24

Die Vans gelangten in ein großes unterirdisches Areal. Es glich einer weitläufigen Industrieanlage. In den tiefen Tunneln, die von der gewaltigen, aus dem Berg herausgearbeiteten Höhle wegführten, sah Sayid jede Menge Maschinen – schwere Erdräumungsgeräte, Tunnelbohrmaschinen, Bagger. Das sah nach viel Arbeit aus.

Die Gangster drängten und zerrten ihn zu einem Aufzug. Ein bewaffneter Wachmann ohne Abzeichen an seiner Uniform sah sie näher kommen. Er nickte Sayids Entführern zu und drückte einen Knopf. Türen fuhren zischend auf und Sayid wurde in einen durchsichtigen Lift geschoben. Er kam sich vor wie im Innern eines Diamanten: die Ränder kunstvoll geschliffen, sodass das weiße Licht der Halogenlampen Farben durch den Raum versprühte, wie man es von Strahlenbrechungen in Prismen kennt. Sie fuhren schnell nach oben. Licht flackerte, fing sich an dem nackten Felsen, den man durch den Kristall hindurch sah, und die Steinflächen warfen die Farben zurück. Es war, als schaute man in einen Nachthimmel, an dem ein elektromagnetischer Sturm kosmischen Staub herumwirbelte.

Sayid war abgelenkt genug, um für einen Augenblick seine Angst zu vergessen. Der Lift verlangsamte seine Fahrt und kam mit leise schnurrendem Motor zum Stehen. Erst als die Türen aufgingen, begriff Sayid, wie hoch innerhalb des Berges er sich befand.

Die Gangster schoben ihn unsanft hinaus. Vor sich erblickte er ein riesiges Fenster. Wolken zogen daran vorüber. Er befand sich offenbar in einigen Tausend Metern Höhe. Die Luft war kühl. Der glatte, glänzende, felsige Boden schimmerte. Modern. Funktional. Kalt.

»Ich hoffe, du bist beeindruckt«, sagte eine Stimme am anderen Ende des Raumes.

Der Mann kam näher, und Sayid musste in dem grellen Gipfellicht blinzeln, um sein Gesicht auszumachen. Als er ihn deutlicher sah, erschauerte er.

»Und hast Angst, verstehe. Das solltest du auch«, sagte Fedir Tischenko.

 

Auf dem Flug nach Genf musste Max dauernd an Abdullahs Worte denken. Wie hatte er das bloß gemeint? Sophie hatte sich für ihn entschieden? Und würde für ihn kämpfen? Sie hatte ihm den Anhänger weggenommen. Das war Diebstahl und Betrug. Für wen tat sie das? Nein, das ergab keinen Sinn. Nur eins stand fest – die Uhr tickte, und sie ging schneller als sonst. Noch vierundzwanzig Stunden, und Zabalas Prophezeiung würde dieses Gebiet zertrümmern wie der Hammer die Walnuss. Max sah auf den Genfer See hinunter, als das Flugzeug in den Landeanflug ging. Die Stadt kauerte sich an die westliche Küstenlinie, dicht an der Grenze zu Frankreich. Max spähte über die Landebahn hinaus. Kaum zwei Kilometer vom Flughafen entfernt standen mehrere moderne Gebäude in der offenen Ebene, riesengroß. Das war CERN. Wie oder warum die mit Zabalas Katastrophe verknüpft waren, wusste Max nicht, aber sollte hier irgendetwas schiefgehen, würde Genf für immer von der Weltkarte verschwinden, das war klar.

Hinter dem See und der Stadt ragten Berge wie Piranhazähne himmelwärts und schienen nach ihm zu schnappen, als sei er ein Häppchen, das man ihnen zum Fraß hingeworfen hatte. Willkommen im Land der Kuckucksuhren, der Schokolade und des gewaltsamen Todes.

 

Corentin beobachtete die Passagiere in der Ankunftshalle des internationalen Flughafens von Genf. Max Gordon würde sich gleich zu der am Flughafen befindlichen Bahnstation aufmachen, um von dort in die sechs Fahrminuten entfernte Stadt zu fahren. Corentin wollte den Jungen nicht verpassen. Die Züge verkehrten alle Viertelstunden, aber wenn Max Gordon ihn sah, würde er ihm zu entkommen versuchen – und das durfte nicht passieren. Es liefen noch jede Menge andere Jugendliche hier herum, irgendeine blöde Schulklasse. Corentin klappte sein Handy auf. Thierry hielt am Gare de Cornavin – dem Hauptbahnhof in der Stadt – nach Sophie Ausschau.

»Ist sie schon da?«

»Der Zug ist pünktlich. Noch fünf Minuten.«

»Verdammt, das ist zu knapp, Thierry. Er wird sie verpassen. Bleib bei ihr. Ich hol mir hier den Jungen.«

Corentin verließ seine Deckung. Er musste dafür sorgen, dass Max ins Freie kam, dass er losrannte, panische Angst bekam. Und dann würde Corentin ihn sich schnappen, wenn der Junge in die falsche Richtung lief und nicht mehr viele Alternativen zum Ausweichen hatte. Zur Tür hinaus, auf die Straße – da war er angreifbar. Der Verkehr und der Umstand, dass der Junge sich in Genf nicht auskannte, das verschaffte Corentin einen Vorteil.

