Kapitel 15

 

Im Zimmer war es ganz still. Smoky ruhte neben mir. Ich starrte an die Decke und wusste nicht, was ich sagen sollte.

»Woran denkst du, Liebste?« Smoky strich mir mit dem Zeigefinger über die Wange und stupste dann gegen meine Nase. Seine Augen leuchteten, glühten, und seine Worte fühlten sich so intim an wie nie zuvor. Nicht sexuell intim, sondern emotional.

Ich räusperte mich. Ja, woran dachte ich denn? Gute Frage. Erstens begann mein Hirn sich langsam aus dem Dunst des Nachglühens zu erheben und erinnerte sich, dass er etwas gesagt hatte ... etwas, das ... oh, verflucht. Ich bin in dich verliebt, Camille. Und ich habe dich als meine Gefährtin erwählt. Was sollte ich denn damit anfangen?

Wenn ich es ignorierte, würde er vielleicht vergessen, dass er das gesagt hatte.

Vielleicht war es ihm nur in der Hitze des Augenblicks so herausgeplatzt. Verliebten sich nicht alle Männer vorübergehend in die Frau, mit der sie schliefen? Sex mit Smoky hatte mich an einen Ort jenseits aller Worte versetzt, an dem ich noch nie gewesen war. Verdammt, ich konnte mich kaum daran erinnern, was wir vorhin überhaupt gesagt hatten. Und was hier lief, verstand ich erst recht nicht.

Ich richtete mich auf, schob die Hände hinter mich und stützte mich darauf. Meine Kleider lagen überall im Raum verstreut, dazwischen Smokys Jeans und sein Hemd.

Ich starrte auf meinen Körper hinab, der von einem rosigen Hauch überzogen war, wie ich ihn auf meiner blassen Haut selten erglühen sah. Langsam, beinahe schüchtern, wandte ich mich ihm zu. Er hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und pfiff vor sich hin. Sein Körper war so lang und straff und hart, dass er mich an eine Skulptur erinnerte. Das brachte mich auf einen Gedanken, und ich kicherte.

»Was ist?«, fragte er und spähte faul durch halb geschlossene Lider zu mir hoch.

»Ich habe nur gerade gedacht, dass Michelangelos David dir wirklich nichts voraus hat.« Mir fiel außerdem ein, dass es klug wäre, Trillian gegenüber nicht zu erwähnen, wie gut Smoky tatsächlich bestückt war. Sonst könnte ich einen Testosteron-Krieg auslösen, der erst enden würde, wenn einer von beiden tot war. Natürlich kam es nicht allein auf die Größe an, aber Smoky hatte sowohl Größe als auch Erfahrung vorzuweisen, und das würde Trillian fürchterlich ärgern. Ich wollte mich hingegen nicht darüber beklagen. Ganz im Gegenteil.

Smoky lachte leise. »Das fasse ich mal als Kompliment auf.« Er drehte sich zu mir herum und streichelte leicht meinen Oberschenkel. Mein Körper reagierte sofort darauf, und ich merkte, dass ich immer noch nach ihm hungerte.

Wieder riss mich der Strudel seiner Leidenschaft mit, und gemeinsam ritten wir den Sturm.

»Wir sollten uns allmählich anziehen. Du hast noch eine Verabredung mit dem Krähenweib«, bemerkte Smoky und rollte lässig aus dem Bett. Er hätte ebenso gut eine Zigarette rauchen können, so entspannt sah er aus. Ein vergoldeter Spiegel an der Wand warf mir mein Spiegelbild zu, und ich blinzelte erstaunt -von wegen entspannt.

Mir strömte dieses postorgiastische Glühen aus allen Poren.

Als ich mich vorbeugte, um meinen Rock und das Höschen aufzuheben, versetzte Smoky mir einen scharfen Klaps auf den Hintern. Ich fuhr herum, holte reflexhaft aus, und meine Hand sauste durch die Luft, ehe mein Hirn auf den Gedanken kam, dass das vielleicht keine so gute Idee war. Aber Smoky war schneller als ich, und bevor ich seine Wange traf, hatte er die Finger um mein Handgelenk geschlungen.

»Camille ...« Eine Warnung. Ich hörte sie sehr deutlich.

Bei Trillian oder Morio hätte ich mir nichts dabei gedacht, mich kopfüber ins Getümmel zu stürzen. Andererseits würden weder Trillian noch Morio mir einfach einen Klaps auf den Po versetzen, außer ich wollte das so. Sie wussten, dass das unklug wäre.

Ich blickte in Smokys Gesicht auf. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um zurückzurudern.

Schleunigst. Der alte Gorilla-Witz funktionierte auch mit Drachen. Wohin lässt man einen vierhundert Kilo schweren Gorilla laufen? Wohin er will.

Was tut man, wenn einem ein zwei Tonnen schwerer Drache den Po versohlt? Man sagt hübsch »Dankeschön«.

Aber ich konnte mal wieder nicht anders. »Warum zum Kuckuck hast du mir so auf den Hintern gehauen? Das war nun wirklich kein zärtliches Tätscheln. Stehst du auf Spanking? Ich nämlich nicht. Na ja ... jedenfalls normalerweise.« Ich wartete angespannt, doch er lachte nur.

