Kapitel 20

 

Verflixt und zugenäht.

Ich versuchte, mich aus der Lethargie aufzurütteln, die mich lähmte, und schaffte es, ein paar Schritte weit zurückzutaumeln. Hatte er vor, mich an Ort und Stelle zu töten, am helllichten Tag vor mindestens einem Dutzend Zeugen?

»Mach dir nicht ins Höschen«, sagte er. »Ich werde dich nicht hier ausweiden. Noch nicht«, fügte er hinzu und verzog die Lippen zu einem unangenehmen Lächeln.

»Bleib, wo du bist«, warnte ich ihn und tastete nach dem Horn. Auf gar keinen Fall hatte ich die Kraft, jetzt noch gegen einen Dämon zu kämpfen - schon gar nicht gegen einen Höheren Dämon. Sollte es also zum Kampf kommen, würde ich mich auf meinen neuen kleinen Freund verlassen müssen. »Was willst du?«

»Da fiele mir so einiges ein«, sagte er und ließ den Blick über mich gleiten. »Ich glaube nicht, dass dir irgendetwas davon gefallen würde, aber da es mir scheißegal ist, was du willst, spielt das auch keine Rolle, nicht wahr?«

Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, und atmete tief und langsam durch. Wenn es ihm gelang, mich auch noch geistig aus dem Gleichgewicht zu bringen, wäre das ein Vorteil für ihn. Verdammt, er war ja jetzt schon im Vorteil. Ich musste Delilah und die anderen warnen, ohne sie in Gefahr zu bringen.

»Sag mir einfach, was du willst.« Ich zwang mich, in seine Augen zu blicken, und schirmte mich dabei so gut wie möglich ab. Räksasas waren Meister der Illusion und Verführung. Wenn ich das nicht vergaß, würde ich seinen Fallen vielleicht widerstehen können.

Er zog kräftig an seiner Zigarette und blies mir den Rauch direkt ins Gesicht. Meine Lunge brannte, und ich musste husten. Er lachte bellend auf und gab den anderen einen Wink, die sich in unsere Richtung bewegten.

Was nun? Ich konnte versuchen wegzulaufen, aber Dämonen waren wie wilde Tiere.

Wenn ich mich wie fliehende Beute verhielt, würde ich seinen Jagdtrieb entfesseln. In diesem Moment spürte ich, dass jemand hinter mich trat. Ich blickte über die Schulter und sah Morio. Er drückte eine Hand in mein Kreuz, und ich spürte, wie seine Energie in mich hineinströmte, mich beruhigte und mir einen Anker gab.

Schon hatten die Frau und der andere Mann uns erreicht. Karvanak würdigte sie keines Blicks.

»Darf ich vorstellen: Jassamin und Vanzir, meine Mitarbeiter.« Die Aufmerksamkeit des Dämons blieb auf mich gerichtet, doch sein Blick huschte zu Morio; er wirkte leicht beunruhigt und wurde gleich höflicher. »Sie haben etwas, das wir wollen. Miss D'Artigo. Einen Edelstein ... einen sehr schönen Edelstein. Und falls Sie ihn nicht haben, so wissen Sie jedenfalls, wo er ist. Je eher Sie mit uns kooperieren, desto besser für Sie. Ich bin durchaus bereit, Sie angemessen zu belohnen, wenn Sie sich klug verhalten und die Seiten wechseln. Ich garantiere Ihnen, dass Ihr Leben viel glücklicher sein wird, wenn Sie mich nicht zum Feind haben.«

»Die Seiten wechseln? Mich mit euresgleichen verbünden? Für wie dumm haltet ihr uns eigentlich?« Ich zuckte leicht zusammen, als Morio mir eine Fingerspitze in den Rücken bohrte. Ruhig ... ich musste ruhig bleiben. Ich holte lang und zittrig Luft und stieß sie langsam wieder aus.

»Besprechen Sie das mit Ihrer Familie. Und Ihren Freunden.

Wir können diese Angelegenheit glatt und einfach regeln - zum Vorteil aller Beteiligten -, wenn Sie unser Angebot annehmen. Oder wir erledigen das auf die harte Tour, wenn Sie es ignorieren. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.« Er blickte zur anderen Straßenseite hinüber, von wo aus Chase, Delilah und Iris uns mit großen Augen beobachteten. »Sie sollten dabei nicht nur an sich selbst denken, Miss D'Artigo. Vergessen Sie das nicht. Wir melden uns wieder.«

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und schlenderte zurück zu seinem Auto, gefolgt von der Dschinniya. Vanzir zögerte noch und starrte mich mit so intensivem Blick an, dass ich das Gefühl hatte, in schwindelerregende Tiefen zu schauen.

»Unterschätzt ihn nicht«, sagte er leise. »Er meint es ernst. Ihr könnt nicht gewinnen.

