Abschlussbemerkungen/Auswertung

Was nehme ich nun mit von meiner Reise? Sicher nicht nur ein paar Andenken, denn weltliche Güter sind hier nicht gemeint. Für mich bleibt die Faszination, die dieser Weg zunehmend auf mich ausgeübt hat. Uber Wochen hinweg war dieser Weg mein Zuhause, mein Weg und mein Ziel. Ich habe vieles gelernt, was ich nicht erwartet hatte, denn man kann es lernen, sich in der Welt allein zurechtzufinden. Es gibt dazu ein paar »Spielregeln«, die es einzuhalten gilt.

So habe ich immer meinen Geldgürtel (mit Innenreißverschluss für die Geldscheine) und meine Bauchtasche bei mir gehabt. Diese wurde in der Hose getragen und beinhaltete meine Papiere, die Geldkarte, den Ausweis etc. Diese Dinge wollte ich auch nie in meinem Pensionszimmer zurücklassen. Ebenso habe ich immer meine Digitalkamera und mein Handy in meine Hosen- oder Jackentaschen mit Reißverschluss gesteckt. Ich bin nie in der Öffentlichkeit an meinen Geldgürtel oder an meine Bauchtasche herangegangen, sondern hatte immer in meiner Trekkinghandtasche ein Portemonnaie mit circa 20,00 €.

Selbst einfache Pensionszimmer oder hostals mit einem Stern ohne Bad besitzen ein Bad auf der gleichen Etage und verfügen über Steckdosen nach Europa-Norm, sodass die Batterien für die Kamera und auch das Handy aufgeladen werden können.

Eine Übernachtungsmöglichkeit in den Herbergen ist in fast jedem kleinen Ort gegeben, jedoch habe ich nur einmal, nämlich in Astorga, ein Zweibettzimmer bekommen können. Aus diesem Grunde wählte ich stets ein Privatquartier bzw. hostal.

Alle Sicherheitsmaßnahmen — wie Pfefferspray, Leuchtkugeln — für Notfälle wie Verletzungen, Hunde, Überfälle, habe ich nicht gebraucht, zum Glück!

Ein nicht zu kleines Taschenmesser ist absolut notwendig, denn es schneidet Brot, Tomaten etc., es hat einen Korkenzieher für Weinflaschen und auch sonst noch einige Vorteile. Ein Teelöffel ist gut, um Joghurt zu essen. Ein Trinkbecher hilft, wenn man den Wein nicht aus der Flasche trinken will.

Kleidung, Rucksack und Schuhe sind überlebensnotwendig. So müssen wärmende und luftige Sachen zum Wechseln dabei sein, für Regen müssen Mikrofaserjacke und — hose und eventuell ein gutes Regencape vorhanden sein. Ich habe diese Sachen bei einem Discounter enorm günstig — ebenso wie meine Schuhe — erworben und war sehr zufrieden damit. Die Schuhe sollten knöchelhoch — wegen der unebenen Wege mit Geröll — und aus einem Leder-Synthetic-Mix mit hoher Sohle sein, denn diese sind leicht, rutschfest und lange Zeit regenresistent. Der Rucksack sollte 10 % des Körpergewichts nicht übersteigen und sehr gut verarbeitet sein. Hier musste ich circa 100,00 € investieren (für 55 l Fassungsvermögen). Zu beachten ist, dass dieser Rucksack unbedingt eine Regenabdeckung haben sollte. Gitternetze oben und auf der Rückseite des Rucksacks erleichtern das Ablegen von Jacken, Cappies etc. Das Packen des Rucksackes ist eine Wissenschaft für sich, aber spätestens nach einer Woche weiß man, wie es funktioniert und wo man was findet.

Für die Nacht empfiehlt sich wärmende Kleidung (Ausziehen ist immer noch möglich), da es in Spanien nur Wolldecken mit Laken gibt und keine Federbetten. Leichte Badelatschen und Trekkingsandalen sind ein Muss. Badelatschen erleichtern das hygienische, warme Herumlaufen im Zimmer bei Holz- oder Steinfußböden und im Bad, und Trekkingsandalen verwöhnen die Füße und lassen ihnen Luft nach anstrengenden, zum Teil achtstündigen Wanderungen.

