15

Max hatte wie immer wenig einzupacken – mit kleinem Gepäck reiste es sich schneller. Während er seine Hosen und T-Shirts faltete und in den Rucksack stopfte, erwog er seine Möglichkeiten. Wie entkam er am besten der Polizei und den Verfolgern, die ihn töten wollten? Allmählich kam er sich vor wie ein Fisch im Netz. Er durfte auf keinen Fall in Panik geraten, denn dann beging man immer die größten Fehler. Also gut, keine Panik. Lieber einen Plan zurechtlegen.

»Du musst der Polizei alles erzählen, Max«, unterbrach Sayid seine Gedanken.

»Nein. Wenn ich mich jetzt stelle, werden wir das Rätsel niemals lösen. Hör zu, Sayid. Zabala wurde wegen einer Sache ermordet, die so wichtig war, dass ich sie nicht mit ihm sterben lassen kann. Die Polizei hat genug Beweismaterial, mich bis zum Beginn eines Prozesses einzusperren. Das Ganze ist eine abgekartete Sache.«

»Wie meinst du das?«, fragte Sophie.

Max, der immer noch nicht schlau aus ihr wurde, sah ihr in die Augen.

»Wie hat man Zabalas Leiche gefunden?«, fragte er. »Anscheinend hat es Tauwetter gegeben«, antwortete sie. »Nein, hat es nicht. Du hast doch auch die Nachrichten gesehen. Die sind ganz gezielt zu der Stelle gegangen, wo er abgestürzt ist.«

»Dann hat es ihnen jemand gesagt!«, rief Sayid.

»Ganz genau. Und wer konnte so gut Bescheid wissen?« »Der Mörder«, sagte Sophie ruhig.

Das war keine Vermutung, sondern eine nüchterne Feststellung. Aber warum klang das aus ihrem Mund so provozierend?, fragte sich Max. Vielleicht, weil sie es so gelassen ausgesprochen hatte?

Er nickte. »Irgendjemand ist hinter mir her, um an die Informationen heranzukommen, die ich besitze. Und mir die französische Polizei auf den Hals zu hetzen, ist eine fantastische Methode, mich in die Enge zu treiben, findest du nicht auch?«

»Du hast mich angelogen. Du warst in Zabalas Hütte, weil du etwas Bestimmtes gesucht hast. Was?«

»Ich wollte mehr über ihn herausfinden«, sagte Max, noch immer nicht bereit, ihr allzu viel zu verraten. Erst musste er wissen, ob sie irgendetwas mit dieser ganzen Sache zu tun hatte.

»Und deswegen bist du auch zu dem Château gefahren?« »Ja, weil ich erfahren hatte, dass er früher dort gearbeitet hat.«

»Und ist dir denn jetzt nicht alles klar?«, fragte Sophie, und es klang ziemlich gereizt. »Das sind die Tierschmuggler. Die stecken dahinter. Du hättest mir das alles früher sagen sollen. Du hättest mir vertrauen sollen.«

Max wusste, es ging um viel mehr als Tierschmuggel. Der Deutsche hatte in d’Abbadies Château gewartet, bis Max die Zeichnung auf dem Anhänger entdeckt hatte. Erst dann hatten sie angegriffen.

»Entschuldige, Sophie. Je weniger du weißt, desto besser. Ich habe nicht gewusst, wie gefährlich das werden würde.« Er wollte ihr immer noch nicht mehr verraten.

»Hast du irgendeine Vermutung, warum Zabala sterben musste? Abgesehen davon, dass er von Tierschmugglern ermordet wurde.«, fragte Sophie und sah ihm dabei direkt in die Augen.

Sayid war nervös. Würde Max ihr alles erzählen? Er traute Sophie nicht. Erstens war sie ein Mädchen, das so ziemlich in allem gut war, was Sayid nicht konnte. Zweitens hatte sie sich zwischen ihn und Max gedrängt – also war er ein wenig eifersüchtig. Drittens spielte sie Max etwas vor, das war so offensichtlich, dass selbst die Uhr an der Wand es bemerkt hätte. Viertens war sie in den entscheidenden Augenblicken immer genau da, wo Max auch war, zum Beispiel bei Zabalas Hütte und in Mont la Croix, als er sie vor diesen Bikern gerettet hatte. Fünftens … na ja, Sayid hätte noch eine Menge Gründe aufzählen können, warum er Sophie Fauvre nicht über den Weg traute.

