Kapitel 6
Dem Dunklen Hof?« Ich schüttelte den Kopf. »Aber die Feenhöfe wurden unmittelbar vor der Spaltung aufgelöst. Dunkler und Lichter Hof sind nur noch eine ferne Erinnerung.«
Delilah ließ sich im Schneidersitz auf dem Sofa nieder. »Das klingt unsinnig.«
»Ja, allerdings.« Ich wandte mich wieder Smoky zu. »Aeval, die Dunkle Königin, ist vor Tausenden von Jahren verschwunden. Niemand weiß, wohin und ob sie noch lebt.
Und mit Titania ist nicht mehr viel los, wie wir selbst gesehen haben.«
Titania war die letzte Lichte Königin vor der Spaltung gewesen. Aeval, die Dunkle Königin, war ein furchterregendes Spektakel gewesen, so schön, grausam und erbarmungslos, wie Titania schön, gütig ... und erbarmungslos war.
Smoky schnaubte verärgert. »Ich habe keine Ahnung, was Morgana im Schilde führt, aber ich will sie nicht auf meinem Land haben. Allerdings dachte ich, ihr würdet vielleicht gern herausfinden, was sie vorhat, ehe ich sie zu Mittag verspeise.« Er stand auf, wobei er sich fast den Kopf am Kronleuchter stieß. Mit einer gereizten Handbewegung schob er sich daran vorbei.
»Wie gesagt, Titania hält sich versteckt«, fuhr er fort. »Seit ihr diesen nervtötenden Kerl, ihren Gefährten, weggebracht habt, hat sie sich im Vollrausch in ihrem Hügel vergraben. Sie meint wohl, das alles sei meine Schuld, weil ich euch erlaubt habe, Tom zu holen. Also, ich an eurer Stelle würde mir von ihr nicht allzu viel Unterstützung erhoffen.«
Iris ging zur Küche. »Ich mache uns erst einmal einen Tee. Ich glaube, den können wir alle gebrauchen.«
»Ich helfe dir«, sagte Chase und ging ihr nach. »Ich bin ungefähr so nützlich wie ein leeres Notizbuch, was Feenköniginnen und ÜW-Politik angeht.«
Menolly ließ sich langsam zum Boden herabsinken.
»Morgana war schon immer ein machtgieriges Stück. Ich frage mich ...«
Ich warf ihr einen Blick zu. »Was fragst du dich? Glaubst du, sie will die Vergangenheit wieder aufleben lassen, aber diesmal selbst auf dem Thron sitzen? Das wäre eine Möglichkeit. Aber warum sollte sie dann nach dem Merlin suchen? Der würde ihren Plänen sofort einen Riegel vorschieben, wenn er mitbekäme, dass sie einen neuen Dunklen Hof erschaffen will. Morgana war seine beste und berühmteste Schülerin, aber es ist wahrscheinlicher, dass sie eine Darth-Vader-Nummer abzieht, als in die Fußstapfen ihres Meisters zu treten.«
Delilah schnappte sich eine Tüte Fritos vom Tisch und begann zu knabbern. »Ich sehe noch ein anderes Problem. Falls die Feenköniginnen - irgendwelche hoffnungsvollen Bewerberinnen um das Amt eingeschlossen - ein Comeback auf die Beine stellen wollen, muss irgendetwas sie dazu angetrieben haben. Wollen sie Macht gewinnen, um gegen die Dämonen zu kämpfen? Vielleicht die Erdwelt-Feen für den bevorstehenden Krieg vereinen? Denkt daran, Morgana ist bei unserer Zusam-menkunft der ÜW-Gemeinde zum ersten Mal in Erscheinung getreten. Ach, übrigens, wir sollten das nächste Treffen in drei Wochen abhalten, um zu erfahren, wie weit alle bis dahin gekommen sind.«
»Wie auch immer, wir können sie nicht ignorieren«, ergriff Feddrah-Dahns das Wort.