»Das war lediglich eine kleine Erinnerung. Fürs Erste bist du meine Gefährtin und solltest dich auch entsprechend benehmen. Vergiss das nicht. Jetzt zieh dich an, dann mache ich dir etwas zu essen. Du findest die erforderlichen ... Einrichtungen ... hinter dem Wandschirm«, fügte er hinzu und zog ein langes, weißes Gewand an, das ich noch nie an ihm gesehen hatte.

Oje. Ich öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Es war besser, jetzt nicht darauf herumzureiten. Vielleicht sollte ich abwarten, bis ich wieder zu Hause war, und ihn dann daran erinnern, dass die guten Manieren im Allgemeinen nicht vorsahen, seiner Gefährtin einen Klaps auf den Hintern zu geben, außer man stand auf Sado-Maso-Spielchen. Als ich so darüber nachdachte, kam ich zu der Vermutung, dass er tatsächlich auf so etwas stand. Ja, sobald ich durch dieses Portal wieder draußen war, konnte ich sagen, was immer ich wollte, aber bis dahin ... Wenn ich ihn verärgerte, würde er mich womöglich nicht wieder gehen lassen.

Er räusperte sich und flüsterte: »Flechten.« Im selben Moment teilte sich sein Haar in drei Stränge, die sich von selbst zu dem langen Zopf flochten, den er üblicherweise trug.

»Mann, deine Haare können eine ganze Menge, was?«, bemerkte ich gedankenlos.

Er zuckte gelassen mit den Schultern. »Das ist recht praktisch. Wenn wir einmal mehr Zeit haben, darfst du mir das Haar bürsten.«

Aus irgendeinem Grund wurde ich plötzlich schüchtern. »Das wäre schön.«

»Sagen wir einfach, dass mein Haar ein sehr lebendiger Teil von mir ist. Weder ich noch mein Haar erlauben anderen, es zu berühren. Mit sehr seltenen Ausnahmen«, sagte er, und ein Lächeln breitete sich über sein Gesicht. Noch ehe er den Satz beendet hatte, waren die Strähnen mit ihrer Arbeit fertig und hingen gerade und fest geflochten herab. Smoky verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Als ich ihm so nachschaute, kam mir der Gedanke, dass die Wirklichkeit zwar meine Tagträume über Vom Drachen vernascht übertroffen hatte, ich aber überhaupt nicht an unseren Umgang außerhalb des Schlafzimmers gedacht hatte. Vage beunruhigt sammelte ich meine Klamotten ein und warf sie aufs Bett.

Ich lugte um den Wandschirm herum. Da war eine marmorne Badewanne, aber keinerlei Anzeichen für fließend Wasser.

Eine Toilette war über einem geruchlosen Loch im Boden aufgestellt. Der Sitz war makellos sauber und kunstvoll aus polierter Eiche geschnitzt. Eine Schüssel und ein passender Waschkrug standen auf einem Tischchen. Das Wasser in dem Krug duftete nach Rosen, und weiche, frische Handtücher lagen säuberlich gefaltet neben einem Stück Glycerinseife.

Zumindest war er ein sehr guter Gastgeber. Da ich keine Möglichkeit fand, die Badewanne zu füllen, stellte ich mich schließlich hinein und wusch mich mit einem Waschlappen und Seife.

Als ich aus der Nische hinter dem Wandschirm trat, fand ich die Reisetasche mit meiner anderen Kleidung auf dem Bett. Ich schüttelte ein langes Samtkleid aus, tief ausgeschnitten und schwarz wie die Nacht. Ich schlüpfte in ein frisches Höschen und den stärksten Push-up-BH von Victoria's Secret, den ich hatte finden können, und dann in das Kleid. Zuletzt schloss ich die Schnallen an meinen Stiefeletten, ehe ich vorsichtig aus dem Schlafzimmer lugte.

Smoky wartete im Wohnzimmer auf mich. Er musterte mich von Kopf bis Fuß und stieß leise den Atem aus. »Camil-le ...« Er zog mich an sich und küsste mich zart auf den Mund. »Du raubst mir den Atem«, flüsterte er. »Ist es da ein Wunder, dass ich nicht mehr aufhören kann, an dich zu denken?«

Ich schluckte gegen den Kloß in meiner Kehle an. Besessenheit war etwas Furchteinflößendes. Aber sie konnte auch berauschend sein, und Smokys Charme war sehr machtvoll. Ich hatte das Gefühl, auf Messers Schneide zu stehen, in einem Netz, gesponnen von drei Männern, die ich alle liebte - jeden auf seine Weise. Und ich wollte sie alle drei in meinem Leben haben. Nur eben fein säuberlich sortiert, nicht alle auf einmal im Wohnzimmer, wo sie sich auf die Brust schlugen, als wollten sie den wildgewordenen Tarzan spielen.

Er nahm meine Hand, führte sie an die Lippen und küsste jeden Finger einzeln. »Das Abendessen ist angerichtet«, sagte er und streckte den freien Arm aus.

Der Kloß in meiner Kehle schmolz mitsamt meinem Widerstreben dahin. Musste es denn wirklich so schrecklich werden, die Gefährtin eines Drachen zu sein?

