Kapitel 5

 

Delilah, Menolly und Iris begannen alle auf einmal zu reden. Ich blieb stumm, ging zum großen Fenster und schaute auf die vordere Veranda hinaus.

Chase trat zu mir. »Alles in Ordnung?«, fragte er leise.

Ich nickte. »Ja. Ich frage mich nur, ob ich die Kraft habe, die ich für all das brauchen werde.«

Er warf einen Blick zurück zu den anderen. »Was meinst du damit?«

Ich lehnte mich ans Fensterbrett. »Dass wir einen Spion der Dämonen hier in Seattle haben, der Feen für sich arbeiten lässt, ist schlimm genug. Das bedeutet, dass Rozurial recht hatte: Die Dämonen infiltrieren die Erdwelt und suchen nach anderen Möglichkeiten, ihre Invasion vorzubereiten. Noch dazu sind Räksasas furchtbar gefährlich. Ihr Ursprung liegt in Persien, und sie verfügen über sehr machtvolle Magie.«

»Sind sie schlimmer als Bad Ass Luke?«

Ich sah ihm ins Gesicht. »Viel schlimmer. Glaub mir, Bad Ass Luke war gefährlich, aber Räksasas... Räksasa sind verschlagen, brillant und betörend.«

»Schlecht für uns.« Er schaute wieder zu den anderen hinüber. »Und sie wissen das alle schon?«

»O ja. Uns allen ist klar, wie gefährlich diese Dämonen sind. Aber jetzt ... bietet man uns - mir - das Horn des Schwarzen Einhorns an. Nur ein Zaubernder kann es benutzen. Ein Magus oder Zauberer oder ... eine Hexe. Ich werde es mir unterwerfen müssen, um die Kontrolle darüber zu erlangen - und das ist nicht wie Autofahren.

Solche Artefakte führen ein Eigenleben. Meine Schwestern werden es nicht berühren können. Und ich werde dafür sorgen müssen, dass es nicht in falsche Hände gerät.« Noch eine Verantwortung, die ich nicht tragen wollte, aber mir blieb wohl nichts anderes übrig.

»Von was für einem Wesen stammt es denn? Ich dachte, da es euch gibt, gibt es Einhörner vermutlich auch, aber ...«

»In der Anderwelt behaupten viele, das Horn sei ein Mythos. Sie sagen sogar, das Schwarze Tier selbst sei ein Mythos, verbreitet und aufrechterhalten von den Dahns-Einhörnern. Angeblich wollen sie damit nur ihren Nimbus vergrößern, weil das erste Schwarze Einhorn der Urahn der Dahns-Linie sein soll. Aber mein Vater hat an diese Legenden geglaubt, und meine Lehrer ebenfalls. Offensichtlich«, sagte ich mit einem Blick hinüber zu Feddrah-Dahns, »stellt sich nun heraus, dass diese Legenden der Wahrheit entsprechen.«

»Das Schwarze Tier? Ist das ein Dämon?«

Ich lächelte sanft. »Nein, kein Dämon.« Ich schaute in die Nacht hinaus und fühlte schon den lockenden Frühling, obwohl Nebel aufzog und sich über unseren Vorgarten legte. Magie glitzerte in diesem Nebel. Das Wetter der Erdwelt trug Elementarkräfte zwischen Land und Meer und Berggipfeln herum. Manchmal vermisste ich unsere Heimat so sehr, dass es schmerzte. Zu anderen Zeiten - so wie jetzt - kamen mir die Reiche so eng verbunden vor, dass ich glaubte, nur die Augen schließen zu müssen, und wenn ich sie wieder öffnete, würde ich in Y'Elestrial stehen.

Chase wartete geduldig neben mir und sah wachsam aus dem Fenster. Ich warf einen Blick auf sein Gesicht. Er hatte die Augen halb geschlossen, als spürte auch er die Magie in der Luft und versuche, sie zu sehen.