»Falls es Morgana gelingen sollte, das Horn des Schwarzen Einhorns an sich zu bringen, wäre sie eine ebenso formidable Gegnerin wie jeder Dämon, und noch unberechenbarer. Sie hat die Menschheit noch nie respektiert, obgleich sie halb menschlich ist, wie ihr auch.«
Ich warf einen Blick auf den Kalender. Die Tagundnachtgleiche stand in wenigen Tagen bevor. Gab es womöglich eine Verbindung zwischen Morganas Erscheinen und dem bevorstehenden Festtag? Zu viele Fragen, nicht genug Antworten.
»Was sind also unsere Prioritäten? In welcher Reihenfolge?«, fragte Menolly, als Iris mit dem Teetablett in der Hand den Raum betrat. Es war so breit, wie sie hoch war, bemerkte ich - wir sollten ihr unbedingt einen Teewagen besorgen.
Smoky nahm ihr galant das Tablett ab und stellte es auf den Couchtisch. Sie lächelte ihn gewinnend an, und ihr goldenes Haar schimmerte im gedämpften Licht.
»Also, am wichtigsten ist eindeutig, dass wir das dritte Geistsiegel vor dem Räksasa finden. Zweitens müssen wir Mistelzweig und das Horn finden und den Dämon vernichten, der für Schattenschwinge spioniert.« Ich nahm einen Becher dampfenden Tees an, lehnte mich auf dem Schaukelstuhl zurück und ließ den duftenden Richyablüten-Dampf meinen dröhnenden Kopf besänftigen. »Und dann kümmern wir uns um Morgana und was auch immer sie vorhaben mag. Wir sollten aber vorher lieber herausfinden, ob sie mit Schattenschwinge im Bunde steht. Möglich wäre es.«
»Morgana? Mit Schattenschwinge im Bunde?«, echote eine Stimme aus dem Flur.
Trillian, mein svartanischer Liebhaber und Alpha-Männchen meiner Triade, kam ins Wohnzimmer geschlendert. Mit Haut so schwarz wie Obsidian und silbrigem Haar, das leicht bläulich schimmerte und ihm lang über den Rücken fiel, sah er kultiviert und elegant aus. Seine Augen glitzerten hellblau und besaßen eine fesselnde Anziehungskraft.
O verflucht. Trillian und Smoky zankten sich ständig. Unsere Chancen standen gut, heute Abend noch einen Testosteron-Ringkampf geboten zu bekommen.
Ich wollte mich rasch an dem Drachen vorbeischieben, aber Smoky streckte die Hand aus, zog mich wieder auf seinen Schoß und knabberte an meinem Ohr. Er starrte Trillian dabei unverwandt an, und in seinem eiskalten Blick lag so etwas wie eine Herausforderung.
»Das muss doch nicht sein - nicht jetzt!« Ich stemmte mich aus seiner Umarmung frei.
Trillian blickte finster drein. »Habe ich mir doch gedacht, dass es an der Tür nach Drachenschweiß stinkt. Wie ich sehe, habe ich mich nicht getäuscht. Was willst du hier?«
Ich tippte Trillian auf die Schulter. »Zieh die Krallen ein.«
»Ich muss mit dir sprechen.« Er war richtig gereizt. »Allein. Sofort.«
Achselzuckend deutete ich auf den Salon. »Schon gut. Bis gleich, da drin.« Ein Gespräch unter vier Augen war gut. So etwas konnte Blutvergießen verhindern.
