Katze_sw.tif

13858.png

21

Später möchte ich auch gerne Schutzengel werden

Hildes Schutzengel lebt im Nebenhimmel. Da dürfen eigentlich nur Engel und keine anderen Besucher rein.

»Ruby hat mich eingeladen«, sage ich zu Ben. »Und er will versuchen, mir für morgen ein Tagesvisum zu besorgen. Er meint, vielleicht würden sie eine Ausnahme für mich machen und wir könnten zusammen Lorenzo, Hildes verstorbenen Mann, besuchen. Was meinst du?«

»Klingt gut, vielleicht hast du ja Glück. Falls das mit dem Visum hinhaut, solltest du die Einladung auf jeden Fall annehmen. Und dann setzen wir uns ins Auto und fahren in Richtung Land’s End. Ich würde vorschlagen, wir ruhen uns heute aus, gehen spazieren und gucken später vielleicht einen Film.«

»Hört sich gut an.«

»Wie geht es denn deinem Kopf, wieder besser?«

»Dröhnt immer noch ein bisschen …«

Der Abend gestern wurde noch richtig lustig. Feuchtfröhlich wäre wahrscheinlich der bessere Ausdruck dafür. Ben hat tatsächlich fast jedes Lied mit mir mitgesungen. Und am Ende des Grönemeyer-Konzerts haben wir mit Herbert, Ruby und Liane zusammen an einem Tisch gesessen. Ich konnte es erst gar nicht glauben.

»Bist du häufiger hier oben?«, fragte ich Herbert.

»Heute zum zweiten Mal.«

»Echt? Dann gibt es also wirklich die Möglichkeit, noch mal hierherzukommen? Das ist ja toll! Im Flugzeug hinter mir saß eine Dame, die anscheinend auch schon mal im Himmel war. Und irgendein anderer Typ auch. Zumindest hat es sich so angehört, als wären sie nicht zum ersten Mal auf himmlischer Reise.«

»Das waren bestimmt Schutzengel«, sagte Ruby. »Was meinst du, Liane?«

»Mit Sicherheit. Manche Engel machen sich einen Spaß daraus, ihre Schützlinge zu begleiten. Die Reaktionen von den Fluggästen sind aber auch immer wieder schön. Ich bin auch schon mal mitgeflogen.«

»Aber was ist mit Herbert? Er ist ein irdischer Besucher und war heute zum zweiten Mal hier.«

Manche Musiker dürfen eben zu Lebzeiten himmlische Konzerte geben, so ja auch der Sänger im Kilt. Als ich daraufhin die anderen fragte, ob ich eine Karriere als Sängerin starten sollte, um öfter hier oben vorbeizuschauen, reagierten alle entsetzt. Allen voran Ben, der daraufhin in allen Einzelheiten von einem überaus misslungenem Karaoke-Auftritt meinerseits erzählte, den ich mal in Amsterdam zum Besten gab. Den peinlichen Abend hatte ich weitestgehend verdrängt gehabt …

Nachdem Herbert sich verabschiedet hatte, erzählte Liane sehr lebendig von Rubys ersten Taten als Begleitengel, eine Position, die er innehatte, bevor er Hildes Schutzengel wurde. Und gleich seinen ersten Auftrag, der ihn wieder auf die Erde geführt hat, hat er total vermasselt. Ich habe Tränen gelacht bei der Vorstellung, dass Begleitengel in den Köper schlüpfen müssen, den sie von ihren Schützlingen ausgesucht bekommen. Der arme Ruby steckte deswegen sogar schon mal in einem Mann, der mit Vorliebe Frauenschuhe trug. Das hat Ruby den Einsatz auf der Erde erheblich erschwert.

Irgendwann spät nach Mitternacht bin ich dann todmüde ins Bett gefallen. Ich war schon kurz vorm Einschlafen, als es noch einmal an meine Zimmertüre klopfte.

Es war Ruby. »Marly, Ben hat mir gesagt, ich soll eine SMS an deine Freundin Rici schicken«, sagte er.

Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen. Hatte ich doch in der ganzen Aufregung tatsächlich meine Freundin vergessen!