Diese Art von Reise lässt sich kaum termingenau planen, da jeder probieren muss, wie belastbar er ist, wie groß die Tagesstrecken sein dürfen und wie viele Pausen notwendig sind. Auch empfiehlt es sich, die Strecken nicht zu dicht zu planen, falls doch die Notwendigkeit für ganze Pausentage entsteht.

Bei solchen Reisen kommt es nicht auf Schönheit an, und dementsprechend ist alles absolut überflüssig, was der Schönheit gilt wie Schmuck, Schminke, zu viele Kleidungsstücke. Bei solch anstrengenden Tagen bleibt kein Raum, keine Zeit, keine Kraft für »Schnickschnack«. Der Mensch reduziert sich auf das Wesentliche. Ich habe gelernt und erfahren, mit wie wenig Dingen ich über solch lange Zeiträume auskommen kann, und ich war dabei viel glücklicher als so oft sonst in meinem Leben. Die Wertigkeit verändert sich, denn nicht der »Tand« macht das Leben lebenswert, sondern die Natur und die Menschen um uns herum. Nie in meinem Leben habe ich solch eine Freiheit verspürt wie dann, wenn ich grenzenlos weit über das Land sehen durfte. Für mich war es Glück pur, die Blumen am Wegesrand über Wochen täglich betrachten zu dürfen. Oft habe ich mich wie der Entdecker Amerikas persönlich gefühlt, ich war aufgeregt und habe jedem neuen Tag entgegengefiebert.

Täglich musste ich eine neue Unterkunft finden, und immer habe ich es gut hinbekommen. Welch ein stets wiederkehrendes Erfolgserlebnis! Ich habe gelernt, dass die Zimmer am Ortseingang, in der Hauptstraße, am teuersten sind und habe gelernt, in den Nebenstraßen die billigeren und zum Teil besseren Unterkünfte zu finden.

Für den Transport des Rucksackes im Flugzeug gibt es Mikrofaserbeutel zu kaufen, die dafür sorgen, dass die Trageriemen des Rucksackes nicht abreißen können.

Mit jedem Mal wurde es leichter, Fremde anzusprechen, um Hilfe zu bekommen oder nach dem Weg zu fragen. Das Jonglieren mit verschiedenen Sprachen war oft gar nicht mehr so schwierig, die Übung machte es einfach möglich.

Das Leben, das zu Hause oft so sehr geregelt und vorgegeben ist, war auf meinem Weg ganz einfach: Ich habe Pause gemacht, wenn ich die Pause brauchte, habe gegessen, wenn ich hungrig war, und meine Regenkleidung hervorgeholt, wenn es regnete. Das alles machte mir nichts aus. Ich habe geschwitzt und gefroren, war müde und hatte Muskelkater, war fröhlich und traurig, aber fast immer nach den körperlichen Anstrengungen sehr zufrieden mit mir, meinem Leben, mit der Welt. Offensichtlich tut vor allem die Bewegung in der frischen Luft, in der Natur, der Seele gut. Auch ist es sehr spannend, seine eigenen Grenzen auszutesten: Am Anfang war ich nach knapp zehn Kilometern schon müde, später konnte ich ohne Probleme zwanzig Kilometer und mehr laufen. Ansonsten hatte ich keine Rückenschmerzen vom Rucksack, und meine schmerzenden Füße haben sich stets nach einer Stunde Pause wieder regeneriert. Eine große Hilfe beim Laufen waren mir meine Walking-Stöcke, zweifach verstellbar, sodass sie beim Transport in meinen Rucksack passten. Sie erleichterten mir vor allem bei Auf- und Abstiegen das sichere Laufen.

Auch habe ich für mich erlebt, dass Distanz Nähe schafft, denn nach dieser langen Zeit erscheint mir mein Zuhause wieder sehr erstrebenswert, fehlen mir meine lieben Menschen zu Hause doch sehr. Vieles weiß man offensichtlich erst zu schätzen, wenn man es nicht (mehr) hat. So werde ich meinen häuslichen Komfort zu Hause unglaublich genießen, nachdem ich jetzt so lange improvisiert gelebt und gewohnt habe. Auch habe ich gelernt, dass der Mensch sehr anpassungsfähig ist, denn ich habe es mir nach den ersten Niederlagen zur Gewohnheit gemacht, in jedem neuen Ort, in dem ich wohnte, den Namen und die Straße der Unterkunft, in der ich war, zu notieren, um so sicher zu sein, dass ich diese parat hatte, falls ich nachfragen musste.

Wenn nicht jetzt, wann dann?
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