Kapitel 29

 

Zwei Nächte später, als wir uns von den schlimmsten Folgen unserer Niederlage erholt hatten und Chase mir sagte, dass er sich freinehmen könne, versammelten wir uns am Birkensee. Der Mond war halb voll, und die Mutter sang in meinem Blut zu mir und versicherte mir, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Morio war da, in seinen prächtigen Kimono in Rot und Gold gekleidet und mit seinem Schwert geschmückt. Smoky hatte seinen langen weißen Trenchcoat diesmal über eine blaugoldene Weste, ein hellblaues Button-down-Hemd und eine weiße Jeans gezogen.

Beide trugen das Haar offen, und der blasse Halbmond hüllte sie in sein silbriges Licht. Noch war kein zunehmender Mond, aber bald.

Delilah und Menolly standen neben mir. Delilah trug ihr goldenes Gewand von der Sonnwendfeier und Menolly ihr schwarzes. Ich war in Silber gekleidet. Die Farbe der Mondmutter, die Farbe von Smokys Drachenerbe, die Farbe von Morios Schwert und von Trillians Haar.

Delilah und Menolly hatten sich gewünscht, dass ich Mut-ters Hochzeitskleid anziehen sollte, aber das war mir nicht richtig erschienen, obwohl das Kleid mir sogar gepasst hatte. Mutter hatte sich an einen Mann gebunden. Ihrem Weg konnte ich in der Liebe nicht folgen. Es war einfach nicht mein Weg.

Chase und Zachary standen auf einer Seite neben uns, Rozurial auf der anderen.

Chase hielt Maggie auf dem Arm. Iris stand auf einem Podium am Teich und hielt eine Kette aus Silbergliedern und einen kristallenen Zauberstab in Händen, die ich beide noch nie gesehen hatte.

»Bist du dir ganz sicher? Das ist ein noch stärkeres Band als die Ehe, ist dir das klar?«, fragte Delilah. »Wenn du dieses Ritual vollziehst, bis du auf ewig an diese beiden gebunden -und durch alle Zeiten hinweg an ihre Seelen.«

Ich betrachtete die beiden Männer, die auf mich warteten. Zwei Männer, die mich liebten. Smoky wollte mich ganz für sich, aber er war bereit, diesen Traum aufzugeben, sich an mich zu binden und an einen meiner anderen Liebhaber, damit wir einen Mann suchen konnten, dem ich mein Herz schon vor langer Zeit verpfändet hatte. Morio bot mir diese Verbindung aus Liebe und Loyalität an. Und auch er mochte Trillian. Ich konnte seine Sorge förmlich spüren.

Und ich ... ich liebte sie beide so sehr, dass ich es nicht einmal erklären konnte. Für mich war die Liebe gewachsen, sie hatte sich erweitert, so sehr, dass sie nun drei Männer umfasste. Sie waren sehr verschieden, und doch war es mein Schicksal, mit allen dreien verbunden zu sein. Jeder trug einen Teil zum Ganzen bei, den ich brauchte.

Für immer?, flüsterte ich in mich hinein. Anscheinend, kam die Antwort.

»Zu euch gehöre ich schon. Ihr seid meine Schwestern, meine Familie. Diese Familie hat sich ausgedehnt, denn Iris gehört auch dazu, und Maggie. Und jetzt wächst meine Familie wieder ein Stück. Wer wären denn bessere Ehemänner als ein Fuchs und ein Drache? Mehr Schutz kann man sich wirklich nicht wünschen.«

»Aber für immer? Gebunden auf ewig?« Delilah schien immer noch hin- und hergerissen zu sein.

»Besser, als mich ewig fragen zu müssen, ob ich Trillian nicht doch hätte retten können.« Ich blickte den Pfad zum See entlang. »Wir müssen ihn finden. Er ist wie ein Spiegel meiner selbst. Mein Herz sagt mir, dass wir ihn finden werden, aber das kann ich nicht allein. Und vielleicht ... wenn ich Trillian finde, kann ich vielleicht auch Vater finden.«

Delilah wollte erneut protestieren, doch Menolly schüttelte den Kopf. »Wir alle treffen unsere Entscheidungen, Kätzchen. Wir alle wählen den einen Weg oder den anderen.