»Schreib ihr doch bitte, dass es mir gut geht und ich mich auf sie freue, wenn ich wieder zurück bin, ja?«, bat ich ihn.

»Das geht leider nicht. Ich kann mittlerweile unten auf der Erde zwar kleine Gegenstände mit Kraft meiner Gedanken bewegen, aber Tasten drücken kann ich nicht. Du musst die Nachricht schreiben, und ich schicke sie dann ab. Eine einzige Taste schaff ich.«

»Okay, gut. Komm rein.«

Ich verfasste also eine Nachricht an Rici und vertraute Ruby mein Handy an. Dann schob ich ihn aus meinem Zimmer, ließ mich erschöpft wieder ins Bett fallen und schlief sofort ein.

Heute Morgen bin ich erst aufgewacht, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Und gerade hat mir Ben ein himmlisch duftendes Frühstück ans Bett gebracht.

»Später möchte ich auch gerne Schutzengel werden«, sage ich unvermittelt zu ihm.

»Ja, das passt zu dir. Dann kommst du mich in meinem Pub besuchen und erzählst mir von deinen Abenteuern unten auf der Erde. Aber bis dahin vergeht hoffentlich noch viel Zeit.«

»Dann bin ich ja alt und grau. Vielleicht erkennst du mich dann gar nicht mehr wieder?«

»Quatsch, deine Knubbelnase würde ich unter Tausenden herauskennen.«

»He!«, rufe ich und boxe ihn in die Seite.

»Und außerdem – kannst du dich an den Film Highlander erinnern? Da altert er auch nicht, nur sie. Und sie ist am Ende ganz zerbrechlich …«

»Es kann nur einen geben, ich weiß. Du warst geradezu besessen von dem Film. Deswegen wolltest du ja später auch mal einen Pub in Schottland eröffnen. Hast du ja letztendlich auch.«

»Und du wolltest Schafe hüten. Möchtest du das immer noch? Ich hätte da ein paar gute Kontakte. Drüben im Dorf wohnt ein netter Schäfer, der sich über deine Hilfe freuen würde. Soll ich ihn fragen, ob er dich ausbildet?«

Man schmeißt nicht mit Essen, das haben mir meine Eltern schon als Kind beigebracht. Trotzdem überlege ich einen Moment lang, das Brötchen, das Ben mir mit vielen anderen Leckereien auf einem großen Frühstückstablett ans Bett gebracht hat, als Flugobjekt zu benutzen. Aber ich halte mich zurück und falle in sein Gelächter mit ein.

Obwohl ich einen ordentlichen Kater habe, verspüre ich einen erstaunlich gesunden Appetit. Nur an das schlabberige, gräuliche Haferflocken-Zeugs wage ich mich nicht heran. Es erinnert mich an die Masse aus Zeitung, Wasser und Kleister, die ich als Kind angerührt habe, um daraus Papier zu schöpfen. Kritisch tauche ich den Löffel ein und kippe die Masse wieder zurück in die Schüssel.

»Sieht lecker aus«, sage ich Nase rümpfend.

»Was hast du denn? Mein Porridge ist der beste weit und breit.«

»Genauso gut wie dein spicy hot guinness?«

»Quatsch nicht, Mund auf!« Auffordernd hält Ben mir einen Löffel voll unter die Nase. »Probier doch wenigstens mal. Danach kannst du dir immer noch ein Urteil erlauben.«

Ich verziehe das Gesicht und koste vorsichtig.

»Und?«

Ich bin tatsächlich überrascht. »Schmeckt gar nicht mal so übel … Was ist da alles drin?«

»Haferflocken, Dinkelflocken, Milch, Sahne, geriebene Äpfel, Rosinen, Nüsse und eine geheime Zutat, die du erraten musst.«

Das Spiel haben wir früher oft gespielt. Ben hat gekocht, und ich musste die Gewürze herausschmecken. Aber ich war nie wirklich gut darin. Ich habe sogar bei seiner sagenumwobenen Erdbeermarmelade mit Rosmarin und Chili versagt. Obwohl mir das Zeug fast die ganze Mundschleimhaut weggeätzt hat, habe ich die charakteristischen kleinen roten Schoten nicht erraten. Und den Rosmarin habe ich kurzerhand als Basilikum identifiziert. Aber wer kommt schon auf die Idee, so eine dermaßen verrückte Marmelade zu kochen?

