Kapitel 16

 

Titania!«, hallte Morganas Stimme über die Lichtung. Die alte Feenkönigin hatte das Überraschungsmoment definitiv auf ihrer Seite. Sie warf Morgana einen warnenden Blick zu, und ich eilte an ihre Seite.

»Ich bin ja so froh, dass Ihr hier seid.« Vielleicht würde sie ausnahmsweise darüber hinwegsehen, dass ich ihr ihren Liebsten weggenommen hatte. Immerhin hatte ich Tom Lane ja nicht für mich selbst gewollt. Ich blickte zu der großen, zarten Schönheit auf, und sie schenkte mir ein verschlagenes Lächeln. Gutes Zeichen? Schlechtes Zeichen? Da ich nicht sicher war, hoffte ich einfach, es möge gut sein.

Titania trat vor mich und flüsterte dabei: »Dein schuppiger Schatz hat mich gebeten, auf dich acht zu geben.«

Schuppiger Schatz? Ich tat das Klügste, was mir einfiel. Den Mund halten.

Morgana musterte Titania abschätzig. »Das Letzte, was ich von dir gehört habe, war, dass du im Suff in die Gosse fallen und sterben könntest. Was ist passiert? Ist dir der Wein ausgegangen?«

Okay, das reichte mir. Ich wich zurück. Titania mochte nur noch ein Schatten ihres früheren Selbst sein, doch sie konnte mühelos den Boden mit mir aufwischen und mich hinterher zum Trocknen auswringen. Wenn Morgana sie genug provozierte ...

Titania straffte die Schultern. Sie hatte keine Fahne mehr, und ihre Kraft umgab sie wie eine knisternde Hülle aus Funken. O ja - ihr kleiner Aufenthalt in der magischen Entzugsklinik hatte offenbar Wunder gewirkt. Ihr Kleid, ein hauchzartes, beinahe durchsichtiges Gewand, floss elegant von ihren Schultern herab, und ihr langes, goldblondes Haar schimmerte im Feuerschein.

»Emporkömmling. Ich weiß, was du vorhast. Wage nicht einmal davon zu träumen, du könntest je meinen Platz einnehmen. Falls die Feenhöfe wiedererstehen, werde ich die Krone tragen, nicht du. Ich könnte dich mit einer Hand zerquetschen wie einen Käfer.« Sie rückte vor, und es schien, als gleite sie über das Gras, so dass ihre Fußsohlen nur die Spitzen der Halme streiften.

Morgana stockte der Atem, und ich beobachtete, wie sie einen Schritt zurückwich und sich Angst auf ihrem Gesicht abzeichnete. Ja, sie mochte eine mächtige Zauberin sein und zur Hälfte Fee, doch im Vergleich zu Titanias Alter und ihrer vollen Macht war Morgana noch ein Baby.

»Du ... du hast dich so lange versteckt gehalten, und jetzt glaubst du, du könntest einfach wieder auftauchen und Anspruch auf einen Thron erheben, den du vor vielen Jahren freiwillig aufgegeben hast? Als der Merlin mich vor so langer Zeit unterrichtete, hat er mir ja gesagt, wie launenhaft du bist ...«

»Launenhaft? Wir sind alle launenhaft, du rotznasiges Gör.« Titania straffte die Schultern und zeigte mit dem Finger auf die Zauberin. »Du, ich, sie ...« Sie wirbelte herum und wies mit einem Nicken auf mich. »Jeder, der Feenblut in sich hat, wird irgendwann jemandem, den er liebt, den Rücken kehren. Das liegt uns im Blut, das ist unsere Art. Weißt du denn nicht, dass der Merlin mein Liebhaber war, lange bevor du geboren wurdest? Er war ein alter Narr, der seinen Ruf zu wichtig nahm und nicht genug daran dachte, welchen Beitrag er auf der Welt leisten könnte. Wenn du auf seine Hilfe hoffst, um die Höfe wieder zu errichten, dann wirst du lernen, was Verrat wirklich bedeutet.«

Morgana öffnete den Mund und schloss ihn dann stumm wieder. Sie sank auf einen der gefällten Bäume nieder und faltete die Hände. »Ich weiß. Deshalb habe ich die Suche nach ihm aufgegeben. Aber wir müssen etwas unternehmen. Ich kann nicht zulassen, dass diese Welt - und alles, was ich an ihr liebe -den Dämonen in die Hände fällt. Und dieses Mädchen ist einem Dämonenfürsten nicht gewachsen.« Wieder war ich jemandem nur ein Nicken wert.

