21Irgendwann wurde Dad misstrauisch und wunderte sich, was ich abends so trieb. Wir ankerten schon eine gute Woche in somalischen Gewässern. Nach Sonnenuntergang wollte ich wieder das Kino verlassen. Wir hatten gerade Toastbrot aus der Tiefkühltruhe zu einer Suppe gegessen, die Felipe aus unserem Konservenvorrat gekocht hatte. Die Piraten hatten uns allerdings viele Dosen weggenommen, um ihre Nudeln anzureichern, und ich wusste, dass uns so langsam die Vorräte ausgingen. Ich erkannte es an den Blicken, die Dad und die Crew wechselten, auch wenn es niemand offen ansprach.

»Wohin willst du?«, fragte er. »Warum bleibst du nicht und spielst Scrabble mit uns, Amybärchen?«

»Ich brauche frische Luft«, log ich, obwohl es irgendwie auch der Wahrheit entsprach. Wir brauchten alle frische Luft.

»Ach, komm schon!«, sagte die Stiefmutter zu meiner Überraschung. »Wenn du nicht in meinem Team bist, macht es keinen Spaß. Dein Dad und Damian sind zu gut.«

Also spielte ich eine Runde mit, damit sie glücklich waren, und angesichts der Begleitumstände war es sogar lustig. Die Stiefmutter und ich schlugen Dad und Damian. Tony las unterdessen ein Buch über Magellan.

Als ich endlich nach draußen kam, verdeckten Wolken die Sterne.

Farouz stand an der Reling und blies Rauch über das Wasser. Sobald er mich bemerkte, wandte er sich um und lächelte.

»Nummer Drei«, sagte er.

»Pirat«, antwortete ich.

Er grinste und winkte mich zu sich. Unten glühte das Meer blau.

»Meeresleuchten«, keuchte ich. So etwas hatte ich schon einmal gesehen, aber in dieser Nacht war es viel heller wie brennender Alkohol.

»Hübsch, nicht wahr?«, sagte er. Dann berührte er eins meiner Piercings an der Augenbraue. »Tut das weh?«, fragte er.

»Wann, jetzt

»Ja.«

Ich tippte auf die silberne Kugel, die ein wenig aus der Haut herausragte. Seit ich von der Schule geflogen war, hatte ich überhaupt nicht mehr darüber nachgedacht.

»Nein«, antwortete ich. »Es tut weh, wenn die Löcher gestochen werden, manchmal auch in der Sonne, wenn das Metall heiß wird. Aber im Augenblick nicht.«

»Oh. Und was hat es zu bedeuten?« Neugierig betrachtete er den Stab in der Augenbraue, den Stecker in der Nase, die Kugel unter der Lippe.

»Was es zu bedeuten hat?«, fragte ich verständnislos.

»Ja. Das habe ich dich gefragt.«

»Das weiß ich nicht«, antwortete ich. »Ist so etwas in Afrika nicht auch üblich? Ich habe Fernsehfilme gesehen – Frauen mit gestreckten Hälsen, großen baumelnden Ohrläppchen, mit dicken Stäben in der Haut.«

Er warf mir einen halb liebevollen, halb herablassenden Blick zu.

»In Afrika? Afrika ist groß.«

Natürlich ist Afrika groß, dachte ich. Ich kam mir schon wieder ungeheuer dumm vor. Es gab afrikanische Stämme, die sich auf diese Weise schmückten, aber darum musste das in Somalia noch lange nicht üblich sein.

»Also weißt du nicht, was es bedeutet?« Er betrachtete meinen Nasenstecker.

»Eigentlich hat es gar keine Bedeutung.«

Farouz warf die Zigarette ins Meer. Die rote Glut näherte sich dem blau schimmernden Wasser, zischte und verschwand.

»Warum hast du es dann?«, fragte er. »Gefällt es deinem Vater?«

Ich lachte.

»Er hat nie etwas dazu gesagt«, antwortete ich. »Wahrscheinlich gefällt es ihm nicht.«

Farouz warf mir einen harten Blick zu.

»Du stellst so etwas mit deinem Gesicht an, und dein Vater sagt nichts dazu?«

Ich nickte langsam.

