Informationspool Frauentoilette

Im Zweifel erfährt man das auch auf der Frauentoilette, denn die ist ebenfalls ein guter Informationspool. Hier werden selbst Fremde für kurze Zeit zu Freunden. Was bei uns nur Teenager und eventuell noch Twens tun, passiert in Island auch im höheren Alter. Frauen schminken sich gerne mehrfach am Abend nach, man will ja gut aussehen für die wenigen interessanten Typen, währenddessen wird eifrig getratscht. Jeder weiß Neues zu berichten. Wer mit wem? Wer nicht mehr mit wem? Auf der Toilette eines Clubs erfährt man gegebenenfalls die halbe Lebensgeschichte jenes Mannes, der einem gerade am Tresen aufgefallen ist. Möglicherweise ist die Frau, die sich neben einem den Kajal nachzieht, sogar eine seiner Exfreundinnen. Auf dem Dorf sind die Verquickungen natürlich meist enger, aber selbst in Reykjavík passiert das regelmäßig.

Wenn es abends in den Toiletten voll ist, warten die Isländerinnen nicht brav in einer Reihe, sie gehen einfach zusammen. Während die einen pinkeln und lautstark über Privates reden, kontrollieren die anderen ihr Make-up. Im Café Cultura stehen auf der Damentoilette sogar zwei Kloschüsseln direkt nebeneinander, in der Mitte wurde ein Klopapierhalter angebracht.

Die Isländer haben ein anderes Verhältnis zur Nähe und kaum Berührungsängste. Auf einer privaten Sommerparty begleitete mich eine Freundin zum Badezimmer, das in der ersten Etage des Wohnhauses lag. Als die Isländerin die Tür offen ließ, war ich zwar ein bisschen irritiert, wollte aber nicht so spießig sein. Alle anderen sind ja eh draußen im Garten. Während ich auf der Toilette war und die Freundin im Spiegel ihre Frisur zurechtzupfte, schaute plötzlich ein Mann um die Ecke. Anstatt dass die Freundin die Tür verschloss oder der Typ sich fürs Reinplatzen entschuldigte und ging, blieb er entspannt im Türrahmen stehen, nickte mir zu. »Lass dich nicht stören«, sagte er und fragte mich, wer ich denn eigentlich sei und was ich in Island mache. Sicherlich war das außergewöhnlich, aber irgendwie gehören eh alle zur Familie.

Und da die Familie immer alles mitbekommt, fahren viele Frischverliebte beim ersten Date lieber mit dem Auto durch die Gegend, um sich in Ruhe zu unterhalten. Denn in den Cafés würden sie ja andere treffen. Und da der eine oder die andere vielleicht noch in einer Beziehung steckt, wäre das eher ungünstig.

Damentoilette im Café Cultura

Insgesamt lassen sich die Isländer aber ihren Freiraum. Sofern einem nicht gerade die besten Freunde oder engsten Verwandten begegnen, reicht ein kurzes Nicken als Begrüßung. Würden sie mit jedem plaudern, der ihnen über den Weg läuft, kämen sie ja nie voran. Wer es eilig hat, geht durch die kleinen Seitenstraßen.