Allmählich fühlte ich mich, als sei ich unsichtbar, und ich wollte etwas sagen, doch Mordred, der immer näher herangerückt war, schüttelte den Kopf.

»Misch dich nicht ein. Das ist gefährlich.« Er trug eine äußerst finstere Miene zur Schau, und ich hätte gern gewusst, was er von der ganzen Angelegenheit hielt. Aber ich fragte ihn nicht danach. Ich wollte möglichst jedes Wort von Titania und Morgana verstehen.

Titania bedachte Morgana mit einem gefährlichen Lächeln, bei dem sie die Lippen gerade so weit hob, dass sie an einen zähnefletschenden Hund erinnerte. »Tu das Mädchen und seine Schwestern nicht so leicht ab. Und denk daran: Sie stehen unter meinem Schutz und dem des Drachen, der auf meinem Land haust.«

Ich blinzelte. Offenbar waren Smoky und Titania sich nicht ganz einig, was die Grundstücksgrenzen anging.

Plötzlich fragte ich mich, ob er je mit ihr geschlafen hatte, beschloss aber, lieber nicht daran zu denken. Jedenfalls nicht jetzt.

»Morgana, wir haben viel zu besprechen.« Sie wandte sich zu mir um. »Camille, du kehrst vorerst zu Smoky zurück. Weiche nicht vom Pfad ab - gefährliche Fallen und Geschöpfe bewachen dieses Land. Wir werden bald auf dich zukommen. Du bist aus dieser Sache noch nicht heraus.«

»Aber das Horn ... Sie hat...« Morgana sprang auf.

»Genug!« Titanias Stimme ließ die Lichtung erbeben, und Morgana wand sich. »Das ist vorläufig nicht wichtig.«

Ich beschloss, diesen Moment für meinen Abgang zu nutzen. Ich verbeugte mich kurz vor der Feenkönigin a.D. und der Zauberin.

Sobald ich die Lichtung hinter mir hatte, rannte ich den Pfad entlang, um möglichst viel Abstand zu den streitenden Frauen zu bekommen. Was zum Teufel war da eigentlich los? Titania sah viel stärker aus als bei unserer letzten Begegnung. Ich hätte meine Monatseinnahmen darauf gewettet, dass sie zu tief gesunken war, um aus diesem erbärmlichen Zustand je wieder herauszukommen, aber offensichtlich hatte ich mich geirrt.

Als ich um die Kurve kam, erschreckte mich ein Geräusch. Ich blickte über die Schulter zurück und fürchtete schon, Mordred sei mir gefolgt, aber da war niemand.

Im selben Moment flitzte ein schöner roter Fuchs vor mir auf den Pfad und versperrte mir den Weg. Ich ließ mich auf die Knie nieder.

»Morio! Ich bin ja so froh, dich zu sehen.« Ich hatte das typische Glitzern in seinen Augen sofort erkannt. Binnen Sekunden nahm er seine menschliche Gestalt an und zog seine Tasche unter einem Heidelbeerstrauch hervor.