»Ich weiß nicht, warum er ermordet wurde«, sagte Max. »Aber es könnte noch etwas anderes dahinterstecken als Tierschmuggel. Aber Genaueres weiß ich auch noch nicht.« Er warf Sayid eins seiner T-Shirts zu. »Komm, Sayid. Uns bleibt nicht viel Zeit.«

»Moment mal«, sagte Sophie. »Wo willst du hin?« »Dorthin, wo Zabalas Hinweise mich hinführen.«

Sie wartete, aber Max sagte nichts mehr. Er wartete auf ihre Reaktion. Sie schien beunruhigt. Max wusste nur eins genau: Binnen Kurzem würde er ganz Frankreich durchqueren müssen, ohne entdeckt zu werden. Und das war praktisch unmöglich. Er hatte Sophie absichtlich so wenig verraten. Das auf den Anhänger geritzte Dreieck wies auf Sophies Geburtsland. Sie hatte irgendetwas mit dem Schmuggel gefährdeter Tierarten zu tun und sie war aus unerfindlichen Gründen bei Zabalas Hütte in den Bergen aufgetaucht – das alles brachte ihn zu der Überzeugung, dass sie tiefer in dieser Sache steckte, als sie bisher zugegeben hatte. Noch hatte Max keinem Menschen erzählt, dass er ins marokkanische Atlasgebirge reisen musste. Und ohne Sophies Hilfe würde er das wohl nicht schaffen.

»Du solltest mit mir nach Hause kommen«, sagte sie.

»Und warum?«, fragte Max, der seine Erleichterung kaum verhehlen konnte – genau das hatte er von ihr hören wollen.

»Weil du da in Sicherheit wärst. Fürs Erste jedenfalls. Und dann kannst du entscheiden, was du weiter tun willst. Meine Familie ist dir etwas schuldig. Meinem Vater wäre es eine Ehre, dir helfen zu können.«

»Danke. Ich werde darüber nachdenken. Aber vorher muss ich mit Sayid reden.«

Sie ging aus dem Zimmer und Max machte die Tür hinter ihr zu. Sayid schüttelte den Kopf.

»Du bist verrückt, Max. Ich fühle ganz deutlich, dass mit dem Mädchen was nicht stimmt.«

»Mir bleibt nichts anderes übrig, Sayid.«

»Wie bitte? Du willst mit Absicht in eine Falle gehen?« »Nicht so laut. Wir wissen nicht genau, was sie damit zu tun hat. Noch nicht.«

»Ich glaub, in dieser Lawine muss ein Stein gewesen sein, der dich am Kopf getroffen hat. Du bringst dich immer mehr in Schwierigkeiten. Wie willst du aus der Sache jemals wieder rauskommen?«

»Ich weiß, wie riskant das ist. Aber wenn wir erst mal da sind, kommen wir schon dahinter. Es muss sein, Sayid. Alle Hinweise Zabalas führen nach Marokko.«

»Ich kann jedenfalls nicht mit«, sagte Sayid.

»Natürlich kannst du. Ich brauche deine Hilfe. Einiges von dem, was wir in dem Château entdeckt haben, hat mit heiliger Geometrie zu tun, und mit solchen Dingen kennst du dich sehr gut aus. Du schaffst das schon. Und ich brauche einen, der Arabisch für mich spricht.«

»Max, mein Bein tut verdammt weh. Ich wäre dir nur hinderlich. Außerdem wird in Marokko Darija gesprochen … Das ist ein Dialekt«, erklärte er hastig, »von dem ich kein Wort verstehe.«

Max spürte, dass es Sayid um mehr ging als seine mangelnden Sprachkenntnisse. »Ich habe deiner Mutter versprochen, bei dieser Reise auf dich aufzupassen, und bis jetzt ist mir das nicht besonders gut gelungen«, sagte er.

»Max, das war eine schreckliche Zeit für mich, auch wenn es mir irgendwie Spaß gemacht hat, aber ich kann mit dir einfach nicht mithalten. Schon gar nicht mit diesem Bein. Ich fahr besser nach Hause.«

Max ließ sich von seiner Enttäuschung nichts anmerken. Sayid war zur Stelle gewesen, als er ihn gebraucht hatte. Benutzte er sein verletztes Bein als Vorwand, weil er zu viel Angst hatte, weiterzumachen? Max machte sich im Stillen Vorwürfe. Es war ganz egal, ob Sayid eine Ausrede brauchte oder nicht. Er hatte bereits mehr ertragen als die meisten anderen Jungen in seinem Alter. Max hatte ihn schon allzu großen Gefahren ausgesetzt.

»Ja, du hast Recht. Okay. Ich bring dich zum Flughafen.«

Sayid unterbrach ihn. »Nein, Max, du musst verschwinden. Du kannst nicht zum Flughafen mitkommen. Der wird garantiert überwacht. Mach es nicht so kompliziert. Die Komtess kann mir ein Taxi bestellen. Es geht nicht anders, wir müssen uns trennen.«

Max zurrte seinen Rucksack zu und reichte seinem Freund die Hand. Die Jungen umarmten einander. Beiden fiel die Trennung nicht leicht.