Trillian ging an uns vorbei und ignorierte Smoky dabei völlig. Ich warf Menolly und Delilah ein angespanntes Lächeln zu. »Ich erkläre Trillian, was passiert ist. Wie wäre es, wenn ihr inzwischen versucht, mehr darüber herauszufinden, wohin Mistelzweig verschwunden sein könnte? Wenn er nicht mit einem Flüsterzauber versucht hat, Kontakt zu Feddrah-Dahns herzustellen, dann befürchtet er vermutlich, der Goblin könnte den Zauber auffangen und wie ein Radar benutzen, um ihn zu finden. Menolly, würdest du heute Nacht bei der Arbeit die Ohren offen halten? Vielleicht findest du etwas darüber heraus, wo wir nach dem Dämon suchen sollten.«
Delilah grinste mich schelmisch an. »Und was wirst du tun?«
»Hm, lass mich überlegen. Sollte ich vielleicht versuchen, eine Bombe zu entschärfen, ehe sie hochgeht?« Ich warf Smoky einen vernichtenden Blick zu. »Hast du dazu etwas zu sagen? Oder genießt du es vielleicht, mich ins Chaos zu stürzen?«
Er hielt meine Ansage und erhöhte sogar noch um zwanzig. Mit verschränkten Armen baute er sich mitten im Raum auf. »Ich schaue gern zu, wie du deine Männer handhabst. Wie du Morio anpackst, habe ich ja gesehen, schon vergessen?«
Wieder errötete ich. Smoky hatte mitangesehen, wie Morio und ich zum ersten Mal im Bett gelandet waren. Oder vielmehr im Gras. Wir hatten unter einem Bann gestanden, und Smoky hatte bei diesem Rendezvous des Jahrhunderts einen Platz in der ersten Reihe gehabt. Wir hatten ihn damals allerdings nicht bemerkt. Verdammt, unter diesem Lustzauber wäre es uns wohl auch gleichgültig gewesen, wenn wir ihn gesehen hätten. Ich wirbelte zum Salon herum.
»Camille«, sagte er, und ich blieb abrupt stehen. Seine Stimme war um eine Oktave gefallen, und ich spürte die Macht hinter diesem Befehl.
»Was?« Meine Stimme klang quietschend, und er lächelte.
»Gut, jetzt hörst du mir zu. Richte dem Svartaner dies aus: Du magst ihm gehören, aber ich bin immer noch ein Drache, und er täte gut daran, das nicht zu vergessen.« Er zwinkerte mir zu, aber ich sah ihm an, dass er das todernst meinte. Ich hatte das deutliche Gefühl, dass diese Warnung Trillian das Leben retten könnte.
Als ich den Salon betrat, streckte Trillian schweigend die Hand aus, und ich ging zu ihm. Er zog mich an sich, hielt mich in den Armen und küsste meinen Nacken. Meine Haut begann zu kribbeln, wie immer, wenn ich in seiner Nähe war. So anziehend Smoky auch wirkte, Trillian war vertrautes Terrain, sicher und einladend.
»Er ist also hier, um seinen Anspruch auf dich geltend zu machen?« Er trat mit kühler Miene zurück, doch ein Grollen in seiner Stimme sagte mir, wie er dazu stand.
»Nein, er fordert meine Schuld nicht ein. Noch nicht. Aber das wird er bald tun, und du weißt, dass mir keine andere Wahl bleibt. Wir haben eine Vereinbarung, und Schulden begleiche ich immer.«
»Das ist lächerlich«, erwiderte Trillian knurrend. »Mit dem Fuchswelpen komme ich klar. Ich habe mich irgendwie an ihn gewöhnt, und er ist schon in Ordnung - aber wag es ja nicht, ihm zu erzählen, dass ich das gesagt habe. Doch die Vorstellung, wie dieser Drache dich zerfleischt, ist widerlich.«
Ich merkte deutlich, dass er kurz vor der Explosion stand. Dass wir beide uns erst vor kurzem von schweren Verletzungen erholt hatten - Trillian war durch einen Pfeil verwundet worden und ich durch die Klauen eines Vampirs -, machte uns verletzungsanfälliger als sonst. Wenn Trillian sich auf einen Kampf mit Smoky einließ, würde er das wohl nicht überleben.
»Hör mir zu«, sagte ich. »Du weißt, dass du mein Alpha-Liebhaber bist, und so will ich das auch haben. Smoky ist ein Drache. Er könnte dir mit einem beiläufigen Fingerschnippen bei lebendigem Leib die Haut abziehen, wenn er die Klauen ausfährt.
