Achter Tag, 8. September

Mohammedaner verschlafen am liebsten den Tag, machen die Nacht zum Tag und holen die verpassten Mahlzeiten in der Nacht fröhlich nach. Angesichts solcher frommen Schwindeleien verspürt man erst das volle Gewicht der Worte in Bezug auf Jesu: »Und er fastete vierzig Tage und vierzig Nächte.«
CARL ANDERS SKRIVER

Achter Tag, 8. September

88,0 KILOGRAMM

Meine ersten Fastenerfahrungen machte ich als Student. Ich lebte in einem »student’s home« im englischen Wolverhampton. Auf meinem Flur wohnten auch drei muslimische Franzosen. Ramadan war damals im Dezember, die Tage waren kurz, die Nächte lang. Ein Glück für die drei in Algerien geborenen Jungs. Die paar hellen Stunden des britischen Tages verpennten sie. Sobald aber die Sonne langsam unterging, kauften sie körbeweise Lamm, Gemüse und Hirse und kochten, als müssten sie das ganze »student’s home« bewirten. Eine Minute nach Sonnenuntergang begann dann ein Gelage, wie ich es mir bis dahin nur bei meinen cheruskischen Vorfahren hätte vorstellen können. Jeder war willkommen. Es wurde gefressen, bis sich die Bäuche wölbten. Alle Nichtmoslems hatten Alkohol mitgebracht und freuten sich, wenn unsere französischen Gläubigen dreiblättrige Joints bauten und auch diese mit allen teilten. So ging es drei-, viermal die Woche. Da einer der Jungs sein Zimmer direkt neben meinem hatte, hörte ich, dass man während des »Fastens« auch gerne Geschlechtsverkehr haben darf.

Nun sind die drei kein Maßstab. Aber mir zeigte es, dass Fasten so schlimm nicht sein kann.

Ich habe mir einen Pfefferminztee aus echter Minze aus unserem Garten gemacht – der letzte trinkbare Tee mittlerweile –, sitze am Computer und habe einen ganzen Tag Nichtstun vor mir. Ich muss nirgendwo hin, nichts entspannt mehr als dieses Wissen.

Auf einer Radtour über die Feldwege südlich von Kiel sprintet ein Hase auf mich zu, mit weit aufgerissenen Augen, Todesangst im Blick. Hinter ihm ein Trecker. Der Hase rast den Feldweg entlang, bis er mich sieht, stellt sich auf die Hinterläufe, dreht den Kopf panisch in alle Richtungen und kommt dann endlich auf die rettende Idee, einfach den Feldweg seitlich zu verlassen. Der Treckerfahrer hat mittlerweile gebremst und schaut dem Hasen nach. Dann treffen sich unsere Blicke, und wir lachen. Über den Hasen und uns.

Großeinkauf bei Aldi mit Gabi. Es gibt so viele schöne Sachen zu essen, vor allem der Räucherlachs lacht mich an. Mein Körper schreit regelrecht danach. Ich gebe ihm nicht nach und vertröste ihn auf Mitte Oktober. Trösten war schon immer meine Stärke.

Die Zeit schleicht dahin. Und ich stehe erst am Anfang. Noch fünf Wochen. Fastentage sind endlos und die Gedanken zäh. Gabi lässt mich in Ruhe, zur Arbeit kann ich gehen, wann ich will, und ich habe momentan überhaupt nichts, worüber ich mir Sorgen machen müsste. Aber ich habe es mir selbst ausgesucht zu fasten, in Schönhorst zu wohnen, auf diesem Teppich zu liegen und Tagebuch zu führen. Wenn ich mich also über diesen Augenblick beschwere, sollte ich das nicht bei irgendeinem Gott oder sonst wem tun, sondern bei mir selbst. So gesehen gibt es wirklich nichts, worüber ich mich beschweren könnte.

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte
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