Er wird euch in Stücke reißen.«

»Wer zum Teufel bist du? Und warum stehst du auf seiner Seite?« Er war mit einem Dämon unterwegs, also konnte er nichts taugen, aber ich hatte ein seltsames Gefühl bei diesem Mann.

Vanzir sah aus, als wollte er noch mehr sagen, doch dann brach er plötzlich den Augenkontakt ab, wandte sich abrupt um und beeilte sich, Karvanak einzuholen.

Morio packte mich am Handgelenk, und wir rannten los, über die Straße. »Wir müssen hier weg und deine Wunden untersuchen lassen.«

Ich schwieg, während wir die Straße überquerten und ins Auto stiegen. Stumm ließ ich den Motor an. Der Räksasa hatte gerade damit gedroht, jedem etwas anzutun, den wir als unseren Freund betrachteten. Als Dredge, Menollys Meister, vor ein paar Monaten in Seattle aufgetaucht war und sich unsere Freunde vorgenommen hatte, da hatte ich entsetzliche Angst um alle gehabt. Kollateralschaden war ein so hässlicher Begriff.

Doch nun erkannte ich, dass wir unsere Verbündeten brauchten - jeden Einzelnen von ihnen.

Die Dämonen würden niemanden verschonen, wenn sie hier einfielen, ganz gleich, wie viel Abstand wir zu unseren Freunden hielten. Selbst wenn wir taten, was sie verlangten, und ihnen halfen - diese Geschöpfe waren die geborenen Lügner und würden keinen Moment davor zurückschrecken, uns umzubringen, sobald sie hatten, was sie wollten.

»Das war sie, die Dschinniya«, sagte Delilah. »Und ... war der Mann ...«

»Ja, das war der Raksäsa. Sein Name ist Karvanak. Und sein Kumpel heißt Vanzir.

Ich weiß nicht genau, was für ein Dämon Vanzir ist, aber irgendetwas kommt mir seltsam vor. Karvanak will uns erpressen - er hat damit gedroht, unseren Freunden etwas anzutun, wenn wir ihm nicht geben, was er will.«

»Was will er denn?«, fragte Chase.

Ich seufzte. »Anscheinend glaubt er, dass wir das dritte Geistsiegel haben oder zumindest wissen, wo es ist. Er will es haben. Er hat mir angeboten, uns großzügig zu entlohnen, wenn wir die Seiten wechseln und uns ihm anschließen. Natürlich heißt das nichts anderes als >Ich töte euch eben später, nicht jetzt gleiche Wir müssen sehr vorsichtig sein. Er ist stark. Sehr stark. Ich kann es spüren, und er jagt mir eine Scheißangst ein. Einen offenen Kampf könnten wir niemals gewinnen - er würde uns bei lebendigem Leib auffressen.«

»Ich unterbreche euch ja nur ungern«, sagte Chase, »aber mir wird auf einmal ziemlich komisch.«

Delilah befühlte seine Stirn. »Er bekommt Fieber. Los, zum AETT-Hauptquartier.

Gegen Karvanak können wir im Augenblick nichts weiter unternehmen, also konzentrieren wir uns auf das, was wir tun können.«

Ich fuhr schweigend weiter, doch meine Gedanken schnatterten unentwegt vor sich hin. Wir brauchten eine Strategie. Wir brauchten unbedingt Verstärkung. Wir brauchten ... so vieles, und es war unwahrscheinlich, dass wir irgendetwas davon bekommen würden.

Die Einrichtungen des Anderwelt-Erdwelt-Tatorttxeams befanden sich in einem Gebäude, das eigens für den Umgang mit allen möglichen Anderwelt-Bewohnern erbaut worden war. Die zertrümmerten Türen, von den abtrünnigen Vampiren bei ihrem Ausbruch vor ein paar Monaten beschädigt, waren repariert worden, und man hatte das magische Überwachungssystem verstärkt und umgerüstet, damit eben so etwas nicht wieder vorkommen konnte. Zweifellos würde irgendwann in der Zukunft jemand auftauchen, der auch dieses System knacken konnte, aber es war wie bei Hackern: Jedes Mal, wenn jemand das System besiegte, würden wir es stärker und noch sicherer wieder aufbauen.

Die Leichenhalle befand sich im Keller, genauer gesagt im dritten Untergeschoss, die medizinischen Einrichtungen im Erdgeschoss. Wir platzten zur Tür herein, und ich winkte Yugi zu. Der schwedische Empath war vor kurzem befördert worden, und seit Tylanda nicht mehr da war, trug er in Chases Abwesenheit die Verantwortung.

Tylanda war Vollblutfee und Chases ehemalige Assistentin. Sie war in die Anderwelt zurückgekehrt, wie vom AND befohlen, aber wir hofften, bald Ersatz für sie zu finden.

Sharah nahm uns allen Blutproben ab. Wenn irgendeine unserer Wunden mit Tetsa-Gift in Berührung gekommen war, würde sich das zeigen, sobald sie den Reagenzstoff dazugab. Das Gift drang rasch in den Blutkreislauf vor.