Zurückrudern, und zwar schleunigst, ermahnte ich mich. Gespielin war die eine Sache. Gefährtin deutete alle möglichen anderen Dinge an. Ich war die Tochter eines Soldaten, nicht irgendeine vornehme Dame, die sich bedienen ließ. Ich fühlte mich entschieden fehl am Platze, als ich die Hand auf seinen dargebotenen Unterarm legte.

Er schmiegte die andere Hand über meine und geleitete mich durch die andere Tür.

Die Küche war ebenso groß wie das Schlafzimmer. Ein auf Hochglanz polierter Holzofen knackte vor behaglicher Wärme. In der Ecke stand ein altmodischer Kühlschrank.

Ich starrte den Kühlschrank an. »Du hast hier draußen einen Stromanschluss?«

»Sieht es denn danach aus?« Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Denk nach, Mädchen.

Ich bin eine Mischung aus Weißem und Silberdrachen. Ich speie vielleicht Feuer, aber meine Magie entspringt aus Eis, Wind und Schnee.«

Oh. Ausgesprochen dämlich, dachte ich. Und ich konnte das nicht einmal auf Blondine schieben.

Ich blickte mich weiter um und bemerkte einen Tisch mit zwei passenden Stühlen an der Wand. Er war aus einem soliden Marmorblock gehauen und für zwei gedeckt. Ich ging hinüber.

»Echtes altes Porzellan, Platzdeckchen, Waterford-Kristall ... du bist nicht knauserig, was?« Ich nahm einen der Kelche in die Hand und strich sacht mit dem Finger am Rand entlang. Ein lauter, klarer Ton erklang. »Du hattest ja auch lange Zeit, all das anzusammeln. Wie alt bist du eigentlich, Smoky? Und wie lange lebst du schon hier draußen?«

»Ich hoffe, du magst Steak«, sagte er, ohne auf meine Fragen einzugehen. »Gestern bin ich zufällig an einer Rinderfarm vorbeigekommen, und da stand diese wunderbare, fette Kuh ...«

Ich blinzelte und stellte abrupt den Kristallkelch wieder hin. »Ja, ich mag Steak. Wirst du mit mir essen, oder hast du deines schon roh verschlungen?« Irgendwie glaubte ich nicht, dass ein Dreihundertfünfzig-Gramm-Steak den Appetit eines Drachen stillen würde. Auch nicht mit einer Ofenkartoffel und sonstigen Beilagen. Vielleicht mit einem halben Käsekuchen zum Nachtisch, überlegte ich.

Er schnaubte. »Ich biete dir hier ein vornehmes Dinner an. Mach es mir doch nicht so schwer, Mädchen.« Ich sah ihn weiterhin erwartungsvoll an, bis er tief seufzte. »Du treibst mich zur Verzweiflung. Ich glaube, deswegen liebe ich dich so. Um deine Frage zu beantworten, ja, gestern habe ich einen Großteil der Kuh verspeist. Nachdem ich sie geschlachtet und das Fleisch für die Steaks und die Grillrippchen ordentlich herausgelöst hatte.«

»Grillen? Du stehst auf Barbecues?« Ich nahm an der Tafel Platz und ließ mir von ihm den Stuhl zurechtrücken. Ich war ja nicht absichtlich schwierig. Um ehrlich zu sein, wollte ich nur noch hier raus und mit Morgana sprechen. Allmählich wurde ich ganz klaustrophobisch. Ich hielt mich nicht gern unter der Erde auf.

»Natürlich. Besonders, wenn auf Hickoryholz gegrillt wird.« Er trug das Essen auf.

Ein schönes, dickes Steak und Bratkartoffeln. Ich hatte das Gefühl, dass er nicht viel Gemüse aß. Notfalls konnte ich auch auf die Karotten und Erbsen verzichten. Ich war nur froh, dass das Fleisch nicht mehr lebte.

Während des gesamten Essens redete er, und ich hörte zu und kam mir vor wie in einem surrealen Traum. Oder einer Familien-Sitcom - nur, dass ich nicht Staub saugte und Smoky nicht das Auto polierte.

»Sankt Georg geht es gerade ziemlich schlecht«, erzählte er. »Estelle musste ihn letzte Woche gleich zwei Mal sedieren. Ich frage mich, was einen Menschen so überschnappen lässt. Soweit Estelle weiß, war er schon von Geburt an so, hat sie mir gesagt. Immer im Kampf gegen Windmühlen. Und Drachen.« Er tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab. »Möchtest du ein Glas Wein?«

»Ja, gern, danke.« Während er mir einschenkte, schielte ich auf das Etikett. Der Wein war alt und rar, diese Flasche vermutlich Tausende von Dollar wert, und er goss sie in unsere Kelche, als handle es sich um Wasser. Ich räusperte mich und versuchte, mich auf die Unterhaltung zu konzentrieren. »Georgio hat viel mehr Glück als die meisten seiner Leidensgenossen. Da fällt mir ein, morgen habe ich einen Besuchstermin bei Ben Welter. Um drei Uhr. Da darf ich nicht zu spät kommen.«

»Ich sorge dafür, dass du rechtzeitig zu Hause bist«, erwiderte er. »Du musst bei Tagesanbruch dort sein und mit Delilah sprechen, nehme ich an?« Ein finsterer Ausdruck huschte über sein Gesicht.