»Geh mal meinen Dad besuchen. Sag ihm, ich schaff das schon. Wenn du zu Hause angekommen bist, sprich mir was auf meine Mailbox. Irgendwas, sagen wir über Flugunterricht, dann weiß ich, dass du gut angekommen bist. Und falls sie dich in England hochnehmen und nach mir ausfragen, erzähl ihnen alles, bloß nicht die Sache mit Marokko. Vielleicht kann ich das als Alibi brauchen, wenn ich noch mal nach Frankreich zurückmuss.«

»Du willst nach Frankreich zurück? Warum? Spinnst du?«

Max lächelte und legte seinem Freund einen Arm um die Schulter. Wenn er erst einmal herausgefunden hatte, ob Zabala tatsächlich eine Spur nach Marokko gelegt hatte, würde er die dritte Seite des Dreiecks in Angriff nehmen, die über die französischen Alpen in die Schweiz zeigte. »Darüber will ich jetzt lieber nichts sagen. Du weißt jetzt schon mehr als jeder andere. Gehen wir.«

Die Komtess hatte ihnen Baguettes mit Käse und Pastete, Obst und Wasser eingepackt und erfolglos versucht, ihnen ein paar zerknitterte Euro-Scheine, die sie in einem leeren Marmeladenglas gehortet hatte, in die Hand zu drücken.

Das Taxi kam. Die Komtess ging mit zum Tor, um ihren »Austauschschüler« zu verabschieden und dem Fahrer einzuschärfen, er solle den Jungen sicher am Abflugschalter des Flughafens von Biarritz abliefern. Sie schob ihm die gefalteten Scheine in die Hand. »Er ist noch so klein, kümmern Sie sich um ihn. Ich gebe Ihnen viel Geld dafür.«

Sayid drehte sich noch einmal um, als das Taxi um die Ecke bog. Er winkte der Komtess zu, aber sein Blick ging nach oben zu dem Fenster, wo Max stand. Er nahm Abschied von seinem Freund, ohne zu wissen, wann er ihn wiedersehen würde. Sein Gewissen plagte ihn, denn er malte sich aus, wie Max gejagt wurde und um sein Leben kämpfen musste. Seine hartnäckige Entschlossenheit konnte einem manchmal richtig Angst machen. Was ihn dazu trieb, immer wieder so große Gefahren auf sich zu nehmen, konnte Sayid einfach nicht verstehen. Aber wenn er ihn nach Marokko begleitet hätte, hätte er mit seiner Verletzung die Gefahr für Max nur noch erhöht.

Sayid würde nach Hause fliegen, Max’ Vater aufsuchen und ihm alles erklären – der würde wissen, was zu tun war.

Und dann würde er auf den Anruf seines Freundes warten.

 

»Ich habe Bobbys Handy in seinem Zimmer gelassen, Komtess. Ich kann damit nichts anfangen, der Akku ist leer. Wenn er zurückkommt, soll er nicht denken, er hätte mich im Stich gelassen. Richten Sie ihm aus, es ist alles in Ordnung zwischen uns. Ich möchte, dass wir Freunde bleiben«, sagte Max.

»Das sage ich ihm, und ich werde darauf bestehen, dass er dich sucht. Er ruft mich bestimmt bald an, das tut er immer.«

»Und denken Sie an meinen Vater. Rufen Sie ihn bitte für mich an, ja?«, schärfte Max ihr nochmals ein. Es waren die letzten Minuten, bevor er endgültig aufbrach.

Die Komtess lächelte ihn beruhigend an und ihre Stimme dämpfte seine Zweifel. »Selbstverständlich, sobald du gut von hier weggekommen bist.«

»Mein Vater, er ist … na ja, manchmal versteht er nicht alles, und er kann nicht jederzeit Anrufe entgegennehmen. Falls Sie jemand anderem eine Nachricht hinterlassen müssen, sagen Sie nicht zu viel, weil die Engländer sich dann womöglich verpflichtet fühlen, die Polizei zu benachrichtigen.«

»Ich werde mich kurzfassen. Diskret, aber deutlich genug. Man wird ihm das Nötige ausrichten, aber kein Wort mehr. Du musst dir keine Sorgen machen – höchstens um dich selbst. Sei vorsichtig. Und denk daran, was ich dir gesagt habe.«

Als sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte, sah sie zu Sophie hinüber und flüsterte: »Die Sache mit dem Vertrauen.«

 

Tischenkos Plan würde Max Gordon aus seinem Versteck aufscheuchen, davon war er überzeugt. Der Mörder wusste genau, wo der Mönch abgestürzt war, und diese Information hatte man an die Behörden weitergegeben. Wenn Max Gordon erst einmal im Gefängnis saß, war es ein Kinderspiel, ihn von dort zu entführen und in die gnadenlose Wüste zu verfrachten, aus der es kein Entrinnen gab.

