5

Kapitel

Die vierzehn Mann seiner Kompanie waren bereits beim Essenfassen in der Mannschaftsmesse. Es gab weich gekochtes, fettes Schweinefleisch, Erbsen und Kartoffelbrei. Fenna ließ sich von den Küchenjungen auftun und gesellte sich zu den anderen. Er nahm Details in sich auf.

Behnk futterte wie ein Scheunendrescher. Er benutzte dazu einen eigenen, hölzernen Löffel, seinen »Glückslöffel«, wie er ihn nannte. Kertz war zu erschöpft zum Essen. Er trank lediglich. Jonis, Ekhanner, Teppel, Emara, Nelat und MerDilli schwatzten angeregt miteinander. Garsid saß etwas abseits, als wollte er seine Ruhe haben. Resea schien ganz zu fehlen, aber Fenna entdeckte ihn an einem anderen Tisch: Er saß mit zwei Soldatinnen aus Gollbergs Erster Kompanie zusammen und schäkerte. Von den Holtzenauen schien das schlapp gewürzte Essen gut zu munden. Deleven verstummte in dem Moment, als sich Fenna dazusetzte, und nahm selbst im Sitzen die lässigere Variante einer militärischen Haltung an.

Fenna wollte zu Resea hinüberlauschen, aber das dortige Gespräch war zu leise. Stattdessen schnappte er Fetzen der hiesigen Tischplauderei auf.

»Es war schon ziemlich beeindruckend, wie die von der Zweiten alle über die Wände rübergekommen sind«, sagte Jovid Jonis. »Es scheint da eine gewisse Bewegungsabfolge zu geben, mit der man von unten Schwung mitnehmen kann, ohne vom Hindernis allzu sehr gebremst zu werden.«

»Ist mir auch aufgefallen«, bestätigte Teppel mit vollem Mund. »Die haben alle dieselben Bewegungen gemacht. Nicht so wie wir.«

»Das lernen wir auch noch«, sagte Tadao Nelat munter mit seiner mädchenhaften Stimme. »Nicht wahr, Leutnant Fenna? Solche Tricks bringt Ihr uns ebenfalls bei?«

»Alle, die ich kenne«, antwortete Fenna ausweichend. Das Fleisch schmeckte, als bestünde es nur aus Schwarte, die Erbsen waren zerkocht, der Kartoffelbrei ungewürzt. Nirgendwo stand Salz auf den Tischen. In der Garnison von Chlayst war das Essen deutlich besser gewesen.

»Mich würde mal interessieren«, begann Fenna, und das Tischgespräch kam unverzüglich zum Erliegen, »wer von euch bereits Erfahrungen mit Affenmenschen gemacht hat. Garsid bestimmt, oder?«

»Klar«, nickte der glatzköpfige Gallikoner. »Von klein auf.«

»Was sind das für Wesen? Ich habe noch nie einen von denen zu Gesicht bekommen.«

»Das ist auch gar nicht so einfach. Meistens sieht man nicht viel von ihnen, bekommt aber das zu spüren, womit sie einen beschießen oder bewerfen. Einmal haben sie sogar eine unserer Mauern mit einem Katapult gesprengt, aus dem grünes Feuer sprudelte. Sie sind unglaublich schwer einzuschätzen.«

»Aber wie sehen sie aus?«, hakte Fenna nach.

Garsid wand sich unbehaglich. »Es gibt verschiedene Sorten. Einige sind schwarz und zottig, mit Lederhaut, wie Affen, aber viel größer. Dann gibt es ganz seltsame, längliche, mit Armen, die dreimal so lang sind wie die Arme eines Menschen. Die Köpfe sind ganz klein und gedrungen. Und dann gibt es noch welche, die sehen fast wie Menschen aus. Wie Menschen in Rüstungen aus Holz und Häuten, mit langen schwarzen Haaren. Und wenn sie den Mund aufmachen, haben sie Zähne, so lang wie Finger.«

Sogar Behnk hatte unter dieser Schilderung aufgehört zu löffeln. Eine beunruhigte Stille breitete sich aus.

»Und?«, fragte Fenna weiter. »Kann man sie töten? Oder sind sie durch irgendwelche Zauber geschützt?«

»Manchmal.« Garsid schien nicht weitersprechen zu wollen.

Fenna änderte das Thema. »Kanntest du eigentlich Scapedo aus Galliko?«

Garsid schüttelte den Kopf. »Galliko ist sehr … unübersichtlich. Vielleicht war er dort, vielleicht aber auch nicht. Er war noch sehr jung. Ich bin ihm zum ersten Mal begegnet, als Leutnant Hobock uns alle einsammelte.«

»Hm. Und sonst? Wer von euch hat Kampferfahrung? Egal gegen wen. Wer kann mit einer Waffe umgehen?«

Jetzt meldeten sich einige: Kindem, Deleven, Teppel und MerDilli.

