Etwas Chemie und Biologie

 

Im Sauerteig tummeln sich hauptsächlich drei wichtige Gruppen von Mikroorganismen, die unterschiedliche Stoffwechselarten haben und damit Geschmack und Konsistenz des Sauerteiges unterschiedlich beeinflussen:

 

Milchsäurebakterien (genauer: homofermentative Milchsäurebakterien)

(homofermentativ= durch den Stoffwechsel entsteht nur ein Endprodukt, hier: Milchsäure)

 

Diese Bakterien produzieren ausschließlich die vom Sauerkraut, Quark, Joghurt und Gras-Silage bekannte Milchsäure und sollten ca. 80 bis 90 Prozent der Bakterien im Sauerteig ausmachen. Die häufigsten Arten sind:

* Lactobacillus plantarum
* Lactobacillus casei
* Lactobacillus delbrückii
* Lactobacillus leichmannii

 

Die Milchsäurebakterien bevorzugen Temperaturen im Bereich von 30–35 °C. Die Bakterienform Lactobacillus casei, die wir aus der Käseherstellung kennen, mag es mit 35–38 °C noch etwas wärmer.

 

Milchsäurebakterien können die Stärke im Mehl ca. sechs mal effektiver abbauen als Essigsäurebakterien und bilden die Lebensgrundlage für die Sauerteighefen.

 

 

Essigsäurebakterien (genauer: hetereofermentative Milchsäurebakterien)

(hetereofermentativ= durch den Stoffwechsel entstehen mehrere Endprodukte, hier: Milch- und Essigsäure)

 

Diese Essigsäurebakterien produzieren neben etwas Milchsäure hauptsächlich Essigsäure und auch etwas Kohlendioxid. Die häufigsten Arten im Sauerteig sind:

* Lactobacillus brevis
* Lactobacillus fermenti
* Lactobacillus pastorianus
* Lactobacillus büchneri

 

Die Bezeichnung «Essigsäurebakterien» ist eigentlich nicht ganz korrekt, da es sich hierbei ebenfalls um Milchsäurebakterien («Lactobacillus») handelt. Andererseits unterscheiden sich die hetereofermentativen von den homofermentativen Milchsäurebakterien dadurch, dass sie neben der Milchsäure eben auch noch Essigsäure produzieren. Also ist die Bezeichnung «essigsäureproduzierende» Bakterien auch nicht ganz falsch und wir wollen sie beibehalten.

 

Essigsäurebakterien mögen es kühler als Milchsäurebakterien. Optimal ist eine Temperatur von 20–25 °C. Ein Sauerteig, der bei Raumtemperatur gezogen wird, enthält deshalb also mehr Essigsäure als ein Sauerteig, der an einem warmen Ort steht.

 

Essigsäurebakterien werden benötigt, um den Zersetzungsprozess des Fraßschutzgiftes Phytin, das das Getreide gegen Fraßfeinde schützen soll, aber im Roggenkorn das Backen stört, zu stoppen. Sie sind ferner für den unvergleichlichen Geschmack des Sauerteigbrotes verantwortlich.

 

Da die Essigsäurebakterien den pH-Wert des Sauerteiges erheblich ins Saure verschieben, sollten sie nur ca. 10 bis maximal 20 Prozent der Bakterien im Sauerteig ausmachen. Durch die starke Säure ist der Sauerteig gut gegen den Befall von unerwünschten und zerstörenden Bakterien und Pilzen (z. B. Kolibakterien, Kokken, Wilde Hefen, Torulahefe, Kahmhefe, Schimmelpilze, Penicillium, Aspergillus, Kreideschimmel usw.) geschützt.

 

Hefen (wilde Sauerteighefen)

Die dritte wichtige Gruppe an Mikroorganismen bilden die Sauerteighefen. In Sauerteig sind es vor allem:

* Saccharomyces cerevisiae
* Pichia saitoi
* Candida crusei
* Torulopsis holmii

 

Hefen produzieren neben etwas Alkohol vor allem Kohlensäure (exakter: Kohlendioxid). Sie sind die einzigen Mikroorganismen, die Kohlendioxid in nennenswerten Mengen produzieren, und damit für die Lockerung des Brotes wichtig. Der von ihnen produzierte Alkohol wird manchmal als chemischer Geruch nach Nagellackentferner, Verdünner oder Terpentin wahrgenommen. Es ist daher ganz normal, dass ein gesunder Sauerteig eine «Fahne» hat.

 

Die Sauerteighefen können im Gegensatz zu den speziell hochgezüchteten Bäckerhefen im sauren Klima der Essigsäurebakterien hervorragend existieren. Sie benötigen es sogar um sich fortzupflanzen. Aus diesem Grund muss ein frisch angesetzter Sauerteig immer erst sauer werden, ehe Sauerteighefen in bedeutender Menge Besitz vom Teig ergreifen können.

 

Der Stoffwechsel der Sauerteigkulturen

 

Mithilfe der Photosynthese stellt die Pflanze aus Wasser und dem Kohlendioxid der Luft Glukose (Traubenzucker) her und wandelt sie zum Speichern in Stärke um. Die Stärke im Getreidekorn ist also nichts anderes als umgewandelter Zucker, der von der Pflanze vorher aus Licht, Luft und Wasser produziert wurde.

 

Diese Energiequelle zapfen nun die Mikroorganismen für den eigenen Stoffwechsel an. Sie zerlegen dabei zunächst die langen Stärkeketten wieder in die einzelnen Zucker-Kettenglieder.

 

Der Mensch kann das auch. Kaut man lange etwas stärkehaltiges, wie zum Beispiel Brot, zerteilen die im Mund befindlichen Enzyme die Stärke ebenfalls wieder zu Zuckermolekülen, weswegen es nach einiger Zeit süß schmeckt. Auch Frost kann Molekülketten zerstören. Deshalb haben Kartoffeln mit Frostschäden einen süßen Geschmack.

 

Im Stoffwechsel wird dann weiterhin ein Zuckermolekül in zwei Milchsäuremoleküle umgewandelt. Da hierbei kein Sauerstoff benötigt wird, nennt man diese Form der Umwandlung auch «anaerobe Gärung». So wird der Sauerteig sauer und schafft in der Folge die Lebensgrundlage für die Hefen.

 

Chemisch notiert sieht das dann so aus:

 

C6H12O6 (Zucker) → 2 CH3-CH(OH)-COOH (Milchsäure)

 

Der Stoffwechsel der Essigsäurebakterien verfolgt eine andere Art der Energienutzung aus dem Zucker. Hier wird der Zucker in Essigsäure (CH3COOH) und Kohlendioxid (CO2 – chemisch nicht korrekt, aber umgangssprachlich auch «Kohlensäure» genannt) gespalten.

 

Die Hefen schlussendlich haben eine eigene, nunmehr dritte Art des Stoffwechsels, indem sie ein Zuckermolekül in zwei Alkohol- und zwei Kohlendioxidmoleküle teilen. Durch diese zwei Kohlensäuremoleküle bekommen wir die Gasbläschen in den Teig, die beim Gehenlassen für die Lockerung sorgen.

 

Allen Bewohnern des Sauerteiges ist aber gemein, dass sie bei Temperaturen oberhalb von ca. 40 °C anfangen abzusterben. Man muss deshalb auf jeden Fall vermeiden, den Sauerteig solchen Temperaturen auszusetzen, wie etwa durch Verwendung von zu heißem Wasser.

 

Der Sauerteig - das unbekannte Wesen
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