26. KAPITEL

 

Robby fürchtete, Olivia endgültig zu verlieren, denn er konnte nicht garantieren, dass J. L. seine Verwandlung überlebte. Manchmal stießen menschliche Körper die Veränderung ab, und wenn das jetzt geschehen sollte, war er dafür verantwortlich, ihren Freund umgebracht zu haben.

Und egal, wie es ausging, wäre Olivia nicht in jedem Fall angewidert von dem grausamen Akt, den er begehen musste?

»Macht ihm etwas Platz.« Connor scheuchte die anderen zur Seite.

»Du solltest auf den Flur hinausgehen«, sagte Robby zu Olivia. »Das willst du nicht sehen.«

Sie schüttelte den Kopf, und eine Träne lief ihr die Wange hinab. »Ich lasse ihn nicht allein.«

Am liebsten hätte er sie vom Gegenteil überzeugt, aber es war keine Zeit dafür. Er beugte sich über ihren Freund, schloss die Augen und atmete den Duft seines Blutes tief ein. Der primitive Drang zu beißen war immer in ihm, aber normalerweise hatte er ihn gut unter Kontrolle. Dieses Mal jedoch ergab er sich seinem Blutdurst. Sein Zahnfleisch begann zu kribbeln. Mit einem Zischen sprangen seine Fangzähne hervor.

Er merkte kaum, wie Olivia keuchte. Er versenkte seine Zähne in J. L.s Hals und saugte ihm das Blut aus dem Körper. Statt aufzuhören, ließ er danach seinen Vampirspeichel in die Wunde tropfen.

Angus hatte ihm den Prozess beschrieben, aber Robby hatte noch nie Gelegenheit gehabt, ihn selbst anzuwenden. Er konnte nur hoffen, dass er es richtig machte. Wenn er das tat, würde J. L. sich dem Tod widersetzen und in ein vampirisches Koma fallen.

»Du hast es geschafft, Lad.« Angus legte ihm seine Hand auf die Schulter. »Er liegt im Koma.«

Erleichtert lehnte Robby sich zurück. Als er zu Olivia blickte, riss sie erschrocken ihre Augen auf. So ein Mist. Seine Fangzähne waren noch ausgefahren. Sie sah wirklich angewidert aus. Er wischte sich das Blut vom Mund und konzentrierte sich darauf, seine Zähne verschwinden zu lassen.

»Was geschieht jetzt?«, fragte sie.

»Er wacht entweder aus dem Koma auf, oder er stirbt.« Für Angus war die Prozedur nichts Besonderes, und seine Erklärung fiel dementsprechend sachlich aus. »Gib ihm einige Augenblicke, sich an alles zu gewöhnen, ehe du weitermachst.«

Im Raum wurde es bis auf das Stöhnen der verwundeten Gefangenen still.

»Ich muss einen Krankenwagen rufen«, sagte Barker.

»Noch nicht.« Angus hielt den Mann zurück. »Wir müssen warten, bis Whelan sich um die Sache kümmert.«

»Wir sollten ihre Erinnerungen löschen, ehe sie zurück ins Gefängnis gehen«, sagte Connor.

Barker trat in einen Staubhaufen. »Einige dieser toten Vampire waren Gefangene. Warum haben sie sich nicht fortteleportiert, wie die Malcontents?«

»Sie waren gerade erst verwandelt«, erklärte Emma ihm. »Sie haben noch nicht gelernt, wie man sich teleportiert. Ich bezweifle, dass ihnen diese Gabe überhaupt bewusst war.«

Robby atmete tief ein. Zeit für den nächsten Schritt. Er zog seinen Dolch aus der Hülle an seiner Wade.

»Was machst du jetzt?« Olivia beobachtete ihn gebannt.

»Ich muss ihn füttern.« Robbys Augen füllten sich mit Tränen. »Wenn er mein Blut abstößt, stirbt er. Dann habe ich ihn umgebracht.«

Sanft berührte Olivia Robbys Arm. »Was auch immer geschieht, es wird nicht deine Schuld sein. Du hast getan, was du konntest.«

»Versuchst du immer noch, mich zu therapieren?« Er atmete schwer, als er sich den Arm aufschlitzte. Blut quoll aus der Wunde. Er legte J. L. seinen Arm an den Mund.

Nichts geschah. Bluttropfen rannen J. L.s Wange hinab.

»Komm schon, Lad.« Robby hielt seinen verwundeten Arm dicht an J. L.s Nase, damit er den Duft wahrnehmen konnte.

Mit einem Mal blähten sich J. L.s Nasenlöcher.