Tischenkos Killer hatte es nicht geschafft, Zabala in seiner Hütte zu töten; und der zweite Versuch war durch das Auftauchen des Jungen beinahe ebenfalls gescheitert. Eigentlich hätte Fedir Tischenko ein solches Versagen bestrafen müssen, doch als er mit seiner Botschafterin des Todes sprach, blieb diese gelassen. Ihr Auftrag war erledigt, und wenn dieser Junge vorher etwas mit Zabala zu tun gehabt hatte, konnte man das nicht ihr zur Last legen. Tischenko mochte Frauen, die gern töteten. Sie gingen irgendwie kaltblütiger zu Werke. Als seien ihre weiblichen Emotionen unter einem Berg von eiskaltem Intellekt begraben. Er fand das äußerst attraktiv. Aber das Beste daran war, dass kein Mensch jemals auf die Idee kommen würde, dass ein Mädchen als Killer arbeitete.

 

In England läutete ein Telefon. Das leise, aber nachdrückliche Klingeln hallte durch die stillen Flure des Sanatoriums. Auf der anderen Seite des Innenhofs war an einen alten Flügel des Anwesens ein großes Gewächshaus angebaut, in dem exotische Pflanzen den Duft ferner Länder verbreiteten – der ideale Ort für Männer, die ihr Leben lang durch die Welt gereist waren, die den Dschungel kannten und sich jetzt damit trösteten, diese Blüten und Stängel zu berühren. Männer, die so krank waren, dass sie nur noch in einer solchen Einrichtung leben konnten.

Das Telefon hörte nicht auf zu klingeln. Irgendwann musste der diensthabende Pfleger doch einmal rangehen. Der ehemalige Marinesoldat Marty Kiernan, 1,83 Meter groß und 112 Kilo schwer, stapfte über den viktorianischen Fliesenboden und nahm den Hörer ab. Er hörte zu, drückte auf einen Knopf, legte den Hörer wieder auf und machte sich auf den Weg zu dem kleinen Dschungel in dem verglasten Gewächshaus. Trotz seiner massigen Gestalt ging er fast geräuschlos auf seinen weichen Sohlen. Alte Angewohnheit. Marty hatte im Dschungel und in der Wüste gekämpft. Er hatte als ausgebildeter Sanitäter in verschiedenen Kriegsgebieten Verwundete in Sicherheit gebracht und oft sein Leben riskiert, um andere zu retten. Und er war nicht ungeschoren davongekommen. In Afghanistan war er von zwei Kugeln getroffen worden und musste von sechs Männern zum Rettungshubschrauber geschleppt werden – die Verletzung machte seinen Kampfeinsätzen ein Ende. Und Marty hatte nicht nur physische, sondern auch psychische Wunden davongetragen, am Ende aber noch Glück gehabt, dass er in das einzige Militärkrankenhaus Großbritanniens eingeliefert wurde. Die Leute, die sich dort um ihn kümmerten, gaben ihm neue Hoffnung, bis die Depression, die ihn so schrecklich niederdrückte, von einer positiven, optimistischen Grundeinstellung abgelöst wurde. Jetzt fühlte er sich wieder fast so wie in seinem früheren Leben, bevor die beiden Kugeln ihm den rechten Arm genommen hatten.

Man muss die belastenden negativen Erfahrungen in positives Handeln umsetzen, pflegte er den Verwundeten zu sagen, die in das Sanatorium St. Christopher’s gebracht wurden. Niemals fragte er diese Männer, warum sie so wortkarg waren, warum einige von ihnen immer wieder ohne jeden Anlass in Tränen ausbrachen und warum andere stundenlang irgendein Bild an der Wand anstarrten. Früher oder später würden diese verletzten Männer einen Weg aus dem Leiden finden, in dem sie gefangen waren. Und dann würden sie auf sein Zureden reagieren, vielleicht sogar lächeln oder selbst etwas sagen. Und bis es so weit war, sorgten Marty und andere, die wussten, welche Schäden der Krieg in einem Menschen anrichten kann, für diese Männer.

Einer seiner Schützlinge war etwas ganz Besonderes. Vor langer Zeit hatte dieser Mann bei den Spezialeinheiten gedient, war dann ein berühmter Bergsteiger geworden und hatte schließlich seine Bildung, seinen Mut und seine Fähigkeiten darauf verwendet, durch die Welt zu reisen und nach potenziellen ökologischen Katastrophen Ausschau zu halten. Mit seiner Tätigkeit für eine privat finanzierte Organisation hatte Tom Gordon sich eine Menge Feinde gemacht, darunter auch ganze Regierungen und mächtige Wirtschaftsunternehmen. Andererseits hatte er zahlreiche Umweltkatastrophen rechtzeitig abwenden können, lange bevor der Klimawandel zu einem so heißen Thema geworden war. Marty lächelte. Heißes Thema. Das gefiel ihm. Das würde er mal als Scherz fallen lassen, auch wenn er noch so lahm war.