Sie schüttete ein paar Klümpchen eines blauen Pulvers in ein Reagenzglas, fügte etwas Wasser hinzu und löste das Pulver darin auf. Dann reihte sie die Blutproben vor sich auf und gab mit einer Pipette je drei Tropfen der bläulichen Flüssigkeit in jedes Röhrchen. Morios Blut blieb, wie es war, meines ebenfalls. Delilahs zischelte ein bisschen, und Chases blubberte laut zischend im Reagenzglas hoch.

»Chase, Delilah, euer Blut zeigt Anzeichen einer Tetsa-Vergiftung. Ihr werdet beide das Gegengift einnehmen müssen.«

Chase sprang auf. »Was? Werden wir sterben? Was ist mit meinen Männern?«

»Beruhige dich, Chef«, sagte sie und kramte in einem Schrank herum. »Die Männer habe ich schon getestet und ihnen das Gegenmittel verabreicht. Beide leben noch, aber bei Trent habe ich nicht viel Hoffnung - das Gift hat bei ihm sehr schnell gewirkt.

Aber Mallen kümmert sich um sie, und wenn er sie nicht durchbringt, dann könnte es niemand. Ihr beide hingegen steht noch, und das ist ein gutes Zeichen«, sagte sie geistesabwesend. Gleich darauf drehte sie sich mit einer hohen, schlanken Ampulle in der Hand zu uns um. Die Flüssigkeit darin war braun und schaumig.

Delilah rümpfte die Nase. »Igitt. Ich ahne, was jetzt kommt.«

»Müssen wir das trinken?«, fragte Chase, schluckte schwer und wurde ein wenig grün im Gesicht. »Das sieht ja widerlich aus - o Gott, es riecht auch widerlich!«

Sharah hatte das Fläschchen geöffnet, und ein durchdringender Geruch erfüllte den Raum, wie besonders scharfer Essig mit Schwefel vermischt. »Stell dich nicht so an.

Ja, ihr müsst das trinken. Aber ihr habt Glück, ich muss es erst verdünnen.« Sie gab zwei Teelöffel voll in ein Glas, zwei in ein weiteres, füllte die Gläser mit Leitungswasser auf und rührte um, bis das Gemisch nicht mehr brodelte. Sie reichte den beiden je ein Glas und sagte: »Auf einen Zug, bitte. Jetzt gleich.«

Delilah hohe tief Luft, schluckte das Zeug herunter und verzog das Gesicht, als der Geschmack an ihre Zunge drang. Chase brauchte etwas länger, hielt sich aber schließlich die Nase zu und schluckte tapfer, wobei er nur ein bisschen würgen musste. Aber am Ende waren beide Gläser leer, und Sharah wirkte sehr zufrieden.

»Ihr dürftet es überleben, aber ich möchte, dass ihr noch ein paar Stunden zur Beobachtung hierbleibt. Camille, du und Morio könnt gehen.« Sie scheuchte uns hinaus.

»Aber Camille braucht mich ...«, protestierte Delilah.

Ich schnitt ihr das Wort ab. »Ruhe. Du bleibst hier, bis wir sicher sind, dass das Gegengift gewirkt hat. Mein Handy ist kaputt, und Morios auch, als wirst du uns erst erreichen können, wenn wir wieder zu Hause sind ...«

»Nimm meines«, sagte Iris und reichte mir ihr Handy. »Fährst du zuerst nach Hause?«

Ich nickte. »Blutbeschmiert und völlig zerzaust kann ich schlecht im Mountain Aspen Retreat erscheinen. Ich muss mich umziehen und so zurechtmachen, dass ich ein bisschen weniger aussehe, als hätte ich mich gerade geprügelt. Na ja, zur Not kann ich ja behaupten, ich hätte vor kurzem einen Unfall gehabt.«

»Dann fahre ich mit dir und sehe nach Maggie. Ich werde auch Henry anrufen und ihn fragen, wie er im Laden zurechtkommt.« Sie eilte geschäftig zur Tür. »Worauf wartet ihr denn? Los doch.«

Ich küsste Delilah auf die Wange und tätschelte Chases Schulter. »Passt gut auf euch auf. Ich nehme Iris' Handy mit. Ruft mich an, falls irgendetwas passiert.«

In der Tür wandte ich mich zu Morio um. »Wenn heute noch irgendetwas schiefgeht, schreie ich so laut, dass die Fensterscheiben bersten, das schwöre ich.«

Er lachte. »Sag das lieber nicht. Es ist noch nicht mal Mittag.«

Ich verzog das Gesicht. Noch nicht mal Mittag! Ich konnte nur noch an eines denken: Was würde wohl als Nächstes aus dem Ruder laufen?

Das Mountain Aspen Retreat lag südlich der Stadt, ein Stück hinter Normandy Park, auf einem zehn Hektar großen Gelände, umgeben von altem Baumbestand. Wir fuhren auf dem Marine View Drive gen Süden, bogen zwei Mal falsch ab und mussten an einer kleinen Tankstelle halten und nach dem Weg fragen, um die Klinik zu finden.