»So ist gut.« Robby hielt seinen Arm über J. L.s Mund. Bluttropfen landeten auf seinen geschlossenen Lippen. »Trink, Lad.«

Olivia beugte sich vor. Auf ihren Wangen glänzten Tränen. »J. L., bitte, wenn du mich hören kannst, du musst trinken.«

Mehr Tropfen ergossen sich auf J. L.s Mund und färbten seine blassen Lippen rot. Sein Mund öffnete sich.

»So ist gut.« Robby presste seine Wunde an J. L.s Mund.

J. L.s ganzer Körper bebte. Plötzlich packte er Robbys Arm und fing an, zu saugen.

»Es funktioniert.« Überglücklich beobachtete Robby den Mann. Er hatte J. L. nicht verloren.

Wenn ihm das nur auch mit Olivia gelang.

****

Olivia hockte am Rand des Bettes, in dem J. L. sich ausruhte. Robby hatte sie zurück zu Romatech teleportiert, und Angus hatte J. L. mitgenommen. Sie hatten ihn in einem der Schlafzimmer im Keller untergebracht.

Vorsichtig wischte sie das Blut von J. L.s Hals ab. Zu ihrem größten Erstaunen heilten die Wunden tatsächlich. Robby hatte ihr erklärt, dass der Körper eines Vampirs im Todesschlaf vollkommen heilen konnte.

Robby und Angus hatten sich zurück nach Kansas City teleportiert, um Jagd auf Casimir zu machen und sicherzustellen, dass Whelan für die Bereinigung der Sache in der Lagereinheit sorgte.

Als sie mit J. L. allein war, erinnerte Olivia sich daran, wie schwierig die Verwandlung für Robby gewesen war. Er hatte körperliche und emotionale Schmerzen durchlitten. In seinen Augen hatten Tränen geglänzt. Würde er sie eines Tages der gleichen Prozedur unterziehen müssen?

Sie schlüpfte in Robbys Schlafzimmer nebenan und duschte dort. Dann kramte sie in seiner Kommode nach etwas, das ihr nicht gleich wieder vom Leib fiel. Sie fand schließlich ein Paar Pyjamahosen, die man in der Taille fester binden konnte. Dazu nahm sie sich ein T-Shirt, das ihr bis zu den Oberschenkeln reichte.

Fertig angezogen, ging sie zurück zu J. L., um ihm Gesellschaft zu leisten. Er lag immer noch im Koma, war sich also ihrer Gegenwart nicht bewusst, aber sie musste einfach bei ihm sein.

Eine Stunde später betrat Robby plötzlich das Zimmer. »Ich habe dir etwas zum Anziehen aus deiner Wohnung mitgebracht.« Seine Mundwinkel begannen zu zucken, als er sah, dass sie sich bereits umgezogen hatte.

»Tut mir leid.« Sie zupfte an dem viel zu großen T-Shirt. »Ich habe mich bei dir bedient.«

»Sieht an dir besser aus als an mir.« Er trat an den kleinen Kühlschrank, um eine Flasche Blut herauszunehmen. »Morgen Nacht, bei Sonnenuntergang, musst du mit einem Glas warmem Blut für J. L. an seiner Seite sein.«

Robby stellte seine Flasche in die Mikrowelle. »Im Grunde solltest du lieber mehrere Gläser bereitstellen. Er wird furchtbar hungrig aufwachen und ist vielleicht versucht, dich anzuspringen.«

Armer J. L. Er würde einen furchtbaren Schock erleiden, wenn er aufwachte.

»Ich wache direkt nebenan auf.« Robby zog die Flasche aus der Mikrowelle. »Dann komme ich sofort her.«

»Danke, dass du ihn gerettet hast.«

Nachdenklich betrachtete Robby den jungen Mann. »Es gefällt ihm vielleicht nicht, untot zu sein.«

»Es ist besser als tot.« Sie hockte sich wieder auf das Bett neben J. L.

Robby nahm einen langen Zug aus seiner Flasche. »Es gibt eine Möglichkeit, Vampire zurück in Sterbliche zu verwandeln, aber der Prozess ist sehr gefährlich.«

»Du... du könntest wieder sterblich werden?«

»Nay.« Er setzte sich in den Sessel. »Man braucht dazu eine Probe von deinem Blut und originale DNA aus menschlichen Zeiten.« Er deutete auf J. L.s blutbefleckte Kleidung. »Von J. L. haben wir beides, aber für uns Urgesteine ist es unmöglich, so etwas zu bekommen.«

»Oh.« Hoffentlich bemerkte er ihre Enttäuschung nicht.

Sein Blick war voller Sehnsucht. »Ich fürchte, du musst mich so nehmen, wie ich bin.«

Darauf lief alles hinaus. Konnte sie ihn so nehmen, wie er war? Konnte sie die Konsequenzen akzeptieren, auch wenn es letztendlich bedeutete, dass auch sie eines Tages vielleicht zum Vampir werden musste?