Man kann nicht ewig an der Weggabelung stehen bleiben.« Sie warf einen vielsagenden Blick zu Chase und Zachary hinüber, die eine wackelige Waffenruhe einhielten. »Manchmal, wenn deine Spielkameraden einfach nicht miteinander spielen wollen, musst du eine Wahl treffen.«

»Kommt, es wird Zeit«, sagte ich und beugte damit eventuellen Streitereien vor.

»Freut euch einfach für mich. Wie viele Menschen auf der Welt finden auch nur eine Person, die sie lieben können? Wie viele in unserer Heimatwelt? Ich bin vom Glück gesegnet. Ich habe gleich drei Männer gefunden, die den Schlüssel zu meinem Herzen in Händen halten. Also, Delilah, versprich mir bitte, dass du dich nicht in ein Schmusekätzchen verwandeln wirst, nicht während meiner Hochzeit. Na ja, Hochzeiten.«

Als wir vor dem Altar ankamen, befragte Iris noch einmal die Runen, und auch dieses Mal gaben sie dieser Verbindung ihren Segen. Iris begann mit der Zeremonie.

Während ihre Worte in die Nacht hinaustrieben, blickte ich zu meinem Drachenliebhaber auf - meinem Bräutigam. Und dann sah ich meinen Yokai-kitsune an - meinen Bräutigam. Sie wirkten so selbstsicher, so überzeugt von diesem Ritual, von diesem Schritt, den wir taten. Und wer wusste, wohin er uns führen würde? Wenn wir Trillian gefunden hatten, würden wir auch ihn in diese Ehe aufnehmen. Er würde mir die Hölle heißmachen, aber er würde sich damit abfinden. Irgendwann. Da war ich mir sicher. Das Band zwischen uns war zu stark, als dass er sich einfach abwenden würde.

»Camille, nimmst du diesen bindenden Eid von Smoky und Morio an, die jeder dein Seelengefährte sein werden, jeder auf ewig an dich gebunden? Und willst du an sie gebunden sein bis ans Ende aller Zeiten?«

Ich merkte, dass die beiden ihren Schwur bereits geleistet hatten. Mit hämmerndem Herzen öffnete ich den Mund und sagte: »Ja, ich will.«

»Dann nehmt euch bei den Händen.« Iris hielt die verzauberte Silberkette empor.

Ich streckte die linke Hand aus. Smoky legte seine Linke darauf, Morio darunter. Iris schlang uns die Kette um die Handgelenke und begann einen leisen Sprechgesang.

Sie sang in irgendeiner uralten Sprache, doch die Bedeutung war unmissverständlich.

Als ihre Worte in die Luft hinausdrangen, bebte die Kette und begann zu verblassen.

Ich sah zu, wie sie in Smokys Hand versank, dann durch meine und schließlich durch Morios - die Atome der Kette verwandelten sich und schmiedeten sich neu zu einem unzerstörbaren Band in unseren Auren, unseren Seelen. Noch ein Augenblick, und es würde zu spät sein, diesen Zauber jemals rückgängig zu machen.

Ich warf beiden einen hastigen Blick zu und fragte mich, ob sie es sich noch anders überlegen würden, doch Smoky neigte den Kopf und küsste mich auf den Mund, und Morio beugte sich herüber und küsste mich auf die Wange, und die Kette verschwand.

Ein Gefühl unglaublichen Friedens überkam mich, als sich unsere Schicksalspfade vereinigten. Gleich darauf waren wir für den Rest aller Zeiten vollkommen miteinander verbunden. Ganz gleich, wohin wir gingen, ganz gleich, was wir taten, wir würden immer wieder zusammenkommen. Und so die Mondmutter wollte, würden wir auch Trillian wiederfinden.

»Es ist vollbracht«, flüsterte Iris.

Ich blickte auf unsere Hände hinab, und wir verschränkten die Finger miteinander.

Obwohl von der Kette nichts mehr zu sehen war, war sie überall da, wo wir waren. Ich war verheiratet, mit meinem Drachenliebhaber und meinem Fuchsdämon. Wir waren nun in den Augen des Universums, in den Augen der Götter Seelengefährten. Und niemand - nicht einmal ein Dämon - würde dieses Band jemals durchtrennen können.

 

 

Ende - Schwestern des Mondes 04 - Hexenküsse