Ich stieß langsam den Atem aus, den ich angehalten hatte. »Das Schwarze Tier oder Schwarze Einhorn ist eines der mächtigsten Wesen, das in der Anderwelt je gelebt hat. Er ist ein Hengst, ein Riese, der alle anderen Einhörner überragt. Sein Horn ist aus Kristall, durchsetzt mit Wirbeln aus Gold- und Silberfäden. Angeblich beherrscht es enorme naturmagische Kräfte. Diese Magie ist nicht böse, aber schattenhaft und funkelnd wie die von Finstrinwyrd.«

»Finstrinwyrd ?«

»Das ist der Wilde Wald, voller Eichenmoos und Spinnweben, Sümpfen und Treibsand. Das Schwarze Einhorn hat die Täler vor Tausenden von Jahren verlassen und sich in den Finstrinwyrd zurückgezogen, wo er und seine Nachkommen tief in den nebligen Wäldern leben.«

Ein Lächeln umspielte Chases Lippen, als er mir zuzwinkerte. »Klingt ja wie im Märchen. Wie konnte Feddrah-Dahns denn an sein Horn kommen? Würde es ein Einhorn nicht umbringen, sein Horn zu verlieren?«

Er klang aufrichtig interessiert. Allzu oft hatte ich das Gefühl, dass Chase nur Fragen stellte, weil er musste, und nicht, weil er wirklich etwas erfahren wollte.

»Nicht immer, aber bei den meisten Einhörnern ist es so -wenn sie ihr Horn verlieren, werden sie immer schwächer und sterben schließlich. Oder sie werden wahnsinnig und so gefährlich, dass die Elementarfürsten Meuchler ausschicken müssen, die sie töten.«

Ich runzelte die Stirn und versuchte, mich an den Rest der Geschichte zu erinnern.

»Das Schwarze Einhorn ist die Ausnahme. Er wirft alle tausend Jahre sein Horn ab, und dann wächst ihm ein neues. Angeblich existieren heute noch drei abgestoßene Hörner, aber niemand weiß, wer sie besitzt oder wo sie sein könnten. Dieses Horn des Schwarzen Einhorns ist unendlich wertvoll ... wenn es ein Artefakt der Erdwelt wäre, würden wir hier von mehreren Millionen Dollar reden.«

Chase stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich verstehe. Das ist tatsächlich eine königliche Summe. Wie kann seine Macht dir denn helfen?«

»Das weiß ich nicht genau, aber anscheinend werde ich das bald herausfinden.« Es klingelte an der Tür, und ich entschuldigte mich. »Ich mache auf.«

Ich spähte durch den Türspion, und mir wurde heiß. Smoky. Oh-oh. Ich hatte ihn schon seit fast drei Wochen nicht mehr gesehen. Als ich die Tür öffnete, stieg mir sein Geruch nach Leder und Moschus in die Nase, und ich schwankte, als meine Knie nachgaben.

»Camille«, sagte er mit tiefer, grollender Stimme, streckte die Arme aus und fing mich auf, ehe ich auf den Boden prallte. Verlegen - ich fiel sonst nicht so leicht in Ohnmacht - entwand ich mich seinen Armen und trat mit rasendem Herzen zurück.

Smoky war einsneunzig groß, jeder Zoll davon schlank, straff und muskulös. Er trug das knöchellange Haar nicht wie üblich zu einem Zopf geflochten, und die silbernen Locken flössen an ihm hinab wie eine Mähne, die seine leuchtend helle Haut spiegelte. In Drachengestalt war er eine Vision in Weiß, beinahe durchscheinend hell.

In seiner menschlichen Gestalt war er einfach wunderschön.

Ich betrachtete ihn und fing bei seinen Füßen an, um mich dann emporzuarbeiten. Sein knöchellanger weißer Trenchcoat war offen und ließ den Blick auf eine hautenge weiße Jeans frei, die mich erschauern ließ. Ein gravierter silberner Gürtel schmiegte sich an seine Taille, und das hellblaue Hemd war am Kragen offen. Ich sah ihm ins Gesicht, in dem einzig das zeitlose Leuchten seiner Augen, wie blasse Gletscher aus den Nordlanden, auf sein Alter hinwies. Ein schwacher Bartschatten machte sein Kinn ein wenig rauh.