Marty und seine Mitarbeiter wussten, was mit Tom Gordon in Afrika passiert war – dass ein korrupter Arzt ihn gefoltert und mit giftigen Chemikalien seinen Verstand ruiniert hatte, um ihm wichtige Informationen zu entlocken. Nun, das war ihm nicht gelungen, und Gordons Sohn Max hatte das schier Unmögliche zuwege gebracht und seinen Vater aus den Fängen dieser Leute gerettet. Wie der Vater, so der Sohn? Wer weiß.

Es war schwül in dem riesigen Gewächshaus, und ohne die geöffneten Lüftungsklappen wäre es heißer gewesen als im Dschungel von Borneo.

Marty ging auf den Mann zu, der, über ein Beet gebeugt, die Erde um eine bunt blühende Pflanze umgrub. Er blieb stehen. Es war niemals ratsam, sich einem Mann wie Tom Gordon von hinten zu nähern, besonders wenn der so etwas wie eine kleine Schaufel in der Hand hielt. Die konnte, wenn er erschreckt herumfuhr, zu einer tödlichen Waffe werden, denn seine Reflexe waren immer noch beängstigend schnell. Marty hustete. Der Mann drehte sich um.

Unsicherheit trübte Gordons Blick. Er kannte diesen Mann. Er sah ihn jeden Tag. Wie hieß er noch? Wie …?

Dann fiel es ihm ein. »Marty. Hallo.«

»Hi, Tom. Die Zentrale sagt, da ist ein Anruf für Sie, aus Frankreich. Wahrscheinlich Max.«

Es gab Tage, da konnte Tom Gordon sich nicht an seinen Sohn erinnern. Er wusste von Marty, dass dieser Junge ihn regelmäßig anrief, aber an manchen Tagen konnte er absolut nichts damit anfangen.

»Max?«

»Ja. Sie wissen doch …«

»Keine Sorge, Marty. Heute ist ein guter Tag.« Tom Gordon lächelte. Er sah dem großen Mann ins Gesicht. »Er steckt in Schwierigkeiten, habe ich Recht?«

 

»Ich bin Komtess Alyana Isadora Villeneuve. Ihr Sohn hat mich gebeten, Sie anzurufen und Ihnen von den aktuellen Ereignissen hier zu berichten, damit Sie, falls Sie von anderer Seite davon hören, nicht auf die Idee kommen, er habe irgendetwas Unrechtes getan.«

Tom Gordon hörte so aufmerksam zu, wie es ihm möglich war. Die Frau redete wie ein Wasserfall, und wenn sie zwischendurch doch einmal Luft holte, ratterte sie sofort wieder los. Max’ Vater hatte keine Chance, ihr irgendwelche Fragen zu stellen. Erst Minuten später, nachdem sie alles erzählt hatte, senkte sie ein wenig die Stimme und fuhr etwas langsamer fort.

»Es war mir eine Ehre, mit Ihnen zu sprechen«, sagte die Komtess zum Schluss. »Ihr Sohn besitzt ganz erstaunliche Fähigkeiten, von denen er selbst noch kaum etwas weiß. Ich kann mir denken, dass mein Anruf Sie höchstwahrscheinlich beunruhigt. Als Vater werden Sie sich große Sorgen machen, aber ich denke, Sie können zuversichtlich sein, dass Ihr Sohn diese Sache überleben wird …«

Überleben? Tom Gordon blinzelte. Wovon redete diese Frau? Aber er hatte keine Zeit, nachzufragen.

»… und dass er einen Weg finden wird, selbst mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Jedenfalls haben Sie mein tief empfundenes Mitgefühl. Unsere Kinder. Ach, unsere Kinder … Was soll man dazu sagen? Ich bitte Sie dringend, machen Sie sich keine Sorgen. Er ist ein sehr fähiger und sehr mutiger junger Mann. Auf Wiederhören, Monsieur Gordon.«

Tom Gordon starrte den Telefonhörer verständnislos an. Hatte er sich dieses Gespräch nur eingebildet? Es kam ihm ganz unwirklich vor. Er sah Marty an, der geduldig in der Nähe wartete, ob er etwas für ihn tun konnte.

»Alles in Ordnung, Tom?«

»Vor ein paar Tagen haben Sie mir doch erzählt, dass Max einen Lawinenunfall hatte.«

»Jawohl. Er hat angerufen.« Da hatte Tom Gordon einen seiner »schlechten Tage« gehabt und den Anruf nicht selbst entgegennehmen können. Max wusste, wie schwer sein Vater es manchmal hatte.

»Sie waren beschäftigt«, versuchte Marty ihm auf die Sprünge zu helfen.

Sein Patient nickte.

»Max ist nichts passiert. Er hat angerufen, damit Sie Bescheid wissen«, sagte Marty. Er wartete. Tom Gordon sortierte noch die Informationen, die er eben von der unbekannten Anruferin erhalten hatte. »Gibt es ein Problem?«, fragte er jetzt freundlich.