»Ein seltsamer Vater.«

Ich schwieg.

Als wir zu den Sonnenliegen zurückkehrten, hörten wir Schritte hinter der Tür, die vom Deck nach innen führte. Farouz verschwand im Schatten unter der überhängenden Brücke und ließ mich allein dort stehen.

Mohammed öffnete die Tür und entdeckte mich sofort. Er grinste anzüglich, kam heraus und näherte sich mir. Ich schauderte die ganze Zeit, obwohl es heiß war und obwohl ich wusste, dass sich Farouz in der Nähe aufhielt. Aber wie hätte Farouz mich beschützen sollen? War er überhaupt dazu bereit?

Mohammed blieb viel zu nahe vor mir stehen. Die unsichtbare Grenze, die andere Menschen gewöhnlich beachten, hatte er längst überschritten. Er starrte mich einen Augenblick lang an. Dann steckte er mir plötzlich die Hände in die Hosentaschen. Ich erschrak und stand wie angewurzelt da. Er wühlte herum, ich spürte die gekrümmten Finger wie die Tastorgane einer schrecklichen Kreatur mit viel zu vielen Gliedmaßen. Dann zog er die Taschen heraus und krempelte sie nach außen um. Eine alte Kinokarte und ein Fünfpencestück fielen auf das Deck. Er zog die Hände weg.

»Ich suche Uhr«, sagte er.

Ich zitterte, wandte mich um und wollte hineingehen. Er hielt mich auf – eigentlich nicht durch eine Berührung, sondern nur durch eine kleine Bewegung, eine winzige Verlagerung seiner Füße.

»Bald stirbst du.« Er zog sich den Finger quer über die Kehle. »Wie ein Tier.«

»Verzeihung?«

»Wir bekommen Geld«, sagte er. »Aber wir töten so oder so. Ahmed hat entschieden.«

»Ich will wieder nach drinnen gehen«, sagte ich. »Sonst schreie ich ganz laut.«

Ich wusste ja von den Geldbußen und hoffte, dass er davor zurückschreckte, und sei es nur ein kleines bisschen. Vielleicht hielt ihn die Vorstellung zurück, Tausende Dollar zu verlieren, wenn er mich nur anrührte.

Mohammed schnaubte.

»Na gut, na gut.« Er wandte sich um und ging zur Tür, drehte sich noch einmal um und sah mich an. Wieder machte er eine Geste, als wolle er sich die Kehle durchschneiden. »Ihr sterbt alle«, sagte er. »Du, dein Vater, deine Mutter. Bald sterbt ihr.«

Er irrte sich, denn sie war nicht meine Mutter, aber ich klärte den Irrtum nicht auf.

Als Mohammed fort war, löste sich Farouz aus der Dunkelheit und wurde wieder als Mensch sichtbar. Er kam zu mir.

»Das ist nicht wahr«, beteuerte er.

Ich spürte seine Körperwärme dicht vor mir, meine Haut kribbelte.

»Nein?«

Er machte »Tststs« und dazu eine komplizierte Geste, die ich in London noch nie bei jemandem gesehen hatte.

»Wir töten nicht«, versicherte er mir.

»Als ihr an Bord gekommen seid, hieß es, ihr würdet uns töten. Du hast alles mit deinem Handy gefilmt und eine Botschaft für…« Ich beherrschte mich gerade noch rechtzeitig. »… für die Besitzer des Schiffs aufgezeichnet. Ihr habt uns mit dem Tod gedroht, falls eure Forderungen nicht erfüllt werden.«

»Das war nur Show«, erklärte er. »Außerdem kannte ich dich noch nicht.«

»Ach so.« Hätte ich ihm nur glauben können!

»Wir tun euch nichts an«, beteuerte er.

Ich rückte ein wenig von ihm ab.

»Und wenn die Firma, der die Jacht gehört, nicht zahlen will? Wenn ihr kein Geld bekommt

»Wir bekommen immer Geld.«

»Und wenn nicht

»Wir bekommen es immer.«

Ich seufzte.

»Und wenn ihr es dieses Mal nicht bekommt

Er zögerte.

Er zögerte sehr lange.

Mein Gott, dachte ich. Er will die Frage nicht beantworten.