Kindem klopfte sich stolz auf die Brust. »Ich bin Schwertmann Erster Rang. Ich habe schon vier Menschen getötet, drei fette Klippenspinnen, etliche Wölfe, zwei Säbelzahnluchse und viele, viele Mooskrebse. Bei uns gibt es sehr viele von diesen Mooskrebsen. Einmal sind zweihundert gleichzeitig über das Dorf hergefallen. Da war vielleicht was los!«

MerDilli lachte. »Ich kann mit verschiedenen Waffen umgehen. Schwerter, Keulen, Äxte, Dreistab. Ich habe viel gekämpft, habe sogar eine Zeit lang Geld mit Kämpfen verdient. Ich komme immer noch nicht darüber hinweg, dass er« – er deutete auf Nelat – »mich gestern aufs Kreuz gelegt hat. Aber das war ja auch kein echter Kampf. In einem echten Kampf geht es weiter, auch wenn man mal kurz mit der Hand den Boden berührt hat. Da gibt es keine solchen komischen Regeln. Da geht es ums Ganze.«

Jetzt war Teppel an der Reihe. »Ich habe mit meinen Söhnen viel geübt. Getötet habe ich natürlich noch nie jemanden. Aber ich habe ihnen das Kämpfen beigebracht. Ein paar Finten. Hat alles nichts genutzt, wenn das ganze Land in Flammen aufgeht. Hat man doch zu hören bekommen. Alles soll ganz weiß gebrannt haben am Skorpionshügel

Wieder bildete sich Schweigen aus. Unter Fennas Mitwirkung hatten die Gespräche eine Tendenz zum Trübsinnigen entwickelt. Der Leutnant räusperte sich. »Und du, Deleven? Mir ist aufgefallen, dass du dich nicht als Schwertmann soundsovielter Rang oder Lanzenmann soundsovielter Rang vorgestellt hast. Eigentlich machen Klippenwälder das ja so.«

»Ja, eigentlich machen Klippenwälder das so.« Nilocas Deleven atmete tief durch, wie um Anlauf zu nehmen. »Aber ich bin aus den Klippenwäldern weggegangen, weil ich mit diesem gesamten Schwertmann-Quatsch nichts mehr anfangen kann. Die Zeiten ändern sich. Wir haben eine Königin. Das Land ist vereinigt. Überall bilden sich Fabrikationen zum Wohle der Menschheit. Die königliche Armee wacht mit ihren Garnisonen und Festungen über das Volk. Nur in den Klippenwäldern will man immer noch leben wie vor eintausend Jahren, als der Kontinent noch wild und uneins war. In den Klippenwäldern ist man weiterhin entweder ein Mann, oder man ist ein Nichts. Man vergießt Blut oder hat Wasser in den Adern. Ich finde das kurzsichtig.«

»Aber hast du nun Erfahrung oder nicht?«, ließ Fenna nicht locker.

Deleven hob weiterhin nicht den Blick. »Ich habe gekämpft, früher, als ich jünger war. Ich bin ein wenig eingerostet, aber für eine Ausbildungskompanie dürfte es noch reichen.«

»Für mich hat’s nicht gereicht!«, lachte Behnk in gutmütigem Spott.

»Lass uns mal mit Schwertern kämpfen, Alman, dann geht die Sache wohl anders aus.« Deleven lächelte.

»Also schön«, fasste Fenna zusammen. »Das heißt also, dass wir nicht bei null anfangen müssen, und dass einige von euch mir bei der Kampfausbildung zur Hand gehen können. Wie sieht es mit Fernwaffen aus? Hat da jemand Erfahrung?«

Diesmal hoben nur zwei die Hände: Nilocas Deleven und Fergran von den Holtzenauen.

»Ich kann ganz gut mit einem Kurzbogen umgehen, selbst vom Rücken eines reitenden Pferdes herab«, erläuterte Deleven.

»Dann gehörst du ja in Gollbergs Truppe«, bemerkte Jonis.

Deleven winkte ab. »Ich bin bestimmt nicht der Einzige von uns, der reiten kann.«

»Das wird dann meine nächste Frage«, sagte Fenna. »Zuerst noch zu den Bögen. Von den Holtzenauen?«

»Tja, ich … ähm … das ist jetzt natürlich ein wenig peinlich, weil ich da sicher nicht mit Nilo mithalten kann, aber … im Larnwald haben wir oft zum Spaß auf Zielscheiben geschossen. Nichts Kriegerisches. Aber ich war nicht übel.«

Fenna verzeichnete, dass einige der Männer sich bereits mit Vornamen und Kurzformen der Vornamen anredeten. Er durfte nicht vergessen, dass sie sich schon seit zwei bis drei Wochen kannten und bereits seit über einer Woche zusammenwohnten. »Das ist egal, ob kriegerisch oder nicht. Es ist auf jeden Fall gut, Übung mit der Waffe zu haben. Nächste Frage also: Reiten? Außer Deleven?«

Wieder von den Holtzenauen, aber auch Jonis, Emara und Stodaert.

»Nicht schlecht«, verzeichnete Fenna. »Hauptmann Gollberg will uns das Reiten beibringen, wenn wir seine Leute im Manöver besiegen, aber wie ich sehe, haben wir schon fünf Reiter.«

»Wie ist das mit Euch, Leutnant? Wenn die Frage erlaubt ist?«, erkundigte sich Jovid Jonis vorsichtig.