 

Max mischte sich zwischen die Schüler auf Klassenfahrt. Die jungen Italiener plapperten wild durcheinander, freuten sich auf ihre Reise an den Genfer See. Gegen diese Geräuschkulisse hatten die Lehrer, die Anweisungen geben wollten, keine Chance. Mit Gelassenheit und Routine schafften sie es schließlich doch, ihre Schäfchen zum Haupteingang zu scheuchen.

Max tauchte in die Schülerschar ein, schaute aber ständig über ihren Rand hinweg und beobachtete die im Terminal verstreuten Leute. Sein Blick fiel auf eine Wanduhr. Er hatte noch Zeit. Sophies Zug sollte erst in einer halben Stunde ankommen. Als die Schüler wie ein Fischschwarm einen Schwenk vollzogen, löste sich Max wieder aus der plappernden Schar. Er ging schnell auf die Rolltreppe am Ende des Terminals zu, die zu den Bahnsteigen hinabführte. Wenn er Sophie abfangen konnte, würde er gleich danach in eine S-Bahn zum Kernforschungszentrum steigen und die Leute dort warnen. Ob Fauvre jemanden erreicht hatte? Hatte er die Leute dort überzeugen können? Oder würde Max bei seiner Ankunft im CERN auf verständnislose Gesichter treffen – oder gar auf die Polizei?

Als er an einem Fahrkartenautomaten vorbeiging, bemerkte er den großen, kräftigen Mann in Lederjacke. Er durchbohrte Max mit seinen Blicken. Es war der Typ aus Mont la Croix, der ihm bis ins Krankenhaus in Pau gefolgt war. Wie hatte der ihn gefunden? Hier, in Genf. Aber das war jetzt unwichtig, denn Max sprintete bereits zu den Rolltreppen. Der Lederjackenmann, war allerdings genauso schnell wie er – offenbar gut trainiert. Die Rolltreppe schwebte mit Max nach unten, aber das ging ihm nicht schnell genug. Er schwang sich auf den mit Gummi überzogenen Handlauf und rutschte nach unten.

Ein Zug fuhr ratternd aus. Bis auf ein paar Touristen war der Bahnsteig leer. Max sprintete zum anderen Ende des Perrons; er würde hinunterspringen und notfalls über die Gleise laufen. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass sein Verfolger dicht hinter ihm war. Max war jünger und fitter, er konnte ihn abhängen. Er würde den Älteren so zum Keuchen bringen, bis seine Lunge es nicht mehr schaffte. Aber es kam ganz anders. Der Mann holte auf.

Max gelangte ans Ende des Bahnsteigs. Die Tunnel waren gefährlich, aber er hatte keine andere Wahl. Er musste auf die Gleise springen. In dem Bruchteil einer Sekunde, die ihm für seine Entscheidung blieb, sah er zu seiner Linken eine Tür. Das BETRETEN-VERBOTEN-Schild galt für den Rest der Welt, aber nicht für Max Gordon. Er warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Stäbe, auf denen PUSH stand, und stolperte in den dahinterliegenden Korridor. Auf halber Höhe verliefen an den Wänden rote, blaue und grüne Streifen wie auf der Streckennetzkarte der Londoner U-Bahn. Wenn er dort wäre, wüsste er genau, in welche Richtung er rennen musste. Hinter ihm wurde die Tür aufgestoßen.

»Max Gordon! Bleib stehen!«

Max rannte weiter, für einen Moment fassungslos, dass der Mann seinen Namen kannte. Er rannte weiter in den Korridor hinein, bog nach links, sah eine weitere Tür, rot angestrichen, und eine weitere Aufschrift – Vorsicht, Hochspannung! Jetzt hatte er nur noch zwei Möglichkeiten: die blaue Linie nach links, die grüne Linie nach rechts.

Er rannte nach links, sah die Treppe, wusste, er hatte die richtige Wahl getroffen, und sprang die ersten vier Stufen hinauf.

Eine Doppeltür, nur Ausgang, kein Eingang. Frische Luft wehte ihm ins Gesicht. Ein herrlicher Tag. Die kalte Luft versetzte ihm einen Energieschub.

Während Max an dem Gebäude entlangspurtete, sah er, dass das Areal von einem Sicherheitszaun umgeben war – den Eingang bildete eine bemannte Schranke, vierhundert Meter von ihm entfernt. Wenn er aus diesem umzäunten Gebiet nicht rauskam, war von dem Mann, der ihn verfolgte, nur eines zu erwarten.