In diesem Moment feuerte irgendwo hinter uns ein Maschinengewehr. Es klang unglaublich laut in der ruhigen Nacht.

Als Farouz seine Eltern verloren hatte, waren ebenfalls Schüsse gefallen, aber das erzählte er mir erst später.

Damals säuberten die Rebellen ein Viertel von Mogadischu. Das war 1991, Farouz war noch ein kleiner Junge. Es stellte sich heraus, dass er viel älter war, als ich anfangs geglaubt hatte. Nicht nur in diesem Punkt hatte ich ihn falsch eingeschätzt.

In Mogadischu zogen sich die Kämpfe in den Vororten schon seit Monaten hin und griffen schließlich auf das ruhige Viertel über, in dem seine Familie lebte. Farouz erinnerte sich an die Bäume, die an der Straße standen. In der Ferne war das glitzernde Meer zu erkennen, davor erhob sich ein weißes Minarett.

Farouz’ Vater war Professor, seine Mutter unterrichtete Englisch an einer Oberschule. Als die Bewaffneten kamen, waren die Eltern völlig unvorbereitet. Mit einer Mischung aus Bewunderung und Enttäuschung erzählte er mir, sein Vater sei tatsächlich zur Tür gegangen und habe versucht, vernünftig mit den Männern zu reden. Er sagte, er sei nur ein Professor, und seine Frau sei

Da hätten die Waffen geknallt, ratternd und sehr laut in den Räumen des Hauses. Farouz war damals acht, also war er fünfundzwanzig, als wir uns kennenlernten. Älter, als ich angenommen hatte, aber da war es schon zu spät, weil ich mich schon fast in ihn verliebt hatte. Sein Bruder war zehn. Sie saßen auf der Treppe und beobachteten, wie ihr Vater im Flur rückwärts fiel, zuckte und blutete. Die Mutter rannte kreischend herbei und wollte bei ihm niederknien. Die Soldaten erschossen auch sie. Farouz sagte, er habe gesehen, wie ihr Kopf zerplatzt sei – wie eine Wassermelone mit rotem Fruchtfleisch.

Dann traf Abdirashid eine Entscheidung, die ihnen das Leben rettete. Er nahm Farouz bei der Hand und zog ihn rasch die Treppe hinauf. Er zögerte keine Sekunde lang, sondern bugsierte ihn in das hintere Zimmer, öffnete das Fenster und hieß seinen kleinen Bruder in die Büsche im Garten hinunterspringen. Dann folgte er selbst. Sie waren beide zerkratzt und hatten Risswunden, die Beine waren verletzt, aber keiner hatte sich etwas gebrochen. Sie rollten sich im Busch ab, rappelten sich auf und rannten weg.

Die Männer schossen auf sie, verfehlten sie aber in der dunklen Nacht. Farouz und Abdirashid sprangen über den Zaun in den Nachbargarten, dann in den nächsten und erreichten schließlich die Straße. Farouz roch das Blut, das Schießpulver und das Gras, das feuchte Gras, das seine Füße mit Tau benetzte. Sie hielten sich dicht an den Hauswänden, schlichen durch die Vororte der Hauptstadt und wichen den Straßenlaternen aus. Unterwegs begegneten ihnen vorstoßende Rebellentrupps, Panzer und Jeep. Die Regierungskräfte hatten diesen Bezirk bereits aufgegeben. Das erfuhr Farouz jedenfalls später von Abdirashid.

Sie kamen an Wohnhäusern vorbei, nach einer Weile drangen sie in ein Industriegebiet mit Lagerhallen und Fabriken ein. Schließlich, als sie im Osten das riesige dunkle Meer wogen sahen, verließen sie die Stadt und gelangten zu der nach Norden führenden Hauptstraße. Dort schlossen sie sich dem Strom der Flüchtlinge an, der winzige Zufluss zweier kleiner Jungen ging in der großen Flut auf. Tausende flohen zu Fuß aus der Stadt. Weitere Soldaten der Rebellen kamen ihnen entgegen, und Farouz sagte, gelegentlich hätten sie aus keinem ersichtlichen Grund, einfach nur zum Spaß die Leute erschossen. Er und sein Bruder waren inzwischen so verängstigt, dass sie kaum noch zusammenzuckten. Sie dachten, Allah werde sie entweder beschützen oder eben nicht.