Aber er ist auch einer unserer besten Verbündeten. Wir können es uns nicht leisten, ihn zu verärgern. Und ...«
Ich unterbrach mich. Konnte ich es wagen, ihm anzuvertrauen, dass ich gern gehen würde? Dass ich ihn und Morio zwar sehr liebte, aber nicht anders konnte, als mich Bildern und Tagträumen davon hinzugeben, welche Genüsse ein Drache wohl zu bieten hätte? Ich hatte mehr als eine Nacht damit verbracht, diesen großen, eiskalten Kerl im Geiste auszuziehen. Ich hatte der Mondmutter meinen Eid geschworen, und sie strömte wie silbriges Feuer durch meine Adern, sinnlich und reif. Ihre Anhänger waren nun einmal mit Blümchensex nicht zufrieden.
Trillian umkreiste mich wie ein Dieb, der um das Objekt seiner Begierde herumschlich. »Du willst ihn, nicht wahr? Ich kann es riechen - du bist erregt. Du willst den Drachen.« Er schmiegte sich an mich, schlang den Arm um meine Taille und begrub das Gesicht in meinem Haar. Seine Lippen auf meiner Haut fühlten sich berauschend und üppig an wie guter Wein.
Ich schnappte nach Luft, und meine Unterlippe zitterte. Wie konnte ich ihm das sagen? Und doch - Trillian kannte mich. Wir waren schließlich keine Kinder. Wir waren auch keine Menschen - nun, jedenfalls nicht ganz -, und wir waren nicht verheiratet. In unserer Welt war dieses Versprechen Du bist der Einzige für mich sogar unbekannt. Trillian würde mit der Wahrheit fertig werden, aber er konnte es nicht ausstehen, wenn man ihm etwas vormachte. »Ich ... ich ...«
»Sag es mir«, drängte er. Mit der anderen Hand liebkoste er zärtlich meine Brüste durch das Bustier hindurch und ließ mich unter meiner Kleidung erglühen. Meine Brustwarzen wurden hart, und ich begann zu keuchen. Ich war heute schon so durch die erotische Mangel gedreht worden, dass ich hätte schreien mögen. Er presste sich an mich. »Ich habe es da draußen in deinen Augen gesehen, als er dich gepackt hat.
Du willst ihn, nicht wahr?«
»Ja«, sagte ich, verängstigt und erleichtert zugleich. Es war mir schwergefallen, so zu tun, als würde ich Smoky nur begleiten, weil ich ihm das schuldig war. »Ja, ich will ihn. Er macht mir Angst, aber er ... er ...«
»Meine schöne Göttin«, sagte Trillian und zog eine Spur aus Küssen quer über meinen Nacken. »Du spielst gern mit dem Feuer, nicht wahr? Du liebst es, Gefahr an deinen Männern zu riechen.«
Ich erschauerte. Er hatte recht. Ich mochte gefährliche, finstere Männer. Von mir aus auch gefährlich und weiß wie frisch gefallener Schnee. Süße, liebe, sanfte Männer ...
hatten sicher ihr Gutes, aber ich lebte unter der Mondmutter. Ich hetzte mit der Wilden Jagd. Meine Leidenschaft strömte in leuchtenden Farben, nicht in Pastelltönen.
»Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass er dich berührt«, fuhr Trillian fort. »Aber da du dem Pakt zugestimmt hast und ich dich nicht daran hindern konnte, ehe der Handel besiegelt war, bleibt uns keine andere Wahl. Ich habe keine Lust, von einem Drachen getoastet zu werden. Wenn die Zeit also gekommen ist, wirst du deine Schuld begleichen, und ich werde mich nicht einmischen. Aber, Camille - vergiss das hier niemals.«
Damit wirbelte er mich in seinen Armen herum und küsste mich, lang, tief und hart, und ich fiel in den dunklen Abgrund, der sich jedes Mal unter mir auf tat, wenn Trillian mich berührte. Seine Zunge spielte zärtlich mit meinen Lippen, und ich öffnete sie und lud ihn ein. Er drückte mich noch fester an sich. Ich ließ mich in dem Kuss zerfließen und genoss die Energie, die sich jedes Mal zwischen uns aufschaukelte, wenn wir zusammen waren. Ich spreizte leicht die Beine, als er sich an meine Hüfte drängte, und er schob ein Bein dazwischen.