Ich nickte. »Ja. Smoky, darf ich dich etwas fragen?«

»Sicher. Gut möglich, dass ich dir nicht antworten werde, aber fragen kannst du immer.«

Ich zog mein Messer durch das Steak. Das Fleisch war zart und schnitt sich wie Butter. Ich holte tief Luft und fragte: »Was wirst du tun, falls Schattenschwinge die Barrieren durchbricht?«

Er zuckte mit den Schultern. »Mich vermutlich vorerst in die Nordlande zurückziehen.

Warum? Machst du dir Sorgen, ich könnte dich im Stich lassen? Das brauchst du nicht. Du würdest mich natürlich begleiten, und deine Schwestern ebenfalls. Ich nehme Iris mit und Delilahs Kerl, und selbst den Fuchs, wenn du darauf bestehst. Ich könnte mir sogar überlegen, Trillian zu retten, aber das kommt ganz darauf an, wie er sich benimmt ...«

Ich schüttelte den Kopf und fiel ihm ins Wort. »Du weißt sehr wohl, dass wir nicht fortgehen könnten. Meine Schwestern und ich sind alles, was zwischen der Erdwelt und den Dämonen steht. Wir haben einen Pakt geschlossen. Wir werden nicht einfach kneifen. Ich hatte gehofft, du würdest bleiben und an unserer Seite kämpfen.«

Er blinzelte und starrte mich schweigend an. Schließlich sagte er: »Wir sprechen später über diese Situation, falls es nötig werden sollte. Jetzt iss auf, Liebste, und dann, bitte, geh und rede mit dieser verfluchten Zauberin. Ich habe heute Abend etwas zu erledigen. Wenn du erfahren hast, was ich wissen will, komm sofort hierher zurück.

Falls ich noch nicht zu Hause bin, warte draußen auf mich. Was immer du auch tust, verlasse ohne mich niemals den Pfad.«

Langsam schluckte ich den letzten Bissen Steak herunter und wischte mir die Lippen ab. Meine Gefühle waren durcheinander. Smoky war ein unglaublicher Liebhaber, und ich betrachtete ihn als guten Freund, doch dass er mich ständig mit Liebste ansprach, jagte mir allmählich Angst ein. Als wir uns begegnet waren, hatte er damit gedroht, mich zu verschleppen, und verkündet, niemand könne ihn daran hindern. Sollte ich da einen Zusammenhang sehen?

Seit wir erdseits waren, war mir aufgefallen, wie leicht meine Schwestern und ich vergaßen, dass Kryptos und andere Feen nach völlig verschiedenen Regeln spielten.

Das Leben hier drüben hatte unsere Sinne abgestumpft. Zu Hause waren sich die verschiedenen Rassen immer bewusst, dass andere eben von anderer Natur waren. Hier hatten wir dieses Bewusstsein einschlafen lassen. Ein gefährlicher - und womöglich tödlicher -Fehler.

Smoky verhielt sich einfach so, wie es seiner Natur entsprach. Kein geistig gesunder Mensch, der wusste, was er war, würde ihm jemals widersprechen. Er hielt es für selbstverständlich, dass er nur »spring« zu sagen brauchte, und die Leute sprangen.

Ohne zu fragen. Was ein Drache wollte, bekam ein Drache immer irgendwie. Und er war nun mal ein Drache bis ins Mark.

»Wie du meinst.« Ich schob meinen Stuhl zurück. »Würdest du mir sagen, wo ich Morgana finde?«

»Folge dem Pfad vom Hügel aus weiter, knapp einen halben Kilometer, und bei der riesigen Zeder biegst du links ab. Du wirst sie schon finden, glaub mir.«

Ehe ich aufbrach, verstaute ich das Horn des Schwarzen Einhorns in der Innentasche meines neuen Umhangs, nur für den Fall, dass ich es brauchen sollte. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie man es gebrauchte. Noch nicht. Aber es hatte mich vor Eriskels Blitz gerettet, deshalb vermutete ich, dass es noch eine Menge anderer nützlicher Tricks draufhatte, die mir gegen Morganas Macht helfen konnten.

Smoky begleitete mich zur Tür, wo er eine Handbewegung machte und etwas murmelte, das ich nicht verstand. Das Portal öffnete sich. Ein Zauber, dachte ich, mit dem man die Banne aufhebt. Natürlich hatte er ihn so leise gemurmelt, dass ich die Worte nicht hören konnte.

Als ich durch das Portal treten wollte, hielt er mich auf, führte meine Hand an die Lippen und küsste sie.

»Camille - noch eine Warnung. Denk nicht einmal daran, heute Abend nach Hause zu gehen. Wenn es einen Notfall geben sollte, bringe ich dich hin. Aber ansonsten wäre es besser für dich, dir das ganz aus dem Kopf zu schlagen. Hast du verstanden?«

Ich begegnete seinem Blick, und die Tragweite unseres Vertrags traf mich mit voller Wucht. Ich hatte ihm eine Woche meines Leben gegeben. Dies war die erste Nacht.