Max kam an den Zaun, der oben komplett mit NATO-Draht gesichert war. Unmöglich, da drüberzuklettern. Er machte kehrt, presste sich mit dem Rücken an die Maschen, benutzte den Zaun als Sprungbrett, von dem er sich wieder abstoßen konnte. Aber da stand sein Verfolger plötzlich unmittelbar vor ihm. Dass der ihn so schnell eingeholt hatte! Er sah voraus, dass Max sich ducken und nach rechts ausweichen wollte, schlang ihm einen Arm um den Hals und nahm ihn in den Schwitzkasten. Offenbar wollte er ihn aber nicht erwürgen, sondern bloß festhalten; er ließ Max zappeln und strampeln und sich an der Umklammerung abarbeiten. Der Mann zuckte mit keiner Wimper, als Max ihm mit aller Kraft ans Schienbein trat. Max zappelte wie ein wildes Tier im Netz, und je heftiger er sich wehrte, desto schneller erlahmten seine Kräfte.

Er wollte nicht sterben! Schon gar nicht kampflos. Er sackte absichtlich zusammen, ließ sich fallen. Dass die zappelnde Masse plötzlich erschlaffte, darauf wäre der Mann nicht gefasst. Und dann würde Max sich auf der Erde zur Seite rollen.

Es klappte nicht.

Der Mann beugte ein Knie, fing ihn ab und verdrehte ihm so den Arm, dass Max’ Körper zur Seite gedrückt wurde. Er presste Max sein Knie ins Kreuz und hielt ihn mit eisernem Griff fest. Das Gesicht auf dem Boden, den Arm auf dem Rücken, die Wange in den Teer gedrückt. Das war das Ende. Dieser Gorilla würde ihm den Hals brechen. Dad! Hilf mir! Max wurde schwarz vor Augen, die Luft wurde ihm aus der Lunge gepresst. Und trotzdem versuchte er weiter zu treten und sich herauszuwinden. Ein sinnloser Versuch, das Unausweichliche abzuwenden. Das Sonnenlicht blendete ihn, das Blut hämmerte ihm in den Ohren. Er erinnerte sich an die Wärme Aladfars, roch den Moschus des Bärenfells, hörte den Schrei des Adlers in seinem Gedächtnis widerhallen. Aber ihm wuchs keine Stärke zu. Nichts Animalisches verlieh ihm Kraft.

 

Sayid zitterte. Die Männer machten eine Leibesvisitation, rissen seinen Rucksack auf, zerfetzten ihn auf der Suche nach Hinweisen auf Zabalas Codes. Sie fanden nichts. Sie ließen ihn seine Sachen wieder anziehen, aber Sayid zitterte nicht nur vor Kälte und Angst – sein Körper brauchte Nahrung und Flüssigkeit. Sein pochender Fuß tat ihm weh, der Schmerz zermürbte ihn und raubte ihm das letzte bisschen Durchhaltevermögen, das er noch besaß. Wenn er wenigstens ein paar Stunden schlafen könnte! Dann ginge es ihm wieder gut, dann wäre er im Kopf wieder frisch und würde sich überlegen, wie er Max die Nachricht zukommen ließ. Die Gangster warteten ja auf Max, und er konnte nichts machen, um ihn zu warnen.

Tischenko wusste, dass Sayid keine Informationen besaß, sondern nur dazu taugte, Max anzulocken. Sein Killer hatte die kleine Marokkanerin informiert. Sie würde Max Gordon nach Genf locken, denn niemand ließ seine Freunde in tödlicher Gefahr im Stich. Nicht, dass es darauf ankam. In ein paar Stunden würden sie sowieso alle sterben.

»Besorg ihm einen Rollstuhl«, sagt Tischenko zu einem der Männer. Er saß Sayid gegenüber, hob mit schuppigen Fingern dessen Kinn, sodass er seinem Blick nicht ausweichen konnte. »Du bist müde, Junge.«

Sayid nickte. Er wollte sich mit dem Mann auf kein Gespräch einlassen.

»Und dein gebrochener Fuß bereitet dir Schmerzen. Ich weiß, was Schmerzen sind. Die können einem die ganze Lebenskraft rauben bis zu dem Punkt, wo es einem egal wird, ob man am Leben ist oder stirbt. Bist du an diesem Punkt?«

»Nein, nein. Ich will nicht sterben.«

»Natürlich nicht. Du hast nichts zu befürchten. Ich werde dir keine Schmerzen bereiten, versprochen. Aber möchtest du vielleicht was Warmes zu essen und ein bisschen schlafen?«

Wieder nickte Sayid, fast hypnotisiert von dieser Flüsterstimme.

Tischenko sah die Männer an. »Nehmt ihn mit«, sagte er, als er auf die Türen des Lifts zuging.

Sie fuhren schweigend bis tief unter die Erde. In ein anderes Areal als das, das Sayid vorhin gesehen hatte. Die glänzenden Maschinen und Apparate in dieser von Hochtechnologie geprägten Umgebung summten vor gebremster Kraft. Ein Gebilde, das wie ein riesiger Ventilator aussah, ragte über Sayid auf; mindestens sechzig Meter hoch, höher als eine Kathedrale. Sayid kam sich vor wie eine Ameise, als Tischenko durch die gewaltige Halle schritt. Dicke Kabel, in kupferfarbenen Umhüllungen gebündelt, und Röhren, breiter als ein Bus, führten vom Rand der Maschine weg und verschwanden weit hinten in der Felswand. Tischenko sah zu, wie Sayid staunte.