Ich hatte das Gefühl, ihm eine Art Beschwichtigung schuldig zu sein. Vielleicht versuchte ich auch nur, mich selbst zu beruhigen. »Smoky wird mir nichts tun, und er könnte dich nie ersetzen. Du weißt, dass dir mein Herz gehört, schon seit der ersten Nacht im Collequia. In dem Moment, als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass wir zusammengehören.«
Trillian runzelte die Stirn. »Camille«, sagte er leise, »sei nicht sentimental. Das steht dir gar nicht. Außerdem ist es nur ein blasser Gedanke im Vergleich zu der Leidenschaft, die uns verbindet.« Er lachte, entspannte sich, ließ sich auf das kleine Sofa sinken und klopfte auf das Kissen neben sich. »Also, was will die alte Eidechse heute Abend sonst von dir?«
»Du bist unverbesserlich«, sagte ich und kuschelte mich an ihn. Er legte mir den Arm um die Schultern. »Du brauchst wirklich nicht zu fürchten, irgendetwas oder irgendjemand könnte das Band trennen, das wir vor so vielen Jahren geschmiedet haben. Ich habe es versucht. Du hast es versucht. Dass du es nicht durchtrennen konntest, muss dir doch die Gewissheit geben, dass es unmöglich zu zertrennen ist.
Ich habe inzwischen akzeptiert, dass wir für den Rest unseres Lebens aneinander gebunden sind, ohne Rücksicht auf andere Liebhaber, andere Verpflichtungen, andere Eide. Wichtiger und stärker als mein Band mit dir sind für mich nur der Eid, den ich der Mondmutter geschworen habe, und die Liebe zu meinen Schwestern.«
Trillian sah mir in die Augen und strich mir übers Gesicht. »Ich würde dich nie bitten, einen dieser anderen Eide zu brechen. Das weißt du doch.«
Plötzlich wurde mir klar, dass ich daran gar nicht zweifelte. Obwohl er sich gern so wild in Pose warf und oft fragwürdige Ziele verfolgte, hatte mein Svartaner so etwas wie Ehrgefühl und Moral. Sie passten nur nicht zu dem, was der Rest der Welt unter Ehre und Moral verstand. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter und erzählte ihm, was geschehen war, von meiner Begegnung mit Feddrah-Dahns bis hin zu unserer neuen Sorge wegen Morgana.
Als ich endete, hatte Trillians Miene einen völlig neuen Ausdruck angenommen. Der Verdruss über Smoky war einer schwer zu durchschauenden, aufrichtigen Sorge gewichen.
»Morgana kann man nicht über den Weg trauen. Ich warne dich, unterschätze sie nicht. Sie ist in Svartalfheim sehr wohl bekannt. Sie hat irgendein Bündnis mit König Vodox geschmiedet, aber ... ich weiß nicht genau, was dann passiert ist, aber er hat sie aus der Stadt verbannt. Sie streift frei in der Anderwelt umher. Wenn das Einhorn dir gesagt hat, dass sie nach dem Horn des Schwarzen Einhorns sucht, dann solltest du ihm glauben.«
Ich richtete mich auf und stützte die Ellbogen auf die Knie. Warum musste sie ausgerechnet jetzt auftauchen? Im Januar hatte ich mir wegen ihres plötzlichen Erscheinens Gedanken gemacht, aber über unseren Sorgen wegen Dredge hatte ich sie ganz verdrängt. Ich fragte mich, ob das ein Fehler gewesen war.
»Was hast du, Liebste?« Trillian stand auf und räkelte sich, dann streckte er mir die Hand entgegen. Ich nahm sie, und er zog mich auf die Füße. »Ich habe dich nicht verärgert, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. Obwohl ich machohaftes Gehabe bei jedem männlichen Wesen verabscheute, war ich selten verärgert über Trillian. Gereizt? Definitiv. Sauer?
Manchmal. Aber verärgert? Selten.