Als ich in die 206th Street einbog, wurden die Häuser spärlicher.

Wir befanden uns in einer Gegend, in der zwar schon gebaut wurde, die aber noch einige Reserven hatte, was Einkaufszentren und so weiter anging. Nach ein paar Querstraßen bog ich rechts ab und dann links auf eine schattige Ahornallee -zumindest würde sie schattig sein, wenn die Blätter sich erst vollends entfaltet hatten. Die Gegend erinnerte mich ein bisschen an die Straße, die zu unserem Haus führte, wirkte aber gepflegter; das hier waren Anwesen, nicht einfach Häuser mit großen Gärten.

»Was meinst du, wie ich auf ihn zugehen sollte? Ob er mich verraten wird?« Dass Benjamin auf Ansprache nicht reagierte, bedeutete noch lange nicht, dass er nicht sprechen oder reagieren konnte, wie Morio bereits in Fuchsgestalt festgestellt hatte.

»Ich weiß es auch nicht«, sagte Morio. »Vielleicht bekommst du ihn sogar am besten zum Reden, wenn du die Dämonen erwähnst. Seine Träume machen ihm furchtbare Angst, und wir beide wissen, dass er allen Grund hat, sich zu fürchten. Manche VBM können die Zukunft sehen, und er besitzt offenbar diese Fähigkeit.«

»Bist du sicher, dass er ganz und gar menschlich ist? Ich will damit nicht sagen, dass VBM nicht auch übersinnliche Kräfte oder magische Fähigkeiten haben, ganz im Gegenteil. Aber es kommt sehr selten vor, dass ein Mensch seine Fähigkeiten entdeckt - und noch seltener gelingt es einem, sie auch zu entwickeln.« Wir kamen an einem Hinweisschild des Mountain Aspen Retreat vorbei, das nach links zeigte. Ich betätigte den Blinker.

Wir erreichten die gekieste Auffahrt, in die ich langsam einbog, und fuhren die sacht ansteigende Straße hoch. Zu beiden Seiten erstreckten sich Rasenflächen - Anwesen, wie gesagt -, auf denen Ahorne, Eichen und hier und da auch eine Weide verstreut waren. Die Klinik, die wir in der Ferne sehen konnten, stand auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Strands am Puget Sound. Gegenüber des kleinen Hafens lag Vashon Is-land.

»Weißt du«, bemerkte ich, »ich habe den Eindruck, dass VBM ihre Kräfte gern anderen Wesen zuschreiben. Der Teufel hat mich dazu getrieben ... Gott spricht mit mir ... Ich höre Stimmen ... Sie wollen sich ihre eigene Macht und Verantwortung nicht eingestehen.«

»So ist es einfacher«, stimmte Morio zu. »Es ist einfacher, jemand anderem die Schuld zu geben oder jede Verantwortung von sich zu weisen, falls etwas passiert und man nicht mehr damit fertig wird, was man getan hat. Der Böse zu sein ist einfach, wenn man nicht erwischt wird oder behaupten kann, jemand anders sei schuld.«

»Da ist die Klinik. Sieht so aus, als wären alle draußen zur Bewegung an der frischen Luft.« Als wir uns dem großen Gebäude näherten - oder vielmehr der Gruppe von Gebäuden -, sah ich einige Leute, die Patienten sein mussten, langsam durch die verschiedenen gepflegten Gartenbereiche spazieren. Neben manchen gingen Schwestern in gestärkten rosa Uniformen; andere waren paarweise unterwegs und unterhielten sich - oder auch nicht -, während sie die frische Nachmittagsluft genossen. Alle bis auf die Schwestern und Wärter trugen ganz normale Straßenkleidung, doch mir fiel sofort auf, dass jeder, den ich für einen Patienten hielt, ein leuchtend rotes Armband umhatte.

»Was wetten wir, dass in diesen Armbändern Sensoren stecken, die Alarm geben, wenn jemand das Anwesen verlässt?«

Morio blickte zu einer Gruppe von drei Patienten hinüber, die knospende Krokusse unter einer Weide näher untersuchten. »Da hast du wahrscheinlich recht. Da ist der Parkplatz.«

Ich bog auf den Parkplatz ab, der parallel zum Hauptgebäude verlief, und stellte den Wagen ab. »Bist du bereit? Meinst du, ich gehe so durch?«

Ich hatte eines meiner allerkonservativsten Outfits angezogen: einen knielangen Rock aus schwarzer Viskose und ein blauseidenes Top unter einem pflaumenblauen Samtblazer. Meine schwarzen Lackschuhe mit den Zehn-Zentimeter-Absätzen passten perfekt dazu, und ich hatte in meinem Kleiderschrank gewühlt, bis ich die burgunderrote Schlangenleder-Handtasche gefunden hatte. Wenn ich dazu noch meinen Glamour maskierte, erweckte ich so den Eindruck einer leicht surrealen, aber menschlichen Frau.