»Du interessierst dich für Physik?«

Sayid konnte bloß nicken. Die Komplexität dessen, was er hier sah, überstieg sein Vorstellungsvermögen.

»Zwölf Jahre, siebenunddreißig Milliarden Dollar, vierzehn miteinander verbundene Röhren und ein siebenundzwanzig Kilometer langer Teilchenbeschleuniger-Ring einhundertfünfzig Meter unter der Erde – und dazu die besten Köpfe, die man für Geld kriegen kann. Jeder einzelne der Wissenschaftler hier hat seine Spezialaufgabe erledigt und ist dann gegangen. Nur ich und einige wenige Ausgewählte können ermessen, was wir hier zustande bringen.«

»Und das wäre?«, sagte Sayid und hoffte, das Ego dieses Mannes ließ es zu, dass er irgendwelche entscheidenden Informationen preisgab.

»Eine Energiequelle von einer Leistung, die nahezu unvorstellbar ist. Der Kondensator, den du hier siehst, wiegt fast neunzehntausend Tonnen. Er speichert die Energie für eine Mikrosekunde und leitet sie dann ins Innere des Bergs, wo …«

Sayid beobachtete das unbewegte Gesicht des Mannes, dessen Haut vor so langer Zeit zerstört worden war, dass es einer Maske glich. Nur in den funkelnden Augen spiegelte sich seine Vision, die jede Vorstellung überstieg. Tischenko war wieder verstummt, ohne sein Geheimnis preiszugeben, und sah Sayid an.

»Ich will dich nicht mit Einzelheiten langweilen. Du brauchst deinen Schlaf.«

Sayid stiegen Tränen in die Augen vor Angst. Die letzten Worte des Mannes klangen irgendwie endgültig.

Sie drangen tiefer in die Tunnel vor. Die Kälte hier ließ Sayids Atem dampfen und raubte ihm die letzten Kräfte. Sogar die Männer zitterten, nur Tischenko zeigte sich vollkommen unbeeindruckt. Sayid konnte sich einfach nicht mehr länger wach halten. Der Kopf sank ihm auf die Brust. Er riss ihn wieder hoch. Anscheinend hatte er Halluzinationen. Hinter einer Wand aus Eis entfernten sich verschwommene Gestalten, die Farben ihrer Kleidung verschwanden im Nichts. Er war in einer Kammer, die wie das Innere eines Eiswürfels aussah. Feuchte Luft umwehte ihn und gefror. Er zwang sich, gegen die Erschöpfung anzukämpfen, und öffnete die Augen wieder. Schmerz. Beißender Frost. Er wollte den Arm heben und seine gefrorenen Tränen wegwischen, aber irgendetwas hinderte ihn daran. Er kämpfte gegen eine unsichtbare Mauer. Sein Körper war reglos geworden. Das letzte bisschen Wärme, das er noch in sich hatte, wich unter dem Angriff der eisigen Luft.

Sterne funkelten, der Himmel war undurchdringlich schwarz. Kometen flackerten vor seinen Augen vorüber, betäubende Wogen aus dunkelblauem, violettem und grellweißem Licht umbrandeten ihn. Eine Stimme flüsterte ihm hämisch zu, seine Körperkerntemperatur dürfe nicht unter siebenunddreißig Grad absinken – bei fünfunddreißig Grad setzte Unterkühlung ein, ab dreiunddreißig würde es lebensbedrohlich.

Sayids Geist verspottete ihn mit Zahlen, die den Tod bedeuteten. Er war ja längst viel kälter.

In seiner Lunge befand sich noch ein letzter Atemzug.

Sein letzter Gedanke, bevor die wirbelnden Sterne zu schwarzer Materie und Nichts zerfielen, war die Frage, wie er Max die entschlüsselte Botschaft überbringen konnte.

 

Max saß angeschnallt auf dem Vordersitz des schwarzen Audi. Keine zehn Minuten zuvor hatte der große, kräftige Mann am Steuer ihn noch zu Tode geängstigt, aber jetzt war er ungeheuer erleichtert. Der Mann hieß Corentin, und er und sein Partner Thierry wurden, seit Sophie Fauvre von ihrem Vater weggelaufen war, um Zabala zu suchen, dafür bezahlt, sie zu beschatten. Und dafür zu sorgen, dass sie nicht in Schwierigkeiten geriet. Zu Beginn wussten die beiden nicht, was Max mit der ganzen Sache zu tun hatte, doch als sie Sophie in Oloron aus den Augen verloren, verfolgten sie Max’ Spur bis ins Krankenhaus. Max Gordon finden hieß, Sophie Fauvre finden, aber Max war ihnen entwischt. Sie hatten geglaubt, sie könnten Sophie so viel Angst einjagen, dass sie nach Hause fuhr, als sie sie in Biarritz aufspürten und es so einrichteten, dass Sophie sie auch bemerkte. Sie waren ihr zu dem alten Château nachgefahren, hatten die Spur von Max und Sophie bis zum Bahnhof verfolgt und sie in den Zug einsteigen sehen. Corentins Auftrag war damit erledigt. Fauvre war ein guter Freund – noch aus ihrer gemeinsamen Zeit in Paris. Als Sophie von Marokko nach Genf gefahren war, hatte er wieder bei ihm angerufen und Corentin gebeten, dafür zu sorgen, dass seiner Tochter und Max nichts passierte.