»Nein, ich habe mich schon an deine kleinen Anfälle gewöhnt.«
Er schnappte empört nach Luft, um etwas zu erwidern, und ich hob die Hand.
»Lass es gut sein. Du weißt selber, dass du dich in solche Trotzanfälle hineinsteigerst.
Ich habe gelernt, sie als einen weniger sympathischen Teil von dir zu akzeptieren. Es ist nur ... die Dinge werden allmählich kompliziert. Immer mehr Mitspieler tummeln sich in der Arena, und ich habe entsetzliche Angst davor, dass wir irgendwann einen entscheidenden Hinweis oder ein wichtiges Puzzleteilchen übersehen werden, weil wir so viele Faktoren im Auge behalten müssen.«
Er schnalzte mit der Zunge. »Das ist eine berechtigte Angst.
Wir müssen wachsam bleiben. Mehr können wir nicht tun. Willst du deshalb heute Nacht zu Smoky raus? Um mit Morgana zu sprechen?«
»Ja, er hat mich gebeten, mit ihr zu reden, ehe er wütend genug wird, sie zu rösten. Ich glaube nicht, dass das ein Scherz war, also ist es wohl besser, ich tue ihm den Gefallen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Wir sollten vielleicht...«
In diesem Moment stieß Delilah die Tür auf. »Es gibt Arger. Na los, wir müssen alle mit anpacken.«
»Was ist passiert?« Ich eilte zu ihr. »Ist jemand verletzt?«
»Mehrere Jemande«, entgegnete sie. »In einem Park wüten zwei Trolle, und die Polizei kriegt sie nicht gebändigt. Sie brauchen uns. Das gilt auch für dich, Lustknabe«, sagte sie und winkte Trillian zu uns her. »Es handelt sich nämlich leider nicht um den gewöhnlichen Wald- und Wiesentroll.«
Ich stöhnte. Trolle waren schlechte Neuigkeiten. Richtig ... große schlechte Neuigkeiten. Sie waren keineswegs unverwundbar, aber einen Troll zu töten war schwer. Einen zu überwältigen noch viel schwerer. Weshalb in den Gefängnissen der Anderwelt nur sehr wenige Trolle einsaßen.
»Bergtrolle?«, fragte ich hoffnungsvoll. Bergtrolle waren schlimmer als Waldtrolle.
Höhlentrolle waren zwar noch schlimmer als Bergtrolle, aber am allerschlimmsten ...
»Nein«, sagte Delilah und eilte uns voran ins Wohnzimmer. »Dubba-Trolle.«
Als wir den Raum betraten, herrschte der reinste Aufruhr. Iris brachte Maggie, unsere kleine Schildpatt-Gargoyle, in Sicherheit, während alle anderen durcheinanderliefen und sich für den Kampf fertig machten.
»Dubba-Trolle«, flüsterte ich und schloss kurz die Augen. Wunderbar. Zweiköpfige Trolle, die doppelt so stark und halb so klug waren wie Waldtrolle. Und sie gierten immer nach süßem, frischem Fleisch. Welcher Gattung es angehörte, war ihnen egal, solange es noch lebte, wenn sie es fingen.
»Dubba-Trolle«, sagte Menolly mit einem freudigen Glitzern in den Augen. »Na los, Mädels, wir gehen auf die Jagd!«
Ich schüttelte den Kopf und schnaubte. »Schön, dass du dich darüber freuen kannst.
Mir persönlich wäre ein einfacherer Gegner lieber. Bad Ass Luke zum Beispiel.«
Menolly lachte herzhaft aus dem Bauch heraus, wie ich sie schon seit Jahren nicht mehr hatte lachen hören. Ich warf ihr einen Blick zu und freute mich darüber, dass sie wieder fröhlich sein konnte. Als wir zur Tür hinausgingen, beugte sie sich dicht zu mir heran und flüsterte: »He, das ist zumindest besser, als den ganzen Abend lang zuzuschauen, wie sich deine zwei Liebhaber belauern.«
So ungern ich es zugab, da hatte sie nicht ganz unrecht.