»Was tust du denn hier?« Das berauschende Parfüm, das ihn umwehte, sog mich schon wieder hinab. Er sandte so heftig Pheromone aus, dass ich ihn beinahe auf der Zungenspitze schmecken konnte. Ich wollte mehr von ihm schmecken. »Ich will dich holen«, sagte er.

O verdammt. Ich schuldete Smoky eine Woche als seine Gespielin - ein Handel, der uns dringend benötigte Hilfe gebracht hatte, mir bisher aber nur Kopfschmerzen bescherte. Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, mit ihm zu gehen, und dem Wissen, dass ein Einhorn in unserem Wohnzimmer stand, das mir wahrhaft königliche Hilfe anbot, trat ich von einem Fuß auf den anderen.

»Können wir das um ein, zwei Wochen verschieben?«, bat ich. Wenn er nein sagen sollte, würde ich mit ihm gehen. Ich war an mein Wort gebunden. Drachen, Elementarfürsten und Ewige Alte erließen keine Schulden, und falls ich mein Wort brechen sollte, wäre es sein gutes Recht, mich auf der Stelle zu verschleppen. Oder zu töten. Ich bezweifelte, dass er mich einfach zum Abendessen grillen würde, aber ich wollte nicht riskieren, dass er Trillian die Schuld daran gab und meinen svartanischen Liebhaber knusprig briet.

Smoky lächelte gemächlich, und sein Mundwinkel zuckte leicht, als er sich ins Haus drängte. Er schob mich rückwärts vor sich her, bis ich mit dem Rücken an die Tür des Wandschranks stieß, und stemmte dann die Hände zu beiden Seiten meiner Schultern an die Wand. Er beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr: »Du hast mir gegenüber einen bindenden Eid abgelegt. Glaub mir, du wirst ihn erfüllen.« Etwas flackerte in seinen Augen auf. »Hast du Angst vor mir, mein kleiner Hexling?«

»Angst vor dir? Wie kommst du denn darauf? Du bist ein Drache. Natürlich bin ich ...

nervös, obwohl ich glaube, dass du ... schwer in Ordnung bist.«

»Gut. Nervös solltest du auch sein«, flüsterte er. Energie lief knisternd durch seinen Körper, und die Hitze dieser Funken erfasste auch mich. Unwillkürlich spannte ich mich an, und er lachte. »Ja, ich sehe es dir an. Versuche nicht, deine Angst zu verbergen, Camille. Mir liegt etwas an dir, viel mehr als an den meisten anderen deiner Art. Aber du solltest nie, niemals vergessen, was ich bin.«

War ich zuvor nervös gewesen, wurde ich nun starr vor Angst. Ich vertraute Smoky so sehr, wie ich einem Drachen überhaupt trauen konnte. Und die Vorstellung, eine Woche lang zu tun, was er von mir verlangte, erschien mir immer noch eher verlockend. Ich hatte mich auf diese Abmachung eingelassen, weil wir seine Hilfe benötigt hatten, doch allmählich dämmerte mir, dass Drache eben tatsächlich Drache bedeutete. Nicht Fee. Nicht Mensch oder ÜW. Nein, ein Untier so alt wie die Götter, das mich binnen Sekunden grillen und mich am Stück verschlingen konnte, wenn es zornig wurde, und das nach völlig anderen Regeln lebte als ich.

»Ich ... es ist nur ...«, stotterte ich und hielt dann inne, um mich zu sammeln. »Hör mal, wir stecken gerade mitten in einer wichtigen Sache, die mit Schattenschwinge zu tun hat. Ich muss wenigstens die Unterhaltung mit Feddrah-Dahns beenden, dem Einhorn, das uns seine Hilfe angeboten hat.«

Smoky trat zurück, verschränkte die Arme und lachte. »Aha ... nun, dann hast du Glück. Ich bin eigentlich auch hergekommen, um etwas mit euch zu besprechen. Aber keine Sorge«, sagte er mit beinahe zärtlicher Stimme, »du brauchst nicht lange auf mich zu warten.«