Ich schuldete ihm Gehorsam.

»Ich verstehe«, sagte ich und fragte mich, worauf ich mich mit diesem kleinen Abenteuer nur eingelassen hatte.

Die Wälder um Smokys Hügel waren mit seinen Bannen und Flüchen durchsetzt.

Hohe Wächter ragten in den Himmel auf, Tanne und Zeder, Ahorn und Birke. Sie standen in frischem Saft; die immergrünen Bäume trugen hellgrüne Nadeln, die sich im Lauf des Sommers dunkel färben würden. Die Blattknospen an den Zweigen der Laubbäume würden sich bald zu üppigem, frischem Grün entfalten.

Während ich mich auf den Weg machte, breitete die Abenddämmerung ihre schwarzen Finger über den Himmel aus. Ich erschauerte. In der Stadt zu leben - selbst auf einem so großen Grundstück wie unserem - stumpfte die Sinne ebenfalls ab. Hier draußen war das Land noch wild, und es hieß Eindringlinge nicht eben willkommen.

Ich verschränkte im Gehen die Arme vor der Brust, eher um meine Nerven zu beruhigen als um mich vor der abendlichen Kühle zu schützen. Der Umhang hielt mich wunderbar warm.

Ein Geräusch von links erschreckte mich, und ich warf einen Blick zur Seite. Da stand ein Elch, ein Bulle - eine erhabene Silhouette. Als ich an ihm vorbeiging, neigte er den Kopf, und ich bemerkte, dass er nur eine Geweihschaufel trug. Die andere hatte er um diese Jahreszeit schon abgeworfen, vermutete ich. Ich erwiderte den Gruß, indem ich ebenfalls den Kopf neigte. Wir erkannten einander; er wusste, dass ich nicht ganz menschlich war, und ich wusste, dass er zu den Wächtern des Waldes gehörte.

Die Abenddämmerung senkte sich rasch über das Land, und die Bäume begannen zu leuchten, von einem schwachen Schimmer umgeben. Meist war ihre Aura grün, was auf gesundes Wachstum hindeutete. Hier und da erhaschte ich einen Blick auf eine rote Aura - das Kennzeichen eines sterbenden Baums. Und ganz selten sah ich eine goldene Korona. In diesen Bäumen wohnten Baumdevas, und die Pflanzen besaßen ein ebenso großes Bewusstsein ihrer selbst und der Welt um sich herum wie ich auch.

Die ersten Sterne blinkten in der zunehmenden Dunkelheit, und nun meinte ich, Musik zu hören: ein rhythmisches Trommeln, eine Laute oder Zither und eine Flöte. Was zum ... Ich folgte einer Biegung im Pfad, der beinahe von Heidelbeeren und Farnen überwuchert wurde, und stand vor einer riesigen Zeder. Das musste der Baum sein, von dem Smoky mir erzählt hatte. Ich wandte mich dem noch schmaleren Pfad nach links zu, und nun konnte ich sie spüren. Morgana war ganz in der Nähe. Der Geruch nach Herbstfeuern, die Rufe von Krähen, das Gefühl von Mondmagie hingen dick in der Luft. Ich beschleunigte meine Schritte und eilte den Pfad entlang.

Er führte auf eine geschützte Lichtung, umgeben von einem Kreis aus Eichen und Ebereschen. In den Bäumen tummelten sich Krähen und Raben. Mitten auf der Lichtung stand eine Stechpalme, und der Boden war mit dichten Flecken weichen Mooses bedeckt.

Und fast in der Mitte der Lichtung sah ich Morgana. Sie saß mit Mordred und Arturo an einem Lagerfeuer. Daneben standen zwei große Zelte und etwas, das aussah wie eine Jurte, nur dass der Rahmen mit Kunststoffplanen bedeckt war statt mit Leder oder Fellen.

Ich betrat die Lichtung und näherte mich langsam dem Feuer. Morgana erhob sich. Sie war zierlich, sogar noch kleiner als Menolly, und sie raubte mir immer noch den Atem, obwohl ich nicht mehr so von der berühmten Fee geblendet war wie bei unserer letzten Begegnung.

Morgana trug ein langes, schwarzes Kleid, ganz ähnlich wie meines, eine silberne Mondsichel um den Hals und eine silberne Tiara, die blinkend den Feuerschein spiegelte. Arturo, ein stattlicher Mann mit ergrautem Haar und einer entrückten Ausstrahlung, stand hastig auf und verbeugte sich. Mordred, Morganas Neffe, blieb sitzen. Er starrte mich mit einem unverschämten Grinsen an.

Ich knickste vor Morgana, unsicher, wie ich das Gespräch eröffnen sollte. Doch die Zauberin nahm mir dieses Problem ab.

»Der Drache schickt dich, nicht wahr? Ich glaube, er mag mich nicht besonders.« Ihre Stimme war sehr melodiös. O ja, sie war ebenfalls halb Fee, doch in ihren Adern strömte dunklere, ältere Magie als meine. Und dann machte es klick. Morganas Kräfte waren unter dem Neumond am stärksten, während meine ihren Höhepunkt bei Vollmond erreichten. Ihre Energie war die der weisen Alten.