Während der Ex-Legionär den Wagen durchs Verkehrsgewühl steuerte, lauschte er seinem Handy in der Halterung am Armaturenbrett. Thierrys Stimme erstattete laufend Bericht.

»Ich sehe sie. Sie geht über die Brücke in Richtung Park.«

»Sie darf dich auf keinen Fall bemerken. Sonst erschrickt sie und wir haben sie verloren«, erwiderte Corentin, trat das Gaspedal durch und raste an langsamer fahrenden Wagen vorbei.

»Halt den Mund und mach du deine Arbeit«, schoss Thierry zurück. »Wie nah bist du?«

Corentin streckte den Kopf vor und prüfte ihre Position. Sein Blick flog ständig zwischen Innenspiegel und Seitenspiegel hin und her, suchte eine Lücke im Verkehr, die er ausnutzen konnte.

»Zwei Minuten.«

»Da ist noch eine. Sie hat ein anderes Mädchen gesehen, zu dem geht sie jetzt hin. Ist langsamer geworden. Irgendwas ist da faul …«

»Verdammt!«, fluchte Corentin, als ein Oberleitungsbus ihm den Weg versperrte. Er schob Max mit einer Hand einen Stadtplan zu, riss mit der anderen das Steuer herum. »Kannst du Karten lesen? Such uns einen Weg zum Parc la Grange!« Corentin wartete die Antwort nicht ab. »Wir sind auf der Rue du Roveray.«

Max’ Augen flogen über den Stadtplan, seine Gedanken drehten sich noch schneller als der Motor. Wer war das Mädchen, mit dem sich Sophie traf?

Er fuhr mit dem Finger die Strecke auf der Karte ab, während der große Wagen durch den Verkehr rollte. »Rue de Montchoisy links abbiegen!«, sagte er.

»Nein! Da ist ein Stau! Die Nächste, Junge, mach schon!«

Max geriet unter Druck, blieb aber konzentriert. Er war jetzt der Steuermann und Corentin musste seinen Anweisungen folgen. »Die Erste links in die Rue de Nant. Ist eine Einbahnstraße – in der richtigen Richtung.«

Corentin fuhr schnell und gekonnt, wich geschickt aus, immer hin und her. Hupen gellten. Bremsen quietschten.

»Ich seh’s schon!«, sagte er an Max gewandt.

Thierrys Stimme, aufgeregt, fordernd: »Näher kann ich nicht ran, Corentin. Oder soll ich? Sag schon!« »Sind gleich da …« Noch einmal wurde der Motor hochgejagt.

»Ich muss sie jetzt holen. Die zwei streiten sich. Sie hat eine Kette oder so was. Es gibt Ärger! Motorradfahrer!«

»Gib ihnen den Anhänger!«, rief Max. »Der ist nichts wert!« Doch er wusste, sein Geschrei war nutzlos. »Links rein, fünfzig Meter, dann rechts!«, sagte er zu Corentin.

»Verdammt, Junge! Kannst du das nicht früher sagen!« Mit schmorenden Reifen lenkte Corentin den großen Wagen über die Kreuzung. »Ich sehe den Park!«, schrie er ins Telefon. »Dreihundert Meter! Hundertfünfzig! Thierry, wo steckst du? «

Thierrys keuchender Atem drang aus dem Handy. »Am Picknick-Platz …« Es knisterte in der Leitung, dann kamen die letzten Worte wieder verständlich durch. »… Schlägerei … Sieh zu, dass du herkommst!«

Max klammerte sich ans Armaturenbrett.

Corentins Augen, dunkel und drohend, waren auf den Parkeingang geheftet. Ruckartig brachte er das Auto zum Stehen und war schon zur Tür hinaus, bevor Max seinen Sicherheitsgurt abgeschnallt hatte.

Max rannte. Links gab es friedliche Rosengärten und gepflegte Teichanlagen, dann ging der Park in eine Landschaft mit Bäumen und offenen Wiesen über. Zweihundert Meter vor ihm war der Kampf bereits voll entbrannt. Thierry schleuderte gerade einen der Motorradfahrer zu Boden; in den Rädern seiner Maschine drehten sich Erde und Gras, der Motor heulte auf, als der Gashebel sich in die Erde bohrte. Der junge Mann hatte gegen Corentins Partner keine Chance – er war schon bewusstlos, bevor er auf dem Boden landete.