»Jemand ist durch die Lawine ums Leben gekommen, und jetzt glaubt man, Max habe damit zu tun. Diese Frau, eine Gräfin, behauptet, Max habe sie gebeten, mich anzurufen. Die französische Polizei ist hinter ihm her, und er will irgendein Geheimnis aufdecken, das der Tote ihm anvertraut hat. «

Marty ließ sich von nichts aus der Ruhe bringen, weder von manchen Besuchern hier im Sanatorium noch von seltsamen Anrufen, die seine Patienten gelegentlich bekamen.

»Und wo ist Max jetzt?«, fragte er.

Tom Gordon schob mit dem Daumen einen Erdklumpen von seiner Schaufel und zerrieb ihn zwischen seinen Fingern. Er schien tief in Gedanken versunken. Schließlich blickte er auf und schüttelte den Kopf.

»Ich weiß es nicht«, sagte er.

 

Max und Sophie gelangten auf die Hauptstraße. Max wünschte, er könnte einfach in den Mercedes steigen, den er den Deutschen am Château d’Abbadie abgenommen hatte, aber den hatte er ein paar Kilometer entfernt auf dem Parkplatz eines Hochhauses abgestellt, damit niemand das gestohlene Auto mit dem Château der Komtess in Verbindung bringen konnte.

Zum Plan gehörte, sich jetzt möglichst unauffällig zu verhalten. Er konnte kaum erwarten, dass es losging. Sein Gefühl sagte ihm, dass die Reise nach Marokko ihn der Lösung von Zabalas Geheimnis ein großes Stück näher bringen würde. Aber er wollte Sophie die Initiative überlassen, denn auf diese Weise würde er bald dahinterkommen, ob sie seine Feindin war. Vom Meer war Nebel aufgezogen und hüllte die Landschaft wie in Watte, aus der dann unvermittelt ein Bus auftauchte.

Als der Bus hielt, ließ er Sophie zuerst einsteigen. Max hatte seine Skimütze tief in die Stirn gezogen und folgte ihr mit gesenktem Kopf. Nachdem sie Geld in den Automaten gesteckt und die Fahrkarten herausgenommen hatte, schob er sie ein paar Reihen weiter auf einen Sitz gegenüber der Fahrerseite. Er nahm an, dass jemand, der einen halb leeren Bus bestieg, zuerst den Fahrer und den Fahrkartenautomaten ansah und seinen Blick dann auf die freien Sitze im hinteren Teil richten würde.

Er saß aufrecht und schaute aus dem Fenster. Ganz locker bleiben. Wir sind bloß zwei Kids.

»Ich kann mir eine Reise nach Marokko nicht leisten«, hatte er Sophie gestanden. Spontan hatte sie erklärt, sie habe eine Kreditkarte, mit der sie alles im Voraus buchen könne. Aber zunächst mussten sie aus Biarritz heraus und die vierzigminütige Fahrt nach St. Jean de Luz an der spanischen Grenze schaffen. Von dort gingen regelmäßig Züge nach Bilbao, und am Flughafen dieser alten spanischen Industriestadt gab es billige Flüge nach Marokko. In Spanien wurde nicht nach ihm gefahndet, jedenfalls noch nicht.

St. Jean de Luz, ein schicker Badeort am Meer, war im Gegensatz zu Biarritz auch in dieser Jahreszeit für Touristen attraktiv; auf der einen Seite der Atlantik, der sich schäumend an der Ufermauer brach, auf der anderen die baskischen Pyrenäen, die das Städtchen und die Geheimnisse seiner Bewohner wie ein Schutzwall umgaben.

Der Nebel wallte noch immer über die Küstenstraße und die Eisenbahnlinie und die feuchte, kalte Nachtluft senkte sich wie Tau auf Max’ Jacke.

Im nächtlichen Dunst erschien der fast menschenleere Bahnhof noch beunruhigender – feindliche Angreifer konnten praktisch wie aus dem Nichts vor ihnen auftauchen. Er und Sophie hatten auf der ganzen Fahrt kaum ein Wort miteinander gewechselt und jetzt kauerten sie frierend auf einer Bank. Draußen war es sicherer als drinnen. In geschlossenen Räumen wurde man leichter erkannt und im Bahnhofscafé gab es einen Fernseher. Er wusste nicht, wie oft das französische Fernsehen Nachrichten sendete, aber er wollte nicht gerade da drin sein, wenn welche kamen.

Der Zug hatte Verspätung. Zwei Männer in dunklen Mänteln erschienen am Ende des Bahnsteigs und schritten langsam auf sie zu. Sie trugen Maschinenpistolen vor der Brust, eine Hand lässig auf dem Kolben. Ihr gemessener Gang wies sie als Autoritäten aus. Es waren Gendarmen und sie bewegten sich direkt auf Max und Sophie zu.

Bleiben oder weglaufen?

Zwischen ihm und der Straße lag ein halbes Dutzend Gleise. Rechts war der Fluss, und auf der Brücke wäre er vollkommen ungeschützt.