»Wie ist es bei dir passiert?«

Robby nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche. »Ich war ein Soldat, damals, 1746. Dougal und ich haben auf der Seite von Bonnie Prince Charlie für das Ende der englischen Tyrannei gekämpft. Wir lagen auf dem Schlachtfeld von Culloden im Sterben, als die Sonne unterging. Ich bin immer wieder bewusstlos geworden. Ich dachte, ich bilde es mir ein, als eine Stimme mich gefragt hat, ob ich weiterleben will, um gegen das Böse zu kämpfen.«

»Und du hast Ja gesagt.«

»Aye.« Robby trank noch etwas. »Angus war es, der gefragt hat. Mir ist damals nicht klar gewesen, auf was ich mich einlasse. Ich wusste nur, dass ich nicht sterben will.«

»Natürlich nicht.« Olivia war klar, dass jeder so gehandelt hätte wie Robby.

»Angus hat mich verwandelt, und Connor hat sich um Dougal gekümmert.« Robby trank die Flasche leer und stellte sie auf den Tisch.

Das war wieder typisch Mann. Robby spielte den Macho und verschwieg dabei den Schmerz und die Angst, die er empfunden haben musste. »Ich nehme an, damals musstest du noch Menschen beißen?«

»Aye, aber ich habe mir Mühe gegeben, nie jemandem wehzutun. Ich habe versucht, auf meine Farm zurückzukehren, aber ich konnte sie nur nachts bebauen. Und meine Frau...«

»Deine was?« Olivia erstarrte.

Er presste seine Lippen zusammen. Nur wenige Freunde wussten davon. »Ich hatte eine Frau und eine Tochter. Sie fand meine neue Existenz abstoßend. Mavis hat meinem kleinen Mädchen eingetrichtert, vor mir davonzulaufen, aus Angst, ich könne sie beißen.«

»Das tut mir so leid.« Olivia brauchte keine empathische Gabe, um zu wissen, dass Robby darunter sehr gelitten haben musste.

»Dann habe ich erfahren, dass Mavis mich für tot erklärt hat. Ich musste mich tagsüber ja in einer Höhle verstecken, um in meinen Todesschlaf zu fallen. Sie hat einen anderen Mann geheiratet. Einen verdammten englischen Soldaten.«

Jetzt fügte sich einiges zusammen. »Deswegen ist dir Treue so wichtig, nicht?«

Robby hob eine Augenbraue. »Machst du wieder einen auf Therapeut?«

»Ich versuche nur, dich zu verstehen.« Sie verstand nun, warum er es so sehr hasste, hintergangen zu werden.

Er sah an seinem blutbefleckten T-Shirt hinab. »Ich muss mich frisch machen. Ich bin gleich wieder da.« Mit eiligen Schritten lief er aus dem Zimmer.

In der Zwischenzeit dachte Olivia über seine Geschichte nach. Er hatte nicht darum gebeten, zum Vampir zu werden. Er hatte nur am Leben bleiben wollen. Und er benutzte sein verlängertes Leben, um gegen das Böse zu kämpfen. Es war nicht zu leugnen, dass Robby ein guter, ehrenhafter Mann war.

Und sie liebte ihn.

Sie konnte es nicht ertragen, ihn durch ihre Zurückweisung zu verletzen. Sie konnte nicht zulassen, dass er sich von Neuem fortgestoßen fühlte.

Langsam stand sie aus ihrem Sessel auf. Ja, sie würde ihn akzeptieren. Und sie würde ihn lieben, egal wie hoch der Preis dafür war.

Leise ging Olivia in sein Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich ab. Im Badezimmer hörte sie die Dusche. Ein kurzer Blick hinauf zur Überwachungskamera zeigte ihr, dass sie noch ausgeschaltet war. Dann schlich sie sich ins Badezimmer.

Robby war gerade dabei, sich einzuseifen. Rinnsale von seifigem Wasser flossen seinen Rücken und seinen festen Hintern hinab. Sie konnte alles genau durch die glasklaren Scheiben der Duschabtrennung sehen.

Sie seufzte.

Als Robby sie bemerkte, weiteten sich seine Augen vor Erstaunen. Dann öffnete er die Tür der Duschkabine einen Spalt. »Bist du nur wegen der Aussicht hier, oder brauchst du etwas?«

Mit einem Lächeln zog sie sich das übergroße T-Shirt über den Kopf und ließ es auf den Boden fallen. »Ich brauche etwas.« Sie zog an dem Band, mit dem die Pyjamahose um ihre Taille gehalten wurde. »Ich brauche dich.«

Mit geschlossenen Augen lehnte er sich in den Strahl der Dusche zurück und drehte ihn dann aus. Als er seine Augen wieder öffnete, lag ein rötlicher Schimmer darin. »Olivia, das ist kein Spiel. Wenn ich dich nehme, lasse ich dich nie mehr gehen.«

»Gut.« Sie schob sich die Flanellhose über die Hüften und ließ sie fallen. »Weil ich dich auch nie mehr gehen lasse.«

Schnell sprang Robby aus der Dusche und nahm sie in seine Arme.