Arturo bedeutete mir, auf dem Baumstamm zwischen ihnen Platz zu nehmen.

Ich ließ mich lieber am Ende nieder. So konnte ich leichter die Flucht ergreifen, wenn es sein musste. Mordred musterte mich mit schmalen Augen, nahm dann einen Zinnbecher von einem improvisierten Tisch und füllte ihn mit etwas, das über dem Feuer brodelte. Er reichte mir den Becher. Aus Höflichkeit nahm ich ihn an, aber ich hatte gewiss nicht vor, irgendetwas zu trinken, was sie mir gegeben hatten.

»Er möchte nur wissen, was Ihr hier tut. Dies ist sein Land, und er ist... neugierig.« Ich tat so, als nähme ich einen Schluck, und stellte den Becher dann neben meine Füße auf den Boden.

»Wirf Du bist also die Geliebte dieser Kreatur, ja? Ich dachte mir doch, dass ich Drache an dir gerochen habe. Du solltest vorsichtig sein, Kind. Hast du überhaupt eine Ahnung, worauf du dich einlässt, wenn du mit Drachen herumspielst?« Morgana rutschte näher an mich heran.

Automatisch rückte ich ab. Ich fühlte zwar nichts Böses an ihr und keinen Hauch einer Ähnlichkeit mit irgendwelchen Dämonen, aber sie war mir unheimlich. Vielleicht war es das schiere Ausmaß ihrer Macht, vielleicht fühlte ich mich auch immer noch wie ein kleines Mädchen, das seinem Idol gegenüberstand ... aus welchem Grund auch immer, sie machte mich fürchterlich nervös.

Ich räusperte mich. »Mit wem ich herumspiele, ist meine Angelegenheit. Aber sagt mir, was tut Ihr hier?«

Sie zögerte und warf Arturo einen Blick zu. Der zuckte mit den Schultern.

Mordred brummte etwas vor sich hin, aber sie ignorierte ihn. »Es schadet wohl nicht, wenn ich es dir sage. Du und deine Schwestern, ihr könnt mich nicht aufhalten, so ihr es überhaupt versuchen wolltet. Und daran zweifle ich. Wir suchen nach einer Höhle ...«

»Nach dem Merlin?«

»Ruhe. Gib acht, wie du dich in Gegenwart Höhergestellter benimmst - haben diese Lehrer in der Anderwelt dir denn gar nichts beigebracht?«

Ihr barscher Befehl brachte mich zum Schweigen, aber ich fragte mich, was hier lief.

Als wir uns zuletzt begegnet waren, hatte sie nach ihrem Mentor gesucht, um ihn zu erwecken. Hatten sich ihre Pläne geändert?

Sie rümpfte die Nase. »Irgendwo hier draußen gibt es eine Höhle. Sie birgt einen viel wertvolleren Verbündeten als diesen verstaubten alten Lustmolch. Ich muss diese Höhle finden.«

»Aber warum? Und was für einen Verbündeten hofft Ihr dort zu finden, wenn es nicht der Merlin ist?«

Wen zum Henker suchte sie bloß? Und dann schlich sich der Gedanke, über den meine Schwestern und ich schon gesprochen hatten, aus meinem Unterbewusstsein hervor und nagte an mir. Was, wenn Morgana eine Möglichkeit suchte, Verbindung zu den Dämonen aufzunehmen? Was, wenn sich dieser »Verbündete«, von dem sie sprach, als Schattenschwinge entpuppte? Oder jemand aus seiner Armee?

Sie tippte sich seitlich an die Nase. »Genug gesagt. Zur rechten Zeit wirst du auf alles eine Antwort erhalten. Einst waren die Feen dieser Welt eigenständige Herrscherinnen. Wir schützten die Welt in unseren Armen vor Fremden und Eindringlingen. Diese Zeiten werden wiederkommen. Darauf gebe ich dir mein Wort.«

Was für ein Schwachsinn! Die Feen bekämpften einander schon so lange, wie ich zurückdenken konnte - jedenfalls war es in der Anderwelt so, und ich bezweifelte, dass es bei den Erdwelt-Feen anders gewesen war.

»Wie verstockt, stur und verbohrt kann man eigentlich ...« Frustriert sprang ich auf und stieß dabei den Becher um. »Heraus damit, Morgana. Was wollt Ihr hier? Nach wem sucht Ihr und warum? Wir wissen, dass Ihr etwas im Schilde führt. Habt Ihr vor, Euch mit Schattenschwinge zu verbünden?«

Sie erhob sich langsam, ohne den Blick von mir abzuwenden. Mein Herz machte einen Satz. Erzürne niemals eine Zauberin, die problemlos Hackfleisch aus dir machen könnte. Ich tastete nach dem Horn, und meine Hand glitt in die Innentasche, in der ich es versteckt hatte.