Morio, der sich als mein Verlobter ausgeben würde, hatte sich ebenfalls umgezogen und trug eine graue Hose, einen kobaltblauen Pulli mit V-Ausschnitt und legere Slipper. Nur ein ganz normales Yuppie-Pärchen, das einen verrückten Verwandten besuchen will, Euer Ehren. Ganz harmlos. Ehrlich.

Langsam stiegen wir aus dem Auto und sahen uns um. Ich schloss die Augen und versuchte, ein Gefühl für diesen Ort zu bekommen. Es war viel chaotische Energie unterwegs. Einiges davon schien an den Rand der Schattenmagie gerückt zu sein, doch als ich mir diesen Teil näher ansah, schwamm der Wahnsinn, den es hier tatsächlich gab, deutlich an die Oberfläche. Aber unter der echten Geisteskrankheit konnte ich richtige Magie spüren und eine Art Tasten - als suchten diese Energien nach etwas. Hier gab es übersinnlich Begabte und geborene Hexen, die keine Ahnung von ihren wahren Fähigkeiten hatten und deren Familien sie im normalen Leben unzumutbar fanden.

»Hier sind so viele widerstreitende Energien miteinander verknotet, dass ich nicht weiß, ob ich sie je sortiert bekommen kann.« Ich öffnete die Augen und setzte meine Sonnenbrille auf. Meine Augen ließen das Feenerbe meines Vaters besonders deutlich erkennen. Wenn ich sie verbarg und meinen Glamour versteckte, würde ich möglicherweise als Benjamins Cousine durchgehen.

»Zumindest steinigen sie die Leute nicht mehr, weil sie angeblich besessen sind. Oder werfen sie ins Irrenhaus und überlassen sie dort sich selbst, damit sie sich gegenseitig ermorden können.« Morio musterte mich von oben bis unten. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal den Tag erleben würde, an dem du aussiehst wie der Vogue entstiegen.«

»O bitte«, stöhnte ich und steckte mein Haar zu einem möglichst ordentlichen Knoten hoch. Immer wieder schlüpften widerspenstige Strähnen heraus. Lockiges Haar eignete sich eben nicht für den gepflegt-glänzenden Stil. »Ich bin ein bisschen zu bunt für die Vogue ... aber ich glaube, so müsste es gehen. Ist der Eindruck passabel?« Ich hängte mir die Tasche über den Unterarm und posierte mit einer Hand auf der Hüfte.

Seine Augenwinkel legten sich in Fältchen, und ich sah das Lächeln dahinter. »Du siehst immer schön aus, egal, was du trägst. Sogar in dieser Aufmachung. Aber du siehst irgendwie ... unnatürlich aus, wenn deine Brüste nirgends rausquellen.« Damit bot er mir den Arm. »Wollen wir? Und falls irgendjemand fragt, wir heiraten im Juni - das ist der Standard-Hochzeitsmonat.«

»Juni, ja? In Y'Elestrial finden Hochzeiten oft im Winter statt, wenn alles in der Stadt gemächlicher läuft und das Julfest näher rückt.« Ich lächelte ein bisschen wehmütig.

»Meine Eltern haben zu Mittwinter geheiratet. Mutter hatte noch nie eine Feenhochzeit erlebt, und sie wollte ein weißes Kleid, wie eine Braut es in der Erdwelt tragen würde. Das ist in Y'Elestrial natürlich nicht üblich. Aber Vater hat eine Schneiderin beauftragt, ihr ein Brautkleid aus schneeweißer Spinnenseide anzufertigen, mit Goldfäden durchwirkt.«

»Dein Vater hat deine Mutter sehr geliebt, nicht wahr?«, fragte Morio, während wir auf das Hauptgebäude zugingen.

»Allerdings. Er hat sie so sehr geliebt, dass er es mit Hof und Krone aufgenommen und eine Petition eingereicht hat, damit sie das Bürgerrecht verliehen bekam. Er hat sie so sehr geliebt, dass er sogar mit ihr zusammengeblieben ist, nachdem sie sich geweigert hatte, vom Nektar des Lebens zu trinken, und er hat sie so sehr geliebt, dass er die Gewissheit ertragen hat, eines Tages ihren Tod zu erleben. Ich habe ihr Kleid aufgehoben«, sagte ich leise.