»Zimt«, rate ich.

»Nein, das wäre zu einfach. Den würdest sogar du sofort schmecken.«

Ich versuche noch einen Löffel und noch einen. Als die Schüssel leer ist, habe ich das gewisse Extra immer noch nicht herausgefunden.

Ben grinst mich an. »Ich habe dich ausgetrickst«, sagt er und deutet auf die leere Schüssel.

»Ist wirklich lecker«, gebe ich zu. »Und was war jetzt drin?«

»Muskatnuss.«

»Muskatnuss? Die haben wir früher doch immer über unsere Stampfkartoffeln gerieben, weißt du noch?«

»Ja, am besten hat mir die Variante mit den gerösteten Cashews dazu geschmeckt.«

»Mir auch. Aber dein Brei hier ist auch nicht schlecht.«

Das leckere Zeug muss ich unbedingt mal für Hilde kochen, wenn ich wieder zu Hause bin. Das schmeckt ihr bestimmt. Vor allem wird es ihr Energie und Kraft geben, damit sie ganz schnell wieder auf die Beine kommt. Außerdem kann sie dann auch mal ein Rezept von mir lernen.

»Du darfst aber nicht zu viel davon nehmen, nur einen Hauch. Muskatnuss soll eine anregende und aphrodisierende Wirkung haben, du kannst es also ganz gezielt einsetzen«, sagt Ben augenzwinkernd.

»Von Männern habe ich erst einmal die Nase voll, das kannst du mir glauben. Vielleicht sollte ich mich doch mal am anderen Ufer umsehen …«

»Oh, das hört sich interessant an! Versprich mir, die Hochzeitsnacht mit deiner Angetrauten hier oben im Himmel abzuhalten, damit ich dabei sein kann.«

»Das hättest du wohl gerne! Kommt gar nicht in die Tüte. Schäm dich!«

Es ist wie früher, so als wäre Ben niemals weg gewesen. Wir lachen und genießen das Beisammensein, nur dass das Leben hier eben kein wirkliches Leben ist.

»Komm, lass uns spazieren gehen«, sage ich und schäl mich aus den Federn. Ganz plötzlich verspüre ich das Bedürfnis nach frischer Luft. »Das hilft bestimmt auch gegen meine Kopfschmerzen.«

Ben hat sich eine sehr schöne Lage für seinen Pub ausgesucht. Kaum tritt man aus dem Haus, kann man hören, wie das Meer unten an die felsigen Klippen peitscht. Die Landschaft drumherum wirkt im Gegensatz dazu sehr weich mit ihren sanften Hügeln und Feldern, die sich scheinbar endlos in die Ferne erstrecken. Ich mag Gegensätze. Wie sagte Hilde noch? Gleich und Gleich gesellt sich gern, Gegensätze ziehen sich an. Schottland gleicht der Freundschaft zwischen Ben und mir. Ben ist wie das tosende Wasser, das immer in Bewegung ist und laut auf sich aufmerksam macht. Und ich bin wie die grünen Hügel, die still und gleichmäßig die Landschaft prägen.

Wir gehen erst eine Weile auf einem kleinen Schlängelweg, der sich die Klippen entlangzieht. Als man einmal besonders weit aufs Meer hinausblicken kann, machen wir eine Pause. Ben stellt sich hinter mich und hält mich ganz fest in seinen Armen. Ich schließe die Augen und fühle, wie winzig kleine Tröpfchen Meerwasser mein Gesicht benetzen, wie sie sich mit meinen Tränen vermischen.

»Alles wird gut«, sagt Ben, als er spürt, dass ein Schluchzen meinen Körper beben lässt.

Seit ich hier bin, habe ich kaum mehr an Georg gedacht. Aber ganz plötzlich, durch den Körperkontakt mit Ben, fühle ich mich ihm so nah und dabei trotzdem so fern, dass es wehtut.