Was? Er war aus einem ganz anderen Grund hier? Ich gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Du hast mich glauben lassen, du wolltest mich holen! Und ich habe mich angehört wie eine Idiotin!«

»Mein Verlangen gilt nicht der Konversation mit dir. Und du schienst der Idee, dich sofort von mir entführen zu lassen, gar nicht abgeneigt«, fügte er mit amüsiertem Glucksen hinzu. »Heute jedoch geht es um eine andere Angelegenheit. Stell mir doch bitte euer Einhorn vor.«

Ich wandte mich ab, um ihm hoheitsvoll voranzugehen, aber Smoky packte mich am Handgelenk. Er hätte meine Hand wie einen Zahnstocher abknicken können, doch seine wahre Gewalt über mich war völlig unsichtbar - die Kette bestand aus der Autorität, mit der er mich festhielt, nicht aus der Kraft seiner Finger. »Ich weiß, dass du mich willst. Ich kann dich zum Schmelzen bringen, Camille.«

Mir blieb der Atem irgendwo zwischen der Lunge und den Zehen stecken, und ich schluckte gegen den Kloß an, der sich von meinem Magen aufwärts arbeitete. Er spielte mit mir, und ich konnte rein gar nichts tun, um ihn daran zu hindern. »Ich weiß. Glaub mir, das weiß ich.« Abmachung hin oder her, am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle mit nach oben in mein Bett genommen und es mit ihm getrieben, bis mein Schlafzimmer nur noch aus qualmenden Trümmern bestand.

Smoky zog mich an sich, und seine Lippen streiften die meinen. Seine Haut war glatt und weich und vermittelte doch mit dem leisesten Druck seine Forderung. Mein ganzer Körper vibrierte von dem Gefühl, wie er sich an mich presste und ich ihn hart, steif und forschend an mir spürte. Meine Brüste schmerzten vor Sehnsucht nach seinen Händen.

Doch er trat abrupt zurück und ließ meinen Arm los. »Wie gesagt, unsere gemeinsame Zeit läuft uns nicht davon.« Seine Stimme klang wieder so unnahbar wie sonst, doch als ich seinem Blick begegnete, sah ich den Hunger, der hinter seiner kühlen Fassade tobte.

Erschüttert, fürchterlich scharf und so nervös, dass ich jeden Moment aus der Haut hätte fahren können, führte ich ihn ins Wohnzimmer. Delilah winkte ihm zu, begegnete meinem Blick und ließ langsam die Hand sinken. Menolly blinzelte. Da Menolly nie mehr blinzelte, außer wenn sie damit etwas ausdrücken wollte, war mir klar, dass auch sie die Spannung spürte.

Chase war der Einzige, der offenbar nichts davon merkte. »Na, hallo, Drachenmann.

Wie geht's denn so?« Er traute Smoky auch nicht über den Weg, war aber im Umgang mit Kryptos und Übernatürlichen viel lockerer geworden, seit er mit Delilah zusammen war.

Smoky nickte ihm knapp zu, doch sein Blick glitt an dem Detective vorbei und blieb an dem Einhorn hängen. »Camille, stell mich eurem neuen Freund vor.«

Ich hoffte inständig, dass Drachen und Einhörner gut miteinander auskamen - es war praktisch unmöglich, sich auf dem Laufenden zu halten, was die zahllosen Blutfehden zwischen diversen Kryptos betraf -, und räusperte mich. »Feddrah-Dahns, das ist Smoky. Smoky, dies ist Seine Hoheit Feddrah-Dahns, Kronprinz der Dahns-Einhornherde.«

Ich war nicht sicher, ob das Einhorn Smoky in dieser Gestalt als Drachen erkennen würde, aber Feddrah-Dahns lieferte mir sofort die Antwort.

»War Eure Mutter oder Euer Vater der Silberdrache?«, erkundigte er sich.

»Er ist ein Weißer ...«, begann ich, doch Smoky schnitt mir das Wort ab.