»Ihr Hochzeitskleid?«

»Ja, ich habe es ganz hinten in meinem Kleiderschrank hängen. Ich bin froh, dass ich es mitgenommen habe, wenn man bedenkt, dass alle unsere Sachen entweder hastig irgendwo versteckt oder von Lethesanar konfisziert wurden. Ich würde es wirklich ungern verlieren. Es passt mir nicht - meine Figur ist zu kurvenreich -, aber ich glaube, dass wir es für Delilah ändern könnten. Ich weiß, dass sie eines Tages heiraten wird. Das liegt in ihrer Natur.«

»Und was ist mit dir?« Morio blieb stehen und wandte sich mir zu. »Wirst du irgendwann heiraten? Trillian ... oder sonst irgendjemanden?«

Ich fragte mich, ob ein »oder mich« hinter dieser Frage steckte, wollte ihn aber nicht in Verlegenheit bringen, indem ich direkt danach fragte. Stattdessen holte ich tief Luft und stieß sie mit einem langen Seufzer wieder aus. »Heiraten? Wie könnte ich auch nur daran denken? Wenn wir in Y'Elestrial wären oder irgendwo in der Anderwelt, würde ich euch beide heiraten, und zwar auf der Stelle. Zu Hause können wir ganz legal zu dritt verheiratet sein. Aber die Dämonen ... Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich überhaupt noch an die Zukunft glaube. Ob ich daran glaube, dass wir Schattenschwinge besiegen können.«

Und damit hatte ich endlich meine heimliche Angst enthüllt.

Ein Teil von mir flüsterte unablässig, dass wir alle dem Untergang geweiht waren.

Dass wir uns auf dem Weg in die Hölle befanden, wo ein flammender Dämonenfürst schon auf uns wartete. Deswegen würde ich nicht gleich aufgeben, aber ich verlor allmählich die Hoffnung, dass wir dem Ansturm der Dämonen auf unsere Welten noch lange würden standhalten können.

Ich hob den Kopf und sah Morio fest in die Augen. »Meine Pflicht kommt zuallererst.

Vater hat mich dazu erzogen, meine Verpflichtungen zu erfüllen und mich meiner Verantwortung zu stellen, selbst wenn ich lieber davonlaufen würde. Der Kampf ist das Wichtigste.«

Morio sagte nichts, hakte sich aber bei mir unter, als wir uns dem Eingang zum Mountain Aspen Retreat näherten. Wir hatten die Tür noch nicht ganz erreicht, als ein Angestellter uns öffnete und mit großer Geste hereinbat.

Die Lobby erinnerte mich an das prächtige Foyer eines Luxushotels.

Die Böden aus Marmorimitat waren glänzend poliert und in einer antik wirkenden Farbkombination aus Grün und Gold gehalten. Es war kaum zu glauben, dass das, was wir hier betraten, im Grunde eine Irrenanstalt war.

Ich flüsterte Morio ins Ohr: »Die müssen aber gepfefferte Preise verlangen, wenn sie sich so etwas leisten können.«

Er nickte kaum merklich. »Bei meinem letzten Besuch hatte ich den Eindruck, dass die meisten Patienten aus sehr reichen Familien kommen. Hier regiert das alte Geld, und die Familien, die ihre Problemkinder hier abladen, zahlen gut dafür, dass sich das nicht herumspricht. Es gäbe kaum einen besseren Ort, um ein missratenes Kind oder eine Tante abzuschieben, die einem den Ruf ruiniert oder einen permanent öffentlich in Verlegenheit bringt.«

»Ich glaube, die Anderwelt ist mir lieber«, sagte ich. »Obwohl das Leben bei Hof und Krone auch von Scheinheiligkeit und gesellschaftlichem Druck geprägt ist.«

Stirnrunzelnd schüttelte er den Kopf. »Spießer - gefühllose Spießer, die unbedingt ihren Status quo aufrechterhalten wollen. Dazu dient dieses Haus im Grunde. Ich zweifle nicht daran, dass das Personal hochqualifiziert ist, aber ich habe das Gefühl, dass sie mehr Wert auf Konformität als auf Wohl und Glück ihrer Patienten legen.«

Ich sah mich um. In der Lobby gab es mehrere Aufenthaltsbereiche. Manche Sitzgruppen waren von Patienten belegt, die fernsahen oder Handarbeiten machten.

Manche starrten nur ins Leere. Eine geschwungene Treppe führte nach oben, und als ich zur prächtigen Decke hinaufschaute, erhaschte ich einen Blick auf den Absatz im ersten Stock, wo anscheinend Büroräume lagen.

Von der Lobby aus war nicht zu erkennen, wo die Patienten untergebracht waren. Die Vermutung lag nahe, dass der Wohntrakt sich im hinteren Teil des Gebäudes befand, damit die Gäste die Patienten nicht unmittelbar sehen konnten. Wenn mal einer durchdrehte, störte er auf diese Weise wenigstens nicht die Besucher oder die friedvolle, gediegene Fassade, die sie der ganzen Anstalt verpasst hatten.