Als endlich das Knirschen von Rädern und dröhnender Lokomotivenlärm das Nahen des Zugs ankündigte, drehte einer der Gendarmen sich um. Wenn Max weglaufen wollte, dann musste es jetzt sein. Er sah Sophie an, die erst an ihm vorbei und ihm dann in die Augen sah. Sie schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf.

Seine Gedanken rasten. Wollten die zu ihm oder war das nur eine normale Streife? Zwei Teenager auf dem Bahnsteig – es wäre nicht allzu ungewöhnlich, wenn die Gendarmen sie nach ihren Ausweisen fragen würden.

Der verdammte Zug brauchte viel zu lange.

Einer der Gendarmen rückte seine Maschinenpistole zurecht. Um es bequemer zu haben? Oder um sich auf einen Einsatz vorzubereiten?

Psychopathischer Killer!, hallte es in Max’ Kopf. Die suchen einen psychopathischen Killer.

Die Gendarmen – noch fünf Meter entfernt.

Der Zug – zwanzig Meter.

Sophie lächelte.

Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und drückte ihm ihre Lippen auf den Mund. Dann ließ sie eine Hand sinken, legte mit einer raschen Bewegung seinen Arm um sich herum und sorgte so dafür, dass seine Verblüffung und seine lahme Reaktion unbemerkt blieben.

Er schloss verwirrt die Augen. Die Gendarmen, die jetzt fast neben ihnen standen, machten ihm Angst, zugleich aber gab Sophies Umarmung ihm Wärme und Sicherheit. Irgendwo im Hintergrund, gedämpft von seinem lauten Herzklopfen und dem Rauschen des Bluts in seinen Ohren, kamen die schweren Eisenräder des Zuges kreischend zum Stillstand. Türen schlugen auf. Eine kratzige Lautsprecherstimme plärrte unverständliches Zeug.

Max öffnete vorsichtig ein Auge.

Die Polizisten waren weitergegangen. Einer von ihnen lächelte – oder war das ein spöttisches Grinsen?

Sophie stand wortlos und ohne ihn anzusehen auf, ging die vier, fünf Schritte zum Zug und stieg ein.

Max hielt sich dicht hinter ihr.

Das alles wirkte so berechnet. Und das war es natürlich auch. Wie kam er nur auf die Idee, dass es etwas anderes sein könnte? Sie hatte spontan gehandelt, um sie beide zu retten. Ein guter Trick. Die ideale Tarnung.

Warum war er nicht selbst darauf gekommen?

Er knallte die Tür hinter sich zu. Sophie saß bereits und sah sich prüfend um, ob sie freie Sicht auf den Gang hätten. Dann wandte sie ihm ihren Blick zu, lächelte aber nicht. Sie zog Mantel und Baskenmütze aus. Es war sehr warm im Abteil.

Als der Zug losfuhr, schaute Max aus dem Türfenster. Die Gendarmen waren ins Café geschlendert. Die beiden schienen es nicht eilig zu haben. Alles reine Routine.

Max schob das Fenster hoch, und als er sich dort gespiegelt sah, bemerkte er, dass er lächelte. Er nahm sich zusammen und drehte sich zu Sophie um, die mit versteinertem Gesicht dasaß und seinem Blick auswich. Drei zu null für die Realität.

Der Zug verließ den Bahnhof.

Im Café wischte Corentin das beschlagene Fenster frei und sah dem Zug nach. Thierry warf zwei Stück braunen Zucker in seinen Kaffee. Er hielt Corentins Handy an sein Ohr.

 

Sie kamen wie die Ratten. Ein lautloser Angriff aus der Dunkelheit. Ein paar ächzten vor Schmerz, als der Stacheldraht ihnen die Haut aufriss. Sie landeten auf der anderen Seite der Mauer und verschmolzen mit der Finsternis.

Nur ein Licht, hoch oben, strahlte in die Nacht – gespenstisch von Nebel umhüllt.

Das Anwesen lag so einsam, dass sie sich ohne Eile nähern konnten; die Mörder gingen in aller Ruhe zu Werke. Sie brachen die schwachen Fensterriegel auf und schwangen sich lautlos in das stille Château.

Aus dem Zimmer der Komtess drang Licht in den Flur. Wie jeden Abend, wenn sie allein war, saß sie bei offenen Balkontüren im Sessel und genoss den Trost, den das Rauschen des Winds und der Brandung ihrem müden Herzen brachte.

Sie liebte ihre Kinder und Bobby, ihren einzigen Enkel, aber der Mensch, der ihr am meisten fehlte, war ihr Mann. Er war Soldat gewesen. Wie wenig die Leute diese Männer verstanden, die ihrem Land dienten.