»Sehr scharfsichtig, Euer Hoheit«, sagte er und neigte den Kopf. »Nur wenige waren bisher in der Lage, meine Abstammung so genau zu erkennen. Meine Mutter war Silberdrache, mein Vater ein Weißer.«

Na, das waren mal interessante Neuigkeiten. Wir waren davon ausgegangen, dass Smoky zu hundert Prozent Weißer Drache war. Dass er zum Teil auch Silberdrachen-Blut besaß, erklärte seine gewaltigen magischen Kräfte. Es eröffnete auch eine Menge weiterer Möglichkeiten, die alle ein wenig zu beängstigend waren, um darüber nachzudenken. Silberdrachen waren viel mächtiger als Weiße Drachen. Sie hatten beispielsweise gute Beziehungen zu allem, was in der Nacht wandelte, die Todesgötter eingeschlossen.

Menolly ließ sich langsam zu Boden sinken. »Du bist zur Hälfte ein Silberdrache?

Deshalb konntest du also den Herbstkönig herbeirufen.«

Smoky sah sie blinzelnd an. »So ist es, toter Vampyr. Bedauerlicherweise sind alle Preise heute schon gewonnen worden.« Er grinste, und Menolly lachte.

Das mochte ich so an Smoky: Er war nicht boshaft. Zumindest, was uns anging. Seine Scherze und Sticheleien waren immer durch eine gewisse Schrulligkeit entschärft.

Seine Rüffel waren eine ganz andere Sache. Warnung. Drachensturm der Windstärke elf voraus. Betreten der Sturmzone auf eigene Gefahr.

Smoky wandte sich wieder an Feddrah-Dahns. »Camille sagt, Ihr bietet im Kampf gegen den Dämonenfürsten Eure Hilfe an.« Das war eine Feststellung, keine Frage.

Feddrah-Dahns verlagerte das Gewicht auf die andere Seite. »So ist es. Viele aus den Reihen der Kryptiden-Allianz der Anderwelt fürchten den drohenden Krieg gegen die Dämonen. Die gesamte Allianz zweifelt nicht an den Hinweisen. Die Elfen halten Kontakt mit uns und wir wiederum mit anderen Gruppen in den Tälern und Wäldern.«

Was die Frage aufwarf, wie viele andere Kryptos ebenso denken mochten wie er?

Hatten wir vielleicht Verbündete, von denen wir noch gar nichts wussten?

»Hilfe welcher Art bietet Ihr an?« Smoky starrte das Einhorn mit kühlem, erwartungsvollem Blick an. Ich fürchtete, wenn Feddrah-Dahns sich weigern sollte, es ihm zu sagen, könnte es einen Kampf in diesem Haus geben, nach dem von uns nur noch verbrannte Krümel übrig bleiben würden.

Aber Feddrah-Dahns antwortete ohne weitere Aufforderung. »Das Horn des Schwarzen Einhorns. Wir haben es erd-seits gebracht, doch es wurde gestohlen. Mein Bote konnte es bergen, aber nun ist er verschwunden, und zwei der drei Diebe machen noch immer Jagd auf ihn.«

Smoky warf mir einen Blick zu und sah dann wieder das Einhorn an. »Ihr seid tatsächlich bereit, Camille das Horn des Schwarzen Einhorns anzuvertrauen?«

Feddrah-Dahns neigte den Kopf. »Was bliebe uns anderes übrig? Diese Mädchen sind allein nicht in der Lage, die Welten gegen einen Dämonenfürsten zu verteidigen. Sie mögen ihre Verbündeten haben, doch gegen eine Armee von Dämonen unter Schattenschwinges Führung? Es ist schlicht unvorstellbar, dass sie diesen Kampf ohne größere Hilfe von außen gewinnen könnten.«

»Sehr richtig«, sagte Smoky, setzte sich, schlug ein Bein über und lehnte sich zurück.