»Du kleine Närrin. Schattenschwinge? Pah! Für Dämonen habe ich nichts übrig. Aber ich weigere mich, tatenlos zuzusehen, wie du und deine Schwestern durch eure schiere Unfähigkeit diese Welt dem Dämonenfürsten ausliefert. Du willst wissen, was ich vorhabe? Schön. Ich werde es dir sagen. Ich beabsichtige, den Lichten und den Dunklen Hof wiederauferstehen zu lassen. Die beiden Feenköniginnen werden sich verbünden und den Dämonen Einhalt gebieten.

Du kannst dich mir anschließen oder dich mir entgegenstellen. Wofür entscheidest du dich?«

Der Unterkiefer musste mir bis auf Schulterhöhe herabgesunken sein. Feddrah-Dahns hatte recht.

»Aber ... Ihr wollt Euch selbst zur Königin des Dunklen Hofs machen?« Die Vorstellung von Morgana auf dem Thron der Königin der Dunkelheit war entsetzlich.

Mit ihr am Ruder wären die Erdwelt-Feen imstande, die menschliche Zivilisation auf Pfeil und Bogen zurücksinken zu lassen.

Sie starrte mich einen Moment lang an und brach dann in Lachen aus. »Du bist so aufrichtig und so leicht in die Irre zu führen. Ich weiß, dass du dich mit dem Dahns-Prinzen abgegeben hast. Es ist mir ein Rätsel, worüber du mit ihm sprechen solltest.

Aber um deine Frage zu beantworten, nein, ich habe es nicht auf die Dunkle Krone abgesehen. Ich werde den Lichten Hof regieren und ihn zu einer Größe erheben, von der Titania zu ihren besten Zeiten nur hätte träumen können. Ursprünglich kam ich auf der Suche nach ihr hierher, in der Hoffnung, mir ihre Unterstützung zu sichern. Doch es heißt, sie sei eine hoffnungslose Säuferin, die nicht nur einen Großteil ihrer Macht, sondern auch ihres Verstands eingebüßt hat. Also werde ich es allein angehen.«

Ich musterte Arturo und Mordred. Keiner von beiden schien sich unter meinem forschenden Blick so recht wohl zu fühlen, doch ihre Mienen bestätigten Morganas Worte.

Langsam ging ich zu der Stechpalme hinüber und befühlte eines der stacheligen Blätter. »Wenn Ihr also entschlossen seid, den Lichten Hof zu regieren, wen wollt Ihr dann auf dem Dunklen Thron sehen?«

Morgana schenkte mir ein unheimliches Lächeln, das mich allzu sehr an Großmutter Kojotes stählerne Zähne erinnerte. »Wen wohl? Die Königin, die ihn zuletzt innehatte.

Angeblich ist Aeval in einer Höhle hier in der Nähe eingeschlossen, erstarrt in der Zeit. Da sich die Feenhöfe hier auf Erden im Gleichgewicht befinden müssen, warum sollte ich ihr nicht die Freiheit anbieten, wieder das zu tun, was sie am besten kann?«

Aeval war eine Feenkönigin aus der Zeit vor der Spaltung, so gnadenlos und schreckenerregend wie ein moderner Diktator. Neben ihr sah Lethesanar aus wie ein schmollendes Schulmädchen. Ich erschauerte.

»Ihr wollt die Mutter der Dunkelheit auf den Dunklen Thron setzen? Seid Ihr wahnsinnig? Sie ...«

Morgana lachte bellend. Funken stoben aus dem Feuer, und es schien höher aufzuflackern. Mordred grunzte. »Sie ist genau so, wie die Dunkle Königin sein sollte.

Es muss Gleichgewicht herrschen, Camille. Man kann ohne Dunkelheit kein Licht haben, ohne Schatten keine Klarheit.«

Sie umkreiste mich mit glitzernden Augen. »Sieh dir doch deine eigene Königin an.

Lethesanars Regierung ist zu einem Geschwür geworden, und es gibt keine Königin des Lichts, die ein Gegengewicht bilden könnte. Nun ist das Pendel zu weit geschwungen, und ihre Schwester will den Thron an sich reißen. Wenn Tanaquar siegt und ihre Schwester vernichtet, kannst du sicher sein, dass in tausend Jahren genau dasselbe wieder geschehen wird, es sei denn, die Konkurrentinnen finden eine Möglichkeit, ihre Kräfte zu vereinen. Nimm eine Seite fort, und du bringst das Universum aus dem Lot. Dann schreiten die Ewigen Alten ein und arrangieren die Dinge neu, und sie lassen uns alle - alle Feen - wie unfähige Kinder erscheinen.«

»Aber wie könnten sie gemeinsam regieren? Sie stehen im Widerspruch zueinander.

