung von Aggression, die nicht nur gut für die Karriere, sondern auch wohltuend für die Gesellschaft und Ihre Gesundheit ist. Darum widmen wir ihr ein ganzes Kapitel – der positiven Aggression.