Die anderen Motorradfahrer schwenkten herum wie angreifende Bienen. Corentin, fünfzig Meter vor ihm, hatte einen an der Spitze der Gruppe bereits gepackt und trat ihm buchstäblich das Motorrad unter dem Hintern weg. Max wusste, was Corentins Eisenfäuste dem Fahrer antun konnten.

Sophie rannte hinter einem Mädchen her, von dem er nur den Rücken sah. Plötzlich fuhr es herum, baute sich vor Sophie auf und rang mit ihr.

Peaches!

Vor Schreck wäre Max beinahe stehen geblieben. Zwei andere Motorradfahrer rollten auf die Mädchen zu. Der Hai war nicht zu sehen. Wo war er? Er musste hier sein!

»Peaches! «, schrie Max.

Seine List funktionierte. Peaches war für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt, schaute zu ihm herüber und fiel zu Boden, als Sophie sie mit einem Karatetritt zu Fall brachte.

Zwei Motorradmänner hätten Max um ein Haar erwischt, wenn Corentin und Thierry sich ihnen nicht in den Weg gestellt hätten. Die harten Ex-Soldaten hatten Kriege erlebt und körperliche und seelische Strapazen ausgehalten, die sich kaum jemand vorstellen kann, und so hatten die beiden Gangster keine Chance gegen ihre koordinierte Attacke. Das hatte bestimmt wehgetan.

Max war jetzt bis auf dreißig Meter heran. Er wusste, Peaches war nicht nur eine tüchtige Sportlerin, sondern auch ein Killer. Leicht würde sie Sophie den Sieg nicht machen. Sie nahm Sophie in eine Beinschere, brachte sie zu Fall, aber Sophie bekam das Ende einer Parkbank zu fassen, trat kräftig mit den Beinen aus, drehte sich wie im Sportunterricht auf dem Seitpferd und war wieder auf den Beinen.

Max sah, dass Peaches die Kette mit dem Anhänger um ihre Faust gewunden hatte. Aber das konnte ihm egal sein. Es ging nur noch um Sophie.

Peaches warf sich herum wie eine erfahrene Karatekämpferin und erzeugte durch die schnelle Bewegung eine enorme Kraft. Sie hatte noch etwas anderes in der Hand – einen Totschläger: schwarz, kurz und schwer, eine tödliche Waffe. Sophie fand das Gleichgewicht wieder, war aber noch verwirrt. Die beiden Männer, die sie in den Pyrenäen verfolgt hatten, waren jetzt mit Max zusammen in den Park gekommen. Was ging hier vor? Wie hatte Max sie gefunden?

»Pass auf, Sophie!«, rief Max.

Seine Warnung rettete sie. Sie machte einen Sprung rückwärts. Noch einmal zugegriffen und sie hätte Peaches mattgesetzt. Doch ihr Körper ließ sie im Stich. Sie spürte einen plötzlichen Schmerz – war sie angeschossen worden? Ein flammendes Sengen schoss durch ihr Bein, das Knie knickte unter dem Gewicht ihres Körpers ein. Die Ärzte sollten ihr später mitteilen, dass sie einen Kreuzbandriss hatte. Als ihr Bein versagte, stürzte sie böse hin, landete auf der Seite und schlug mit dem Kopf auf das Betonfundament der Parkbank.

Max sah sie zusammenbrechen. Sie war ohnmächtig. »Corentin! «

Max hatte es kaum gerufen, da reagierte der starke Mann auch schon. Max sprintete Peaches hinterher. Sie war der Schlüssel zu allen Fragen.

Corentin war schon bei Sophie angekommen. »Kümmern Sie sich um sie!«, rief Max und lief, so schnell er konnte, der flüchtenden Peaches nach.

Die Motorradfahrer waren alle ausgeschaltet und lagen auf der Erde. Max füllte seine Lunge mit Luft, schwenkte die Arme und trieb seine Beine an. Er holte auf.

 

Der Hai mochte seine Truppe. Sie waren die einzige »Familie«, die er je besessen hatte. Ihm war nur allzu klar, dass Tischenko es an einem von ihnen auslassen würde, wenn er versagte – auf die Art setzte er ihn gewaltig unter Druck. Aber jetzt würde Tischenkos Killer, die hübsche Peaches, die so glamourös aussah, vollkommen makellos, den ganzen Ruhm für sich allein einheimsen. Sie hatte den Hai, einen gewöhnlichen Dieb, als Tischenkos Liebling abgelöst. Wenn sie den Anhänger abgeliefert hatte, gab der Irre ihr alles, was sie haben wollte.

Der Hai wartete still und reglos auf dem Fahrersitz eines Allradwagens unter den Bäumen. Von dort beobachtete er, wie die Männer in den Lederjacken gegen seine Leute kämpften und sie außer Gefecht setzten, und er sah immer noch zu, als Max ins Getümmel gerannt kam. Tischenko hatte ihm gesagt, dass nur die kleine Fauvre und Max kommen würden. Die zwei Lederjacken da waren aber Profis. Wo die herkamen, war ihm ein Rätsel.

