Filmtipps – Isländische Kreativität in bewegten Bildern

Bis in die neunziger Jahre gab es auf der Nordatlantikinsel einen fernsehfreien Donnerstag. Das brachte den Isländern den Ruf ein, besonders kulturbeflissen zu sein, sie würden dann lieber lesen oder Konzerte besuchen. In Wahrheit war Fernsehen für das Inselvolk lange zu teuer, die Sendungen mussten entweder selbst produziert oder untertitelt werden. Die Begrenztheit sorgte aber dafür, dass die Isländer schnell andere Sprachen lernen. Einige der zehn hier empfohlenen DVDs erhält man momentan nur im Original mit Untertiteln, so kannst du also gleich fernsehen wie ein Isländer. Und vielleicht gleich eine neue Sprache lernen – sofern du nicht ohnehin schon Isländisch sprichst.

 

101 Reykjavík (2000)

Rauschende Partys in dicht gedrängten Clubs, hemmungsloses Saufen, Sex mit Folgen – die Verfilmung von Hallgrímur Helgasons gleichnamigem Roman porträtiert das Nachtleben auf der Insel, aber auch den Unwillen des Hauptprotagonisten Hlynur, ein geregeltes Leben mit Job und Partnerin zu führen. Eine ironische Geschichte im winterlichen Island, perfekt inszeniert von Regisseur Baltasar Kormákur.

 

Children Of Nature – Eine Reise (1991)

Regisseur und Autor Friðrik Þór Friðriksson gilt als einer der wichtigsten Filmemacher Islands und hat es bisher als Einziger geschafft, mit einem Spielfilm für den Oscar nominiert zu werden. ›Börn náttúrunnar‹, so der Originaltitel, ist ein Roadmovie über einen alten Bauern und seine Jugendliebe, die aus dem Reykjavíker Altenheim fliehen, um in den Westfjorden an geliebte Orte ihrer Kindheit zurückzukehren. (Bruno Ganz hat darin einen kurzen Auftritt als Engel.) Bis heute dreht Friðrik Þór beachtenswerte und anrührende Filme und Dokumentationen.

 

Der Tote von Nordermoor (2006)

Der typische isländische Mord ist schäbig, sinnlos und schlampig ausgeführt, schreibt Arnaldur Indriðason, der erfolgreichste Krimiautor Islands, in seinem Roman ›Nordermoor‹. Dieser Fall ist für den eigenbrötlerischen Kommissar Erlendur allerdings etwas schwieriger. In der glänzend besetzten und inszenierten Verfilmung von Baltasar Kormákur versteht man, warum die Isländer immer mehr Angst vor Verbrechen bekommen.

 

Heima (2007)

Auch wer kein Sigur-Rós-Fan ist, wird diese Dokumentation allein schon wegen der wunderbaren Landschaftsszenen mögen. 2006 begaben sich die »singenden Islandpullis«, wie die weltweit erfolgreiche Band scherzhaft genannt wird, auf eine Tour durch ihre Heimat. Dort spielte Sigur Rós eine Reihe von unangekündigten Konzerten vor außergewöhnlichen Kulissen – zum Beispiel in einem Fischöltank (Djúpavík), auf einer Wiese vor dem Hof Öxnadalur oder in einem rustikalen Café. Zwischendrin zeigt der Film intime und private Momente mit der sonst medienscheuen Band. Und keine Sorge: Die Interviews sind nicht wie viele ihrer Songs in der Fantasiesprache Hoffnungsländisch, sondern auf Englisch.

 

Bjarnfreðarson (2009)

Die Comedyserie rund um den altklugen, überstudierten Außenseiter Georg Bjarnfreðarson und seine beiden Mitarbeiter war 2007 bis 2009 der TV-Serienhit in Island, die Vakt-Reihe ist ein urkomisches und zugleich bitterböses Porträt der Gesellschaft. Die Trilogie ›Næturvaktin‹ (Nachtschicht in einer Tankstelle), ›Dagvaktin‹ (Tagesschicht im Landhotel) und ›Fangavaktin‹ (Gefängnisschicht) endet mit dem großartigen Kinofilm ›Bjarnfreðarson‹. Die Tragikomödie zeigt, dass der von Jón Gnarr gespielte Kommunist Georg, inzwischen aus dem Knast entlassen, vor allem ein Gefangener seiner Vergangenheit ist.