»Und jetzt erzählst du mir endlich, was dich so verdammt traurig macht, Marly. Hast du Liebeskummer? Komm, ich spür doch, dass dich irgendetwas total beschäftigt. Lass uns zurückgehen.«

Schon verrückt. Vor sechs Wochen hat Georg mich in seinen Armen gehalten, um mich wegen des Verlusts meines besten Freundes zu trösten, und jetzt ist es genau umgekehrt. Mit einer dampfenden Tasse Tee zwischen meinen Händen sitze ich mit Ben auf meinem Bett und erzähle ihm von Georg. Wie alles anfing und wie alles aufhörte.

Ben hört mir aufmerksam zu. Ab und an lächelt er oder stellt eine Zwischenfrage.

»Caruso hat eine Riesendogge gejagt, und Ruby will angeblich nichts damit zu tun gehabt haben?«, fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Ja, so ist es. Aber es kommt noch besser …«

Ich erzähle weiter bis zu dem Moment, in dem ich Georg mit Rebecca in inniger Pose vor der Praxis gesehen habe.

»Den Rest kennst du ja. Dann fand ich deinen Brief und den Kübel voll Margeriten vor der Tür …«

»Ich wusste doch schon immer, dass du auf ältere, dickliche Männer stehst.«

»Er ist nicht dick-lich«, schniefe ich beleidigt.

»Du liebst ihn.«

»Ich habe gedacht, dass ich ihn liebe. Aber das ist vorbei.«

»Doch, du liebst ihn. Und weißt du, was ich an der ganzen Sache nicht begreifen kann, Marly?«

»Was?«

»Dass du keinen einzigen Gedanken daran verschwendest, um ihn zu kämpfen. Du ergibst dich einfach deinem Schicksal und leidest.«

»Was gibt es da noch zu kämpfen? Die Situation war eindeutig, Ben!«

»Du solltest ihn zur Rede stellen, wenn du zurück bist. Nur dann weißt du, was wirklich Sache ist. Du nimmst doch sonst auch kein Blatt vor den Mund und sagst immer, was du denkst. Das habe ich schon immer an dir bewundert. Und jetzt gibst du einfach so auf, ohne die Hintergründe zu kennen? »

»Und wenn schon. Vielleicht bereut er dann ja alles, beteuert, wie schön es mit mir war, und schwört, dass ihm so etwas nie wieder passieren wird. Die Leier kenne ich schon. Die hat mein Vater bei meiner Mutter damals auch abgezogen. Und jetzt hat er sie tatsächlich schon wieder enttäuscht. Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine dreiste Nummer er mit ihr abgezogen hat. Und sie ist prompt schon wieder auf ihn reingefallen. Mir passiert das ganz bestimmt nicht.«

»Marly, Georg ist nicht dein Vater, und du bist nicht deine Mutter.«

»Ich weiß, aber ich komme einfach nicht gegen das Gefühl an. Irgendwie habe ich mich wieder wie mit siebzehn gefühlt, als ich meinen Vater mit der Nachbarin erwischt habe. Sie hatte auch dunkle, lange Haare. Es scheint so, als würde sich alles wiederholen.«

»Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass du dich in einem Menschen so getäuscht hast, dem du bedingungslos dein Herz geschenkt hast. Fast könnte ich ja ein bisschen neidisch werden …«

»Echt?«

»Ja, ich gebe zu, ich bin eifersüchtig. Ich habe dich noch nie über einen Mann so reden hören wie über deinen Georg. Alle anderen waren bisher kleine Nummern gegen ihn.«

»Er ist nicht mehr mein Georg, wahrscheinlich war er es noch nie. Außerdem bist du hier derjenige, der eine andere Frau heiraten wollte.«

»Ehrlich gesagt, bin ich mir da auch gar nicht mehr so sicher. Ich war zwar wirklich bis über beide Ohren in Nathalie verliebt. Sie war absolut das Ebenbild dessen, wie ich mir immer meine Traumfrau vorgestellt habe. Sie hat mich einfach umgehauen, fasziniert, in allen Bereichen. Sie war so lebendig. Aber dann, als ich hier oben angekommen war, habe ich festgestellt, dass ich viel häufiger an meine beste Freundin als an meine Verlobte denke. Ich weiß gar nicht mehr so ganz genau, was ich davon halten soll …«