»Camille, ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Ich habe alles gesehen. Schon den ganzen Tag lang schleiche ich hier herum. Smoky und Titania haben überall magische Fallen aufgestellt, aber die meisten davon sind für mich leicht zu entdecken.« Er zog mich auf die Füße, schlang die Arme um meine Taille und küsste mich flüchtig auf den Mund. »Ich dachte schon, ich müsste einspringen und dir helfen, dieser Hexe zu entkommen.«

»Ich kann Morgana nicht ausstehen«, entgegnete ich stirnrunzelnd. »Großmutter Kojote hat recht. Sie ist machtgierig.«

»Das mag sein, aber in einem Punkt hat sie recht: Im Kampf gegen Schattenschwinge brauchen wir jede Hilfe, die wir kriegen können.« Er zog mich seitlich vom Pfad herunter. »Diese Stelle ist sicher. Ich habe sie überprüft.«

Wir ließen uns auf einem Fleckchen saftiger Wiese nieder. Morio streckte den Arm aus, und ich lehnte mich an ihn. Auf einmal merkte ich, wie tröstlich es war, sich wieder auf vertrautem Terrain zu befinden. Morio und Trillian waren sicher. Ich kannte sie, wir hatten unsere Routine, unseren eingespielten Rhythmus. Aber hier draußen fühlte sich für mich alles gefährlich an. Smoky eingeschlossen.

»Ich habe Angst«, gestand ich ihm. »Wenn doch nur schon morgen wäre und ich nach Hause gehen könnte.«

»Es ist bald vorbei, halte noch ein bisschen durch«, flüsterte er.

Ich beugte mich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Also, was habt ihr über das Teppichgeschäft herausgefunden?«

»Es riecht nach Dämon, eindeutig. Ich bin allein reingegangen, weil sie Delilah möglicherweise erkannt hätten. Der Inhaber war nicht da, nur seine Assistentin. Eine Frau namens Jassamin. Ich glaube, sie muss diejenige gewesen sein, die sich nach Menolly erkundigt hat.«

»Was hat sie für einen Eindruck auf dich gemacht? Glaubst du, sie ist eine Dschinniya, wie wir vermutet haben?« Dschinns waren schwer zu entlarven, aber es gab Möglichkeiten, sie aus der Deckung zu treiben. Und Morio war sehr geübt darin, magische Geschöpfe zu identifizieren.

»Sie ist schön, sie ist sinnlich, und ja, sie ist eine Dschinniya.« Er lächelte mich an, als ich ihm einen spielerischen Klaps auf den Arm gab.

»Schön und sinnlich, was?« Ein seltsames Flattern in meiner Magengegend warnte mich davor, dass ich der Eifersucht gerade gefährlich nahe kam. Ich hatte keine Ahnung, woher dieses Gefühl so plötzlich gekommen war. Es hatte mich noch nie ge-stört, wenn meine Liebhaber kleine Affären hatten. Aber irgendetwas veränderte sich, und zwar schon seit wir erdseits gekommen waren.

Er schnaubte. »Wusste ich doch, dass ich damit deine volle Aufmerksamkeit bekommen würde. Keine Sorge. Ich habe nicht die Absicht, mich mit einer Dschinniya einzulassen. Erstens mag ich sie nicht. Zweitens kann jemand, der mit einem Höheren Dämon im Bunde ist, nicht gut für mich sein. Ich glaube, sie ist noch recht jung, was ihre Fähigkeiten angeht, meine ich. Die grundlegenden Banne des Ladens waren sehr stark, aber ich konnte deutlich erkennen, welche sie errichtet hatte, und die waren schwach und leicht zu überwinden.«

»Hast du gerade Höherer Dämon gesagt?« Mir gefror das Blut in den Adern.

Er nickte.

»Aber Dschinns sind doch strenggenommen keine Dämonen, sie gelten nicht einmal als Mindere Dämonen wie Wichtel oder Incubi. Was meinst du dann, woher die Witterung eines Höheren Dämons kam? Ich kann mir nicht vorstellen, dass zufällig einer durch den Laden spaziert ist.«

Morio schüttelte den Kopf.