»Mit mir? Ich bin vierzehn Jahre bei der Armee. Ich kann mit fast allen Waffen umgehen und mich auch ohne Waffen ausreichend bemerkbar machen. Mit Pferden stehe ich allerdings ein wenig auf Kriegsfuß. Man sagt mir immer, sie fühlen sich unwohl bei mir, weil sie spüren, dass ich mich unwohl bei ihnen fühle. Ich mag es einfach nicht besonders, mein Leben einem Wesen anzuvertrauen, das größer ist als ich und unter Umständen einen eigenen Willen entwickelt. Deshalb finde ich das Angebot des Hauptmanns sehr erfreulich. Ich bin nämlich gerne bereit dazuzulernen. Letzte Frage, auch wenn wir das in der Felsenwüste wahrscheinlich nie brauchen können, aber ich will mich taktisch darauf einstellen können: Ist einer von euch Nichtschwimmer?«

Keiner meldete sich. Behnk lachte: »Ich kann gar nicht untergehen!« Schließlich hob sich dann aber doch zögerlich ein Finger: der von Mails Emara.

Fenna nickte ihm zu. »Gut, das ist kein Problem. Ein einzelner Nichtschwimmer kann immer von den anderen mitgezogen werden. Peinlich würde es nur werden, wenn wir mehr Nichtschwimmer als Schwimmer haben und ich anordne, einen See oder so was zu durchqueren. Auch die Affenmenschen müssen doch irgendeine Art von Wasser haben.«

»Was ist eigentlich mit Resea?«, fragte Deleven. »Über den habt Ihr jetzt gar nichts erfahren können.«

»Richtig. He, Resea? Wäre es zu viel verlangt, dass du dich mal kurz zu deiner eigenen Kompanie setzt?«

Resea sagte leise etwas zu den beiden Soldatinnen, was sie zum Lachen brachte. Dann kam er herübergeschlendert. »Was gibt’s denn, Leutnant? Ich dachte, es wäre Mittagspause.«

»Mittagspause ja, aber du gehörst auch beim Essenfassen, auf der Latrine und nachts im Bett weiterhin zur Dritten. Das ist nun einmal so in der Armee. Wie sieht es bei dir aus mit Kampferfahrung, Affenmenschenerfahrung, Fernwaffen, Reiten und Schwimmen?«

Resea setzte sich auf einen freien Stuhl neben seinen Zimmergenossen Bujo Stodaert. »Kampferfahrung ja. Ich habe jetzt zwei Jahre hintereinander am großen Ritterturnier von Endailon teilgenommen. Beim ersten Mal bin ich Achtundzwanzigster geworden von 250 Teilnehmern. Letztes Jahr wurde ich Zwölfter. Dieses Jahr wollte ich gewinnen, aber dann ging der Affenmenschenfeldzug verloren, und das Turnier wurde abgesagt. Stattdessen bin ich nun hier. Affenmenschenerfahrung? Keine, aber das wird ja noch zur Genüge kommen. Fernwaffen ja, das ist eine der Prüfungen in Endailon. Reiten ist klar. Ohne gutes Reiten kommt man beim Turnier nicht weit. Und Schwimmen ist auch klar. Ich stamme aus Ferbst. Die Jungen und Mädchen aus Ferbst verbringen ihre halbe Jugend im klaren Wasser des Larnus-Sunds.«

»Ausgezeichnet«, sagte Fenna. »Dann weiß ich jetzt im Großen und Ganzen, woran ich bin. Was mich aber noch interessieren würde, ist, ob der eine oder andere von euch über Spezialkenntnisse verfügt. Wie von den Holtzenauen, der bei den Schmetterlingsmenschen Heilkunde gelernt hat. So jemanden kann ich gut verwenden, wenn ich mit euch im Einsatz bin. Gibt es da vielleicht noch etwas, nach dem zu fragen mir gar nicht in den Sinn kommen würde?«

»Ich kann kochen«, sagte Alman Behnk sofort. Gelächter brandete auf. »Nein, nein, im Ernst – ich kann wirklich ziemlich gut kochen!«

»Wenn du diesen Fraß hier lecker fandest, kann es mit deinem Geschmack ja nicht allzu weit her sein«, spottete Mails Emara.

»Nein, nein, das hier kann man natürlich nur essen, wenn man Hunger hat und es nichts anderes gibt. Ich würde noch viel mehr Knoblauch dranmachen und Kräuter und das Fleisch ganz anders zubereiten, aber …« Die anderen Grünhörner lachten immer noch. Behnks Begeisterung wandelte sich in Enttäuschung. »Ich meine das ernst.«

»Ich finde das gut«, sagte Fenna zur allgemeinen Überraschung. »Man sollte das nicht unterschätzen. Wenn wir einen Auftrag bekommen, der uns mehrere Tage in die Ferne führt, ist es gut, wenn wir jemanden dabeihaben, der sich mit dem schmackhaften Zubereiten von Essen auskennt. Ich habe mal gehört, man soll keinem dünnen Koch trauen. Ich denke, Behnk ist also voll und ganz vertrauenswürdig.«

Die Männer lachten jetzt wieder, aber anerkennend. Auch Behnk lachte mit.

»Das ist jetzt wahrscheinlich noch alberner«, meldete Jovid Jonis sich schüchtern zu Wort, »aber ich kann gut zeichnen. Porträts und Landschaften. Ich habe ein Porträt von meinem Mädchen, selbst gezeichnet, hier in diesem Amulett. Schaut, Leutnant.« Er fingerte aus einem golden aussehenden Halskettchenanhänger einen Zettel heraus und entfaltete ihn. Eine träumerische Schönheit mit dunklen Augen und wallendem Haar war darauf zu sehen, mit einem feinen Kohlestift gezeichnet und plastisch akzentuiert. Menschen sahen nicht so schön aus wie auf dieser Zeichnung. Sie mochte nur ein Phantasiegeschöpf darstellen. Aber die Zeichnung war zweifelsohne gut gemacht.