Er trommelte mit den Fingern auf der Armlehne des Sessels. »Aus reiner Neugier - was für ein Bote war das, dem Ihr das Horn anvertraut habt?«

Feddrah-Dahns schaute ein wenig erstaunt drein. »Meinem Leibdiener. Einem Pixie.«

Smoky lachte schallend. »Ich verstehe. Ihr habt einen sagenhaften magischen Gegenstand einem Pixie anvertraut. Brillant.«

Oh-oh. Wenn das mal keine Beleidigung war ... Ich wich zurück und bemerkte, dass Delilah und Iris sich ebenfalls verdrückten. Sogar Chase war klug genug, sich zu entschuldigen und unter dem Vorwand, sich einen Kaffee zu holen, in der Küche zu verschwinden. Menolly schwebte rasch wieder zur Decke hinauf. Sie sah beinahe erfreut aus, und mir ging der Gedanke durch den Kopf, dass meine vampirische Schwester keine schlechte Ergänzung für diesen Kampf der Giganten darstellen würde. Sie liebte eine anständige Prügelei, so viel war sicher.

Feddrah-Dahns schnaubte genervt, wobei ihm ein zartes Dampfwölkchen aus den Nüstern stieg, und schüttelte die Mähne. »Ihr haltet Euch für allzu klug, Drache.

Mistelzweig ist zufällig ein sehr tüchtiger Kurier. Die Angreifer haben ihn mit Magie überwältigt.«

»Magie? Aber Pixies sind gegen Magie so gut wie immun. Zumindest gegen die meisten Arten von Feenmagie.« Anscheinend kannte Smoky sich mit Pixies recht gut aus. Nach kurzer Überlegung fügte er hinzu: »Was für Magie kann einen Pixie lahmlegen?«

»Genau das ist die Frage«, sagte Feddrah-Dahns. »Welche Art Magie könnte das sein?

Pixies eignen sich hervorragend als Boten und Läufer, weil die Zauber der meisten Feen, ob sie nun der Anderwelt oder der Erdwelt entstammen, bei ihnen nichts ausrichten. Was bedeutet, dass hier keine Feenmagie am Werk war. Menschliche Magie kann es auch nicht gewesen sein - kein Mensch verfügt über die Macht, einen Pixie aufzuhalten. Doch es gibt dunklere Zauber und Magier ...« Seine Stimme erstarb.

»Hat denn in jüngster Zeit jemand etwas von solcher Magie bemerkt? Pentakle, die Mutter der Magie, müsste es wissen.« Menolly warf mir einen Blick zu. »Vielleicht sollten wir sie fragen.«

»Ich will nicht jedes Mal, wenn wir ein Problem haben, bei den Ewigen Alten angerannt kommen. Denk doch mal daran, was passiert ist, als wir das letzte Mal einen Elementarfürsten um Hilfe gebeten haben«, erwiderte ich und wies mit einem Nicken auf Delilah. »Den Finger eines Dämons zu beschaffen war ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was unserem Kätzchen widerfahren ist.«

Delilah seufzte laut. »Erinnert mich bloß nicht daran«, sagte sie und rieb sich die Stirn. Der schwarze Halbmond dort schimmerte nur allzu lebendig und anschaulich.

»Da wir gerade von Magie sprechen, ich bin hier, um Camille in meine Höhle mitzunehmen. Ich benötige ihre Dienste.« Smoky sah mich an und tätschelte dann langsam seinen Schoß.

Ich schluckte den Geschmack meines Mittagessens herunter, das plötzlich beschlossen hatte, sich mal wieder bei mir zu melden. Ein Mittelchen gegen Sodbrennen wäre jetzt gut gewesen. Ein paar Magentabletten. Oder ein guter, starker Drink. Ich warf Menolly und Delilah einen Blick zu, doch die zuckten nur mit den Schultern.

Chase war gerade rechtzeitig aus der Küche zurückgekehrt, um Smokys Bemerkung und Geste mitzubekommen. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, aber Delilah warnte ihn mit einem Kopfschütteln, und er machte den Mund wieder zu.

Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle herunter und glitt auf Smokys Schoß. Es schlang einen Arm um mich und lächelte erfreut. Als seine Finger sich leicht an meine Taille pressten, erschauerte mein ganzer Körper, und ehe ich wusste, wie mir geschah, warf ich den Kopf zurück und schnappte nach Luft, von einem Orgasmus geschüttelt.