Der schwierigste Teil begann aber erst, als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten und das Land erreichten. Eigentlich war es eine Wüste, in der nur vereinzelt Büsche wuchsen. Dort wurde es richtig gefährlich.

Sie sahen, wie alte Männer aufgaben und sich an den Straßenrand setzten, um zu sterben.

Am zweiten Tag begrub eine Mutter ihr Kind in der ausgelaugten staubigen Erde. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass sie so etwas beobachteten. Farouz fürchtete sich sehr und beneidete die toten Kinder. Unter der Erde, zugedeckt von den Müttern, waren sie sicher.

Sie beobachteten, wie manche Menschen über die Schwachen herfielen – nicht nur die Soldaten der Rebellen, sondern auch die Einwohner der Dörfer, durch die sie kamen. Die Frauen, die wenigen Habseligkeiten, das Geld der Flüchtlinge, es war eine viel zu große Versuchung.

Farouz und sein Bruder hatten gerade eine Ansammlung von Hütten hinter sich gelassen, als die Männer sie aufgriffen. Die beiden liefen durch eine Baumgruppe, Schatten besprenkelten den Boden, Vögel sangen. Auf einmal traten ihnen die Männer in den Weg. Farouz wusste nicht, ob es Soldaten waren oder irgendwelche anderen Leute. Jedenfalls trugen sie Waffen.

Was die Männer sagten und was sein Bruder antwortete, konnte Farouz später nicht mehr wiedergeben. Allerdings erinnerte er sich daran, was Abdirashid ihm nach der Unterhaltung mit den Männern mitzuteilen hatte.

Sein älterer Bruder legte ihm die Hände auf die Schultern.

»Kleiner Bruder«, sagte er, »du musst hierbleiben, während ich mit den Männern für eine Weile weggehe. Ganz egal, was du hörst, du darfst mir nicht folgen. Hast du mich verstanden? Du musst ganz still sein.«

»Nein«, widersprach Farouz. »Ich will nicht, dass du weggehst. Bleib bei mir!«

»Es tut mir leid«, bekräftigte sein Bruder. »Aber du musst eine Weile hier warten. Dir wird nichts geschehen. Wenn du dich rührst, erfahre ich es, und dann wird etwas Schlimmes passieren. Ich muss sterben, und du bist allein.«

Er wandte sich an die Männer, und an dieses Gespräch erinnerte Farouz sich ganz genau, weil es sich in seine Erinnerung eingebrannt hatte.

»Ihr rührt meinen kleinen Bruder nicht an«, sagte Abdirashid. »Und noch etwas. Ich will ein Messer, das ich behalten kann.«

Einer der Männer, der eine Machete besaß, lachte laut.

»Ein Messer?«

»Ja. Zum Schutz.«

»Zum Schutz vor wem?«

»Zum Schutz vor Leuten wie dir«, erwiderte Abdirashid kühn.

Der Mann schüttelte den Kopf, als traue er seinen Ohren nicht. Er zog ein scharfes kleines Jagdmesser aus der Tasche.

»Eins wie dieses?«

»Ja«, sagte Abdirashid. »So eins.«

»Vergiss es!«, widersprach ein anderer Mann. Ihm fehlten die Schneidezähne. Auch dies sollte Farouz nie mehr vergessen. »Wir tun es einfach, und dann töten wir die beiden. Auf dieser Straße überleben sie sowieso nicht.«

Der Mann mit der Machete wurde wütend.

»Nein. Der Junge hat eine Abmachung getroffen.« Dann wandte er sich an Farouz. »Vergiss nicht, was dein Bruder für dich getan hat! Er ist ein tapferer kleiner Mann. Vergiss das nie!«

Ich glaube, deshalb erinnerte Farouz sich daran. Weil der Mann ihm gesagt hatte, dass er es nicht vergessen dürfe.