»Nicht schlecht«, sagte Fenna und wollte das Bild zurückgeben, doch Tadao Nelat wollte es auch sehen. Besorgt verfolgte Jonis, wie das Bildnis nun von Hand zu Hand ging. Die meisten machten anerkennend pfeifende Lippen oder verzogen nickend den Mund zu einem »Alle Achtung«-Ausdruck.

»Das ist … wie hieß sie noch mal?«, fragte von den Holtzenauen.

»Nara Wesener«, gab Jonis Auskunft.

»Die dritte Tochter des Galanteriehändlers.«

»Ja.«

»Was ist das eigentlich: ein Galanteriehändler?«, fragte »Scheusal« Kertz schmatzend.

»Knöpfe, Kämme, Spiegel, Nadeln, Schnallen und Schmuckwaren«, gab Jovid Jonis Auskunft.

»Jedenfalls finde ich so ein Talent überhaupt nicht albern«, brachte Fenna wieder Ordnung in den Tisch. »Falls wir Karten zeichnen müssen oder Skizzen anfertigen von bestimmten Landschaftsformationen, damit man sie wiederfinden kann. Das kann ziemlich hilfreich sein. Noch jemand?«

»Nun, das ist jetzt noch peinlicher, aber ich kann gut singen«, sagte Mails Emara. »Ich habe sozusagen eine ausgebildete Stimme, um von einer Bühne herunter den ganzen Saal auszufüllen.«

»Damit kann man bestimmt Affenmenschen in die Flucht schlagen!«, prustete Breff Adirony Teppel.

»Oder Gollbergs Pferde scheu machen, wenn sie uns beim Manöver zu sehr auf die Pelle rücken«, fügte Ildeon Ekhanner hinzu und entblößte beim Lachen sein Zahnfleisch wie ein Pferd. Alle lachten, auch Emara.

Nur der Leutnant blieb wieder ernst. »Singen ist auch nicht zu unterschätzen. Vielleicht kann ein Lied zur richtigen Zeit die Lebensgeister wecken oder auf einen Kampf einstimmen. Wir sind eine Kompanie. Jedes Talent, egal welches, kann auf die eine oder andere Weise der gesamten Einheit von Nutzen sein.«

»Vielleicht sollten wir dann alle lernen zu singen und zu tanzen, statt uns mit scharfkantigen Waffen abzumühen, an denen wir uns allenfalls noch verletzen können«, höhnte Resea.

Fenna ließ sich nicht provozieren. »Nicht weit weg von Chlayst, im Nekeru-Gebirge, gibt es einen Stamm, für den Kämpfen und Tanzen tatsächlich das Gleiche ist. Ich habe einmal eine Abordnung von denen bei einer Aufführung auf dem Chlayster Marktplatz gesehen. Das war ziemlich beeindruckend. Aber ich denke nicht, dass wir das so hinbekommen würden. Dafür müssten wir jahrelang üben. Also versuchen wir es wohl besser auf die herkömmliche Art. So, ich werde jetzt zur Schneidermeisterin gehen, um die Uniformen in Auftrag zu geben. Wahrscheinlich müsst ihr dann alle zum Maßnehmen antreten. Und, ach ja, eine Sache will ich nicht vergessen: Dass Kertz in einem eigenen Zimmer untergebracht ist, widerspricht dem Geist einer Kompanie. In Raum F bei Kindem, Resea und Stodaert ist Scapedos Bett frei geworden. Da wirst du jetzt einziehen, Kertz.«

»Jawohl, Leutnant«, bestätigte »Scheusal« Jeo Kertz.

»Kann ich dann in ein anderes Zimmer umziehen?«, erkundigte sich Gerris Resea.

»Nein, kommt nicht infrage. Bis ich euch abhole, habt ihr Zeit zur freien Verfügung. Aber ich bestehe darauf, dass jeder von euch innerhalb eines Sandstriches in der Lage ist, auf dem Hof anzutreten. Wir verstehen uns.« Er erhob sich und verließ die Messe. Das Letzte, was er hörte, war, wie das Tischgespräch weiterging mit Jovid Jonis’ Frage: »Kommt das Wort Kompanie eigentlich von dem Wort Kumpanei

Auf dem Hof wollte Fenna gerade zu den Mannschaftsquartieren hinübergehen, als die Heilerin Ilintu ihn durch das Lazarettfenster rief. »Leutnant? Yinn Hanitz ist jetzt wach und ansprechbar.«

Fenna änderte sofort die Richtung und ging zu ihr hinüber. »Ist er gerade zum ersten Mal wieder zu sich gekommen?«

»Nein, vorhin schon, aber da wart Ihr, glaube ich, gerade beim Oberst oben, und ich wollte Euch nicht stören.«

»Wie geht es ihm?«

»Besser. Ihr könnt ihn selbst fragen.«

Yinn Hanitz’ Kopf war bandagiert, seine ohnehin bereits tief eingesunkenen Augen sahen blutunterlaufen und trübe aus. »Leutnant«, knarzte er. »Das tut mir so leid.«