Am Empfangstresen mit einer rötlichen Marmorplatte lag neben dem Buch, in das Besucher sich eintragen mussten, ein silberner Kugelschreiber an der Kette. Das Einzige, was mich daran erinnerte, dass wir nicht im Hilton eincheckten, war das kugelsichere Glas um den Schalter. Als wir näher kamen, sprang die in Rosa gekleidete Empfangsdame auf, kam mit strahlendem Lächeln aus ihrem Glaskasten und erwartete uns am Tresen. »Ich bin Schwester Richards. Was kann ich für Sie tun?«

»Ich möchte Benjamin Welter besuchen. Ich bin Camille ... Welter, und das ist mein Verlobter, Morio Kuroyama.« Ich setzte eine leicht gehetzte Miene auf, die deutlich sagte: Ich bin wichtig. Nerv mich nicht mit deinen Fragen, stell mich sofort durch.

Wie ich erwartet hatte, fragte sie höflich: »Wenn Sie sich bitte ausweisen würden?«

Ich räusperte mich und blickte mich rasch um. Niemand achtete auf uns. Ich nahm meine Sonnenbrille ab, ließ meine Masken fallen und gestattete meinem Glamour, mit aller Macht hervorzuleuchten.

Ich beugte mich zu ihr vor und sagte: »Sie brauchen meinen Ausweis nicht zu sehen.

Sie wissen, dass ich Camille Welter bin. Und Sie wissen, dass ich ungefährlich bin und niemandem hier etwas antun werde. Nicht wahr?«

Entweder bemühte Schwester Richards nicht oft ihren eigenen Verstand, oder sie war ohnehin nicht die Hellste, denn ihr Lächeln wackelte nur eine Sekunde lang, um dann doppelt so breit wieder zu erstrahlen. »Natürlich, Miss Welter. Sie sind harmlos und werden niemandem etwas antun. Es freut mich, Sie und Ihren Verlobten kennenzulernen. Ich gratuliere übrigens zur Verlobung. Wenn Sie sich hier eintragen würden, und dann bringe ich Sie gleich zu Benjamin.«

Ich zwinkerte ihr zu, und sie kicherte. Während ich mich eintrug und den Stift an Morio weiterreichte, dachte ich darüber nach, wie leicht manche Leute doch zu betören waren. Den stärksten Widerstand leisteten gar nicht die Misstrauischen, obwohl man das logischerweise erwarten würde. Nein, ich hatte festgestellt, dass die kühlen, distanzierten Typen, die besonders intelligent wirkten, am schwersten zu betören waren.

Nachdem auch sie im Gästebuch unterschrieben hatte, rief sie eine ihrer Assistentinnen herbei, die den Empfang übernahm, und führte uns durch die Eingangshalle. Dann bog sie nach links ab. »Er wohnt in unserem Flügel für die längerfristige Betreuung. Hier entlang, bitte.«

Wir verließen das Gebäude durch eine rückwärtige Tür, die gesichert und von zwei stämmigen Wachleuten bemannt war, die allerdings freundlich lächelten und unseligerweise ebenfalls die allgegenwärtige rosa Uniform trugen. Die Empfangsdame führte uns über einen überdachten Innenhof, auf dem schmiedeeiserne Bänke zum Verweilen in der frischen Luft einluden, selbst wenn es nieselte. Ich hielt mich von den Bänken fern. Sie hatten zwar hölzerne Sitzflächen, aber ein kleiner Fehler, und ich würde eine hässliche Brandwunde davontragen.

Das Ziegelpflaster war in verschiedenen Mustern verlegt; die meisten erkannte ich als keltische Knoten, und hier und da lockerte ein Blumenbeet das ansonsten von Terrakotta geprägte Ambiente auf. Narzissen und Krokusse standen zu dieser Jahreszeit auf dem Programm, und dazu Primeln und Stiefmütterchen, die offensichtlich erst vor kurzem in die frisch geharkte Erde gepflanzt worden waren. Auf der anderen Seite des Innenhofs erhob sich ein fünfstöckiges Gebäude, von dem aus ein weiterer überdachter Freigang zu einem zweistöckigen Wohntrakt führte.

»Benjamin ist ja so ein angenehmer Patient«, erzählte Schwester Richards. »Er macht nie irgendjemandem Arger, außer wenn man versucht, direkt mit ihm zu sprechen. Da Sie Ihren Cousin schon länger nicht gesehen haben, muss ich Sie warnen. Wenn Sie etwas zur Wand sagen oder zu irgendeinem Gegenstand, zum Beispiel ›Für Benjamin ist es jetzt Zeit zum Abendessen‹ dann hört er Ihnen zu und folgt Ihnen zum Speisesaal. Aber wenn Sie ihn direkt ansehen und ihm das ins Gesicht sagen, bekommt er meistens einen Schreikrampf. Also versuchen Sie bitte, ihn nie direkt anzusprechen, solange Sie hier sind. Es macht ihm nichts aus, wenn Leute in seiner Nähe sitzen, solange sie ihn nicht berühren.«

Ich nickte und prägte mir alles ein. Auch in der Anderwelt mangelte es nicht an geistig labilen Geschöpfen. Den Göttern sei Dank für unsere Schamanen, die viele der leichten bis mittelschweren Erkrankungen durch Seelenbereinigung und andere Techniken lindern oder heilen konnten. Die wirklich aussichtslosen Fälle jedoch durften normalerweise einfach frei herumlaufen, wie es ihnen gefiel, solange sie niemandem schadeten.