»Das glaube ich auch nicht. Ganz ehrlich? Ich glaube, es ist der Inhaber. Der Geruch war über die Räume hinaus verteilt, die Kunden zugänglich sind. Ich habe mich ins Büro geschlichen, während das Mädchen nach meiner angeblichen Bestellung gesucht hat, und der ganze Raum hat nach Dämon gestunken. Ich kriege den Geruch nicht aus der Nase, und er macht mich verrückt.«

Mein Atem beschleunigte sich. »Was wetten wir, dass wir den Räksasa gefunden haben?«

Er nickte. »Ja, das erscheint mir logisch. Wer immer er ist -und dass es ein Er ist, konnte ich sicher feststellen -, er ist groß und stark und sehr gefährlich. Mit dem werden wir alle Hände voll zu tun haben.«

»Mit wem?« Smoky kam plötzlich um die Wegbiegung. Er bedachte Morio mit einem langen, nachdenklichen Blick und wandte sich dann mir zu.

Ich sprang auf und hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen, weil ich mich mit meinem Liebhaber unterhalten hatte. »Wir sprechen gerade über den Dämon. Vermutlich ein Räksasa, nach allem, was wir bisher wissen. Und ein besonders unangenehmer.«

Morio stand geschmeidig auf und begrüßte Smoky mit einem beiläufigen Nicken.

»Außerdem bekommen wir es noch mit einer Dschinniya zu tun, die mit ihm unter einer Decke steckt.«

Smoky blinzelte langsam und schnaubte leise, und ich sah ein schwaches Rauchfähnchen aus seiner Nase aufsteigen. Beunruhigend, um das Mindeste zu sagen.

»Nicht nur das«, fügte ich hastig hinzu. »Ich habe herausgefunden, dass Morgana vorhat, die Feenhöfe von Licht und Dunkelheit wiederzubeleben, und sich selbst hat sie als Lichte Königin vorgesehen. Titania ist gerade bei ihr, vollkommen nüchtern und so sauer, das würdest du nicht glauben.«

»Wunderbar«, sagte Smoky mit einem Gesicht, als wäre ihm das völlig egal. »Solange sie sich nicht auf meinem Land streiten, geht es mich nichts an, was sie tun. Also, Morio, ich nehme an, du bist hier herausgekommen, um Camille von dem Dämon zu berichten?« Und aus keinem anderen Grund, deutete seine Stimme unüberhörbar an.

Morio zuckte mit den Schultern und ließ sich von der Andeutung nicht beeindrucken.

»Ja, und um mich zu vergewissern, dass es ihr gut geht. Du bist ein Drache, Punkt. Du könntest uns plattrollen und als Zigarren rauchen, schon klar. Aber das wird Camilles Freunde und ihre Familie nicht daran hindern, auf sie aufzupassen. Wir mögen dich, versteh uns bitte nicht falsch. Aber sie ist unsere ... sie ist meine Geliebte, und ihre Schwestern machen sich Sorgen um sie.«

Smoky bedachte seine Worte und wandte sich wieder dem Pfad zu. »Dann kommt.

Wir unterhalten uns besser drinnen, wo keine neugierigen Ohren uns belauschen oder Augen unser Tun beobachten können.«

Morio warf mir einen verwunderten Blick zu, und ich zuckte mit den Achseln. Wer verstand schon das Warum und Weshalb von Drachen? Ich reihte mich hinter Smoky ein, Morio mir dicht auf den Fersen, und wir kehrten zum Hügel zurück.

Die Höhle war warm, trotz ihrer Größe, und einladend nach dem kühlen Frühlingsabend. Morio blickte sich um und verzichtete höflich darauf, irgendwelche Fragen zu stellen. Doch ich bemerkte, dass er der Position von Türen und Möbelstücken besondere Aufmerksamkeit schenkte. Hätte ich ihn nicht so gut gekannt, dann hätte ich geglaubt, er wolle vor einem Einbruch die Wohnung abchecken.

Smoky ignorierte ihn und ging zu einer handgeschnitzten Hausbar im Wohnzimmerbereich, wo er drei Cognacgläser füllte. Er bedeutete uns, Platz zu nehmen.