»Was denn, machst du dir etwa Vorwürfe? Kannst doch nichts dafür, wenn so ein Arschloch dich aushebelt. Ich habe Scapedo unverzüglich rausgeschmissen.«

»Und … ich … bibibin auch raus, oder?«

»Fürs Erste ja. Das hat ja keinen Sinn, dich jetzt zu schinden. Die Ausbildung ist kein Zuckerschlecken. Aber du hattest nach zwei Übungen schon drei Punkte. Wenn du im Wettlauf Zweiter geworden wärst, wie es sich ja abzeichnete, wärst du im Endergebnis einer der Besten geworden. Da unsere Kompanie gewiss nicht für immer auf halber Stärke bleiben soll, kann ich dir einen Platz reservieren für unsere nächste Bewerberrunde.«

»Das ist … gut, Leutnant. Ich weiß … nämlich ehrlich gesagt … nicht mehr, wo ich mimimich nützlich machen soll, wenn ich nicht … zum Mimimilitär kann. Der Kontinent muss doch geschützt werden. Die Festung ist ein Damm. Ein Damm.«

»Jetzt immer mit der Ruhe, Hanitz! Du bist hier in guten Händen, und die Festung kommt für deine Heilung auf. Deine Aufgabe besteht im Augenblick lediglich darin, viel zu schlafen und auf die Anweisungen der Heilerin zu hören. Kriegst du das hin?«

»Ja … jawohl.«

»Gut.« Fenna drückte ihm die schlaffe Hand. Beim Hinausgehen musste er sich an Ilintu vorbeidrücken und roch dabei ihren betörend weiblichen Duft. »Heute Abend habe ich schon etwas vor«, sagte er. »Ich will meine Jungs außerhalb der Festung ein wenig ans Felsenland gewöhnen. Morgen geht es auch nicht, da soll mitten in der Nacht die Vereidigung stattfinden. Aber für übermorgen Abend könnte ich sicher einen Krug Rotwein organisieren.«

»Und Ihr geht davon aus, dass ich übermorgen Abend nichts Besseres vorhabe?«

»Ich frage ja.«

Sie seufzte. »Was soll ich denn auch vorhaben in dieser Festung im Niemandsland? Wir haben also eine Verabredung, Leutnant.«

»Zum Sonnenuntergang?«

»Das ist mir schon zu spät. Ich stehe morgens noch früher auf als Ihr. Wie wäre es mit zwei Stunden vor Sonnenuntergang?«

»Gut.«

Fenna verließ das Lazarett und ging hinüber zu den Mannschaftsquartieren. Dort erkundigte er sich, wo der Schreiber Lement untergebracht war. Es stellte sich heraus, dass das Festungsgesinde, die Wachtposten, Wäscherinnen, Köche, Ordonnanzen und Schreiber in einem eigenen Gebäude wohnten. »Neben dem Friedhof«, bedeutete man Fenna.

In der nordöstlichen Ecke der Festung, dem Feindesland zugewandt, gab es einen Bereich, der in ewig währendem Schatten lag. Hier waren etwa zwanzig schlichte Grabstellen angeordnet. Jeweils ein Name, ein Rang, ein Todestag und als Emblem der Festung Carlyr das verschnörkelte »C«. Fenna hatte mehr als zwanzig Gräber erwartet nach dem gescheiterten Feldzug. War nicht das gesamte Erste Bataillon umgekommen? Drei Kompanien zu jeweils dreißig Mann?

Er betrat die Unterkunft der zivilen Armeehelfer und fragte sich bis zu Lements Kämmerchen durch. Der Schreiber war gerade am Mittagessen, bat den Leutnant aber freundlich herein.

»Dürfen die Zivilisten nicht in die Mannschaftsmesse?«, erkundigte sich Fenna.

»Doch, natürlich. Es ist mir nur zu laut dort. Ich lese beim Essen gerne ein Buch. Das Witzereißen und das Grölen … Ihr versteht sicher.«

»Klar.« Fenna warf einen Blick auf den Bucheinband. Im Spiegelkabinett der Handwerkskunst Fairais stand dort geschrieben. Ein wissenschaftlicher Druck, von dem wahrscheinlich nur zwanzig verhältnismäßig kostbare Exemplare hergestellt worden waren. Lements Zimmer war voller solcher Schriftstücke. »Warst du im Regenmond schon hier in der Festung?«

»Ja, ich bin bereits seit fünf Jahren hier.«

»Ich habe mich gerade darüber gewundert, dass es nur zwanzig Grabmale auf dem Friedhof gibt. Sind nicht Hunderte von Rückkehrern des Feldzuges hier gestorben?«

»Na ja, nicht Hunderte. Aber mehr als hundert. Es war schrecklich, auch für uns Schreiber. Wir mussten Identifikationen vornehmen. Die Königin hatte angeordnet, dass die Toten zu ihren Heimatregimentern überstellt werden. Deshalb wurde keiner von denen hier bestattet, sondern es gingen Leichenkarren raus ins regenschwere Land. Die Karren kamen leer in die Festung und wurden dann von uns befüllt. Alle haben mit angefasst. Die Festung wird diesen Gestank nie wieder loswerden.«