Deshalb wurden die Feenhöfe hier ja aufgelöst, als es zur Spaltung kam.« Ich schüttelte den Kopf. »Es kann keine gemeinsame Herrschaft über ein und dasselbe Land geben ...«

»Das glaubst du, aber du bist eine Ignorantin. Du weißt nichts über jene Zeit, über die Schlachten, die damals tobten«, unterbrach mich Morgana. »Denk einmal darüber nach. Alles in der Natur befindet sich im Gleichgewicht. Winter, Sommer, Frühling und Herbst. Selbst in Gegenden der Extreme besteht ein Gleichgewicht, wenn man sie in ausreichend großer Perspektive betrachtet. Die Hitze der Wüsten - die Kälte der Pole. Die Erde ist in Gefahr, das Gleichgewicht ist gestört. Die Menschheit hat daran herumgepfuscht, die Feen haben es aufgegeben. Die Dämonen stehen schon vor den Toren. Wenn die großen Feenhöfe nicht wieder eingesetzt werden, hat diese Welt keine Chance zu bestehen. Die Königin der Dunkelheit und die Königin des Lichts wahren die Balance aller Dinge.«

Ich blinzelte verblüfft. Hatte sie womöglich recht? War die einzige Antwort auf die Krise, die dieser Welt bevorstand, die Rückkehr von Licht und Dunkelheit auf ihre Throne? Auf erschreckende Weise klang das sogar vernünftig.

Ich nahm verschwommen eine Bewegung wahr, und plötzlich war sie an meiner Seite.

Sie packte mich am Handgelenk und zog mich mit sich hinunter. Als wir auf dem Boden knieten, hob sie eine Handvoll Erde auf und drückte sie mir ins Gesicht. Der saure Geruch feuchten Erdreichs drang mir bis in den Hals.

»Atme tief ein. Dies ist die Welt, die deine Mutter hervorgebracht hat. Dies ist die Welt, die vor der Spaltung die Feen hervorgebracht hat. Mutter Mond wacht über uns. Mutter Erde schenkt uns das Leben.

Die Welt ist gefährdet, von innen und von außen. Wir wissen von Schattenschwinges Plänen, diese Welt mit einem flammenden Inferno zur überziehen.«

»Aber was könnt Ihr dagegen unternehmen? Was könnte es nützen, die Feenhöfe wieder aufleben zu lassen? Was erhofft Ihr Euch davon?«

Sie ließ die Erde fallen und packte mich an den Schultern. »Du weißt, dass ihr die Dämonen nicht allein bekämpfen könnt. Ihr braucht Verbündete. Ihr braucht mehr als die Elfenkönigin und einen Drachen, um die bevorstehende Apokalypse abzuwenden.«

Ich spürte einen Knoten im Bauch. Sie hatte recht. Wir brauchten Verbündete.

Verflucht, wir brauchten eine ganze Armee. Ich rückte von ihr ab und stand auf.

Als könnte sie meine Gedanken lesen, sagte sie: »Aeval und ich werden Armeen aufstellen. Wir werden die Feen dieser Welt wiedervereinen. Es mag sein, dass wir uns auch einmal bekämpfen werden, doch gegen einen Feind wie Schattenschwinge werden wir uns vereinen. Und dann werden wir unseren rechtmäßigen Platz in dieser Welt wieder einfordern. Menschen gieren nach unserem Kuss, nach unserer Magie.

Du hast selbst erlebt, wie sie dich und deinesgleichen mit offenen Armen empfangen haben. Das liegt daran, dass ihnen ihr eigenes magisches Erbe fehlt. Man hat ihnen mit der Spaltung wahrlich einen schlechten Dienst erwiesen. Die Trennung der Welten voneinander hat nicht nur die Balance zerstört, sondern auch die Verbindung der Menschheit zu ihrer eigenen magischen Natur.«

Ihre Stimme erstarb. Ich hielt den Atem an, als ein hässlicher Ausdruck über ihr Gesicht huschte und ihr Blick zu sagen schien: Dafür werde ich euch in die Eier treten ... »Aber ... ich brauche etwas, das du bei dir trägst. Gib es mir. Gib mir das Horn.«

Erschrocken taumelte ich ein paar Schritte zurück. Mordred sprang auf und raste blitzschnell auf mich zu. Ich setzte mich ebenso schnell in Bewegung. Er mochte zum Teil Feenblut in sich haben, aber ich hätte wetten mögen, dass er nie lange unter seinen Verwandten in der Anderwelt gelebt hatte. Mein Blut war im vollen Fluss, seines noch in den Tiefen der Geschichte versackt.

»Denk nicht mal daran«, warnte ich ihn und wich mit Leichtigkeit aus. Wieder schob ich die Hand in die Innentasche und schlang die Finger um das Horn. »Versucht es gar nicht erst. Das Horn war ein Geschenk an mich, und nur ich kann es einsetzen. Und wenn ich das tue, werde ich euch alle niederschmettern.« Das war natürlich ein Bluff, aber vielleicht stimmte es ja doch. Jedenfalls klang es gut.

Während ich zu dem Pfad zurückwich, fragte ich mich, ob ich es zum Hügel schaffen würde, ehe sie mich erwischten. Sie waren immerhin zu dritt, obwohl Arturo nicht annähernd so versessen darauf zu sein schien, mich zu fangen, wie Morgana und ihr Neffe.

Ich überlegte noch, ob ich mich umdrehen und die Beine in die Hand nehmen oder mich besser dem Kampf stellen sollte, als ein greller Blitz mich fast zu Tode erschreckte. Konnte das Smoky sein?

»Lasst sie in Ruhe. Dies ist mein Territorium, und ihr seid hier nicht erwünscht.«

Ich fuhr herum. Groß und erhaben und in viel stärkere Energie gehüllt als zuvor stand da - Titania. Und sie sah nicht erfreut aus.