»Kommt, sprechen wir über euer Dämonenproblem. Du sagst, es sei ein Raksäsa? Ich hatte noch nie mit einem zu tun, aber einige meiner asiatischen Cousins. Sie können ausgesprochen gefährlich sein, und sie sind gut darin ...« Er hielt inne. »Morio, würdest du mir einen Gefallen tun?«

Morio starrte ihn an. »Was willst du?«

Smoky wies vage in Richtung Küche. »Würdest du mir eine Flasche Perrier bringen?

Aus dem Kühlschrank.«

Ich war verwirrt. Smoky war ein so guter Gastgeber - es kam mir seltsam vor, dass er einen Gast bat, ihm etwas zu bringen. Rasch stand ich auf: »Ich hole sie dir.«

»Camille, setz dich.« Er sprach leise, doch ein Blick in seine Augen sagte mir, dass ich mich in gefährliche Gewässer begeben würde, wenn ich nicht gehorchte. Ich setzte mich wieder hin.

»Klar«, sagte Morio stirnrunzelnd. Er stand auf und ging in die Küche.

Sobald er weg war, flüsterte Smoky mit leiser Stimme ein paar Worte - wieder konnte ich nicht verstehen, was er sagte -und deutete in Richtung Küche. Schwach schimmerndes blaues Feuer umrankte die Tür.

»Und jetzt warten wir ab«, sagte er und warf mir einen Blick zu. Ich öffnete den Mund, um ihn zu fragen, was das sollte, doch er schüttelte den Kopf. »Gleich.«

In diesem Moment kam Morio schwungvoll wieder herein, den Blick auf die Flasche in seiner Hand gerichtet. Er lief durch das Feuer, ohne mit der Wimper zu zucken.

Aber nur drei Schritte weit, dann drehte er sich um und starrte die Tür hinter sich an.

»Du wolltest dich wohl vergewissern, dass ich wirklich ich bin?« Er warf Smoky die grüne Wasserflasche zu, und Smoky fing sie mit einer Hand auf. »Kann ich dir nicht verdenken. Nicht, wenn ein Raksäsa in die Sache verwickelt ist.«

»Was hat das denn damit zu tun?«, fragte ich. Smokys Vorgehensweise hatte mich ein wenig beleidigt, doch zugleich fühlte ich mich dadurch irgendwie beschützt.

»Smoky kennt sich in Dämonologie offenbar gut aus.

Räksasas sind Meister der Illusion«, erklärte Morio. »Er wollte sich nur vergewissern, dass ich nicht der Dämon bin, der die Gestalt einer Person angenommen hat, die du kennst und der du vertraust.«

Ich blinzelte verblüfft. »Daran hatte ich nicht gedacht.«

»Tja, das solltest du aber«, sagte Smoky. »Du und deine Schwestern müsst anfangen, so zu denken wie der Feind - verschlagen, heimtückisch und gewissenlos. Die Dämonen werden euch schlampiges Denken nicht verzeihen. Eines musst du begreifen, Camille: Sie kennen keine Skrupel. Neben Dämonen sehen Drachen aus wie Chorknaben. Sie genießen Schmerz, sie genießen es zu foltern, und sie nuckeln am Tod wie ein Baby an der Brust seiner Mutter.«

Er ging im Zimmer auf und ab. »Es gefällt mir nicht, dass du in diese Sache verwickelt bist. Die Elementarfürsten haben dieses ganze Chaos verursacht, indem sie die Geistsiegel aus den Händen gegeben haben. Jetzt weigern sie sich, die Verantwortung zu übernehmen und die Sauerei in Ordnung zu bringen. Ich habe keine Verbindung zu ihnen, außer zu den Schnittern und der Schneekönigin.« Er hielt inne.

»Ich würde ja sagen, wir schmeißen ihnen das ganze Problem vor die Füße.«

»Hältst du das wirklich für machbar? Glaubst du, sie würden es eines Blicks würdigen? Die meisten Elementarfürsten scheren sich einen Dreck um die Menschheit...«

Smoky hob die Hand, um meinen Protest zu unterbrechen. »Ich weiß, ich weiß. Du kannst nicht einfach wegschauen ... oder vielmehr, du willst nicht. Und ich finde zwar, dass dein Engagement fehlgeleitet ist, dennoch bewundere ich dich dafür.« Er wandte sich wieder Morio zu. »Du sagst, du hättest einen Dämon gewittert. Hast du zufällig Duftnoten von Orangen und Jasmin gerochen? Und vielleicht noch Vanillezucker?«

Morio runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen.