Sie lachte. »Du bist ganz nass.«

»Das wirst du auch bald sein.« Er trug sie ins Schlafzimmer und sprang ins Bett. »Weißt du, wie sehr ich dich liebe?« Überglücklich küsste Robby ihre Stirn und ihre Wangen.

»Ungefähr so sehr, wie ich dich liebe.«

Ihre Lippen fanden schnell zueinander. Olivia öffnete ihren Mund und liebkoste seine Zunge mit der ihren. Sie drang in ihn ein und prüfte die Schärfe seiner Fangzähne mit ihrer Zungenspitze.

Er wich zurück. »Pass auf damit.«

»Ich will nicht mein ganzes Leben Angst vor dir haben. Und du musst nicht mehr in meine Kissen beißen.«

Fassungslos starrte Robby sie an. »Soll das heißen, du hättest nichts gegen einen kleinen Biss ab und an?«

»Das kommt darauf an, wo.« Olivia war selbst erstaunt über ihren Mut.

»Oh, aye.« Zärtlich berührte er ihre Brüste und strich mit dem Daumen über eine der Brustwarzen. »Es gibt Stellen, die ich niemals verletzen würde.«

Seine Berührung löste ein Beben in ihr aus, und ihre Brustwarze richtete sich auf.

»Sieh dir das an. Gibt es einen schöneren Anblick?« Er beugte sich vor und saugte ihre Brustwarze in seinen Mund.

Schauer der Erregung liefen ihr über Arme und Beine. Zwischen ihren Beinen sammelte sich Hitze, und ihre Mitte schmerzte vor Verlangen.

»Robby.« Es konnte nichts schaden, ihn ein wenig anzutreiben, dachte Olivia erwartungsvoll.

»Willst du mich hetzen?« Er küsste sie vom Hals bis zu ihrem Bauch hinab.

»Ja. Ja, das will ich.« Sie schlang ihre Beine um ihn.

Er fuhr mit der Hand zwischen ihre Beine. »Weißt du, was passiert, wenn du einen Vampir zur Eile antreibst?«

»Ich... nein.« Sie schloss die Augen und genoss die langsame sanfte Erkundungstour seiner Finger.

»Vielleicht bewege ich mich dann in Vampirgeschwindigkeit.« Plötzlich rieben seine Finger sie so schnell, wie es nur ein Vibrator konnte.

»Du meine Güte. Das ist... das ist...«

Hemmungslos bäumte sie sich ihrem Höhepunkt entgegen.

»Du liebe Zeit...« Sie presste eine Hand auf ihre Brust und rang nach Atem.

Es schien ihm sehr zu gefallen, dass sie so heftig auf ihn reagierte. »Also, sollen wir vielleicht ein klein wenig langsamer machen?«

»Du Schuft«, hauchte sie. »Du bist in jeder Geschwindigkeit gut.«

Sein Lächeln war so verführerisch. Robby beugte sich nach unten, bis er ganz nah an ihrer Mitte war, und setzte die Erkundung mit seiner Zunge fort, diesmal jedoch wieder in einem langsamen Tempo.

Sie stöhnte und wand sich im Takt seiner Bewegungen. Dieses Mal überkam sie der Höhepunkt ohne Vorwarnung. Er war ein plötzliches, tiefes und intensives Pulsieren, das ihren ganzen Körper durchfuhr und immer weiter andauerte.

Sie war so empfindlich, dass sie, als er in sie eindrang, sofort noch einmal kam. Und sie wollte mehr. Sie konnte nicht genug von Robby bekommen. Sie schlang ihre Beine um ihn und hob sich jedem seiner harten Stöße entgegen. Die Geschwindigkeit, mit der er in sie eindrang, nahm zu, wurde ungestüm, wild.

Als seine Zunge über ihren Hals leckte, entzündete er in ihr eine Flamme der Lust, und mit einem Aufschrei kamen sie gemeinsam. Als ihre Mitte sich um Robby zusammenzog, spürte Olivia ein leichtes Stechen an ihrem Hals.

Nachdem ihr Atem und ihr Herzschlag sich beruhigt hatten, wurde ihr klar, was geschehen war. »Hast du mich gebissen?«

»Nur ein wenig.« Er leckte die Wunde, und sie schauderte. »Ich musste es einfach tun, es ist wie eine Markierung. Du gehörst jetzt mir.«

Sie zog ihn fest an sich. »Ich werde immer dir gehören.«