Sie nahm einen Schluck Rotwein und zog an ihrer starken französischen Zigarette. Niemand wusste, dass sie bald sterben würde. Zu viele Zigaretten, zu wenig Essen – oder einfach nur Schicksal? Sie wusste es nicht. Es war ihr gleichgültig. Sie war alt. Ihre Zeit war abgelaufen. Aber aus irgendeinem Grund hatte sie das nicht in den Karten gesehen. Sie hatte ein gutes Leben gehabt. Sie hatte ihre Pflicht gegenüber ihrer Familie erfüllt, und auch wenn ihr klar war, dass sie mehr oder weniger in einer Fantasiewelt lebte, hatte sie das Andenken der richtigen Komtess stets in Ehren gehalten.

Als der Mond sich hinter den Wolken hervorschob und das Zimmer in magisches Licht tauchte, bemerkte sie, dass die Gestalten sich in ihr Heiligtum geschlichen hatten. Dass sie keine Panik empfand, überraschte sie selbst. Die vier jungen Männer hielten sich in den Zimmerecken verborgen; ihre Gesichter konnte sie kaum erkennen, wohl aber ihre Augen. Tot. Ohne Seele. Gleichgültig und unnachgiebig. Diese Jungs überlegten nicht lange, bevor sie töteten.

Sie stand langsam auf und drehte der See und dem Mond den Rücken zu, in der Hoffnung, das Licht von hinten möge den Ausdruck von Angst verbergen, der sich plötzlich auf ihrem Gesicht abzeichnete. Aber ihre Stimme war ruhig.

»Wer seid ihr? Was macht ihr in meinem Haus?« Herrische Geringschätzung schwang in ihren Worten mit. So hätte auch die wirkliche Komtess gesprochen. Einer der Jungen trat einen Schritt vor. Er schien keine Waffe zu tragen, aber allein schon sein Gesicht war furchterregend.

Speichel glänzte auf seinen Lippen, als er sie in die Breite zog und seine spitzen Zähne zeigte. Sollte das ein Lächeln sein, oder sah er immer so aus?, fragte sie sich. Er kam noch einen Schritt näher, und jetzt lösten sich auch die anderen aus den Schatten. Eine Angst auslösende Phalanx.

»Wo ist der Junge?«

»Wer? Mein Enkel? Ich weiß es nicht. Er ist nicht hier. Wer seid ihr?«, fragte sie.

Lass dir deine Angst nicht anmerken. Gib keiner Drohung nach. Bleib standhaft. Stell dich der Gefahr. So hätte sich ihr Mann verhalten.

»Nicht der«, sagte der Hai. »Max Gordon. Er hat seinen Vater in England angerufen. Von hier aus. Das wissen wir.«

Wie konnten die das wissen? Sie schob den Gedanken beiseite. Ausdruckslos sah sie den Jungen an.

»Ich kenne keinen Max Gordon. Ihr solltet jetzt gehen. Mein Enkel und seine Freunde können jeden Moment nach Hause kommen. Und glaubt mir, mit denen solltet ihr euch besser nicht anlegen! Verschwindet!«

Sie rückten noch weiter auf sie zu. Unwillkürlich machte sie einen Schritt zurück und stützte sich mit einer Hand auf die Lehne des großen, alten Sofas.

»Wir wissen, wo dein blöder Surfer-Enkel steckt. Der kommt nicht nach Hause.«

Die gefühllose Stimme traf sie wie eine Ohrfeige. Was hatten sie mit Bobby gemacht?

»Wo ist er?!«, rief sie.

Der Hai grinste sie mit seinen spitzen Zähnen an. »Wo ist Max Gordon? Er hat von hier aus seinen Vater angerufen. Oder warst du das? Wo ist er?«

Sie hörte das Klicken eines Springmessers und sah im Mondlicht die Klinge in der Hand eines der Jungen aufblitzen.

»Na, mach schon, Alte. Du sagst uns jetzt alles, was wir wissen wollen«, zischte der Hai.

Aus dem tiefsten Inneren ihres Herzens strahlte etwas Warmes durch ihren ganzen Körper. Sehnsucht nach ihrem Mann durchdrang sie. Er hielt sie fest, er beschützte sie, er stellte sich als unsichtbarer Schutzschild zwischen sie und die Mörder. Max Gordon würde sich, falls er es nicht schon getan hatte, diesen Verbrechern stellen und um sein Leben kämpfen müssen. Ja, sie konnten ihr wehtun und sie zum Reden bringen, das wusste sie. Aber sie würde ihnen nicht sagen, was sie wissen wollten. Sie würde diese Hunde nicht auf Max Gordon hetzen.

Ihr tapferer Mann, Soldat in Frankreichs Diensten, hielt sie fest umschlungen. Er flüsterte ihr seine Liebe ins Ohr und half ihr, sachte, ganz sachte einen Schritt rückwärts auf den verfallenen Balkon zu tun.

Mondlicht glänzte in ihren Augen. Das Krachen der Wellen dämpfte das Knacken und Knirschen der zerberstenden Holzkonstruktion.

Ihr letzter Atemzug war ein freudiger Seufzer.

Sie war sofort tot, als ihr Körper auf die Erde schlug.