Gleich darauf nickte er. »Nun, da du es erwähnst, ja. Ich erinnere mich an diese Gerüche. Sie waren überall in dem Laden. Eine seltsame Kombination, wie Parfüm, das kurz davor stand zu kristallisieren. Zu süßlich«, sagte er. »Der Geruch war zu süßlich. Er klebte auf der Zunge und schmeckte, als könnte er gleich in Fäulnis umschlagen.«

»Dann kann ich euch versichern, dass ihr es mit einem Räksasa zu tun habt.« Smoky zog die Schublade des Beistelltischchens neben seinem Sessel auf, holte eine Pfeife hervor und stopfte Tabak aus einem Lederbeutel hinein. Er lehnte sich zurück und winkte mich herbei. »Camille, sei so gut und zünde meine Pfeife an.«

Mit einem Blick auf Morio - so etwas tat ich zu Hause niemals - schüttelte ich den Kopf. »Du weißt, dass so ziemlich jeder Rauch Delilah und mir sehr schlecht bekommt.« Trotzdem ging ich zu Smoky und kniete mich vor seinen Sessel. »Drinnen wird nicht geraucht, solange ich hier bin. Darauf muss ich leider bestehen. Bitte«, fügte ich hinzu.

»Das ist eine Seite an dir, die ich noch nie gesehen habe«, bemerkte Morio mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. Es sah beinahe so aus, als fände er die Vorstellung von mir als unterwürfigem Mädchen reizvoll.

»Komm ja nicht auf dumme Ideen«, brummte ich und grinste ihn dreist an.

»Oh, ich komme immer auf Ideen, wenn du in der Nähe bist«, scherzte er.

Smoky räusperte sich und legte die Pfeife beiseite. »Kein Problem.«

»Warum hast du gesagt, wir hätten es ganz sicher mit einem Raksäsa zu tun?« Morio lehnte sich im Sessel zurück und nippte an seinem Cognac.

Smoky zuckte mit den Schultern. »Diese Düfte, oder viel mehr die Kombination, sind ihr natürlicher Körpergeruch. Hier in der Erdwelt gehen sie leicht als Parfüm durch, deshalb denken die meisten Leute sich gar nichts dabei.

Ich weiß das auch nur, weil ich ein paar Gefälligkeiten eingefordert und so viel Information wie möglich gesammelt habe, als ich gehört hatte, dass ihr möglicherweise einem gegenübersteht.«

Er sagte das so gelassen, als läse er uns den Wetterbericht vor, aber Morio und ich wandten die Köpfe und starrten ihn an. Ich warf mich in seinen Schoß und schlang die Arme um seinen Nacken.

»Du hast also doch vor, uns zu helfen! Du hast mich nur hingehalten.« Ich küsste ihn auf den Mund, und als ich den Kuss beendete, begegnete ich plötzlich seinem intensiven Blick.

Eine Strähne seines Haars löste sich aus dem Zopf und umschlang meine Taille, während er den Kuss zärtlich erwiderte. »Das möchtest du gern glauben, nicht wahr?

Vielleicht war ich aber auch nur neugierig.« Doch sein Kuss hatte mir schon alles gesagt, was ich wissen musste.