Danach nahmen die Männer Abdirashid mit auf die andere Seite der Baumgruppe, wo Farouz sie nicht mehr sehen konnte. Farouz hörte seinen Bruder schreien, natürlich hörte er ihn, aber er rührte sich nicht, weil sein Bruder ihm gesagt hatte, er müsse ganz still bleiben, und Abdirashid werde umkommen, wenn Farouz sich aus dem Schatten des Baums entferne, unter dem er stand.

Wenn er diese dunkle Linie überschritt, werde er seinen Bruder verlieren.

Also stand er ganz still dort, während sein Bruder schrie, bis alle Vögel aus den Bäumen flohen.

Später kam Abdirashid ohne die Männer zurück. Farouz sah, dass sein Bruder weinte, aber er hatte auch ein Messer. Es war das Messer, das der Mann aus der Tasche gezogen und ihnen gezeigt hatte. Zuerst fürchtete Farouz, sein Bruder werde mit dem Messer etwas Dummes anstellen, denn in seinen Augen lag ein irrer Glanz wie bei ihrem Vater, wenn er zu viel getrunken hatte, aber Abdirashid steckte das Messer einfach ein.

Was geschah sonst noch auf der Wanderung nach Galkayo? Abdirashid fand Wasser. Farouz erzählte es mir einmal, als wir die Sterne betrachteten. Abdirashid folgte den Spuren der Hyänen, bis er ein Wasserloch erreichte. Er und Farouz tranken, bis ihnen die Bäuche zu platzen drohten. Wahrscheinlich rettete ihnen das Wasser das Leben. Später hörten sie, dass viele Flüchtlinge aus Mogadischu aufgrund des Wassermangels gestorben waren.

Ein anderes Mal sorgte Abdirashid dafür, dass Farouz sich bis Einbruch der Dunkelheit im Unterholz versteckte, statt zur Straße zurückzukehren. Unterdessen kletterte Abdirashid ein Stück entfernt in die niedrigen Äste eines Baums.

»Wenn dir ein Tier nahe genug kommt, rennst du heraus«, sagte er. »Wenn das Tier zwischen dir und mir ist, läufst du auf mich zu. Damit treibst du es zu mir.«

Farouz wartete einige Stunden lang. Er hatte sich hingehockt, und ihm schliefen die Füße ein, aber trotz der Nadelstiche wagte er nicht, sich zu bewegen, weil er sonst die Nachttiere vertrieben hätte. Endlich, als ihm schon die Tränen über die Wangen liefen und er das Gefühl hatte, er könne es keinen Augenblick länger aushalten, tappte eine Hyäne, die anscheinend zum Wasserloch wollte, vor ihm über den hart getrockneten Schlamm.

Man musste sehr verzweifelt sein, um eine Hyäne essen zu wollen.

Farouz wollte sie essen.

Er sprang auf, doch die Beine verkrampften sich, und er stolperte und stürzte. Er fürchtete, Abdirashid werde mit ihm schimpfen, aber die Hyäne lief von selbst in die richtige Richtung. Farouz’ Bruder sprang vom Baum, im Mondlicht blitzte die Klinge.

Also war Abdirashid der Junge, der eine Hyäne getötet hatte, während die alten Geschichten von Hyänen handelten, die Kinder raubten. Er häutete sie und entfachte ein Feuer. Das Fleisch schmeckte widerlich, aber wahrscheinlich rettete ihnen auch dies das Leben.

Später verwandelte Abdirashid sich in einen anderen Jungen. Er trieb sich mit den Piraten herum, obwohl er nicht richtig zu ihnen gehörte. Er trank und nahm Drogen, weil es in Galkayo einen Schwarzmarkt für diese Waren gab, seit sich die Piraten dort aufhielten und durch die Schiffe aus dem Westen westliches Geld erbeuteten.

Er verlor sich. So drückte Farouz es aus. Als sei Abdirashids Körper noch da gewesen, während sein Bewusstsein längst woanders war.

Aber Farouz’ stärkste Erinnerung war der Tag, als Abdirashid mit den Männern weggegangen war, ein Messer ergattert und die Hyäne getötet hatte.

Deshalb brauchte Farouz fünfzigtausend Dollar.

Um seinen Bruder auszulösen.

Weil er zeitlebens nicht wiedergutmachen konnte, was sein Bruder für ihn getan hatte.