EPILOG

Patmos, eine Woche später...

 

Olivia saß am Küchentisch im Haus ihrer Großmutter und wartete nervös darauf, was Yaya sagen würde. Eleni Sotiris starrte fassungslos ins Leere. Man hörte nicht jeden Tag, dass die eigene Enkelin in einen Vampir verliebt war.

Eleni war hocherfreut gewesen, Olivia Anfang Juli plötzlich zu sehen. Sie war noch erfreuter gewesen, dass Olivia nicht mehr für das FBI arbeitete. Aber die letzte Nachricht hatte Eleni so schockiert, dass Olivia fühlte, wie ihre Großmutter einige Minuten lang vollkommen leer wurde.

»Bist du sicher?« Eleni konnte es einfach nicht glauben. »Manche Menschen haben einfach sehr spitze Zähne.«

»Ich bin mir sicher. Ich weiß, es ist ein Schock für dich, aber es ist die Wahrheit.«

Ihre Großmutter nickte. »Ich kann spüren, dass du die Wahrheit sagst.« Ihre Gefühle verdüsterten sich, und Unglaube und Misstrauen wirbelten um sie herum. »Er tut dir aber nicht weh, oder?«

»Nein, er ist ein lieber und sanfter Mann.«

»Wie kann er das sein? Ist er nicht so etwas wie ein Dämon?«

»Nein. Robby lag auf dem Schlachtfeld im Sterben, als sein Großvater ihn verwandelt hat. Er war ein guter, ehrenhafter Mann, und das ist er immer noch. Sein Tod konnte nicht ändern, wer er ist.«

All die Fragen, die Olivia gequält hatten, würde auch Eleni stellen. »Ich dachte, Vampire wären böse.«

»Manche sind es. Ein böser Mensch wird zu einem bösen Vampir. Ich nehme an, er wird dann sogar noch böser. Die ganze zusätzliche Kraft steigt ihm zu Kopf.«

»Dann betet er nicht den Teufel an?«

Dieser Aberglaube hielt sich immer noch hartnäckig. »Nein.

Er ist römisch-katholisch aufgewachsen. Und er sagt, er wäre bereit, griechisch-orthodox zu werden.«

»Oh.« Elenis Aura des Misstrauens lichtete sich. »Das sind gute Nachrichten.«

»Und wir können Kinder bekommen.«

»Was?« Auf diese Nachricht hatte Eleni schon lange gewartet. »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Natürlich heiße ich den jungen Mann in unserer Familie willkommen.«

Olivia atmete erleichtert auf. »Danke. Es wird Robby sehr viel bedeuten, dass du ihn akzeptiert hast.«

Eleni winkte ab. »Ich wusste immer, dass er der richtige Mann für dich ist.«

»Ich dachte, du hast deine Hoffnungen auf Spiro gesetzt.«

Verlegen zuckte Eleni mit den Schultern. »Spiro ist letzten Monat durchgebrannt, um zu heiraten. Und zwar mit Dimitrios.«

Olivia lachte. »Ich treffe mich nach Sonnenuntergang mit Robby am Strand. Ich kann ihn hierher mitbringen, wenn du magst.«

»Natürlich!« Eleni ging eilig an den Kühlschrank. »Was möchte er essen?«

»Er isst nichts, Yaya. Er trinkt jede Nacht synthetisches Blut aus der Flasche.«

»Du meinst, ich muss nichts für ihn kochen?« Eleni schloss die Kühlschranktür mit einem Lächeln. »Das ist perfekt für dich, mein Kind. Ich fürchte, du bist nie eine große Köchin gewesen.«

Olivia umarmte ihre Großmutter. »Danke, dass du es verstehst. Ich wusste, dass ich dir die Wahrheit über Robby nicht verschweigen durfte.«

»Natürlich.« Eleni wackelte mit einem Finger »Ich weiß immer, wann du mich belügst.«

»Wir müssen die Sache natürlich geheim halten. Ich weiß, du tratschst gerne mit...«

»Ich tratsche nicht«, empörte sich Eleni. »Und ich kann ein Geheimnis bewahren. Und jetzt geh zu deinem jungen Mann. Sag ihm, ich erwarte, dass ihr zwei sehr bald hier in meiner Kirche heiratet.«

»Jawohl, Ma'am.« Olivia verließ die Küche und schlenderte über den Hof. Erinnerungen wurden dabei in ihr wach. Hier hatte sie sich zum ersten Mal mit Robby unterhalten, hier hatte ihre Liebe ihren Anfang genommen.

Sie eilte die Treppe hinab und dann den Strand entlang auf Petra zu. Die Sonne stand schon tief am Himmel und verwandelte ihn in Rosa und Gold und bedeckte das Meer mit goldenen Funken.

Die Draganesti-Villa wurde sichtbar. Robby hatte ihr auf ihrem Handy die Nachricht hinterlassen, dass er kurz vor Sonnenaufgang dort angekommen war. Der ganze Tag war also mit Warten vergangen, und nun sollte er bald aus seinem Todesschlaf erwachen. Sie blieb am Strand und sah zu, wie die Sonne hinter dem Horizont verschwand. Es war ein wunderschöner Abschluss für den Tag und ein wunderschöner Anfang für ihr neues Leben.

»Bist du sicher, dass du keine griechische Göttin bist?«, rief Robby ihr plötzlich zu.

Olivia drehte sich um und strahlte ihn an. Er stand auf der Klippe und sah umwerfend wie immer aus. »Ich hätte nichts dagegen, mich anbeten zu lassen.«

Als wäre es gerade mal ein Meter, sprang er voller Eleganz von der hohen Klippe und landete neben ihr. »Ich habe dich vermisst.« Er strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr, die von der Brise gelöst worden war.

»Es ist erst zwei Tage her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.« Dann schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn. »Ich habe meiner Großmutter von dir erzählt.«

»Wie hat sie es aufgenommen?«

»Soweit ich es verstanden habe, könntest du auch ein Außerirdischer aus einer fernen Galaxie sein; solange wir Kinder bekommen können, ist alles egal.«

Das war eine gute Nachricht. »Ich mag deine Großmutter.« Er trat einen Schritt zurück. »Weißt du noch, wie du mir drei Fragen gestellt hast?«

»Ja.«

»Stell sie mir noch einmal.« Er nahm ihre Hand in die seine. »Stell sie noch einmal, und ich werde alle beantworten.«

»Was willst du mehr als alles andere auf der Welt?«

Er drückte ihre Hände. »Ich will dich.«

Ihr Herz weitete sich vor Freude. »Und was fürchtest du mehr als alles andere auf der Welt?«

»Dich zu verlieren.«

»Und wenn du bekommst, was du mehr als alles andere willst, macht dich das zu einem besseren Menschen?«

»Aye, das wird es.« Er kniete sich vor sie hin. »Willst du mich heiraten, Olivia?«

»Ja!« Sie fiel auf die Knie und schlang ihre Arme um ihn. »Ja.«

Er zog sie fest an sich. »Ich liebe dich, Olivia.«

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich liebe dich auch.«

»Ich habe deinen Nachnamen im Wörterbuch nachgeschlagen. Er bedeutet Erlösung. Das warst du für mich. Du hast mich vor einem Leben voller Hass und Rache gerettet. Jetzt bin ich frei.«

Sie legte ihre Hände an sein Gesicht und sah ihm in die funkelnden grünen Augen. »Wir sind gemeinsam frei.«

 

ENDE - Love at Stake 08 - Der Vampir auf dem heißen Blechdach