»Ich kann eigentlich nichts riechen. Im Vergleich zu Chlayst riecht es hier richtig gut und frisch.«

»Na ja, das ist jetzt drei Monde her. Vielleicht habe ich den Gestank auch einfach nur noch in der Nase, als Erinnerung, und werde ihn deshalb niemals mehr los.«

»Und das Erste Bataillon? Neunzig Mann? Wo sind die bestattet?«

»Die sind, wie man so schön sagt, im Feld geblieben.« Lement lächelte. Falten der Magerkeit bildeten sich dabei um seinen Mund. »Die haben keine Gräber. Wenn man an Geister glaubt, muss man davon ausgehen, dass sie nun umgehen. In und jenseits der Felsenwüste.«

»Jetzt verstehe ich«, sagte Fenna leise. »Deshalb ist Hauptmann Gollberg so besessen davon, Überlebende zu suchen. Die Toten wurden nie gefunden.«

»Genau. Für tot erklärt aufgrund der Umstände. Aber womöglich noch gar nicht richtig tot. Die offizielle Lesart lautet: 2000 Soldaten gingen hinein ins Affenland. 211 starben unterwegs, bei Scharmützeln, durch Ungeheuer, durch Felslawinen. 428 wurden krank durch den gelben Qualm, der überall wabert. 570 starben, als an einem Ort namens Skorpionshügel ein zerstörerisches Feuer entzündet wurde, weil die Magie der Menschen auf die Magie der Affen krachte. 1219 traten den Rückzug an unter Führung des Hauptmanns Serian Gayo aus Schreer. Beinahe die Hälfte von denen war krank. Von den Kranken starben auf dem Rückweg weitere 289. Von den Gesunden 106 durch vereinzelte Angriffe der Affenmenschen. Und hier gibt es eine kleine Diskrepanz. Wenn 1219 vom Skorpionshügel aus aufgebrochen sind und 395 unterwegs fielen, hätten rechnerisch 824 die Festung Carlyr erreichen müssen. Es waren aber nur 602 Soldaten, die hier ankamen. 222 sind unterwegs verschollen. Verschwunden. Verschleppt, verirrt, eingebrochen in den Boden – niemand weiß es. Von den 602, die die Festung erreichten, sind weitere 114 hier ihren Verletzungen oder Erkrankungen erlegen. 488 konnten zu ihren Regimentern zurückkehren, und mehr als 170 von denen sind seither dienstunfähig. Krank oder seelisch erschöpft. Man kann also sagen, dass lediglich 300 Männer und Frauen den Feldzug überstanden haben. Und von den annähernd fünfzig Magiern sogar nur ein einziger, ein Bienenmagier, den sie inzwischen in Uderun eingesperrt haben, weil seine krankhaft verzerrte Magie nun eine Gefahr für ihn und andere darstellt. Ich mochte diesen Mann. Er war sehr ruhig und sanft. Ich habe mich lange mit ihm über Bienen unterhalten, als sein Regiment auf dem Hinmarsch hier durchkam. Sogar ein Buch über die Sprache der Bienen habe ich mir seitdem besorgt, seht Ihr? Das hier. Aber als er zurückkam, war er ein anderer. Er wusste nichts mehr über sich. Er hatte sich in etwas Gefährliches verwandelt.« Lement versank in Schweigen.

»Und diese Zahlen hast du alle im Kopf?«

Der Kopf des Schreibers ruckte hoch, als sei er eingeschlafen. »Ja. Ich habe sie wieder und wieder studiert. Ich war auch an den ursprünglichen Zahlenerhebungen beteiligt. Zwei weitere Schreiber und ich haben den offiziellen Abschlussbericht an die Königin verfasst. Wisst Ihr, Leutnant, man neigt immer dazu, diese Menschen nur als Zahlen zu sehen. Hundert Tote hier, hundert Tote da. Aber ich lebe in einer Festung. Ich weiß, dass dies alles Menschen sind mit Schicksalen, Familien, Freunden, Geschichten, Gesichtern. Ich kannte Hauptmann Veels’ gesamtes Erstes Bataillon. 56 Infanteristen. 28 Kavalleristen. Sechs Korporale. Zwei Leutnants. Ein Hauptmann. Gesichter und Geschichten. Alles verloren.«

»Futsch, wie der Oberst sagt«, nickte Fenna düster.

»Ja. Futsch. Man fragt sich wirklich, was eigentlich der Sinn dieses Feldzugs war. Wer davon profitiert, dass so viele gute Männer und Frauen gestorben oder krank geworden sind. Es muss doch einen Sinn haben, oder? Kann es sein, dass so etwas überhaupt keinen Sinn ergibt?« Lement straffte sich, als wäre die Last auf seinen Schultern plötzlich schmerzhaft geworden. »Also, was kann ich für Euch tun, Leutnant?«

»Ähh, zweierlei.« Auch Fenna musste sich in die Gegenwart zurückzwingen. »Zum Ersten eine kleine Änderung im Zimmerbelegungsplan. Ich habe Kertz zu Resea in die Stube gepackt. Mal sehen, wie sich das entwickelt.«

»Ich werde es eintragen.«

»Und zweitens wollte ich dich bitten, mir eine wertfreie, alphabetisch sortierte Liste der Männer anzufertigen. Ich kann mit Leutnant Hobocks Einteilung in Bequeme und Unbequeme nicht arbeiten.«

»Das mache ich sofort, Leutnant. Wenn Ihr so lange warten möchtet …«

Fenna wartete und besah sich die Buchrücken, während Lement mit Feder, Tinte und Pergament zu Werke ging. Die Stimmen der Bienenvölker. Der magische Leib. Menschenbild und Götterbild. Reise nach Galliko. Von den Dreyen Anfangen der Metalle. Nach wenigen Sandstrichen war die Liste in schönster Schreibschrift fertig.