Himmel, der Kerl brannte lichterloh! Und ich auch. Hastig sammelte ich mich und versuchte hastig, den Orgasmus zu überspielen. »Was willst du denn von mir?«

»Möchtest du wirklich, dass ich diese Frage hier vor deinen Freunden und deiner Familie beantworte?«, schnaubte Smoky, und eine kleine Dampfwolke drang aus seiner Nase.

Ich starrte ihn an. Ein größeres Fettnäpfchen hätte ich wohl nicht finden können. »Ich meine, warum willst du, dass ich zu dir rauskomme auf dein Land? Diesmal. Heute ... meine ich.«

»Das glaube ich ja nicht! Camille wird tatsächlich rot!« De-lilahs Miene erinnerte an eine Grinsekatze.

Menolly lachte kehlig. »Allerdings, Kätzchen. In dieser Drachenhöhle würde ich zu gern Mäuschen spielen ...«

»Er will gar nicht meine Schuld einfordern!«, protestierte ich.

»Da hat sie recht«, gab Smoky nach. »Auf meinem Land geht etwas vor sich, und ich hätte gern deine Meinung dazu. Ich möchte mich lieber in nichts verwickeln lassen, solange ich nicht weiß, womit ich es zu tun habe.«

Chase runzelte die Stirn. »Was ist denn los? Wir haben schon einen ganzen Haufen Mist, um den wir uns kümmern müssen.«

Smoky rutschte unter mir herum. Ich wollte aufstehen, doch er hielt mich fest, und wieder brannte sich die Hitze seiner Hände durch meine Haut. »Anscheinend habe ich Besuch. Ich möchte, dass du herausfindest, was sie im Schilde führt. Ich glaube, ihr seid euch vor ein paar Monaten schon einmal begegnet.«

Ich warf Menolly einen Blick zu, doch sie zuckte nur mit den Schultern. »Wer ist es denn? Und warum fragst du sie nicht einfach selbst, was sie da will?«

Er lachte leise, beinahe unheilverkündend. »Ich mag die Dame nicht besonders. Ich finde sie ... abstoßend. Und Titania hatte vor Jahrhunderten gewisse Schwierigkeiten mit ihr. Die beiden können sich nicht ausstehen. Aber sie will irgendetwas, und sie lagert jetzt in der Nähe meiner Höhle. Ich glaube, sie sucht nach Titania, aber die Feenkönigin a.D. macht sich heutzutage ziemlich rar.«

Ich runzelte die Stirn. Von wem sprach er bloß? Aber ich war klug genug, ihn nicht zu bedrängen. Er würde schon damit herausrücken, wenn er so weit war.

»Heute Morgen«, fuhr er im Plauderton fort, »kam ein Krähenschwarm herbeigeflattert, mit einem großen Raben vorneweg. Sie sind in der Nähe von Titanias Hügel gelandet und haben da herumgepickt. Ich habe sie zum Frühstück gegrillt und nur eine Krähe entkommen lassen, als Warnung an ihre Herrin.«

Ein Krähenschwarm ... heilige Scheiße.

»Ich weiß, von wem du sprichst«, sagte ich und kämpfte mich von seinem Schoß hoch. Dann wirbelte ich zu ihm herum. »Morgana - Morgana treibt sich auf deinem Land herum, nicht wahr?«

Er tippte sich an die Stirn. »Wusste ich doch, dass du darauf kommen würdest.«

Feddrah-Dahns wieherte und stampfte mit den Hufen. Sein Blick wirkte alles andere als freundlich. »Sie darf nichts von dem Horn erfahren! Sie sucht schon sehr lange danach. Morgana war vor nicht einmal fünf Monaten im Windweidental und forderte uns auf, ihr zu helfen. Wir haben sie davongejagt.«

Langsam drehte ich mich zu dem Einhorn um. »Was um alles in der Welt will Morgana denn mit dem Horn?« Mal abgesehen davon, gewaltige magische Macht zu erlangen, natürlich.

Nervös tänzelte er auf der Stelle. »Ich weiß es nicht, aber ich habe das Gefühl, dass es etwas mit dem Dunklen Hof zu tun hat.«