 

Gnarr (2010)

Wie es ein Komiker schafft, mit viel Humor und absurden Wahlversprechen (drogenfreies Parlament bis 2020, kostenlose Handtücher in öffentlichen Schwimmbädern) zum Bürgermeister der krisengeschüttelten Hauptstadt gewählt zu werden, zeigt diese unterhaltsame Dokumentation von Gaukur Úlfarsson. Zum Spaß gründete der Comedystar und ehemalige Punker Jón Gnarr gemeinsam mit Freunden »Die Beste Partei«. Der Film begleitet sie auf dem amüsanten Weg ins Rathaus.

 

Rokk í Reykjavík (1982)

Die Dokumenation von Friðrik Þór Friðriksson zeigt, dass die isländische Musikszene schon Anfang der achtziger Jahre äußert experimentierfreudig war. Damals war bereits auf den Bühnen Reykjavíks eine sehr junge Björk, die in puppenhaften Outfits bei der Punkband Tappi Tíkarrass sang. Einar Örn, mit dem sie später die Sugarcubes gründete und der heute mit Jón Gnarr im Stadtrat sitzt, spielte damals noch bei Purrkur Pillnikk. Friðrik Þór taucht in eine Zeit ein, in der es in Reykjavík zwar kaum Bars gab, aber viele Rock- und Punk-Musiker.

 

Reykjavík: Whale Watching Massacre (2009)

Ein Jugendfreund von Björk, Einar Örn und Jón Gnarr ist auch der preisgekrönte Poet Sjón. Der schrieb das Drehbuch des ersten isländischen Horrorsplatterfilms, der aber vielmehr eine Satire auf das Genre ist und sich zudem über Isländer und einen bestimmten Typus von Touristen lustig macht. Im Film landet eine Gruppe von Whale-Watching-Touristen unfreiwillig auf dem Schiff eines Walfängers. Achtung: viele blutverschmierte Harpunen.

 

Pressa (2008)

Die sechsteilige TV-Dramaserie ›Pressa‹, Die Presse, zeigt den isländischen Alltag und die Rolle einer Boulevardzeitung in der kleinen Gesellschaft. Einige der dargestellten Skandale basieren auf wahren Begebenheiten. Geschrieben wurde diese spannende Reihe rund um die Single-Mutter Lára, die gerade als Journalistin bei der Zeitung anfängt, unter anderem von erfolgreichen Krimiautoren wie Yrsa Sigurðardóttir.

 

Future Of Hope (2010)

Henry Bateman und Heather Millard konzentrieren sich in ihrer Dokumentation auf die Chancen, die Island nach dem Wirtschaftscrash hat – besonders durch seine reichhaltigen, natürlichen Ressourcen. Die ehemalige Präsidentin Vigdís, Autor Andri Snær, Energie- und Umweltexperten kritisieren das zeitweise ausbeuterische Leben ihrer Landsleute, geben aber auch Hoffnung. Ausgewählte Projekte zeigen, wie leicht sich nachhaltig wirtschaften lässt. Die beiden britischen Filmemacher waren so begeistert von Island, dass sie dort geblieben sind.

 

Nicht alle empfohlenen Bücher und DVDs sind hierzulande in den Geschäften oder bei klassischen Online-Versandhäusern erhältlich. Eine gute Auswahl bietet die Website www.nammi.is. Nammi ist ein Kosewort für Süßigkeiten, und diese können darüber ebenso geordert werden wie Bücher, DVDs, isländische Wolle, Lebertran-Pillen und natürlich Hákarl, der vergammelte Hai. Wie du deinem Postboten dann allerdings den Ammoniak-Gestank erklärst, musst du dir noch überlegen. Eine weitere Website zum Bestellen isländischer Produkte:

http:/www.icelandicmarket.com

 

… und wenn dich der Ehrgeiz gepackt hat: Im Reise Know-How Verlag ist der empfehlenswerte Band ›Isländisch Wort für Wort‹ erschienen. Wenn du dich richtig isländisch fühlen willst, dann besorge dir das Buch und bestelle die Sachen direkt beim Hersteller auf Isländisch.