Party bei den Kennedys von Flateyri

Am nächsten Tag lädt Teitur seine Familie und einige Freunde zur Geburtstagsfeier ein. Er hat zwar auch eine eigene Wohnung im Dorf, doch da die zu klein wäre, feiern sie lieber im Haus der Eltern. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er die Leitung der Fischfabrik. Die Familie lebt am Ende des Ortes, in Sólbakki, wo sich früher die alte Fischmehlfabrik befand. Ihr Haus liegt an einem Hang, von dem aus man einen wunderschönen Blick auf den Fjord und die beschauliche Ortschaft hat. Bjarni und ein Freund aus Reykjavík nennen Teiturs Familie scherzhaft die Kennedys von Flateyri.

Wie bei jeder Privatparty stolpert man am Eingang erst mal über einen Berg von Schuhen, auf Socken laufen die rund vierzig Gäste nun durchs Haus. Die Mutter ist eine gute Freundin von Jóhanna, die wiederum mit Teiturs Vater verwandt war. Sie ist seine Tante. Außer ein paar Freunden, die extra aus der Hauptstadt angereist sind, kommen die meisten Gäste aus dem Dorf.

Den ganzen Abend über gibt es viele Reden: seine Mutter, seine Schwester, der vielleicht zukünftige Bürgermeister, ein alter Schulfreund – und dann wird noch der Cousin aus Uganda per Skype zugeschaltet (er ist Jóhannas Sohn). Anschließend veranstalten die Studien- und Schulfreunde Ratespiele, bei denen zwei miteinander konkurrierende Teams prüfen, wer Teitur besser kennt. Als Höhepunkt wird das Video gezeigt, das die Mitarbeiter der Fischfabrik von seiner 200-Liter-Dusche machten. (Kurz darauf steht der Film auch im Internet.) Zwischen dem Entertainment-Programm finden die Isländer immer wieder Zeit, eine Zigarette zu rauchen.

Im Einsatz: die Elektropopband FM Belfast

Benefizkonzert der besonderen Art

Die Isländer sind bei ihren Partys – die durchaus auch einen ernsten Hintergrund haben können – erfinderisch. Vor einigen Jahren organisierten einige Freunde für einen leukämiekranken Musiker in Reykjavík ein Benefizkonzert. Es wurde, na klar, recht kurzfristig angeleiert. Leuchtend gelbe Plakate machten Werbung für das »Minifestival«, wie sie es nannten. Acht Bands spielten im Iðnó, der Sänger der Hardrockband Reykjavík! schrie sich mal wieder die Seele aus dem Leib, und die Musiker von HAM, einer in Island legendären Gruppe, die eigentlich nicht mehr existiert, traten auch noch mal gemeinsam auf. Jede Gruppe spielte vier, fünf Lieder – das alles wurde gefilmt und live ins Krankenhaus übertragen, wo Úlfur Chaka Karlsson in seinem Bett lag. Das Eintrittsgeld sammelten die Künstler für die Familie, die auf der Suche nach Heilung viel Geld ausgegeben hatte. Ihr Minifestival war auch eine Art große Hochzeitsfeier, denn Úlfur hatte an jenem Morgen seine Freundin geheiratet. Zwei Tage später starb der Musiker im Alter von 31 Jahren, aber erst, nachdem sich alle Freunde und seine Heimatstadt laut und wild von ihm verabschiedet hatten.

Jóhanna zeigt mir im Haus einige Familienfotos, auch alte Schwarzweiß-Aufnahmen der Fischmehlfabrik und historische Bilder des Tanks, der nun zum Tonstudio umgebaut wurde. Der runde Fischtank von 1925, in dem einst Heringöl gelagert wurde, befindet sich direkt neben dem Wohnhaus. Und da dessen Betreiber Önundur auch gerade auf der Party ist, geht er mit mir mal eben vorbei. Sein jüngerer Bruder Halldór greift derweil auf der Party zur Gitarre, er ist professioneller Musiker und spielt in zwölf Bands. Sobald Halldór ein Lied anstimmt, singen die Gäste mit. Einige glauben, dass die Liebe zum Singen ein Teil ihrer irischen Wurzeln ist.