»Weißt du was? Ich habe unsere Traumpartner-Zettel wiedergefunden. Kannst du dich an die Nacht in der Scheune erinnern? Wir haben die Zettel geschrieben, als du vergessen hattest zu tanken. Ich meine natürlich, als die Tankanzeige deines Autos ganz plötzlich nicht mehr funktionierte.«

»Natürlich weiß ich das noch. Und die Tankanzeige war tatsächlich kaputt! Wir haben dieses hochprozentige Zeug getrunken, und du wolltest mir unter gar keinen Umständen verraten, was du auf deinen Zettel geschrieben hast. Du bist sogar richtig zickig geworden.«

»Stimmt doch gar nicht! Ich war höchstens betrunken. Aber ich weiß, was du darauf geschrieben hast. Und man könnte glatt annehmen, du kanntest Nathalie damals schon. Sie erfüllt alle Punkte – vorausgesetzt, sie kann kochen.«

»Kann sie, sehr gut sogar. Allerdings ist sie Vegetarierin.«

»Sie isst kein Fleisch?«

»Nichts, was irgendwann mal Augen hatte.«

Das ist gut. Das gefällt mir. Für Ben gibt es nichts Schöneres als ein großes, medium gebratenes Steak. Er mag Fleisch sogar roh, als Carpaccio zubereitet.

»Aber ihr wärt bestimmt trotzdem gemeinsam glücklich geworden. Sie ist wirklich nett.« Das sage ich nicht einfach so daher, ich meine es tatsächlich ernst. Bei dem einem Mal, als wir uns in ihrer Schule getroffen haben, war sie mir trotz allen Argwohns, den ich ihr gegenüber hatte, nicht unsympathisch erschienen.

Es ist unfair, dass die Liebe der beiden nie eine Chance bekommen hat. Sie hätten gut zusammengepasst, und ich hätte gewollt, dass Ben mit Nathalie glücklich wird. Ich hätte mit Sicherheit nicht so eine verrückte Manipulationsnummer abgezogen wie Julia Roberts in Die Hochzeit meines besten Freundes.

»Das ist schön, das du das so siehst«, sagt Ben.

»Weißt du, dein Wunsch ist hier oben empfangen worden, und irgendjemand hat dir Nathalie geschickt. Nur ich war damals so blöd und habe die Gelegenheit verpasst und habe mir was ganz Unwichtiges gewünscht …«

Es ist gut, dass unsere Gesprächsthemen wieder leichter werden. Vielleicht ist doch was dran an dem Spruch, dass die Zeit alle Wunden heilt, zumindest was die Sache mit dem Liebeskummer betrifft. Wir plauschen noch eine Weile über unverfänglichere Themen.

Da sagt Ben: »Liane war übrigens heute Morgen hier und hat ein Geschenk für dich abgegeben. Ich wollte dich eigentlich heute Abend damit überraschen, wenn wir es uns auf der Couch gemütlich machen, aber wir können auch gleich mal einen Blick darauf werfen, wenn du magst. Es ist ein Filmzusammenschnitt unserer jährlichen Freitagstreffen. Ich habe es noch nicht geguckt und wollte das gerne mit dir gemeinsam machen.«

»Das ist ja spannend, zeig her!« Sofort sitze ich aufrecht im Bett. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«

»Ich wollte auf den richtigen Moment warten. Immerhin lächelst du jetzt wieder.«

»Gut abgepasst! Wo ist der Film?«

»Im Kinozimmer.«

»Du hast ernsthaft ein Kinozimmer?«

»Nur für mich und für gute Freunde. Ab und an veranstalten wir dort Fernsehabende. Komm …«

»Liane ist sehr nett«, sage ich anerkennend, als ich die DVD in Händen halte.

»Ja, das ist sie. Ich werde ihr nie vergessen, dass sie für uns das System betuppt hat.«

Ich habe Liane versprochen, Ben nicht darüber aufzuklären, dass hier im Himmel nicht geschachert wird. Und ich halte dicht. Auch meinem besten Freund gegenüber. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie irgendetwas im Schilde führt.