DRITTE KOMPANIE, ZWEITES BATAILLON

FESTUNG CARLYR

 

Leutnant: Fenna, Eremith

 

Behnk, Alman

 

Deleven, Nilocas

Ekhanner, Ildeon

 

Emara, Mails

 

Garsid

 

Jonis, Jovid

 

Kertz, »Scheusal« Jeo

 

Kindem, Ellister Gilker

 

MerDilli, Sensa

 

Nelat, Tadao

 

Resea, Gerris

 

Stodaert, Bujo

 

Teppel, Breff Adirony

 

von den Holtzenauen, Fergran

 

 

Schreiber: Lement

»Ich danke«, sagte Fenna. »Für heute Abend bereite ich noch einen Marsch außerhalb der Festung vor. Traust du dir zu, da mitzukommen? Notizen über das Einzelverhalten könnten hilfreich sein.«

»Nun, ich bin kein Soldat mit der entsprechenden körperlichen Leistungsfähigkeit. Aber ich könnte mir ein Pferd ausleihen und nebenherreiten.«

»So machen wir’s.«

»Und Ihr wollt mitmarschieren?«

»Ja. Ich bin froh über jeden Tag, an dem ich kein Pferd unterm Hintern haben muss.«

Als Nächstes führte ihn sein Weg zu Jianna Klejahn, der Schneidermeisterin der Festung. Sie war eine korpulente, aber nicht unattraktive Frau Anfang vierzig. Von dem neuen Leutnant war sie ganz entzückt. »Das finde ich ja großartig, dass man endlich wieder etwas zu tun bekommen wird! Die letzten Monde waren so öde! Als es das Erste Bataillon noch gab, ihr Götter! Pausenlos musste etwas geflickt und ausgebessert werden. Aber Golli achtet viel zu sehr darauf, dass alles heil bleibt. Und die armen Hobock & Sells bekommen gar keine Gelegenheit, sich mal so richtig auszutoben.«

»In der Hinsicht darf ich Euch beruhigen, Schneidermeisterin. In meiner Kompanie wird so einiges kaputtgehen, davon kann ich jetzt schon ausgehen.«

»Vorzüglich, vorzüglich, vorzüglich!«

Sie ließ es sich nicht nehmen, Fenna mit Maßband und Notizenkladde in die Mannschaftsmesse zu begleiten. Die Männer saßen dort immer noch beieinander und ließen sich ein Dünnbier schmecken. Jetzt begann das große Vermessen. Unter allgemeinem Gelächter mussten sich alle nacheinander aufstellen, die Arme ausbreiten und stillhalten. Jovid Jonis und Alman Behnk wurden richtig rot, als eine Frau an ihnen herumfingerte. Tadao Nelat war übertrieben kitzelig. Die Klejahn jedoch ließ sich auch durch die Schwitzflecken an den Achseln von »Scheusal« Kertz nicht von ihrer Arbeit ablenken. »So viele stattliche Männer«, gluckste sie nur. »Und zwei Übergrößen – eine in der Länge und eine in der Breite. Das ist doch endlich mal wieder eine Herausforderung, das macht Freude! Bis wann sollen die Rüstungen denn fertig sein?«

»Morgen Abend wäre ideal«, antwortete Fenna, »denn morgen Nacht sollen die Männer vereidigt werden.«

»Bis morgen Abend schon? Das bedeutet: die Nacht durcharbeiten, Leutnant! Aber vorzüglich! Endlich gibt es wieder richtig was zu schaffen!« Sie rauschte ab. Einige der Männer kicherten noch immer.

Leutnant Fenna klatschte in die Hände. »So, ich gebe euch jetzt noch ein paar Stunden freie Zeit. Haut euch aufs Ohr oder kuriert eure Knochen, ihr werdet sie heute Abend noch brauchen. Dann machen wir einen kleinen Eilmarsch raus ins Feld.«

»Ins Feld? Zu den Affenmenschen, Leutnant?«, fragte Emara bang.

»Nein, nach Süden raus. Aber wir werden schnell sein und Gepäck tragen und auch ein wenig klettern, wenn das Gelände es erlaubt. Wir befinden uns gerade in einem interessanten Niemandsland der gesetzlichen Regulierung. Ihr seid noch nicht vereidigt und könnt deshalb noch nicht ins Festungsgefängnis gesteckt werden. Andererseits will ich auch keinen mehr rausschmeißen müssen, das habe ich ja gestern schon zur Genüge getan. Ich erwarte also Leistungen, ohne bei einer Verweigerung derselben Strafen verhängen zu können. Ich bin mal sehr gespannt, was sich da heute abspielen wird.«

»Wir werden Euch nicht enttäuschen, Leutnant«, ergriff Nilocas Deleven für alle das Wort. Die meisten nickten bekräftigend.