Peaches hatte ihren Zweikampf gewonnen und kam auf ihn zu. Der Hai hatte die Anweisung, Peaches, den Anhänger und Max in die Berge zu bringen. Aber die Lage hatte sich geändert. Max und Sophie waren plötzlich in der Überzahl, die zwei mit den Lederjacken hatten den Spieß umgedreht. Jetzt waren andere Dinge wichtiger. Der Hai konnte sich nicht auf den jungen Engländer stürzen. Nicht, dass er ihn nicht hätte besiegen können, das schon, aber er und Peaches waren in der Minderheit. Und den Anhänger wollte Tischenko mehr als alles andere. Wenn er den lieferte, konnte sich der Hai eine Belohnung aussuchen.

Der Hai wusste, die Ungarin war eine eiskalte Killerin, und er wusste auch, dass sie sich an seiner Stelle die Gelegenheit, die sich ihm jetzt bot, nicht entgehen lassen würde.

Der Motor lief im Leerlauf. Die Ungarin kam direkt auf die kleine Erhebung zugerannt, auf der er parkte. Er stand verdeckt genug zwischen den Bäumen, um nicht gesehen zu werden. Sie lief schnell, aber Max war keine dreißig Meter mehr hinter ihr. Er würde sie kriegen.

Der Hai gab ein Signal mit der Lichthupe. Hierher! Sie sprintete noch einmal schneller, gewann ein bisschen Vorsprung und erklomm den Hügel.

In dem Moment trat der Hai das Gaspedal durch, der Zweitonner schoss mit einem Satz zwischen den Bäumen hervor. Potÿncza Józsa, die stets lächelnde Peaches, die schicke, von allen jungen Männern angehimmelte Skifahrerin, die außerdem eine herzlose Killerin war, rannte frontal in das Auto hinein. Das Letzte, was sie sah, bevor das Licht ihrer Augen erlosch, war ein hässlich lächelnder Mund voller spitzer Zähne.

Der Hai trat auf die Bremse und rutschte fünf Meter – direkt auf Max zu, der einen Sprung zur Seite machte. Er geriet ins Stolpern und rollte den Abhang hinunter. Als er wieder auf den Beinen war, hatte der Hai der toten Peaches den Anhänger aus der Hand genommen, war wieder ins Auto gesprungen und jagte über die Wiese davon, dass das Gras nur so hinter den Reifen aufspritzte.

Max rannte zwischen den Bäumen hindurch und erhaschte einen letzten Blick auf den Wagen, der, langsamer werdend, in einer Senke verschwand und dann auf die Hauptstraße Richtung Osten einbog. Osten! Warum Osten? Das war die falsche Richtung! Was, wenn es im CERN ein Problem gab? Das Kernforschungszentrum lag doch im Westen! Dann war der Wagen endgültig verschwunden.

Einige Augenblicke später legte Max seine zitternde Hand unter Peaches’ Hals. Sie sah aus, als schliefe sie. Doch sie hatte keinen Puls. Widerstreitende Gefühle stiegen in Max hoch und verwirrten ihn. Hatte er Angst, das Mädchen zu berühren, das er einmal für seine Freundin gehalten hatte und das jetzt tot war – oder fürchtete er sich, eine Killerin anzufassen?

 

Corentin sah sich Sophies Verletzungen an. Sie kam immer wieder für einen Augenblick zu sich. Thierry fesselte die Motorradfahrer und ließ sie mit dem Gesicht nach unten liegen, die Handgelenke an den Knöcheln festgezurrt.

»Die Polizei wird jeden Moment da sein«, sagte Corentin. »Wir bringen sie ins Krankenhaus.«

Max nickte. »Wie schwer ist sie verletzt?«

»Kann ich nicht sagen. Sie hat eine Kopfwunde und mit ihrem Bein ist auch was nicht in Ordnung. Sie hat Blut im Ohr, wie du siehst. Ich glaube, sie hat einen Schädelbruch. Wir müssen beim Transport vorsichtig sein.«

Corentin wandte sich ab und gab Thierry durch einen Pfiff ein Zeichen, zu ihm zu kommen.

Max schob ihr die Haare aus dem Gesicht.

»Sophie, was ist los? Ich verstehe das nicht.«

Sie schlug die Augen auf, blinzelte ein paarmal und versuchte zu lächeln. »Max? Ich dachte, ich hätte geträumt. Ich wusste, dass du es bist. Entschuldige.«

»Warum hast du mir den Anhänger weggenommen? Du hättest mir doch alles sagen können.«

Sophie war schwach. Ihre Stimme klang brüchig. »Du warst krank. Du hattest kein Vertrauen zu mir.«

Was sie sagte, tat zwar weh, stimmte aber.

Der Audi kam über die Wiese auf sie zugefahren. Sophie versuchte etwas aus der Jackentasche zu ziehen.