Plötzlich wurde mir bewusst, dass Morio uns beobachtete, und ich wollte mich von Smokys Schoß winden, doch Morio hob die Hand. »Meinetwegen brauchst du nicht aufzustehen«, sagte er. »Ich sehe ja, dass ihr beiden ... euch versteht.«

Smoky begegnete Morios Blick, und seine Mundwinkel hoben sich ein winziges Stück. »Vergiss nicht, dass ich dein erstes Mal mit Camille hier in meinen Wäldern mitangesehen habe.« Er schnaubte ein wenig verärgert. »Ich weiß sehr wohl, dass du und Trillian diese Frau liebt, und ihr wisst sehr wohl, dass ich mein Möglichstes tun werde, um sie euch zu stehlen. Aber das könnte eine Weile dauern, und bis dahin ...

werde ich mich anständig verhalten.«

Wieder kam ich mir vor wie unsichtbar. Ich rappelte mich von seinem Schoß hoch und stemmte die Hände in die Hüften.

»Entschuldigt bitte, aber falls euch das entgangen sein sollte, ich bin zufällig auch hier im Raum. Und ob ihr es glaubt oder nicht, ich kann jedes Wort verstehen, das ihr beiden wechselt. Morgana und Titania habe ich lieber nicht darauf hingewiesen, weil sie beide einen Knall haben und auf die Idee kommen könnten, mich zu Staub zerfallen zu lassen. Da jedoch keiner von euch beiden mutig genug sein dürfte, das zu versuchen, solltet ihr mir lieber zuhören! Ihr hört sofort auf damit, über mich als irgend-jemandes Eigentum zu diskutieren, ihr nehmt gefälligst meine Gegenwart zur Kenntnis, und ihr...« Ich unterbrach mich und starrte die beiden fassungslos an. »Lacht ihr etwa? Ich warne euch, hört mir lieber zu!«

Smoky und Morio brüllten so laut vor Lachen, dass es von den Höhlenwänden zurückhallte.

»Ich meine es ernst! Ich finde das überhaupt nicht komisch ...«

»Die Frau hat nicht ganz unrecht«, sagte Smoky zu Morio und ignorierte mich weiterhin.

Morio zuckte mit den Schultern. »Kann sein, aber es macht mehr Spaß, zuzuschauen, wie sie einen Anfall bekommt. Sie kann aber wirklich zur Furie werden, da muss ich dich warnen.«

»Das ist mir sehr wohl bewusst, aber ihre weiblichen Reize machen ihre kindlichen Wutanfälle wett.« Smoky streckte die Hand aus und strich mit dem Finger die Außenseite meines Oberschenkels entlang. Ich konnte seine Energie durch das Kleid hindurch spüren - eine Reihe winziger Blitze zuckte als Warnung durch meinen Körper, dass ein willkommener Eindringling ganz nah war.

»Hört schon auf damit, alle beide ...«

Smokys Gelächter erstarb, als er auf die Füße sprang, mich in seine Arme riss und sich dann an Morio wandte. »Da sie sich weigert, nur einem Mann zu gehören - wie wäre es, wenn du mir ein paar ihrer Lieblingstricks zeigst?«

Empört versuchte ich, mich aus seiner Umarmung zu winden. »Wir müssen über den Raksäsa sprechen. Du musst uns sagen, was du weißt.«

»Danach.« Smoky hielt mich fest.

»Was glaubst du eigentlich, wer du ...« Ich verstummte abrupt. Ein Drache, das war er. Und er hatte recht. Ich hatte ihm tatsächlich versprochen, mich eine Woche lang seinen Bedingungen zu fügen. Ich hörte auf, mich zu wehren.

»Schön, wenn du zu dritt spielen willst, habe ich damit kein Problem. Aber Morio muss einverstanden sein, und du musst versprechen, ihm nicht weh zu tun.«

Smoky zuckte mit den Schultern. »Ich hatte nie vor, dem Fuchs etwas zu tun. Es ist dein Svartaner, dem ich gern mal etwas Respekt beibringen würde.«

Morio sah Smoky an, dann mich. »Also gut«, sagte er langsam. »Ich mache mit. Aber merk dir eines, Drache: Ich bin ein Teil ihres Dreiecks, und dazu gehört auch Trillian.

Meine Loyalität gilt zuallererst Camille und dann Trillian, nicht dir.«

Das war ein ernüchternder Gedanke, doch schon trug Smoky mich ins Schlafzimmer, und Morio folgte uns.