Fünfter Tag, 5. September

Die in 40 Einheiten zu teilende Zeitspanne bezeichnet die erdzugewandte Vielfalt und kommt in der Bibel mehrfach vor: 40 Jahre wandern die Israeliten durch die Wüste, 40 Tage begegnet Moses Gott auf dem Sinai, 40 Tage wandert Elias zum Berg Horeb, 40 Tage fastet Jesus in der Wüste und 40 Tage nach der Auferstehung zu Ostern feiert die Kirche Christi Himmelfahrt.
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Fünfter Tag, 5. September

89,0 KILOGRAMM

Der Morgen beginnt um halb fünf mit 330 ml Sauerkrautsaft. Meine Duschschlauch-Methode erreicht vielleicht nicht die obersten Darmregionen. Die ersten Schlucke Sauerkrautsaft gehen noch, aber nur, weil ich Sauerkraut sehr mag. Die letzten Schlucke schmecken bitter und eklig.

9 Uhr 30: Sauerkrautsaft wirkt …

Heute ist mein Büronachbar mit Fastenweisheiten dran: »Sehr ungesund!« Da habe er gerade erst einen Bericht im Fernsehen gesehen. Ein Ernährungsexperte soll vor den psychischen Folgen des Fastens gewarnt haben. Ein bestimmter Prozentsatz der Fastenden würde unweigerlich magersüchtig werden. »Wo lief denn der Beitrag?«, frage ich. »Nachmittags, in so ’ner Sendung.« Er will wahrscheinlich nicht zugeben, dass er nachmittags heimlich schlechte Sendungen bei den Privaten guckt.

Mein Büronachbar müsste selbst am besten wissen, wie so etwas läuft. Schließlich hat er doch auch schon für die Privaten gearbeitet und unzählige Male Themen dramatisiert, um sie als Beiträge durchzubringen. Privatfernsehen funktioniert nur mit Angstmacherei. Wenn jemand Hiobsbotschaften zu verbreiten hat, bekommt er Quote. Und die Öffentlich-Rechtlichen sind auf bestem Wege, RTL und SAT.1 Konkurrenz zu machen.

Wo saßen wir alle am 11. September? Genau. Vor der Glotze. Egal ob bei RTL oder ARD. Es ging um Bilder, die wir so nicht für möglich gehalten hätten.

Wenn also jemand erzählt, Fasten sei wahnsinnig ungesund, dann weckt das Sensationsgier. Am besten bringt er noch eine Statistik mit Toten unter, und die Medien kaufen sein Statement sofort. Dann hängt es nur von der Redaktion ab, ob die Statistiken und Expertenmeinungen überprüft werden oder nicht.

Dass in Buchingers Kliniken Zehntausende ihre Fastenkuren gut und gesundet hinter sich gebracht haben, interessiert niemanden. Dass ein Patient – ein einziger – vor Jahren während eines Klinikaufenthalts in der Badewanne gestorben ist, dafür umso mehr. Sie ahnen schon, was die Medien daraus gemacht haben.

Das Problem bei diesem Medien-Alarmismus ist, dass wir irgendwann gegen wirkliche Probleme immun sind. Zehnmal am Tag schlechte Nachrichten hören, sehen, lesen und wir stumpfen total ab. Oder werden hysterisch. Das ist die neue Armut. Und nicht Hartz IV.

Ich bin empfindlich. Überempfindlich. Mein Körper fühlt sich durchlässig an. Alles Laute und Heftige tut mir weh. Ich will mich zurückziehen, raus aus der Welt sein. Als erwartete ich einen Ansturm, auf den es sich vorzubereiten gelte.

Vielleicht trägt aber auch einfach der Dauerregen zu meiner Gemütslage bei. So einen September hat selbst Schleswig-Holstein lange nicht erlebt. Spätsommer oder goldener Herbst ist nicht. Wird auch nichts mehr, sagen meine Fühler.

Kurzer Stadtbummel mit Gabi. Ich könnte einkaufen wie ein Wahnsinniger. Für die Qualen des Fastens belohne ich mich mit einer 230 Euro teuren Strickjacke von Marco Polo. Auch weil ich Gabi zeigen will, dass ich nicht völlig weltabgewandt bin. Sie braucht das zwar nicht zu ihrem Glück, ich jedoch schon.

Die Zeit ist aus den Fugen geraten! Die Uhren gehen langsamer, wenn man fastet. Ich schwör’s.

Wir waren vorhin kurz am Bahnhofskiosk. In fast jeder Zeitschrift geht es um Ernährung. Oder um Ernährung und Schönheit oder um Ernährung und Verjüngung, Gewichtsreduktion oder Gesundheit. Ernährung ist jedenfalls eins der Hauptthemen in den Medien.

Noch nie wusste der Mensch so detailliert über die kleinsten Bausteine der Ernährung Bescheid wie heute. Und noch nie brachten Ernährungswissenschaftler so viel Widersprüchliches hervor wie heute. Sollen wir denn jetzt mehr Kohlenhydrate essen und weniger Fett? Oder mehr Fett, aber nur Gutes aus Pflanzen? Vitamine oder Rotwein! Eier ja oder nein? Cholesterin interessiert überhaupt nicht mehr. Cholin ist der neue Renner, hilft gegen Brustkrebs. Cerealien, Resveratrol, Antioxidans. Diese Begriffe werden teilweise gar nicht mehr erklärt. Fachwissen wird vorausgesetzt. Nahrungsmatrix, der glykämische Index und Zöliakie dürfen bei keinem Tischgespräch mehr fehlen.

Ich versteh die Welt nicht mehr. Das Serotonin leistet ganze Arbeit.

Jeder dritte Deutsche schluckt Vitaminpräparate. Warum eigentlich? Wieso isst er keine Zucchini? Oder Gurken, Tomaten oder sonstiges aus der Gemüse- und Obstabteilung? Nicht Beta-Carotin ist gesund, sondern Möhre! Nicht Omega-Fettsäure, sondern Hering! Eine Ernährungsexpertin mit dem verdächtigen Namen Marion Nestle bringt es auf den Punkt: »Vermeiden Sie alles, was mehr als fünf Inhaltsstoffe hat, es ist zu stark verarbeitet; alles, was Ihnen Gesundheit verspricht, denn das ist eine Täuschung; alles, was eine Zutat enthält, die Sie nicht aussprechen können – und alles, was eine Comicfigur auf der Packung hat, es wird an Ihre Kinder vermarktet.«1

In meinen früheren Fastenzeiten kam die erste Krise nach sieben, die zweite nach zwölf Tagen. Danach habe ich immer schlappgemacht. Aber da hatte ich auch kein Ziel, fastete immer nur so lang, wie ich konnte und wollte.

Mir scheint, ich pinkle länger als vor dem Fasten. Vielleicht hat die Blase jetzt durch die entleerten Gedärme mehr Platz zum Ausdehnen. Ich werde mich gleich davor und danach wiegen.

1,6 Kilogramm! Ich komme ins Guinnessbuch! Weltrekord!!!

Der TV-Journalist Timm Kruse hat mit 1,6 Litern den Weltrekord im Urinieren gebrochen. Dem 38-jährigen Fernsehjournalisten gelang diese unglaubliche Leistung am fünften Tag eines 40-tägigen Fastenmarathons. Neben dem Guinnessbuch-Eintrag wurde dem gebürtigen Detmolder die silberne Pissnelke am Ehrenband verliehen.

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte
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