»Max, er ist in den Bergen. Mein Handy, nimm dir mein Handy. Peaches hat es mir gesagt. Da haben sie ihn hingeschafft … in die Zitadelle.«

Max zog das Handy heraus. Sophie nickte. Sie wurde wieder ohnmächtig.

»Sophie, halte durch. Dein Dad hat diese Männer geschickt, damit sie uns helfen. Wir sind jetzt in Sicherheit.«

Sie schüttelte den Kopf. »Sayid …«, flüsterte sie. Ein flüchtiges Lächeln. Sie hob die Hand. »Ich wollte … Entschuldige, Max.« Und dann fielen ihre Augen wieder zu.

Max hielt sie fest, er wollte nicht, dass sie starb.

Corentin zog das Mädchen sacht aus seinen Armen, kontrollierte ihren Puls. »Es ist gut, Junge. Sie lebt. Wir bringen sie in die Notaufnahme.«

Corentin und Thierry legten Sophie behutsam auf den Rücksitz des Audi.

»Steig ein«, forderte Thierry ihn auf.

Max war hin- und hergerissen. Doch er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Ich muss weitermachen und sehen, dass ich das Ding hier aufhalten kann. Was immer es ist. Kümmern Sie sich um sie, Corentin. Wenn Sie nicht gewesen wären, hätten die sie umgebracht. Danke.«

Max nahm seinen Rucksack aus dem Auto.

Corentin setzte sich ans Steuer, Thierry hielt auf dem Rücksitz die bewusstlose Sophie im Arm. Sie hatten ihre Aufgabe erledigt. Max Gordon war nicht ihr Problem, trotzdem bewunderte Corentin den Jungen.

»Und du? Welches Ding? Was hast du vor?«

Auf einmal kam Max das Ganze viel zu groß vor. Als hätte ihm jemand gesagt, er solle eine senkrechte Eiswand hinaufklettern und einen Landrover hinter sich herziehen. »Nennt sich Zitadelle, wo ich hinmuss. Ich werd sie schon finden.«

»Am anderen Ende des Sees«, sagte Thierry. »Das ist ein Gebirgszug. Du kannst da nicht hin, Junge, das ist zu gefährlich. Das Wetter wird umschlagen und du hast keine Ausrüstung. Komm mit uns mit.«

Max sah Corentin an. Sie wussten beide, dass er das nicht tun würde.

Corentin schob einen zusammengefalteten Stadtplan durchs Autofenster. »Hier, nimm. Den wirst du brauchen.«

Max nickte zum Dank und sagte: »Corentin, falls Sie jemanden bei den französischen Sicherheitsbehörden kennen, Polizisten, egal was für welche, reden Sie mit denen. Nutzen Sie alle Kontakte, die Sie haben.«

»Und was soll ich denen sagen?«

»Sie sollen sich bei Laurent Fauvre melden. Er kann alles erklären.« Max zog die zusammengefalteten Zeichnungen und Notizen aus seinem Rucksack und schob sie Corentin ins Auto. »Es geht um ein Dreieck. Das zeigt auf CERN, das Kernforschungszentrum. Hier, Genf! Ich lag falsch. Ich hatte mich geirrt. Die Linie hat die Berge durchschnitten. Dieselbe Richtung, aber anderer Ort. Sagen Sie denen, es geht um etwas richtig Großes hier in den Bergen. Eine Katastrophe. Sagen Sie das denen! « Max schwang sich den Rucksack auf die Schulter und rannte schon los, als Corentin langsam anfuhr.

 

Sirenen kündigten an, dass die Polizei unterwegs war. Schlägereien in öffentlichen Parks kamen im vornehmen Genf nicht gerade häufig vor, und in der Anlage würde es binnen Kurzem von Polizisten wimmeln.

Max besah sich Sophies Handy. Warum hatte sie danach gegriffen? Weil sie wollte, dass er es bekam. Warum? Er drückte die Tasten, fand die SMS, und sein Herz blieb beinahe stehen.

 

Der Alte mit den Tieren hat Adrien. Komm mit dem Anhänger des Mönchs und Max zum Parc la Grange, Genf 7. Sayid ist bei mir. Ich kann helfen.

Deine Freundin Peaches

 

Sophie hatte spitzgekriegt, dass ihre Freundin eine Lügnerin war und sie verraten hatte. Es gab keinen Adrien. Er existierte nicht. Das konnte Peaches aber nicht wissen.

Aber sie hatten Sayid entführt.

Heute war der Siebte. Zabala hatte die Katastrophe für den Morgen des Achten vorhergesagt. Max hatte sich in Sophie getäuscht. Sie hatte versucht, Sayid zu retten. Jetzt ergaben Abdullahs Worte einen Sinn. Sie hatte für Max gekämpft. Und jetzt war er an der Reihe, für Sayid zu kämpfen. Er musste in die Berge, um seinen Freund zu retten.

Und um diesen Wahnsinn zu beenden.