Familie und Beruf

Die viele Arbeit, sei es nun aus finanzieller Not oder aus Freude an den Berufungen, hat natürlich auch ihre Schattenseiten. Es bleibt immer weniger Zeit für die Familie und somit auch für die eigenen Kinder. Deshalb sagt die Künstlerin Sirra: »Island ist zwar ein familienorientiertes Land, aber nicht unbedingt ein familienfreundliches.« Vor der Krise gingen achtzig Prozent der Mütter Vollzeit arbeiten, jetzt sind es nicht wesentlich weniger. Viele Kinder verbringen also unter der Woche mehr als acht Stunden bei einer Tagesmutter oder im Kindergarten; das kostet. Da die Großeltern teilweise auch noch beruflich tätig sind, stehen die älteren Verwandten nicht ständig als Babysitter zur Verfügung.

Immerhin sind viele Arbeitgeber verständnisvoll. Wenn die Mitarbeiter im isländischen Außenministerium Überstunden machen müssen, können sie ihren Nachwuchs vom Kindergarten oder der Schule abholen und mit ins Ministerium nehmen. Dort dürfen die Kleinen dann am Computer spielen oder malen. Ähnlich flexibel sind manche Vorgesetzte heimischer Popstars. Haukur, Sänger der Rockband Dikta, ist beispielsweise Arzt im Reykjavíker Krankenhaus, seine Bandkollegen studieren noch und werden später als Lehrer und Pilot arbeiten. Da ihr Album wochenlang auf Platz eins der Charts stand, spielte die Gruppe öfter als sonst, manchmal auch im Ausland. Das Krankenhaus stellte den Dienstplan des Sängers um und machte die Auftritte möglich.

Wer keinen spannenden Beruf hat, kann sich zumindest im Telefonbuch einen kreativen Titel geben. Seit einiger Zeit ist es populär, im Online-Telefonbuch neben der Nummer und Adresse auch seinen Beruf zu nennen. Das hilft nicht nur beim Unterscheiden der vielen Halldórs und Annas, viele jüngere Isländer haben Spaß daran, sich absurde Jobtitel zu geben. So finden sich dort nun Astronauten, Zauberer und Ninja-Champions. Solange sie keinen Job angeben, dessen Berufsbezeichnung geschützt ist oder illegal, wie etwa Zuhälter, lässt die Telefongesellschaft sie gewähren. Ein Mann wollte sich mal als »brautryðjandi«, Pionier, eintragen lassen. Das Wort bedeutet auch »Wegklärer«. Da sich herausstellte, dass der Isländer wirklich am Flughafen die Wege klärt, darf er sich nun Berufspionier nennen.