Fenna bleckte die Zähne. »Davon gehe ich auch aus. Der Schreiber Lement wird mitkommen und marschbegleitende Notizen über die Einzelleistungen machen. Im Grunde genommen ist also alles wie immer: Leistung wird sich auszahlen, ein Ausbleiben von Leistung führt dazu, dass man in der Armee einen schweren Stand hat. So weit alles begriffen?«

Wieder nickten die meisten.

»So weit alles begriffen?«, fragte Fenna noch mal im selben Tonfall.

»Jawohl, Herr Leutnant!«, riefen die Männer im Chor.

Auch Fenna legte sich noch für zwei Stunden hin. Er wollte nicht träumen, nicht so tief, dass die Kinder kamen, aber sie lauerten wieder, sie waren nie weit entfernt. Sie griffen nach ihm mit eiskalten Händen, vom Scheiterhaufen herab, als sei alles seine Schuld, dass sie so liegen mussten und brennen.

Er erwachte verschwitzt und ärgerte sich. Schlafen erquickte noch weniger als Wachbleiben. Also stürzte er sich wieder in die Arbeit.

Aus dem Ausrüstungshaus organisierte er fünfzehn Leinenrucksäcke. Er selbst wollte auch einen. Dann holte er die Männer.

Begleitet von dem auf einem mageren Gaul reitenden Lement ging es anschließend nach Süden aus der Festung hinaus. Die Dritte Kompanie als ungeordneter Haufen ohne feste Marschordnung.

An einem Geröllfeld hieß Fenna die Männer, die Rucksäcke mit Steinen und Kieseln zu füllen. Er überwachte dabei, dass das Gepäck zwar beträchtlich, aber auch nicht übertrieben schwer wurde. »Ihr müsst euch das als Proviantgepäck vorstellen. Außerdem tragt ihr im Einsatz Uniformrüstungen aus Hartleder, einen Säbel, einen Dolch und einen Wappenschild, wer das möchte. Seit Königin Thada den Thron innehat, sind Schilde in der Armee freiwillig, weil sie eine Belastung darstellen, wenn man damit nicht umgehen kann. Ich beabsichtige jedoch, jedem von euch den Umgang mit einem Schild zu lehren. Im Ernstfall kann er euch das Leben retten. Jedenfalls: Begreift den Rucksack nicht als sinnlose Schikane, sondern als Ersatz dessen, was ihr später tatsächlich mit euch herumzutragen habt. Ja, Kindem?«

»Wann bekommen wir denn unsere Waffen, Leutnant?«

»Zur Vereidigung kurz, aber zur Benutzung erst nach ausführlichen Übungen. Wir werden anfangs mit Stumpfwaffen hantieren. So, jetzt mir nach im Laufschritt. Keiner bleibt zurück.«

Fenna lief los. Die Männer anfangs hinterher. Aber schon nach wenigen Sandstrichen zog sich die Kompanie in die Länge. Behnk, Teppel und Emara fielen zurück. »Scheusal« Kertz hielt erstaunlich gut mit.

Fenna gab den anderen eine Richtung vor und ließ sie passieren. »Was ist los, Emara? Gestern ging das Rennen doch noch!«

»Ich weiß, Leutnant. Tut mir leid. Ich habe wohl das Essen nicht vertragen. Mir geht’s gar nicht gut.«

»Keiner bleibt zurück! Wenn wir deinetwegen verlangsamen müssen, rennen wir eben die ganze Nacht durch und müssen im Dunkeln klettern.«

Emara biss die Zähne zusammen, Behnk und Teppel ebenfalls.

Fenna führte die Männer in die Felsen, sobald das Gebirge ihm Gelegenheit dazu bot. Er kannte das Gelände selbst nicht, wollte die Männer aber auch über Unwegsamkeiten hinwegtreiben. Bald war auch er schweißgebadet, aber das gefiel ihm besser als das sinnlose Träumen im Quartier. Er hetzte die Männer einen Abhang hinauf und eine Schutthalde auf dem Hosenboden hinab. Über einen glatten Felsbrocken mussten sie sich gegenseitig an den Händen hinaufziehen. Ildeon Ekhanner kullerte seitlich von dem Felsen, verletzte sich aber glücklicherweise nicht dabei. »Scheusal« Kertz fluchte wie ein Kloakenkehrer. Garsid eiferte, einen wilden Ausdruck im Gesicht, mit Fenna um die Wette. Gerris Resea bedachte Fenna mit giftigen Blicken, weil seine maßgeschneiderte Stadtkleidung bei der Kraxelei Schaden nahm. Jovid Jonis verwandelte sich in ein Äffchen, das auf allen vieren über alle Hindernisse hinwegturnte. Lement ritt nebenher und notierte.

Vier Stunden später kehrte die Kompanie zur Festung zurück. Alle – auch Fenna – waren ausgepumpt, zerschrammt und schmutzig. Nur Lement trabte grinsend vorneweg. Die Torwächter lachten, machten aber auch aufmunternde Sprüche. Fenna schickte seine Männer in die Waschkammern und anschließend ins Bett und gönnte sich auch selbst einen halb vollen Zuber kalten Wassers und ein Stück Chlayster Meeresalgenseife.

In dieser Nacht schlief er endlich traumlos, und auch Hauptmann Gollbergs neuerliches nächtliches Ausreiten weckte ihn nur kurz.