Es gab viele Dörfer, in denen alle auf diese Kranken aufpassten, wo sie zu essen bekamen, wenn sie Hunger hatten, und bei schlechtem Wetter in Scheunen und Schuppen untergebracht wurden.

Falls sie je zur Gefahr für sich selbst wurden, stellte man sie unter Aufsicht. Wurden sie zur Gefahr für andere, musste man sie erlösen.

»Da ist er - heute ist er offenbar gern im Freien«, sagte die Schwester und deutete auf einen Mann, der im Gras saß und zum Himmel hochstarrte. Er war allein, doch mir fielen zwei Wärter auf, die das Gelände in der Nähe eng überwachten. Benjamin, der eine normale blaue Jeans trug, wirkte vollkommen entspannt und zufrieden.

Als wir uns dem jungen Mann näherten, begann Schwester Richards so laut zu reden, dass er es hören konnte. »Nein, so etwas, ist das nicht nett? Benjamins Cousine kommt ihn besuchen. Vielleicht möchte sie sich da drüben unter die Eiche setzen - da ist eine kleine Bank - und die frische Luft genießen.« Sie nickte mir vielsagend zu, und ich ging zu der Bank und biss die Zähne zusammen. Ich würde sehr aufpassen müssen, nicht mit der nackten Haut an die Armlehnen oder die Nieten auf den Holzlatten des Sitzes zu geraten.

Als ich mich vorsichtig hinsetzte, warf ich Benjamin einen raschen Blick zu und schaute gleich wieder weg. Er beobachtete mich mit einem seltsamen Funkeln in den Augen. Als er Morio sah, blickte er verwirrt drein, dann starrte er ihn mit offenem Mund an. Die Schwester entschuldigte sich. Sie blieb bei einem der Wärter stehen, zeigte in unsere Richtung und kehrte dann zum Hauptgebäude zurück. Der Wärter behielt uns fortan im Auge, kam aber nicht näher.

Plötzlich sprach Benjamin, so leise, dass ich ihn gar nicht gehört hätte, wenn ich ein VBM gewesen wäre. »Der Fuchs sieht heute anders aus. Und das ist wohl seine Freundin.«

Morio fuhr zusammen. »Benjamin weiß, wer ich bin?«

»Natürlich«, sagte Benjamin. »Ich kann Gestaltwandler immer erkennen, wenn sie sich als Menschen verkleiden. Aber ich verstehe nicht, warum sie sich als meine Cousine ausgibt und wer sie ist. Sie ist keine Gestaltwandlerin, aber sie ist auch keine normale Frau.«

Ich warf Morio einen kurzen Blick zu, und er nickte stumm. »Ich heiße Camille, und ich muss mit Benjamin über die Höhle und den Edelstein sprechen, von dem er dem Fuchs erzählt hat. Viele Menschenleben hängen davon ab, und Benjamin könnte uns eine große Hilfe sein. Wir versuchen, die Welt zu retten ...«

Ich hatte das letzte Wort kaum ausgesprochen, als Benjamin mir direkt ins Gesicht sah. Er blinzelte zwei Mal und flüsterte dann: »Schau mich nicht an, sonst merken die Wärter, dass etwas nicht stimmt. Du gehörst zu den Feen, nicht wahr? Und du kämpfst gegen die Dämonen, die ich in meinen Visionen sehe.«

Ich starrte auf ein hohes Grasbüschel in seiner Nähe. Die Brise ergriff die Halme und ließ sie wie eine grüne Welle wogen. Mir wurde klar, dass Benjamin sich hier in erster Linie versteckte. Aber wovor? Vor den Dämonen?

»Da hast du recht. Ich bin zur Hälfte eine Fee, und ich komme aus der Anderwelt. Und ja, wir kämpfen gegen Dämonen. Wir brauchen deine Hilfe, Benjamin. Würdest du mit uns sprechen?«

Er räusperte sich, lehnte sich dann zurück und glotzte wieder in den Himmel. Kurz darauf sagte er: »Also gut, aber ihr müsst mir versprechen, mich hier rauszuholen.«

»Wir werden es versuchen«, sagte ich, obwohl ich nicht wusste, wie genau wir dieses Versprechen halten sollten. Offensichtlich war Benjamin doch nicht so gebrochen oder verletzlich, wie Morio zunächst geglaubt hatte.

»Das wird mir wohl reichen müssen«, entgegnete Benjamin. »In Ordnung, ich werde euch helfen. Was wollt ihr denn genau von mir wissen?«

»Erzähl uns alles über die Höhle und den Edelstein. Ganz von Anfang an, und lass nichts aus.« Ich atmete durch.

Endlich ein Ansatzpunkt, genau das, was wir gebraucht hatten. Vielleicht hatten wir doch noch eine Chance.